Martenstein über Buschkowskys Buch: Wenn ich verprügelt werde, ist das kein großes Ding

Die Rassismus-Vorwürfe gegen Heinz Buschkowsky und sein Buch kotzen mich an, schreibt Kolumnist Harald Martenstein. Er berichtet, wie ihn einst zwei junge Männer mit türkischem Akzent achtmal ohrfeigten und fragt: Wieso fühlen sich manche Menschen mit Migrationshintergrund persönlich angegriffen, wenn man Geschichten aus dem Leben erzählt?


Vor einigen Jahren ist es mir passiert, dass ich auf dem Nachhauseweg von zwei jungen Männern, etwa achtzehn, angehalten wurde, nachts in Charlottenburg. Stuttgarter Platz, da wohnte ich halt. Sie haben nach Zigaretten gefragt, ich hatte nur noch eine. Dann haben sie mir abwechselnd links und rechts Ohrfeigen gegeben und dabei gelacht, ich glaube, es waren ungefähr acht Ohrfeigen. Die Brille ist dabei kaputtgegangen. Als ich um Hilfe geschrieen habe, sind sie weggegangen. Nicht schnell, sondern schön langsam, im Triumph. Natürlich bin ich nicht zur Polizei gegangen.

Was soll das bringen? Ich geniere mich ja sogar, es zu erzählen. Die Männer hatten einen türkischen Akzent. Weil ich das erwähne, gerate ich natürlich in den Verdacht, ein Rassist zu sein, und Renan Demirkan mag mich nicht mehr. Es tut mir sehr leid, dass mir so was passiert ist, verprügelt zu werden. Ich entschuldige mich dafür. Ich habe von da an besser aufgepasst.

Wenn ich Jude wäre, dann wären die Prügel, die ich bekommen habe, der Beweis für den wachsenden Antisemitismus. Wenn ich Ausländer wäre, und die Täter wären deutsch gewesen, würden die Prügel den deutschen Rassismus beweisen. Weil ich aber weder das eine noch das andere bin, sind diese Prügel der Beweis für gar nichts. Sie sind kein großes Ding.

Mein Sohn und seine Freunde vermeiden es, bei Dunkelheit in die Nähe des Kottbusser Tores zu gehen. Sie sehen zu deutsch aus.

Die Wahrscheinlichkeit, dass man sein Handy oder sein Geld los wird oder eins in die Fresse kriegt, ist, wie die Jungs sagen, einfach zu groß. Da nimmt man lieber eine andere U-Bahnstation, läuft etwas weiter, kein Ding. Auch bestimmte Klubs meidet man besser, als Blonder. Und wer’s nicht glaubt, soll’s einfach mal ausprobieren.

Die Rassismus-Vorwürfe gegen Heinz Buschkowsky und sein Buch kotzen mich an. Ich rede so drastisch, weil gerade die Erinnerung an diese Ohrfeigen in mir hochgestiegen ist. Klar, ein bisschen demütigend war das schon. Buschkowsky ist kein Sarrazin, man findet bei ihm kein rassistisches Wort. Er mag Menschen.

Natürlich sind „nicht alle so“, natürlich gibt es „soziale Ursachen“, natürlich tun andere Leute auch unschöne Dinge, und so weiter. Alles richtig. Aber wieso fühlen sich eigentlich manche Menschen mit Migrationshintergrund persönlich angegriffen, wenn man Geschichten aus dem Leben erzählt? Für mich ist das so, als fühle sich ein Deutscher persönlich angegriffen, wenn man etwas gegen Neonazis sagt. Da gibt es auch soziale Ursachen.

Ich entschuldige mich nochmals bei allen, die sich durch meine Schilderung verletzt fühlen könnten, und für die Ohrfeigen, die ich von diesen wunderbaren, sympathischen jungen Männern bekommen habe.

Quelle:  Tagesspiegel, 1.10.2012