Die Toleranz im islamischen Spanien ist ein Mythos

Professor Francisco Garcia Fitz


Es bleibt eine verlockende Idee: eine tolerante Gesellschaft, in der Völker mit verschiedenen Sitten, Sprachen und Religionen friedlich zusammenleben. Gerade in unserer Zeit hat sie eine außerordentliche Anziehungskraft. Dabei herrscht die weit verbreitete Vorstellung, daß sich im mittelalterlichen Spanien eine solche geradezu ideale multikulturelle und gemischtreligiöse Gesellschaft herausgebildet habe, in der drei Kulturen, die christliche, die muslimische und die jüdische, in relativer Harmonie zusammenlebten. Dort habe es, anders als im homogenen (gleichgesinnten) und monolithischen (einheitlichen) christlichen Europa nördlich der Pyrenäen, Toleranz und Verständnis füreinander gegeben.

Nicht wenige Politiker und Intellektuelle sehen darin ein Modell, um den wachsenden Problemen der Integration von Einwanderern aus anderen Kulturkreisen zu begegnen. Obwohl es Ansätze dafür auch in den christlichen spanischen Reichen gegeben hat, glaubt man dieses geradezu idyllische Profil vor allem im muslimischen (süd-spanischen) Andalusien vorzufinden. Doch diese Vorstellung einer Gesellschaft dreier verschiedener, sich gegenseitig respektierender Kulturen ist ein Mythos, ein Gemeinplatz, der nicht der historischen Realität entspricht.

Auf den ersten Blick deutet manches im mittelalterlichen Spanien tatsächlich auf eine „convivencia“ (ein friedliches Zusammenleben) zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen hin. Die politische Struktur im muslimischen Spanien ermöglichte es Christen und Juden, ihre Identität auch unter muslimischer Herrschaft zu bewahren. Eine gewisse Teilhabe der Unterworfenen an den Geschicken des Landes innerhalb der muslimischen Verwaltung war weiterhin möglich. Diese Haltung gegenüber den religiösen Minderheiten basierte auf dem Koran, der Muslimen vorschreibt, die Mitglieder der monotheistischen Religionen (Christentum und Judentum) zu respektieren. Christen und Juden galten somit als geschützte Minderheiten, als sogenannte „Dhimmis“.

Der politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Status der Christen und der Juden in al-Andalus war aber dennoch von Ausgrenzung und Minderwertigkeit geprägt. Entscheidende Positionen, beispielsweise Führungsaufgaben im Heer oder in der politischen Administration, blieben Christen und Juden verwehrt. Wenn gegen diese Regel verstoßen wurde, kam es mitunter zu Protesten der muslimischen Bevölkerung, die zur Absetzung, manchmal sogar zum Tod des Emporkömmlings führen konnten. Insbesondere das Steuerrecht spiegelte die gesellschaftliche Benachteiligung wider: Christen und Juden zahlten spezifische Steuern (die Dschizya = Tribut oder Kopfsteuer), eine Individualsteuer, und eine Grundsteuer, die sehr viel drückender waren als diejenigen Steuern, die den Muslimen auferlegt waren.

Hinzu kamen allerlei Herabsetzungen und Schikanen. So war es den christlichen und jüdischen Gemeinden verboten, ihre Religion öffentlich sichtbar auszuüben z.B. durch das Läuten der Glocken und das Abhalten von Prozessionen oder durch den Bau neuer Gotteshäuser. Strikt verboten war ihnen, ihre Ansichten über Religion öffentlich zu äußern. Kleidervorschriften dienten dazu, die „Dhimmis“ in der Öffentlichkeit eindeutig von den Muslimen zu unterscheiden.

Unklar ist, ob diese Bestimmungen in der Zeit des Kalifats (929-1031) durchgesetzt wurden. Doch für das 12. Jahrhundert ist belegt, daß Christen und Juden einen Gürtel, den sogenannten „Zunnar“, tragen mußten, während den Juden im islamischen Granada eine gelbe Mütze oder eine andere gelbe Kennzeichnung sowie besondere Kleidung vorgeschrieben war. Jede auch nur äußerliche Unterordnung eines Muslimen gegenüber einem Christen oder Juden war verboten, wie sich auch Christen und Juden keinerlei Zeichen eines höheren Ranges wie z.B. Waffentragen oder auf einem Pferd Reiten anmaßen durften. Ehen zwischen muslimischen Männern und christlichen Frauen waren erlaubt, aber die Kinder dieser Verbindung galten als Muslime. Umgekehrt war die Ehe zwischen einem christlichen Mann und einer muslimische Frau untersagt. Es ließen sich weitere Beispiele für diskriminierende Sanktionen und entehrende Bilder aufzählen. Manchmal wurden Christen und Juden mit Aussätzigen verglichen.

Auch wenn viele dieser diskriminierenden Gesetze nicht strikt befolgt wurden: Die pure Existenz dieser Vorschriften zeugt von einem grundsätzlichen Mißtrauen, von Geringschätzung, Feindseligkeit und Vorurteil der Muslime gegenüber dem „Anderen“ (Ungläubigen). Während der Herrschaft der nordafrikanischen Almoraviden und Almohaden über das muslimische Spanien im 11. und 12. Jahrhundert mündete diese Grundhaltung sogar in Zwangsbekehrungen, in Deportationen (Verbannung, Ausweisung) und in massenhaften Emigrationen (Flucht, Auswanderung) in das (nord-spanische) christliche Spanien (Asturien).

Als weiteres Argument für die Vorstellung, daß es im mittelalterlichen Spanien eine tolerante und offene Gesellschaft gegeben habe, gelten die Kulturleistungen. Zwischen iberischen Christen und Muslimen, und in geringerem Umfang zwischen diesen und der jüdischen Bevölkerung, hat es einen intensiven kulturellen Austausch gegeben. Dazu gehören der fruchtbare Einfluß des Arabischen auf die kastilische Sprache sowie der Einfluß der islamischen Kunst auf die christliche, der zu einer eigenen Kunstrichtung führte, dem sogenannten „Mudejar-Stil“. Doch es ist ein Irrtum, kulturellen Austausch mit „convivencia“ (friedlichem Zusammenleben) und Toleranz gleichzusetzen. Gleichheit oder Respekt sind dafür keine zwingende Voraussetzung. Die Herrschaft einer Gemeinschaft über eine andere, die Marginalisierung (Ausgrenzung), Intoleranz oder sogar Verfolgung und Versklavung einer Gruppe (der Juden und Christen) waren niemals ein Hindernis für kulturellen Austausch.

Ähnlich verhält es sich mit den Institutionen, die im mittelalterlichen Spanien einer friedlichen Lösung von Konflikten zwischen den Nachbarn verschiedener Religion auf beiden Seiten der Grenze dienten. Denn wir dürfen nicht die wahre Natur der Beziehungen verkennen, die jene Institutionen zu normalisieren versuchten: Wenn es friedliche Vermittlungsinstanzen gab, dann eben deshalb, weil Aggression, Raub, Verschleppung und Versklavung sowie Mordtaten an der Tagesordnung waren. Von daher erscheinen jene Institutionen viel weniger ein Argument für die Existenz guter nachbarschaftlicher Beziehungen, als vielmehr für die gewalttätige Natur der Beziehungen, die sie zu regeln versuchten.

Nicht zuletzt waren die Weltanschauungen, die auf beiden Seiten den kriegerischen Zusammenprall rechtfertigten und belebten, der Djihad (Heilige Krieg) auf der islamischen und die „Reconquista“ (die Rückeroberung des christlichen Spanien) auf der christlichen Seite, totalitäre Konzeptionen, die darauf angelegt waren, den Feind zu zerstören und nicht darauf, mit ihm zu paktieren oder zusammenzuleben. Die militärischen Unternehmungen des cordobesischen Herrschers Almanzor im 10. Jahrhundert oder die Djihad-Expeditionen der fundamentalistischen Almoraviden und Almohaden im 12. Jahrhundert gegen die christlichen Gebiete waren eine Entsprechung zu den Kreuzzügen der Christen in ihrem Kampf gegen den Islam.

Aus alledem läßt sich schließen, daß die Beziehungen zwischen Christen, Muslimen und Juden in ihrer Gesamtheit kaum von Toleranz zeugen, zumindest nicht im Sinne des Verständnisses, das wir heutzutage von diesen Konzepten haben. Unbestreitbar hat es kulturelle Anleihen und Einflüsse und friedliche wirtschaftliche Beziehungen gegeben, aber keine Beziehungen auf der Basis von Gleichheit und voller Akzeptanz der Unterschiede. Die Koexistenz (das friedliche aber unabhängige Nebeneinander) der verschiedener Gemeinschaften war relativ, denn zugleich wurden die persönlichen, familiären und politischen Kontakte zwischen ihnen immer wieder behindert oder sogar verhindert.

Vor diesem Hintergrund wirkt die idyllische Vorstellung eines muslimischen Spaniens als Treffpunkt dreier Kulturen eher wie die Antwort auf ein aktuelles Bedürfnis. Die Modelle für interkulturelle Beziehungen, die unsere Gesellschaft benötigt, sollten nicht im Mittelalter gesucht werden. Denn was man dort findet, ist die Kehrseite: eine Politik der Ausgrenzung, die schließlich in Gewalt und Vertreibung mündete.

Der Autor ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität von Extremadura in Cáceres (Spanien). Übersetzung: Alexander Bronisch.

Quelle: Welt, 1.6.2006
 und mit Kommentaren

Al Andalus – Das Land, wo Blut und Honig floss

Eugen Sorg

Jede Zeit, jede Kultur, ja jede soziale Gruppe schafft sich Mythen, in denen sie sich ihrer selbst vergewissert. Herkunftslegenden, Seinsparabeln, kleiner Aberglauben und grosse Vorsehung laden die kalte Zufälligkeit der Existenz mit Sinn auf, ordnen das Weltchaos in Gut und Böse und verwandeln Menschenhaufen in Gemeinschaften mit Seele und Tradition. Mythen sind wie magische Spiegel, die dem Betrachter jenes Bild zurückwerfen, das er von sich und seinesgleichen haben möchte. 

Einer der Lieblingsmythen der gebildeten Stände des Westens ist derjenige vom Glanz und Niedergang des maurischen Spanien. Die fast achthundert Jahre dauernde Epoche von al-Andalus, wie die Halbinsel von ihren arabischen Bewohnern genannt wurde, gilt als goldenes Zeitalter der Wissenschaften und der Künste und der christlich-jüdisch-islamischen Harmonie – unter dem Schutz eines toleranten, milden, von Vernunft durchwalteten Islam. «Für einen kurzen historischen Moment», schwärmt etwa der Herausgeber von «Das Wunder von al-Andalus», einer jüngst publizierten Sammlung arabischer und hebräischer Gedichte aus dem maurischen Spanien, «wurde der Traum von einem friedlichen Miteinander Wirklichkeit.» Ein Traum, der 1492 mit dem Abschluss der inquisitorisch-katholischen Reconquista Granadas und der Vertreibung der Muslime und Juden aus Spanien wieder ausgelöscht worden sei. 

Die Erfindung des muslimischen Spanien als Ort überlegenen Menschtums findet vor 250 Jahren in der Aufklärung statt und wird bis heute in unzähligen Versionen erneuert. Immer bedienen diese die Interessen der jeweiligen Zeit. Der sklerotisch erstarrten katholischen Kirche wird von den französischen Aufklärern eine idealisierte, gleichsam deistisch geläuterte islamische Gegenwelt ohne Papst, Dogma oder Scheiterhaufen vorgehalten. Wie der Rousseausche edle Wilde wird auch die Figur des edlen Muslim oder Orientalen von Pierre Bayle, Montesquieu, Voltaire und anderen zum zivilisa-tionskritischen «Tugendmodell und Beschämungsinstrument» (Siegfried Kohlhammer) ausgeformt. In Herders pädagogisierender Menschheitsutopie schliesslich erscheinen die Hispano-Araber als «Lehrer Europas», die mit dem «orientalischen Genius», mit dem «hellen Licht» ihrer Kultur die abendländische «Dunkelheit» beendet hätten. 


Die Romantik wiederum mit ihrer Sehnsucht nach Vergangenem und Verwunschenem findet in den maurischen Überlieferungen und Legenden ein ideales Dekor für Geschichten von Ritterlichkeit, Ehre und selbstloser Liebe. Chateaubriand («Le dernier Abencérage», 1826) und Washington Irving («Tales of the Alhambra», 1832) lösen mit ihren Büchern einen «Granada- und Alhambra-Kult» aus, in dessen Folge ein nicht mehr abbrechender Kulturtourismus mit entsprechenden Reiseberichten entsteht. Noch 1912 lässt sich zum Beispiel Rainer Maria Rilke in einem Brief aus Spanien vernehmen: «Übrigens müssen Sie wissen, ich bin seit Córdoba von einer beinah rabiaten Antichristlichkeit, ich lese den Koran, er nimmt mir, stellenweise, eine Stimme an, in der ich so mit aller Kraft drinnen bin, wie der Wind in der Orgel.» 

Paläste, Gärten und Gewalt

Der Orientalist Bernard Lewis hat bemerkt, dass der «Mythos spanisch-islamischer Toleranz besonders von jüdischen Gelehrten gefördert wurde, denen er als Stock diente, um ihre christlichen Nachbarn zu schlagen». Einer der Hauptgründe dafür war die lang anhaltende Weigerung des christlichen Europa, die Emanzipation der Juden anzuerkennen. Jüdische Intellektuelle führten dagegen den historischen Musterfall von al-Andalus ins Feld, «jene schöne und unübertroffene Zivilisation», wie der englische Staatsmann und Schriftsteller Disraeli mit mahnendem Unterton lobpries («Coningsby», 1844), in der «die Kinder Ismaels (die Araber) die Kinder Israels mit gleichen Rechten und Privilegien belohnten. Während dieser seligen Jahrhunderte fällt es schwer, die Gefolgsleute Mose von den Anhängern Mohammeds zu unterscheiden. Beide erbauten sie Paläste, Gärten und Brunnen, versahen gleichberechtigt die höchsten Staatsämter, konkurrierten in einem in die Ferne reichenden und aufgeklärten Handel und wetteiferten miteinander an berühmten Universitäten.» 

Und in den letzten Jahren schwingt bei der Erwähnung von al-Andalus ein beschwörender Klang mit. Die pazifistischen Eliten Europas sind verschreckt, verwirrt und beleidigt durch nicht enden wollende Gewalt und Krieg im Nahen Osten und durch das Vordringen islamischen Terrors in die eigenen Städte. «Nur Öffnung, nur Kontakt ist fruchtbar», ruft der erwähnte Herausgeber der Gedichtsammlung einer imaginären Öffentlichkeit unter Verweis auf das märchenhafte Maurenreich zu, «Abkapselung und Kampf sind tödlich. Die Symbiose von arabischer und hebräischer Sprachkultur, von muslimischem und jüdischem Geist bringt Wunder hervor – ihre Konfrontation kann nur Ungeheuer gebären. Das ist die Lektion von al-Andalus; sie ist bis heute folgenlos geblieben, in Spanien und überall sonst, zum Schaden der Menschheit.» 

Einen Mythos erkennt man nicht in erster Linie am gehobenen, hymnischen Ton, sondern vor allem an der Hartnäckigkeit, mit der er Realität und Zeit widersteht. So ignorieren die maurophilen Verklärungen und die damit einhergehenden Verdammungen der christlichen Intoleranz systematisch, dass sich die arabische Dominanz in Spanien einer kriegerischen Invasion und gewaltsamen Herrschaftssicherung verdankte. Nach einem Verrat des byzantinischen Exarchen von Ceuta hatte im Jahre 711 ein arabisches Heer unter Führung des Berberkommandanten Tarik nach Gibraltar (Dschabal al-Tarik, der Felsen des Tarik) übergesetzt und kontrollierte kurze Zeit darauf grosse Teile Spaniens. Es war der westlichste Teil des islamischen Imperiums, das sich von Lissabon bis an den Indus erstreckte. Nur hundert Jahre hatten die Nachfolger des 632 gestorbenen Glaubensstifters Mohammed gebraucht, um das gewaltige Gebiet zu erobern. 

Von al-Andalus aus lancierten arabische Truppen und Banden regelmässige Razzien (al-ghazw, arab. der Raubzug) bis tief ins Hinterland der christlichen Barbaren. Sie plünderten sich wiederholt durch das Rhonetal, terrorisierten Südfrankreich, besetzten Arles, Avignon, Nîmes, Narbonne, welches sie 793 in Brand setzten, verwüsteten 981 Zamora und deportierten 4000 Gefangene. Vier Jahre darauf brannten sie Barcelona nieder, töteten oder versklavten sämtliche Bewohner, verwüsteten 987 das portugiesische Coimbra, welches daraufhin sieben Jahre lang unbewohnt blieb, zerstörten León mitsamt Umgebung. Verantwortlich für letztere Operationen war der Amiriden-Herrscher al-Mansur, «der Siegreiche» (981–1002), bekannt geworden dafür, dass er alle philosophischen Bücher, deren er habhaft werden konnte, verbrannte, und der während seiner Regentschaft rund fünfzig Feldzüge anführte – regelmässig einen im Frühling und einen im Herbst. Sein berühmtester wurde jener von 997 gegen die heilige Pilgerstadt Santiago de Compostela. Nachdem er sie dem Erdboden gleichgemacht hatte, traten ein paar tausend christliche Überlebende den Marsch in die Sklaverei an. Mit sich schleppten sie die Glocken von Compostela ins tausend Kilometer entfernte Córdoba, wo diese zu Lampen für die Moschee umgeschmolzen wurden. (Ein Vierteljahrtausend später eroberten die Kastilier Córdoba zurück, und die wiederhergestellten Glocken wurden nach Compostela zurückgebracht, auf den Rücken von muslimischen Gefangenen.) Die nordafrikanischen Berberdynastien der Almoraviden und Almohaden, die im 11. und 12. Jahrhundert die Macht in al-Andalus an sich rissen, setzten die Praxis der räuberischen Raids fort. 

Während der ganzen Epoche kreuzten auch islamische Seefahrer und Piraten an den Küsten Südfrankreichs, Italiens, Sardiniens, Siziliens,
Griechenlands auf. Ihre verheerenden Überfälle hatten die Entvölkerung ganzer Landstriche zur Folge, wie viele zeitgenössische Berichte dokumentieren. Kreta, überliefert eine Chronik, wurde 827 während zwölf Tagen geplündert, und die Einwohner von 29 Städten wurden in die Sklaverei getrieben. Eine andere Chronik erzählt vom Fall von Syrakus nach neunmonatiger Belagerung im Jahre 878: «Tausende Menschen wurden umgebracht, und es fiel dort Beute an wie niemals zuvor in einer anderen Stadt. Einige wenige konnten entkommen.» 


Die Truppen der Emire und Kalifen bestanden zum Teil aus grossen Kontingenten von Nichtmuslimen. Die Raubzüge stellten – neben dem Auffüllen der Herrscherkasse – den Nachschub an Kampfsklaven sicher, aber ebenso denjenigen an Feldsklaven oder frischen Haremsgespielinnen. Und sie hatten noch einen weiteren Zweck, wie der Historiker al-Maqqari aus dem nordafrikanischen Tlemcen im 17. Jahrhundert erklärte. Der Terror, schrieb er, welchen die arabischen Reiter und Seeleute verbreiteten, habe die spätere Eroberung erleichtert: «Allah, auf diese Weise wurde eine solche Angst unter den Ungläubigen gesät, dass sie es nicht wagten, sich zu rühren und gegen die Eroberer zu kämpfen; nur als Bittsteller näherten sie sich diesen und flehten um Frieden.» 

Rohe Brutalität, Versklavung, Brandschatzung waren die Praxis aller Armeen der damaligen Zeit. Aber die «Masslosigkeit, die Regelmässigkeit und der systematische Charakter der Verwüstungen», urteilt die britisch-ägyptische Historikerin Bat Ye’or, unterscheide die islamo-arabische Expansion von kriegerischen Unternehmungen der damaligen griechischen, slawischen, lateinischen Heere, und mache sie zur «vielleicht grössten Plünderungsaktion der Geschichte». 

Die muslimischen Kombattanten waren getragen von der Idee des Dschihad, des heiligen Krieges, eines bis heute zentralen Begriffs im Islam. Ihr Glaube unterteilte die Welt in das Dar al-Islam (Haus des Islam), in dem das Gesetz Allahs herrscht, und in das Dar al-Harb (Haus des Krieges), Wohnsitz der Ungläubigen, das heisst aller Nichtmuslime. Das Ziel des Dschihad ist es, die Völker der Erde unter das Gesetz Allahs, unter die Scharia zu bringen. Solange noch Harbi, Ungläubige existierten, konnte es für die Muslime, für «die beste Gemeinschaft, die unter den Menschen entstanden ist» (Koran, Sure 3:110), höchstens vorübergehende Waffenruhe, aber keinen Frieden geben. «Der Dschihad ist eine heilige Aufgabe», schrieb im 14. Jahrhundert Ibn Khaldun, Politiker, Soziologe und Abkömmling einer adligen Araberfamilie aus al-Andalus, «wegen der Universalität der islamischen Mission und der Verpflichtung, jedermann zum Islam zu bekehren, sei es durch Überzeugung oder durch Gewalt.» Und: «Der Islam hat den Auftrag, Macht über die anderen Nationen zu gewinnen.»

Tribut oder Tod

Um das Jahr 610 war dem damals 40-jährigen, bescheidenen Kaufmann Mohammed aus Mekka zum ersten Mal der Erzengel Gabriel erschienen. Und als er 22 Jahre später starb, war er der mächtigste Mann Arabiens. Mohammed hatte die meisten Stämme der Halbinsel unter dem von ihm gestifteten Islam vereint. Als charismatischer Heerführer hatte er Karawanen überfallen und Oasen geplündert und als Richter über Tod oder Leben der Gefangenen und die Verteilung der Beute verfügt. Er hatte zwei der drei jüdischen Stämme von Medina, die sich nicht bekehren liessen, ausgeraubt und aus der Stadt vertrieben. Als finsterer orientalischer Leviathan hatte er die Ausrottung aller Männer des dritten, des Stammes der Banu Quraiza, angeordnet und deren Frauen und Kinder versklavt. Und als Prophet konnte er für jede seiner Entscheidungen göttliche Offenbarung geltend machen. 

«In der Nacht wurden quer über den Marktplatz der Stadt Gräben ausgehoben, gross genug, um die Leichen der Männer [des Stammes der Banu Quraiza] aufzunehmen. Am Morgen befahl Mohammed, der selber zu den Zuschauern der Tragödie gehörte, dass die männlichen Gefangenen in Gruppen von jeweils fünf oder sechs herbeigeführt werden sollten. Jede Gruppe hiess man dann in einer Reihe am Rande des Grabens niedersitzen, der bestimmt war, ihr Grab zu werden; dort wurden sie enthauptet und die Leichen hinabgestossen. Die Schlächterei, die am Morgen begonnen hatte, dauerte den ganzen Tag und wurde bei Fackelschein bis in den Abend fortgesetzt. Nachdem er so den Marktplatz mit dem Blut von sieben- oder achthundert Opfern getränkt und den Befehl erteilt hatte, die Erde über den Leichen zu glätten, liess Mohammed das furchtbare Schauspiel hinter sich, um bei den Reizen Rihanas Trost zu finden, deren Ehemann und männliche Verwandte alle gerade in dem Massaker umgekommen waren.» (Sir William Muir, «The Life of Mohammed», in: Ibn Warraq, «Warum ich kein Muslim bin».) 

Ausgehend vom exemplarischen Leben Mohammeds, wie es im Koran und im Hadith, den Überlieferungen seiner Worte und Taten, festgeschrieben stand, entwickelten Generationen von muslimischen Rechtsgelehrten eine Dogmatik des heiligen Krieges. Eine der folgenreichsten Verkündungen Mohammeds lautete: «Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und den Jüngsten Tag glauben und nicht verbieten, was Allah und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben [Juden und Christen] –, bis sie kleinlaut aus der Hand Tri
but entrichten» (Sure 9:29). Sie sanktionierte nicht nur die Pflicht zum Dschihad, sie eröffnete auch die Möglichkeit, den besiegten Feinden eine Art Vertrag, Dhimma, zu gewähren, der sie in den Status von Tributpflichtigen, Dhimmi, versetzte. Gegen das Entrichten einer Kopf- und Landsteuer erkaufte sich der unterworfene Ungläubige das Recht auf Leben, Besitz, Ausübung seiner Religion – als Angehöriger des Dar al-Harb, des aussermuslimischen Kriegsgebietes, hatte er das nicht gehabt.


In allen islamisierten Ländern, auch in al-Andalus, kam die Einrichtung der Dhimma zur Anwendung. Obwohl sie weniger ein Vertrag als ein erpresserisches Arrangement war – Tribut oder Tod –, übte sie eine zivilisierende Wirkung aus. Der Dschihad war aus der Tradition der Beuteökonomie räuberischer Wanderbeduinen hervorgegangen, die auch die Kerntruppen der grossislamischen Okkupationen bildeten. Die Idee nun einer verbindlichen Übereinkunft mit den Unterworfenen, eines auf sakraler Grundlage vereinbarten Verzichts auf übliche Plünderung, Massaker, Versklavung, mässigte die Grausamkeit der Beduinen, «zügelte die Barbarei des Krieges» (Bat Ye’or). Und sie machte den Dschihad effizienter. 

Die modernen Liebhaber des maurischen Spanien erblicken, mit erstaunlicher Logik, in der Dhimma einen schlagenden Beweis für al-Andalus’ Toleranz. «Die neue islamische Politik», schreibt beispielsweise die Yale-Professorin María Rosa Menocal in ihrem Buch «The Ornament of the World», «hat nicht nur das Überleben der Christen und Juden ermöglicht, sondern sie gemäss koranischem Auftrag im Grossen und Ganzen beschützt.» Doch der «Schutzvertrag» verdankte sich keiner grossherzigen ökumenischen Inspiration, keinem «pankonfessionellen Humanismus», wie ein amerikanischer Journalist neulich träumte. Er gehorchte dem weltlichen Prinzip der Utilitas, der pragmatisch-schlauen Nützlichkeit.

Der Schutzvertrag wird auch Pakt Umars genannt, nach Umar (634–644), dem zweiten Kalifen, der seine Anhänger aufforderte, die Dhimmi zu schützen, weil es der Wille des Propheten sei und weil «sie für den Lebensunterhalt eurer Familien sorgen». Und einer der Gefährten des Propheten wurde gefragt, so die Überlieferung, wozu die Tributpflichtigen für die Muslime gut seien. «Sie helfen dir», so die Antwort, «deiner Armut zu entkommen, um dich mit dem Reichtum zu versorgen, über den du verfügst.» Das System des Tributs, geleistet in Form von Geld, Naturalien oder Arbeit, wurde denn auch «die erste (und wichtigste) Quelle» (Bat Ye’or) des wirtschaftlichen Wohlergehens der Umma, der islamischen Gemeinschaft.

Nur schon die demografische Realität zwang die Muslime zu einer Bürokratisierung und Verrechtlichung der Mittelbeschaffung. Sie standen als fremde Eroberer während langer Zeit einer riesigen Mehrheit Einheimischer christlichen und jüdischen Glaubens gegenüber. Der machtsichernde Transfer von Ressourcen und Wissen wurde gewährleistet, indem der Kalif die Vorsteher der Dhimmi-Gemeinden, die Rabbiner und Bischöfe mit hohen Positionen in Wirtschaft und Verwaltung betraute. Als Befehlsempfänger und privilegierte Nutzniesser der islamischen Macht waren diese bereit, die eigenen Leute auch dann noch auszupressen, wenn die Tributforderungen längst das erträgliche Mass überschritten hatten. 

Gleichzeitig sorgte ein theologisches, politisches und alltägliches Regelwerk für die permanente Erniedrigung und «rituelle Demütigung» (Bernard Lewis) der nichtmuslimischen Bevölkerung. Der hochgeachtete Gelehrte Ibn Abdun beispielsweise, Vertreter der malikitischen Rechtsschule, die sich in al-Andalus durchgesetzt hatte, verfasste um 1100 in Sevilla ein längeres juristisches Gutachten. Darin heisst es unter anderem:

«Ein Muslim darf einen Juden nicht massieren, auch nicht einen Christen. Er darf nicht ihren Abfall beseitigen und nicht ihre Latrine reinigen; es ist angemessener, dass Juden und Christen dieses Gewerbe ausüben, denn es ist das Gewerbe der am meisten Verachteten» (Nr. 153).

«Man darf nicht zulassen, dass ein Steuereintreiber, Polizist, Jude oder Christ, sich wie ein Notabler, ein Jurist oder ein Reicher kleidet, sondern man muss sie hassen, den Verkehr mit ihnen meiden und darf sie nicht mit ‹Der Friede sei mit dir› grüssen, denn ‹der Satan hat von ihnen Besitz ergriffen und sie das Gedenken Allahs vergessen lassen. Sie gehören zur Partei des Satans. Wahrlich, die zur Partei Satans gehören, werden ja (letzten Endes) den Schaden haben› (Sure 58:19). Sie müssen ein Abzeichen tragen, an dem man sie erkennt, das ihnen zur Schande gereicht» (Nr. 169).

«Man darf dem Juden und auch dem Christen kein wissenschaftliches Buch verkaufen, es sei denn, der Verfasser bekenne sich zu ihrer Religion, denn sie übersetzen wissenschaftliche Bücher und schreiben sie ihren Anhängern und Bischöfen zu, während ihre Verfasser Bischöfe sind» (Nr. 206).

Die religiöse «Apartheid» setzte sich in einer scharfen sozialen Schichtung fort. An der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie al-Andalus’ stand das Herrenvolk der arabischen Stammesverbände. Aufgebrochen aus den unwirtlichsten Gegenden der Welt, hatten sie sich der fruchtbaren Flusstäler Spaniens bemächtigt. In steter Rivalität untereinander um die lukrativsten Positionen im neuen Reich, waren sie sich einig in der Verachtung der nordafrikanischen Berber. Diese, von den Arabern zwangsislamisiert und ihnen als Klienten unterstellt, mussten mit den trockenen Berg- und Steppengebieten vorlieb nehmen und schauten ihrerseits herab auf die Muwallad, auf die zum Islam konvertierten Einheimischen. Die Herablassung aller wiederum traf die Ungläubigen, die in den Städten in Gettos lebten, deren Zeugnis vor Gericht nichts galt, denen es verboten war, auf einem edlen Tier wie dem Pferd zu reiten oder sexuelle Beziehungen zu muslimischen Frauen zu haben und diese zu heiraten, und die in der ständigen Furcht leben mussten, wegen Gotteslästerung angeschwärzt und zum Tode verurteilt zu werden. Sozial tiefer standen nur noch die Sklaven.

Ein kurze Periode einmaliger und relativer interreligiöser Duldsamkeit erlebte al-Andalus in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts unter Abdurrahman III. (912–961), dem Kalifen von Córdoba, und seinem bibliophilen Nachfolger al-Hakam II. (961–976), der eine Bibliothek mit 400000 Bänden angelegt haben soll. Nach Konstantinopel und Bagdad galt die Stadt als wichtigstes politisches und kulturelles Zentrum der damaligen Welt. Mit Skrupellosigkeit hatte Abdurrahman das in Teilreiche zerfallene Land wieder vereinigt und mit Umsicht organisiert. Der wirtschaftliche Aufschwung – nicht zuletzt bewirkt durch die Friedfertigkeit der christlichen Fürstentümer, welche die Heereskosten senkte, und durch eine aussergewöhnliche Serie ertragreicher Ernten – nahm etwas Druck von den Dhimmi weg, ermöglichte eine beispiellos verschwenderische Hofführung und lockte grosse europäische Gesandtschaften und die Spitzen der internationalen Intelligenz und Kunst nach Córdoba. Luxus und Weltläufigkeit erzeugten eine «Scheinblüte multikultureller Toleranz», wie der Orientalist Hans-Peter Raddatz schreibt, «deren Bestand weniger vom Geist des Islam, sondern von seiner Fähigkeit abhing, den Strom der Tribute aufrechtzuerhalten». 

Abdurrahman war der erste der Herrscher von al-Andalus, der einen Juden, den Arzt Chasdai Ben Schaprut, in hohe Staatsdienste aufnahm. Dieser wird als einer der fähigsten Männer seiner Zeit geschildert. Noch weitere Juden sollten in höchste Positionen gelangen, so Samuel Ibn Nagrella, der vom Berberkönig Habus von Granada zum Wesir, zum Minister und Hauptberater, ernannt wurde. Samuel Ibn Nagrella war Gelehrter, Heerführer, schrieb Kriegsepen, Lyrik und 22 Werke über hebräische Grammatik und sprach sieben Sprachen. Der bedeutendste Historiker al-Andalus’, Ibn Hayyan, schrieb über seinen Zeitgenossen: «Dieser Mann, der verdammt ist, weil Gott ihn nicht die wahre Religion hatte kennen lassen, war ein überlegener Mensch. Er besass ausgedehnte Kenntnisse und duldete mit Langmut unwürdige Behandlung.»

Juden in hohen Stellungen galten als etwas verlässlicher als Christen, welche unter latentem Verdacht standen, verräterische Parteigänger der feindlichen Christenstaaten zu sein. Und gegenüber muslimischen Würdenträgern hatten sie den Vorteil, dass sie dem Kalifen oder Sultan nie bedrohlich werden konnten. Sie hatten keine tribalen oder familiären Verbindungen zum Hof, konnten als Ungläubige nie hoffen, selber die Macht zu erlangen, und verdankten ihre durch die Scharia verbotene Stellung einzig dem willkürlichen Entscheid ihres Herrschers – was eine starke Loyalität schuf.

Nachdem Samuel Ibn Nagrella 1056 unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen war, übernahm sein Sohn Josef, ebenfalls ein begabter Gelehrter, seine Ämter. 1066 kam es zu einem antijüdischen Pogrom. Die mehreren tausend Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Granada wurden erschlagen, mit ihnen auch der jüdische Wesir. Pamphlete und Gedichte wie dasjenige des frommen Rechtsgelehrten Abu Ishaq hatten die Stimmung vorbereitet: «Diese Juden, die früher auf den Abfallhaufen einen Fetzen buntes Tuch suchten, um ihre Toten zu begraben, […] haben nun Granada unter sich aufgeteilt […]. Sie ziehen Tribute ein und kleiden sich hochelegant […], und der Affe Josef hat sein Haus mit Marmor ausgelegt […]. Eilt, um ihm die Kehle durchzuschneiden; er ist ein feister Hammel, nehmt ihm sein Geld weg, denn ihr verdient es eher als er!» 

In unerträglicher Weise entehrt

Der berühmteste Jude des maurischen Spanien, der grosse Philosoph und Arzt Maimonides, verfasste sein Werk in Kairo im Exil. Als er 1149 als Vierzehnjähriger mit seiner Familie vor den Judenverfolgungen aus Córdoba floh, existierten bereits kaum mehr christliche oder jüdische Gemeinden in al-Andalus. Später schrieb er in einem oft zitierten Brief an die Juden des Jemen, die von den dortigen Pogromen berichtet hatten: «Bedenkt, meine Glaubensgenossen, dass Gott uns unserer grossen Sündenlast wegen mitten unter dieses Volk, die Araber, geschleudert hat […]. Nie hat uns ein Volk so beschwert, erniedrigt, gedemütigt und gehasst wie sie […], wir wurden von ihnen in unerträglicher Weise entehrt.» 

Al-Andalus hat ein reiches lyrisches Vermächtnis hinterlassen. In arabischer und hebräischer Sprache wird die Natur besungen, der Weingenuss, die Liebe zu Jünglingen, die Vergänglichkeit des Lebens. Die Raffinesse, die Schönheit, die Frivolität der Gedichte zeugen von der geistigen Freiheit und Libertinage einer schmalen städtischen und höfischen Elite, welche sich von den starren Vorschriften einer strengen Gotteslehre weit entfernt hat. Auffällig ist aber auch der hohe Anteil an Lobpreisungs- und Schmeichelpoesie: Fast alle Dichter haben viele Hymnen an die Mächtigen verfasst. Dies verweist auf ein anderes Merkmal ihrer Lebensweise. Nicht nur die Hofjuden, sondern auch Dichter und Gelehrte, die Wissenschaft und die Kunst generell waren Teil eines orientalischen Klientelsystems.

Der Herrschermäzen erteilte den Auftrag, und er hatte die Macht, den Künstler in den Kerker zu werfen, wenn ihm das Resultat nicht gefiel. Nur er konnte ihn vor den Nachstellungen einer fanatischen Theologie schützen oder vor der Rachsucht eines anderen Mäzens. Wofür er sich entschied, hing ab von seiner Laune oder seiner momentanen Interessenlage. Der Künstler oder Gelehrte war seinem Herrn auf Leben und Tod ausgeliefert, und er hatte allen Grund, diesen bei guter Stimmung zu halten.

Noch prekärer wurde der Status des Gelehrten durch die instabilen politischen Verhältnisse. Die Epoche von al-Andalus war geprägt von Aufständen, Semi-Anarchie, Bürgerkrieg, Vagantentum, Thronkämpfen, Eroberungen und Rückeroberungen. Zeiten der Ruhe waren selten. Der schützende Mäzen konnte plötzlich weg sein, ermordet vom Bruder, verjagt vom Konkurrenten eines anderen Stammes. Die Biografien vieler maurischer Gelehrter widerspiegeln diese Situation. Sie erzählen von Flucht, Neuanfang, Verbannung, von Verstellung, List und Hintersinn. Wie diejenige des grossen Gelehrten Averroës (1126–1198), dem die neuzeitliche europäische Philosophie so viel verdankt.

Von seiner Audienz beim Almohaden-Sultan Jusuf I. berichtete Averroës: «Nachdem der Herrscher der Gläubigen mich nach meinem Namen gefragt hatte, ebenso nach meiner Herkunft, begann er das Gespräch mit den Worten: ‹Was denken sie (das sind die Philosophen) über den Himmel und die Welt? Betrachten sie sie als ewig oder als geschaffen?› Es überkam mich eine Mischung von Scham und Angst. Ich versuchte mich zu rechtfertigen, indem ich sagte, ich befasse mich nicht mit Philosophie […]. Der Herrscher der Gläubigen bemerkte meine Verwirrung. Er wandte sich an Ibn Tufail [Philosoph und Freund des Averroës] und begann mit ihm über das Problem zu disputieren, das er mir vorgetragen hatte. Er erinnerte an das, was Aristoteles, Platon und die anderen Philosophen darüber gelehrt hatten […]. Auf diese Weise fand ich zu meiner Gelassenheit zurück, so dass ich am Ende das Wort ergriff und er erfahren konnte, was ich darüber dachte. Als ich mich verabschiedete, gebot er, mir als Geschenk Geld, ein kostbares Ehrenkleid und ein Reitpferd zu überreichen.»

Averroës wurde Leibarzt des Sultans und kommentierte in dessen Auftrag die Werke des Aristoteles. Als der Sultan starb, erliess sein Nachfolger Sultan Jakub «al-Mansur» 1195 ein Dekret, in dem die Philosophie und die «griechischen» Wissenschaften verurteilt wurden. Die Bücher Averroës’ wurden ins Feuer geworfen, der Philosoph vor der Moschee von Córdoba an den Pranger gestellt und anschliessend für drei Jahre verbannt. Kurz nach seiner Freilassung starb er. 

Al-Andalus ist nicht nur für die maurophilen Bildungsbürger ein mythisches Wunschland. In einer der Wohnungen der islamistischen Attentäter, die am 11. März 2004 in Madrider Zügen 191 Leute getötet und Hunderte verletzt hatten, fand die Polizei ein Bekennervideo. Die Terrorislamisten rechtfertigten darauf ihren Anschlag mit dem Verweis auf al-Andalus, das Land, das einst zum Dar al-Islam gehörte.

Siegfried Kohlhammer: «Ein angenehmes Märchen». 
In: Merkur, Heft 651, 2003
Bat Ye’or: Der Niedergang des orientalischen 
Christentums unter dem Islam. Resch, 2002. 572 S., Fr. 43.70
Richard Fletcher: Moorish Spain. University of 
California Press, 1992. 21.50 Euro (über www.amazon.de) style=”color: rgb(51, 51, 51); font-family: Georgia, ‘Times New Roman’, Times, serif; font-size: 16px; line-height: 24px; “>Ibn Warraq: Warum ich kein Muslim bin. 
Matthes & Seitz, 2004. 522 S., Fr. 50.50
Arnold Hottinger: Die Mauren. 
Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2005. 495 S., Fr. 48.–

Kommentare: 

  • Carlos Serrano
  • 21.06.11 | 08:50 Uhr

7-Die Frage die sich bezgl. al-Andalus bleibt: warum beurteilen wir strenger Ereignisse und Historische Prozesse wie Eroberungen der Muslime als in anderen Epochen und setzen den Akzent auf Gewalt und Grausamkeit wenn doch dies ganz generell bei allen Kriegen und Gesellschaften der Fall ist? Oder warum verklären wir Epochen und mythifizieren sie? Die Antwort liegt auf der Hand: es ist die interessierte Interpretation der Fakten die oportunistisch genützt werden um Thesen und Ideologien lauthals oder stillschweigend zu untermauern wie es sie, Herr Egon Sorg, in diesem Artikel veranschaulichen.

  • Carlos Serrano
  • 21.06.11 | 08:46 Uhr

1. Ganz so einfach ist die Sachlage bezgl. al-Andalus, die sie hier darstellen, nicht. Um die Grausamkeit des Islams zu untermauern wird die Eroberung der Iberischen Halbinsel jeweils angeführt. Natürlich war die Eroberung nicht friedlich und freundlich, dass liegt nicht in der Natur der Sache. Die Eroberungen charackterisieren sich aber auch durch ihren Verhandlungswillen. Jede Stadt und jede Siedlung wurde vor die Wahl gestellt sich zu ergeben oder eingenommen zu werden.

  • Margit Kunzke
  • 07.05.10 | 18:44 Uhr

Dieser Beitrag in Wikipèdia über Almansor entspricht nicht der historischen Wahrheit. Auch in der Rolandslegende spuken immer noch die Mauren herum, obwohl man heute längst weiß, daß es christliche Basken waren, .die das Heer Karls der Große beim Rückzug im Pyrenäenpaß bei Roncevalles angriffen und vernichteten und nicht die Mauren.

Historisch belegt ist daß Almasor die kleine präromanische Kirche niederbrannte, aber Santiagos Grab respektierte. Mit dem Bau der Kathedrale wurde erst 1075 begonnen. Alles andere fällt in den Bereich der Legenden und nicht der historisch belegten Tatsachen

  • Kurt Retzl
  • 20.04.10 | 11:30 Uhr

Die einschiffige Kirche wurde bald zu klein. So wurde 872 unter König Alfons III. mit einem größeren dreischiffigen Bauwerk begonnen. Am 10. August 997 zerstörte Almansor, der große Heerführer des Kalifen von Córdoba, die Stadt und die Kathedrale. Die Glocken der Kathedrale wurden von versklavten Christen in das 1.000 Kilo geschleppt. Nach der Eroberung Còrdobas 1237 durch kastilische Truppen ließ man sie durch maurische Sklaven wieder nach Santiago zurückbringen. Quelle: Wikipedia

Da bei Kriegszügen auch das Umland betroffen war, gab es vermutlich ausreichend Überlebende zum versklaven.

Robert Spencer: ‚Es ist Zeit zu sagen: Jetzt reicht es’

Die Kreuzzüge werden oft als ein militärischer Angriffsschlag dargestellt. Waren sie das?

Spencer: Nein. Papst Urban II., der auf dem Konzil von Clermont im Jahr 1095 zum ersten Kreuzzug aufrief, hat dies aus Gründen einer längst fälligen Verteidigung getan.

In seinem Aufruf erklärte er, dass er deshalb zum Kreuzzug aufrufe, weil „die Angriffe auf die Christen“,die „Gottgläubigen“, durch die Türken und andere muslimische Streitkräfte ohne Verteidigung noch viel größere Ausmaße annehmen würden.

„Denn die Gläubigen wurden, wie die meisten von euch bereits gehört haben, von Türken und Arabern angegriffen und das Territorium der ‚Romania’ (des hellenistischen, also griechischen Imperiums), das im Westen bis zur Mittelmeerküste und dem Hellespont (Dardanellen), der der Arm St. Georgs genannt wird, reichte, wurde erobert.“

In dem Aufruf Papst Urbans II. heißt es des Weiteren wörtlich: „Sie haben immer mehr Länder der dortigen Christen besetzt und diese in sieben Kriegen besiegt. Sie haben viele von ihnen getötet und gefangen genommen, die Kirchen zerstört und das Kaiserreich (von Byzanz) verwüstet. Wenn man sie das weiter ungestraft tun lässt, werden die Gläubigen in einem noch weit größeren Ausmaß von ihnen angegriffen werden.“

Was der Heilige Vater damals gesagt hat, stimmte. Im Verlaufe des Dschihad, des „Heiligen Krieges“, sind vom siebten Jahrhundert an bis zur Zeit Papst Urbans über die Hälfte der christlich besiedelten Gebiete erobert und islamisiert worden. Bis zu den Kreuzzügen hatte die europäische Christenheit auf diese Provokationen nicht reagiert.

Was sind die am weitest verbreiteten Irrtümer über die Kreuzzüge?

Spencer: Eines der häufigsten Missverständnisse ist die Vorstellung, die Kreuzzüge seien ein unprovozierter Angriff von Seiten Europas gegen die islamische Welt gewesen.

In Wirklichkeit stand die Eroberung Jerusalems durch die Muslime im Jahr 638 am Anfang jahrhundertelanger Angriffe von Seiten des Islam, und die Christen im Heiligen Land sahen sich einer Spirale der Verfolgung ausgesetzt, die zu eskalieren drohte.

Zu Beginn des achten Jahrhunderts wurden zum Beispiel 60 christliche Pilger, die von Amorion, einer byzantinischen Stadt im Zentrum Anatoliens, kamen, gekreuzigt. Um dieselbe Zeit ließ der muslimische Kommandant von Caesarea eine Gruppe von Pilgern aus Ikonium (antiker Name für Konya, einer Stadt in Inneranatolien) gefangen nehmen und alle – bis auf eine kleine Zahl, die zum Islam konvertierten – als Spione hinrichten.

Die Muslime verlangten von den Pilgern auch Geld – unter der Drohung, die Auferstehungskirche zu plündern, falls sie nicht zahlten.

Im späteren Verlauf des achten Jahrhunderts ließ ein muslimischer Herrscher in Jerusalem das Symbol des Kreuzes in der Öffentlichkeit verbieten. Er ließ auch die Steuern für Nicht-Muslime erhöhen, die „jizya“, die die Christen zu zahlen hatten, und verbot ihnen, ihre eigenen Kinder und ihre Mitchristen im Glauben zu unterweisen.

Zu Beginn des neunten Jahrhunderts wurden die Verfolgungen so grausam, dass eine große Zahl von Christen nach Konstantinopel und in andere christliche Städten floh. Im Jahr 937 wüteten Muslime am Palmsonntag in Jerusalem und plünderten und zerstörten die Kirche auf dem Kalvarienberg sowie die Auferstehungskirche.

Im Jahr 1004 ordnete der Fatimidenkalif (als „Fatimiden“ wird die von Fatima, der jüngsten Tochter Mohammeds, abstammende mohammedanische Dynastie bezeichnet, Anm. d. Red) Abu ‘Ali al-Mansur al-Hakim, die Zerstörung von Kirchen, das Verbrennen von Kreuzen und die Aneignung von Kirchenbesitz an. In den darauf folgenden zehn Jahren wurden 30.000 Kirchen zerstört, und unzählige Christen traten zum Islam über, um ihr Leben zu retten.

Im Jahr 1009 ließ al-Hakim die Grabeskirche in Jerusalem zusammen mit mehreren anderen Kirchen, darunter die Auferstehungskirche, zerstören. Im Jahr 1056 vertrieben die Muslime 300 Christen aus Jerusalem und verbaten europäischen Christen, die wieder aufgebaute Grabeskirche zu betreten.

Als die seldschukischen Türken im Jahr 1077 Jerusalem einnahmen, versprach der Seldschuke Emir Atsiz bin Uwaq, die Einwohner zu verschonen. Sobald jedoch seine Männer die Stadt betreten hatten, ermordeten sie rund 3.000 Menschen.

Ein weiterer sehr geläufiger historischer Irrtum besteht in der Meinung, dass die Kreuzzüge mit dem Ziel geführt wurden, Muslime gewaltsam zum Christentum zu bekehren. Entgegen dieser Behauptung ist das Fehlen jeglichen Aufrufs Papst Urbans II. an die Kreuzfahrer, die Muslime zu bekehren, eklatant. In keinem der Berichte über Papst Urbans Erklärung auf dem Konzil von Clermont findet sich irgendeine derartige Aufforderung.

Erst im 13. Jahrhundert – über 100 Jahre nach dem ersten Kreuzzug – kam es dazu, dass europäische Christen einen koordinierten Versuch unternahmen, Muslime zum Christentum zu bekehren. Das geschah, als die Franziskaner in jenen Gebieten, die von den Kreuzfahrern besetzt worden waren, mit der Mission unter Muslimen begannen. Allerdings blieb dieser Versuch weitgehend erfolglos.

Dazu kommt noch ein weiterer Irrtum über die Kreuzzüge. Er betrifft die blutige Plünderung Jerusalems durch die Kreuzfahrer im Jahr 1099.

Die Eroberung Jerusalems wird oft als einzigartiges Ereignis in der Geschichte des Mittelalters dargestellt und als Ursache für das Misstrauen der Muslime gegenüber der westlichen Welt. Richtiger müsste es heißen: Sie war der Beginn einer jahrtausendelangen Verbreitung antiwestlicher Ressentiments und antiwestlicher Propaganda.

Die Plünderung Jerusalems durch die Kreuzfahrer war zwar ohne Zweifel ein abscheuliches Verbrechen – besonders im Licht der religiösen und moralischen Prinzipien, auf die sie sich beriefen. Jedoch war sie nach den militärischen Standards der damaligen Zeit nichts Außergewöhnliches.

In jener Zeit war es ein allgemein anerkannter Grundsatz der Kriegsführung, dass eine belagerte Stadt, wenn sie gegen die Eroberung Widerstand leistete, geplündert werden durfte. Leistete sie keinen Widerstand, pflegte man sie zu verschonen. Es ist historisch belegt, dass muslimische Armeen sich häufig genauso verhalten haben, wenn sie in eine eroberte Stadt einzogen.

Zwar soll hier nicht das Verhalten der Kreuzfahrer entschuldigt werden, indem auf ähnliches Handeln auf anderer Seite hingewiesen wird – eine Greueltat rechtfertigt nicht eine andere –, es zeigt aber, dass das Verhalten der Kreuzfahrer in Jerusalem dem anderer Armeen der Periode entsprochen hat, und zwar aufgrund derselben Einstellung zu Belagerung und Widerstand, die die verschiedenen Städte besaßen.

Im Jahr 1148 schreckte der muselmanische Kommandeur Nur ed-Din nicht davor zurück, alle Christen in Aleppo (Stadt in Nordwest-Syrien) töten zu lassen. Als im Jahr 1268 die Dschihad-Streitkräfte des Mamelukken-Sultans Baybars Antiochien den Kreuzfahrern weggenommen hatten, war Baybars verärgert, als er feststellen musste, dass der Kommandeur der Kreuzfahrer die Stadt bereits verlassen hatte. Er schrieb deshalb einen Brief an ihn, welcher erhalten geblieben ist und in dem er mit seinen Massakern an den Christen prahlte.

Am berüchtigtsten ist wohl der Einmarsch der Dschihad-Krieger in Konstantinopel am 29. Mai 1453, als diese, wie der Historiker Steven Runciman schreibt, „alle, die sie auf der Straße antrafen, unterschiedslos erschlugen – Män
ner, Frauen und Kinder“.

Und schließlich gehört zu den Irrtümern über die Kreuzzüge auch die Behauptung, Papst Johannes Paul II. habe sich für die Kreuzzüge entschuldigt. Das hat er nicht getan.

Zweifellos ist die Ansicht, Papst Johannes Paul II. habe sich für die Kreuzzüge entschuldigt, weit verbreitet. Als er starb, ‚erinnerte’ die „Washington Post“ ihre Leser daran, dass „Papst Johannes Paul II. sich in seiner langen Amtszeit bei den Muslimen für die Kreuzzüge, bei den Juden für den Antisemitismus, bei den orthodoxen Christen für die Plünderung Konstantinopels, bei den Italienern für die Beziehungen zur Mafia und zu jenen Wissenschaftlern, die die Verfolgung Galileos betrieben hatten, entschuldigt hat“.

Aber Johannes Paul II. entschuldigte sich nie wirklich für die Kreuzzüge. Was einer solchen Entschuldigung am nächsten kam, war das, was er in seiner Predigt am „Tag der Vergebung“ am 12. März 2000 sagte: „Wir müssen einfach die Treulosigkeiten gegenüber dem Evangelium, die von einigen unserer Brüder im Glauben besonders im zweiten Jahrtausend begangen worden sind, zur Kenntnis nehmen. Lasst uns um Vergebung bitten für die Spaltungen unter den Christen, für die Gewalt, die einige bei ihrem Dienst an der Wahrheit angewendet haben, und für die misstrauische und feindselige Haltung, die bisweilen gegen die Anhänger anderer Religionen eingenommen wurde.“

Dies kann man kaum eine eindeutige Entschuldigung für die Kreuzzüge nennen.

Wie haben die Muslime damals und heute die Kreuzzüge wahrgenommen?

Spencer: Jahrhundertelang, als das Osmanische Reich blühte, waren die Kreuzzüge nicht die vorrangige Sorge der islamischen Welt. Vom westlichen Standpunkt aus betrachtet waren sie einfach ein Misserfolg. Mit dem Verfall der militärischen Macht und der Einheit der islamischen Welt und dem damit zusammenfallenden Aufstieg des Westens wurden sie jedoch zum Brennpunkt muslimischer Ressentiments gegenüber dem, was sie als Übergriff und Ausbeutung empfanden.

In welchem Umfang bedienen sich heute extremistische Kreise der weit verbreiteten Irrtümer über die Kreuzzüge?

Spencer: Die Kreuzzüge richten heute wohl eine größere Verwüstung an, als sie es in den drei Jahrhunderten, als die meisten von ihnen geführt wurden, getan haben. Ich beziehe mich hier nicht auf das, was den Verlust von Menschenleben und die Zerstörung materieller Besitztümer angeht, sondern meine eine subtilere Form von Zerstörung.

Die Kreuzzüge sind zur Hauptsünde nicht nur der katholischen Kirche, sondern auch der ganzen westlichen Welt geworden. Sie sind das Beweisstück Nr. 1 für die Anklage, dass es letztendlich der Westen sei, der die gegenwärtige Auseinandersetzung zwischen der muslimischen Welt und der westlichen post-christlichen Zivilisation zu verantworten habe. Der Westen habe die Muslime provoziert, ausgebeutet und brutal behandelt, seit die ersten Frankenkrieger in Jerusalem einzogen.

Osama bin Laden sprach von seiner Organisation nicht als El-Kaida, sondern als einer „Weltfront des Islam für den Heiligen Krieg gegen Juden und Kreuzfahrer“ und rief eine Fatwa zum „Heiligen Krieg gegen Juden und Kreuzfahrer“ aus.

Dieser Sprachgebrauch ist weit verbreitet. Am 8. November 2002, kurz vor Beginn des Irakkriegs, durch den Saddam Hussein gestürzt wurde, predigte Sheikh Bakr Abed Al-Razzaq Al-Samaraai in der „Mutter-aller-Kriege-Moschee“ über „diese schwere Stunde, in der das islamische Volk die Herausforderung der Kräfte des Unglaubens von Ungläubigen, Juden, Kreuzfahrern, Amerikanern und Briten erlebt und mit ihr konfrontiert wird“.

Ähnlich erklärten die islamischen Dschihadisten, als sie im Dezember 2004 das US-Konsulat in Jedda in Saudi Arabien bombardierten, dass der Angriff Teil eines größeren Planes sei, nämlich eines Gegenschlags gegen die „Kreuzfahrer“. In ihrer Erklärung hieß es: „Dieses Unternehmen ist Bestandteil mehrerer Aktionen, die von El-Kaida organisiert und geplant wurden als Teil des Kampfes gegen die Kreuzfahrer und Juden und ebenso als Teil des Plans, die Ungläubigen dazu zu zwingen, die arabische Halbinsel zu verlassen“.

Sie brüsteten sich, dass es ihnen gelungen sei, „in eine der mächtigen Festungen der Kreuzfahrer auf der arabischen Halbinsel einzudringen und in das amerikanische Konsulat, von dem aus diese (die Amerikaner) das Land kontrollieren und überwachen“.

Angesichts einer solchen Propaganda sollten sich die Bewohner des Abendlandes hinsichtlich der Kreuzzüge nicht ins Bockshorn jagen lassen. Es ist Zeit, klar zu sagen: „Jetzt reicht es“, und unsere Kinder zu lehren, auf ihr eigenes Erbe stolz zu sein. Sie sollen wissen, dass sie eine Kultur und eine Geschichte haben, für die sie dankbar sein können; dass sie nicht Kinder und Enkel von Tyrannen und Schurken sind, und dass ihre Häuser und Familien es wert sind, dass man sie gegen jene verteidigt, die sie ihnen wegnehmen wollen und die nicht davor zurückschrecken, einen Mord zu begehen, um ihr Ziel auch zu erreichen.

Source: kath.net, 15.4.2006


Islam und die Kreuzzüge – Eine Aufstellung

632 n. Chr. (467 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Tod Mohammeds. Zum Zeitpunkt des Todes Mohammeds durch war der Islam durch Kriegszüge über weite Teile der Arabischen Halbinsel verbreitet worden. Diese Kriegszüge wurden nach dem Tode fortgesetzt und verwandelte den gesamten Mittelmeerraum für Jahrhunderte in einen Schauplatz permanenter Eroberungsfeldzüge.

635 n. Chr. (464 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): ein muslimisches Heer erobert das zum christlichen byzantinischen Reich gehörende Damaskus, die Hauptstadt des christlichen Syriens

637 (462 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): ein muslimisches Heer erobert das zum christlichen byzantinischen Reich gehörende Jerusalem


Schlacht um Ktesiphon (637 n. Chr.)

Ktesiphon war Hauptresidenz der Könige der Parther und der Sassaniden. Ktesiphon war ebenfalls das geistliche Zentrum der christlichen Kirche Persiens, der Assyrische Kirche des Ostens. Entsprechend beeindruckend muss die Stadt mit ihren bis zu 500.000 Einwohnern wohl auch gewesen sein. Der Palast selbst war so überwältigend, dass muslimische Chronisten davon ausgingen, dass nicht Menschen sondern Geister dieses Bauwerk errichteten.

637 n. Chr. konnte die Stadt durch eine muslimische Armee unter Kalif Omar erobert. Das persische Reich war durch die ständigen Angriff der muslimischen Armeen so geschwächt worden, dass keine Gegenwehr mehr geleistet werden konnte. Die Stadt wurde geplündert und größtenteils zerstört. Was mit den Einwohnern passierte kann man nur mutmassen. Ein weiteres kulturelles Zentrum des Altertums verschwand in der Bedeutungslosigkeit.

Eroberungen 639 – 641 n.Chr.

Im Jahr 639 n.Chr. fallen mindestens sieben wichtige Städte unter arabische Kontrolle. Pelusium, Bilbais, Oxyrhynchus (al-Bahnsa), Heliopolis, Faiyum, Abwait und Nikiu werden erobert oder kapitulieren.

Pelusium war durch persische Soldaten gut gesichert worden. Nach zweimonatiger Belagerung wurde die Stadt erobert. Sämtliche Kirchen wurden zerstört, alle Schiffe im Hafen versenkt.

Oxyrhynchus (al-Bahnsa) war eine der wichtigsten Städte der Christenheit und ein Chronist schreibt es würden 10.000 Mönche und 20.000 Nonnen dort leben (was natürlich stark übertrieben sein dürfte). Auffallend muss jedenfalls die große Zahl der Kirchen gewesen sein. Durch Ausgrabungen wissen die Wissenschaftler sehr viel über das Leben in Oxyrhynchus bis 639 n.Chr. Die gefundenen Gegenstände datieren jedoch nahezu vollständig vor der Eroberung im Jahr 639 n.Chr. Das ausbleiben von Funden nach 639 n.Chr. bestätigt die Aussage von Chronisten, die davon berichten, dass die gesamte Bevölkerung in Oxyrhynchus durch die muslimischen Angreifer abgeschlachtet wurde.

Faiyum folgt dem Schicksal Oxyrhynchus. Die Hauptstadt des sehr fruchtbaren Fayyum-Beckens in Ägypten wurde von den arabischen Armeen eingenommen und versank in kürzester Zeit in der Bedeutungslosigkeit. Auch hier sieht es (gestützt durch die Fundlage der Archäologen) als wäre die Bevölkerung plötzlich vollständig verschwunden.

641 n.Chr. wird Nikiu von Muslimen angegriffen. Die Stadt, die zu diesem Zeitpunkt viele Flüchtlinge der zuvor eroberten anderen Städte beherbergt, ergibt sich kampflos, da sie keine Hoffnung in einer Verteidigung sieht. Trotzdem wird die gesamte Bevölkerung, Soldaten, Männer, Frauen und Kinder ermordet.

Zusammenfassend lässt vermuten, dass es während des Feldzuges der arabischen Invasionstruppen in Ägypten unvorstellbare Massaker an der Bevölkerung gegeben haben muss. Die “ungläubigen” Einwohner der Städte Pelusium, Bilbais, Oxyrhynchus, Heliopolis, Faiyum, Abwait und Nikiu, die bis 639 n.Chr. grosszügig Spuren z.B. in Form von Papyrus-Dokumenten hinterlassen haben, verschwinden jedenfalls urplötzlich spurlos aus der Geschichte. Zumindest bei Oxyrhynchus und Nikiu wurde das Massaker auch dokumentiert.

Caesarea

Caesarea erhielt seinen Namen zu Ehren des römischen Kaisers Oktavius Augustus. Seit dem Jahre 6 n.Chr. war die wohl geplante Stadt Sitz der römischen Prokuratoren. Im 3./4. Jh. lebten in Caesarea Heiden, Samaritaner, Juden und Christen einträchtig nebeneinander. Ende des 6. Jahrhunderts wurde Caesarea befestigt und zur grössten befestigten Stadt des Landes. Caesarea wurde zwischen 634 n.Chr. und 640 n.Chr. mehrfach durch Araber angegriffen. Nach der Eroberung durch die Araber (640 n.Chr.), die w
ährend und nach der Belagerung der Stadt mehrere tausend Einwohner töteten, verlor Caesarea an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung und blieb nur noch ein kleiner unbedeutender Ort. Ein weiteres blühendes Kulturzentrum verschwand vom Erdboden.


642 (457 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): ein muslimisches Heer erobert das zum christlichen byzantinischen Reich gehörende Alexandria, die Hauptstadt des christlichen Ägyptens

Eroberung Tripolis (643 n.Chr.)

Im Jahr 643 n.Chr. erobern muslimische Truppen Tripolis. Die überlebenden jüdischen und christlichen Frauen und Kinder werden in die (Sex-) Sklaverei verschleppt, die Männer müssen künftig erdrückende Steuern (Dhimmi-Steuer) zahlen. In den kommenden Jahren sehen sich die Juden und Christen in Tripolis immer wieder Übergriffen und Pogromen ausgesetzt. Zudem wird in Tripolis laut den Chronisten die so genannten “Knabenlese” praktiziert, d.h. ein Fünftel der neugeborenen Knaben werden den Eltern weggenommen und zu Janitscharen ausgebildet oder als Sex-Sklaven verkauft. Insgesamt scheint der Bedarf an jugendlichen, männlichen Sex-Slaven recht hoch gewesen zu sein und viele muslimische Dichter dieser Zeit rühmen den Verkehr mit den bartlosen Knaben.

645 (454 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Muslime erobern das christliche Barka in Nordafrika (Lybien)

674 (425 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): ein muslimischer Angriff auf Konstantinopel (Hauptstadt des christlichen byzantinischen Reiches und Sitz des christlichen Kaisers) wird abgewehrt


Eroberung Karthago (698 n.Chr.)

Im Jahr 698 n.Chr. wird Karthago vom arabischen Feldherrn Hassan ibn an-Numan mit 40.000 Mann belagert. Die byzantinische Flotte wird Karthago zu Hilfe gesandt und kann zunächst auch gute Erfolge erzielen. Später musste sich die Flotte aber in Richtung Kreta zurückziehen und der Weg für die Eroberung und Zerstörung Kartagos ist frei. Das prächtige Karthago, früherer Hauptfeind Roms, dient in den folgenden Jahrzehnten als Lieferant von Baumaterial für muslimische Städte.

Der Fall Kartagos darf nicht unterschätzt werden. Karthago galt als zweitwichtigste Kornkammer des Byzantinschen Reichs. Mit dem Fall Karthagos war auch die muslimische Vorherrschaft in Nordafrika gesichert. In den folgenden Jahren wurden in Nordafrika Christen und Juden vernichtet oder vertrieben. Christliche Kirchen wurden abgerissen um als Baumaterial für Moscheen zu dienen.

Und, ebenfalls nicht zu unterschätzen: der Weg in´s christliche Europa war nun auch frei! Nun lagen die Balearen, Sizilien und Sardinien in greifbarer Nähe für ständige Angriffe auf diese Inseln. Und die Invasion Spaniens konnte in aller Ruhe vorbereitet werden.

In heutiger Zeit wird von muslimischer Seite oft behauptet, die muslimischen Expansion sei ein Akt der muslimischen Selbstverteidigung gewesen. Betrachtet man aber die Leichtigkeit, mit der sich die muslimischen Truppen entlang der Nordküste Afrikas bewegten und wie schnell Byzanz schlussendlich vernichtet wurde, stellt sich die Frage: gegen wen mussten sich die muslimischen Araber eigentlich verteidigen? Byzanz war offensichtlich viel zu schwach um sich selbst zu behaupten, geschweige denn eine Gefahr für die Muslime darzustellen.
Vielmehr muss man zum Schluss kommen, dass die Kriegszüge reine Eroberungs- und Vernichtungsfeldzüge darstellten. Die arabischen Angreifer waren scheinbar selbst überrascht über die Leichtigkeit ihrer Angriffe. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Infrastruktur in den vorhandenen Städte nicht genutzt sondern zerstört wurde. Man könnte meinen, dass die Muslime rechneten gar nicht damit, die Städte später halten zu können. Statt dessen stürmten die Invasoren auf der Jagd nach Beute (Güter und Sklaven) schnell voran und hinterliessen eine breite Blutspur in Afrika und Ägypten.


717 (382 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): ein muslimischer Angriff auf Konstantinopel (Hauptstadt des christlichen byzantinischen Reiches und Sitz des christlichen Kaisers) wird abgewehrt.

708 (391 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Der muslimische Feldzug zur Eroberung des christlichen Nordafrikas erreicht die Atlantikküste.

710 (389 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): mit der Eroberung der letzten christlichen Stadt Nordafrikas ist das gesamte ehemals christliche Nordafrika islamisiert. Fast alle der 400 christlichen Bistümer in Nordafrika gehen unter. Nordafrika war eine einstmals blühende christliche Welt, die bedeutende Theologen des christlichen Altertums hervorgebracht hat: Tertullian, Cyprian, Athanasius, Augustinus.

711 (388 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): muslimische Heere überschreiten die Meerenge von Gibraltar und fallen in Europa ein. Beginn der Eroberung der iberischen Halbinsel (heute Spanien und Portugal).

712 (387 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): die Eroberung Südspaniens ist abgeschlossen.

713 (386 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge)ie Araber erobern Barcelona, überschreiten die Pyrenäen und beginnen mit der Eroberung Südfrankreichs. Rund neunzig Jahre nach Mohammeds Tod stehen muslimische Heere (nicht etwa muslimische Missionare!) im christlichen Reich der Franken (heute: Frankreich)

720 (379 Jahre vor Beginn der Kreuzzüge): Die Araber erobern in Südfrankreich Narbonne und belagern Toulouse.

723 (376 Jahre vor Beginn der Kreuzzüge): Abwehrschlacht bei Tours und Poitiers (heute: Frankreich): Sieg der europäischen Heere über die muslimischen Heere.

1009 (90 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Kalif Al-Hakim ordnete die systematische Zerstörung sämtlicher christlicher Heiligtümer in Jerusalem an. Auch die Grabeskirche einschließlich des Heiligen Grabes wird zerstört.


Pogrom von Cordoba 1011 n.Chr.

Leider habe ich bisher zu diesem Pogrom noch keine näheren Informationen gefunden. Die bislang gefundenen Quellen sprechen zwar von einigen hundert getöteten Juden, meist wird jedoch eher auf das Pogrom von Granada Bezug genommen.

Pogrom in Fez (Marokko) 1033 n.Chr.

Im Jahr 1033 wurden in Fez (Marokko) vermutlich 6.000 jüdische Einwohner durch einen “muslimischen Mob” (“muslim mob”) ermordet. Quellen aus der damaligen Zeit sprechen von 100.000 Toten in Fez und ungefähr 120.000 Toten in Marrakesh. Diese Opferzahlen sind aber vermutlich zu hoch gegriffen.


Pogrom von Granada 1066 n.Chr.

Am 30. Dezember 1066 n.Chr. stürmte ein muslimischer Mob den königlichen Palast von Granada und kreuzigte Joseph ibn Naghrela, einen sehr einflussreichen Juden, der zu dieser Zeit als Wesir (eine Art politischer Berater oder Minister) tätig war. Anschließend massakrierte der Mob an nur einem Tag fast die gesamte jüdische Bevölkerung in Granada: 1.500 jüdischer Familien, insgesamt ca. 4.000 Menschen.

Die Stimmung war zuvor von Abu Ishak of Elvira, einem fanatischen arabischen Poeten, der hasserfüllte Gedichte über Joseph ibn Naghrela veröffentlicht hatte:
«Diese Juden, die früher auf den Abfallhaufen einen Fetzen buntes Tuch suchten, um ihre Toten zu begraben, […] haben nun Granada unter sich aufgeteilt […]. Sie ziehen Tribute ein und kleiden sich hochelegant […], und der Affe Josef hat sein Haus mit Marmor ausgelegt […]. Eilt, um ihm die Kehle durchzuschneiden; er ist ein feister Hammel, nehmt ihm sein Geld weg, denn ihr verdient es eher als er!»

Der berühmteste Jude des maurischen Spanien, der grosse Philosoph und Arzt Maimonides, verfasste sein Werk in Kairo im Exil. Als er 1149 als Vierzehnjähriger mit seiner Familie vor den Judenverfolgungen aus Córdoba floh, existierten bereits kaum mehr christliche oder jüdische Gemeinden in al-Andalus. Später schrieb er in einem oft zitierten Brief an die Juden des Jemen, die von den dortigen Pogromen berichtet hatten: «Bedenkt, meine Glaubensgenossen, dass Gott uns unserer grossen Sündenlast wegen mitten unter dieses Volk, die Araber, geschleudert hat […]. Nie hat uns ein Volk so beschwert, erniedrigt, gedemütigt und gehasst wie sie […], wir wurden von ihnen in unerträglicher Weise entehrt.»


1070 (29 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Die Seldschuken, ein türkisches Nomadenvolk aus Innerasien, das sich im 10. Jh. zum Islam bekehrt hatte, gewinnt die Kontrolle über Jerusalem. Die friedliche Pilgerfahrt von Christen zu den heiligen Stätten wird zunehmend behindert.

1071 (28 Jahre vor Beginn der chr
istlichen Kreuzzüge)
: Schlacht bei Mantzikert – ein christliches byzantinisches Heer wird durch ein muslimisches Heer vernichtend geschlagen. Die muslimischen Seldschuken erobern das Kerngebiet des christlichen byzantinischen Reiches: Kleinasien.

1095 (4 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Der christliche byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos sendet eine Gesandtschaft an Papst Urban II. mit der Bitte um militärische Hilfe. Auf der Synode von Clermont wird der Kreuzzug beschlossen.

1099 bis 1293 Nach knapp vierhundertundsiebzig Jahren islamischer Expansion durch das Schwert beginnen zwei Jahrhunderte der christlichen Kreuzzüge.

1389 Schlacht auf dem Amselfeld: Ein christliches Heer der Serben, Bosnier und Bulgaren wird von einem muslimischen Heer vernichtend geschlagen. Die christlichen Balkanstaaten werden muslimische Vasallen.

1453 Eroberung von Konstantinopel (heute: Istanbul), des Zentrums des oströmischen Reiches und der orthodoxen Kirche. Der christliche Kaiser fällt im Kampf. Ende des christlichen byzantinischen Reiches.


Konstantinopel

Konstantinopel (heute: Istanbul) wurde von Griechen um 660 v. Chr. als Byzantion gegründet und 326 n. Chr. in Konstantinopel umbenannt. In der Spätantike und im Mittelalter war Konstantinopel die Hauptstadt des Oströmischen Reichs. Militärisch galt Konstantinopel lange Zeit als uneinnehmbar und wurde als die stärkste Festung der Welt betrachtet.

Die Araber belagerten Konstantinopel insgesamt drei Mal: von 668 n.Chr. bis 669 n.Chr., von 674 n.Chr. bis 678 n.Chr. und schließlich von 717 n.Chr. bis 718 n.Chr. Alle drei Belagerungen scheiterten. Vorallem die letzte Belagerung war für die muslimischen Angreifer verheerend, da die arabische Flotte, fast 1.800 Schiffe, nahezu vollständig zerstört wurde. Die Seeherrschaft im Mittelmeer war damit beendet. Historiker gehen davon aus, dass 130.000 bis 170.000 Araber bei der Belagerung ihr Leben verloren. Von diesem Rückschlag konnten sich die Araber jahrzehntelang nicht erholen.

Die islamische Expansion in Richtung Europa wurde durch die erfolgreiche Verteidigung Konstantinopels aufgehalten und war daher von ausserordentlich wichtiger geschichtlicher Bedeutung. Es wird vermutet, dass im Falle des Sieges der arabischen Angreifer der Weg des Islam in´s Herz des christlichen Europas frei gewesen wäre.


1480 ein muslimisches Heer erobert Otranto in Italien. 1481 Rückeroberung durch ein christliches Heer.


1492: Nachdem die Spanier 1492 mit Granada das letzte muslimische Königreich in Westeuropa zurückerobert hatten, siedelten sich aus Spanien geflohene Morisken im Maghreb an. Zusammen mit einheimischen Arabern und Mauren rüsteten sie große Flotten aus und begannen von ihrer Basis Nordafrika aus als Korsaren einen permanenten Krieg gegen das christliche Europa, insbesondere gegen deren Schiffahrt und Küsten. Die Raubzüge der moslemischen Korsaren führten während der nächsten vier Jahrhunderte bis an die Küsten Flanderns, Dänemarks, Irlands und sogar Islands, wo sie aus küstennahen Dörfern und Städten Einwohner verschleppten und später als Skl
aven verkauften. Häufigstes Ziel der Sklavenrazzien waren jedoch die Küsten Italiens, Spaniens und Portugals.
 

1499 – 1503: Türkische Einheiten dringen ins oberitalienische Friaul ein und bedrohen sogar Vicenza. Die apulische Hafenstadt Otranto (ca. 100 Kilometer südöstlich von Brindisi) wird erobert und zum Brückenkopf für weitere Raub- und Kriegszüge ausgebaut. 

1521 ein muslimisches Heer erobert Belgrad.

1526 Schlacht von Mohács – ein christliches Heer wird durch ein muslimisches Heer vernichtend geschlagen. Muslimische Heere erobern den größten Teil Ungarns und bedrohen Wien.

1526: Die Stadt Ragusa (heute Dubrovnik) wird von osmanischen Truppen erobert. Was folgt, sind Plünderungen, Vergewaltigungen und Zwangsislamisierung oder Sklaverei.

1526 – 1530: Großmogul Babur eroberte ausgehend vom Gebiet der heutigen Staaten Usbekistan und Afghanistan das Sultanat von Delhi sowie das indische Kernland rund um die nordindische Indus-Ganges-Ebene und die Städte Delhi, Agra und Lahore. 100 bis 150 Millionen Menschen geraten in die Fänge dieses muslimischen Usurpators.

1529 Die erste Belagerung Wiens durch ein muslimisches Heer scheitert. 
Auf dem Vormarsch aber gehen die Städte Komorn und Preßburg (heute Bratislava) in Flammen auf. Die gesamten umliegenden Länder werden stark verwüstet. Abertausende geraten in muslimische Gefangenschaft und enden auf den Sklavenmärkten Istanbuls. 


1534: Mit insgesamt 84 Galeeren überfallen und brandschatzen muslimische Piraten die südliche Westküste Italiens bei Reggio beginnend nordwärts durch das Tyrrhenische Meer bis hin nach Sperlonga, um anschließend beladen mit Tausenden Sklaven und unermesslicher Beute nach Istanbul zu fahren.

1537: Moslemische Piraten erobern die venetianischen Inseln Naxos, Kasos, Tinos und Karpathos.

1543: Moslemische Berberpiraten belagern und plündern die Stadt Nizza.

1544: Chair ad-Din überfällt die Insel Ischia (vor der Küste Italiens), nimmt 4.000 Geiseln (welche nur gegen Lösegeld entlassen werden) und versklavt weitere 9000 Einwohner (fast die gesamte Restbevölkerung).

1551: Turgut Reis versklavt die gesamte Bevölkerung der maltesischen Insel Gozo. Es werden 5.000 – 6.000 Menschen auf den libyschen Sklavenmärkten verkauft.

1554: Moslem-Piraten überfallen die italienische Stadt Vieste. Die Stadt wird geplündert, und es werden 7.000 – 10.000 Sklaven gemacht, die auf den Märkten von Istanbul verkauft werden.

1555: Turgut Reis überfällt Bastia auf Korsika. Er versklavt 6.000 – 7.000 Menschen die auf den libyschen Sklavenmärkten verkauft werden. Beim Rückzug läßt er zahlreiche Küstenorte in Flammen aufgehen.

1558: Piraten der Berberküste erobern die Stadt Ciutadella (Minorca). Sie zerstören alle Gebäude, nehmen 3.000 Sklaven (die in Istanbul verkauft werden) und schlachten ansonsten die gesamte Stadt ab.

1563: Turgut Reis landet an der Küste der Provinz Grenada (Spanien). Er erobert und plündert sämtliche Küstenorte. Darunter Almuñécar, wo er 4.000 Sklaven nimmt und eine weitaus größere Anzahl niedermetzelt. In den Folgejahren werden die Balearen so häufig angegriffen, daß die gesamte Küste schließlich mit Wachtürmen und Wehrkirchen befestigt werden muß. Inseln wie Formentera werden durch Sklaverei, Massaker und Flucht vollständig entvölkert.

1565: Die Belagerung Maltas durch ein osmanisches Heer begann am 18. Mai und dauerte bis zum Abzug der Truppen am 8. September 1565. Dabei wurde die Insel fast vollständig zerstört, die Befestigungen zu Trümmern geschossen und über 42.000 Soldaten und Zivilisten getötet.

1658 – 1707: Südexpansion des Mogulreiches und Zwangsislamisierung der eroberten Gebiete.

1609 – 1616: England allein verliert 466 Handelsschiffe (zwischen 15.000 und 40.000 Menschen) an die muslimischen Berberpiraten. Die Besatzungen werden massakriert oder enden in der Sklaverei.

1617 – 1625: Attacken der Berberpiraten sind an der Tagesordnung. Überfälle ereignen sich im südlichen Portugal, Süd- und Ost Spanien, die Balearen, Island, Sardinien, Korsika, Elba, die italienische Halbinsel (Besonders in Ligurien, Toskana, Lazio, Kampagnien, Kalabrien und Apulien) Weitere Überfalle und Raubzüge (inklusive Vergewaltigungen und Versklavung) ereignen sich auf Sizilien und Malta. Größere Überfälle im Format richtiger Kriegszüge richten sich gegen die iberische Halbinsel. Diesen Attacken der Berberpiraten fallen die Städte Bouzas, Cangas, Moaña und Darbo zum Opfer.

1627: Island wird mehrfach von türkischen Piraten geplündert und ein Großteil der Bevölkerung als Sklaven an der Berberküste verkauft. Jene, die Widerstand leisten, werden in einer Kirche zusammengetrieben und dort bei lebendigem Leib verbrannt.

1631: Murat Reis überfällt mit algerischen Piraten und auch regulären osmanischen Soldaten Irland. Sie stürmen die Küste nahe Baltimore (County of Cork). Sie brandschatzen und plündern die gesamte Stadt, nehmen beinahe alle Einwohner von Baltimore als Sklaven und verkaufen sie auf den Sklavenmärkten der Berberküste. Nur zwei kehren wieder lebend heim.

1677 – 1680: Weitere 160 britische Handelsschiffe (zwischen 8.000 und 20.000 Menschen) werden von algerischen Moslempiraten gekapert, die Besatzung massakriert bzw. versklavt.

1683 Die zweite Belagerung Wiens durch ein muslimisches Heer scheitert. Beim Vormarsch des osmanischen Heeres gehen die umliegenden Länder in Flammen auf. Alle Ortschaften werden restlos geplündert und entvölkert (Versklavung), soweit die Bewohner nicht bereits geflohen waren. Die abrückenden Osmanen hinterlassen ausschließlich verbrannte Erde.

Nach der Niederlage vor Wien war der Islam militärisch entscheidend geschwächt, so dass er nicht mehr in der Lage war, große Kriege zu führen. Dafür operierte er nach einer längeren Phase der Stagnation mit Terror:

1700 – 1750: Über 20.000 europäische Gefangene (nicht Sklaven) schmoren in algerischen Kerkern und warten auf Freikauf. Darunter nicht nur Mittelmeeranrainer sondern auch Dänen, Deutsche, Engländer, Schweden und sogar Isländer.

1822: Auf den Inseln Chios und Psara schlachten die Türken 50.000 Griechen ab und versklaven weitere 50.000.

1842 – 1846: Ermordung von 10.000 christlichen Assyrern durch die Türken.

1894 – 1896: Ermordung von 150.000 armenischen Christen durch den türkischen Sultan Abdul Hamid.

1914 – 1923: Genozid an 300.000 bis 730.000 Griechen durch die Türken vor allem in der nordtürkischen Pontus-Region.

1915 – 1918: Genozid an den Armeniern. Die islamische Regierung der Türkei nutzt die Wirren des 1. Weltkriegs zur Auslöschung der christlichen Armenier. 1,5 – 2 Millionen Armenier werden in Todesmärschen, Gefangenenlagern und bei örtlichen Massakern abgeschlachtet. Zudem werden 750.000 christliche Assyrer im Irak von den Türken ermordet.

1922: Beim Massaker von Izmir werden 25.000 Christen (Armenier und Griechen) ermordet, 200.000 vertrieben.

1933: Beim Massaker von Simmele/Irak ermorden die Türken 3.000 christliche Assyrer.

1955: „Pogrom von Istanbul” (plus Izmir und Ankara), angeblich nur 15 Tote, Sachschaden bis zu 500 Mill. US-Dollar, Exodus von rund 100.000 Griechen aus der Türkei (Es verblieben 2.500).

1955 – 2011: Fast 50 Jahre dauert der Unabhängigkeitskrieg des christlichen Südsudan gegen die islamische Kolonialmacht Nordsudan, der ca. 2 Millionen südsudanesische Zivilisten abschlachtet. Rund 1.400 Jahre lang war der Süden Jagdgebiet arabischer Sklavenjäger.

1969: Völkerrechtswidrige Annexion West-Papuas durch Indonesien mit nachfolgender Zwangsislamisierung und schweren Menschenrechtsverletzungen gegen die Urbevölkerung bis heute – und geduldet durch die UNO Umbenennung des Landes in Irian Jaya. Militärs verschleppen und ermorden über 100.000 Menschen und sind aktiv beteiligt am illegalen Holzeinschlag, der den Lebensraum der indigenen Bevölkerung zerstört. Durch Umsiedlungen ist ein großer Bevölkerungsteil heute indonesisch. 2003 wird die Provinz Papua-Barat gegen den Willen der Papua von West-Papua abgetrennt.

1974: Ermordung von 4.000 christlichen Zyprioten im Auftrag des türkischen Präsidenten Fahri Koroturk.

1988: Bei dem Anschlag auf ein amerikanisches Flugzeug durch libysche Agenten sterben 270 Menschen im schottischen Lockerbie.

1990 bis heute: In Kaschmir wurden bis heute ca. 10.000 Hindus von Ork-Fundamentalisten ermordet.

1993: In Sivas in der Türkei wurde ein Hotel in Brand gesteckt, in dem alevitische Intellektuelle aus Anlaß eines Festes logierten. 37 verbrennen, während draußen Tausende von Sunniten ihren qualvollen Tod feiern.

1975 – 2000: Neun Tage nach der Unabhängigkeitserklärung der ehem. portugiesischen Kolonie Osttimor wird das Land von indonesischen Invasionstruppen überfallen. Im Verlauf von 25 Jahren werden rund 23% der überwiegend christlichen Bevölkerung bzw. 183.000 Menschen abgeschlachtet, unzählige vergewaltigt, gefoltert, zwangsumgesiedelt, eingesperrt, verbannt oder zwangssterilisiert.



Source, und Quelle und Ursprung

Mit kühlem Kopf an heiße Eisen. Kreuzzüge, Schwertmission und Hexenverbrennung

Josef Bordat

Die Menschen flüchten aus der Kirche. Zumindest hat man den Eindruck, schaut man sich den Mitgliederschwund der Römisch-Katholischen Kirche in Deutschland an, wie er in den letzten Jahrzehnten die Kirchenbänke leerte. Zwar sind heute immer noch 25 Millionen Deutsche katholisch, aber der Anteil an der Bevölkerung ist von etwa der Hälfte auf etwa ein Drittel gesunken. Und der Druck steigt weiter: 2008 seien 120.000 Mitglieder – so viele wie seit Jahren nicht mehr – aus der Kirche ausgetreten, sagte der Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, zur Eröffnung der Herbstvollversammlung in Fulda. Das sei „schmerzlich“, man werde „der Frage nachgehen“, fügte Zollitsch an.

Spricht man mit Menschen, die zwar „irgendwie“ an Gott glauben (oder an etwas „Höheres“), der Kirche aber den Rücken kehrten oder zu kehren dabei sind, so ist – neben der Steuerersparnis – meist die Vergangenheit der Kirche ausschlaggebend, die oft in drei Punkten zusammengefaßt wird: 1. Kreuzzüge, 2. Schwertmission, 3. Hexenverbrennung. Oft sind diese Phänomene nur dem Wort, nicht aber dem Begriff nach bekannt. Das macht aber nichts, weil das Wort gewaltig genug ist, um jede weitere Diskussion zu ersticken. Die Haß-Trias, die mittlerweile jeden braven und treuen Katholiken in Sack und Asche zur Kirche gehen läßt, stets bereit, sich für die dunkle Vergangenheit zu entschuldigen, wird dabei meist unhinterfragt geschluckt, sowohl vom Kirchenkritiker als auch vom Kirchenfreund. Kreuzzüge, Schwertmission, Hexenverbrennung – das ist halt die dunkle Seite der Kirchengeschichte. Daß nicht alles ganz so dunkel war, wie man meint, zeigen ab und an Filme wie der über Hildegard von Bingen. Aber drei Wochen nach Kinostart ist das wieder vergessen. Was bleibt hängen? Kreuzzüge, Schwertmission, Hexenverbrennung. Es scheint also angezeigt, darauf einen genaueren Blick zu werfen.

1. Kreuzzüge

Der Begriff „Kreuzzug“ findet in den letzten Jahren wieder häufiger Verwendung, wenn von „Kreuzzügen für die Freiheit“ die Rede ist oder politische Kampagnen durch die Bezeichnung „Kreuzzug“ in ihrer ungewöhnlichen Vehemenz und Schärfe treffend beschrieben werden sollen. Die Verwendung ist dabei teils affirmativ, teils kritisch bis spöttisch, in jedem Fall soll sie an das vermeintliche Verständnis der historischen Kreuzzügler erinnern und entsprechende Gefühle auslösen: Wer einen Kreuzzug führt, will in der Annahme, er sei im Besitz absoluter Wahrheit, gewaltsam und rücksichtslos seine Ideen durchzusetzen, und zwar dort, wo sie nicht von sich aus überzeugen. Paradigma ist dabei die mittelalterliche römische Kirche, die vom 11. bis 13. Jahrhundert in diesem Sinne Krieg führte, eben jene sieben Kreuzzüge unternahm, die als solche in die Geschichte eingegangen sind. Die Ursache der Kreuzzüge ist dabei im Machtvakuum des Römischen Reiches zu sehen, das seit dem 5. Jahrhundert dazu geführt hatte, den Papst als einzige konstante Institution des Okzidents immer mehr in die weltliche Pflicht zu drängen (in der Ostkirche gab es dementsprechend keine Kreuzzüge).

Bei den Kreuzzügen ging es nie um Imperialismus, Kolonialismus oder Zwangsmissionierung, sondern um das Überleben der Christen im Südosten Europas, in der Türkei und im Nahen Osten sowie um die Sicherheit der Pilger nach Jerusalem. Eine Verweigerung des Kreuzzugs wäre einer unterlassenen Hilfeleistung gegenüber dem Notruf des christlichen Bruderlandes gleichgekommen. Die Kreuzzüge haben ursächlich also den Charakter einer „humanitären Intervention“.

Die christliche Glaubenslehre kennt ein Naturrecht auf Notwehr und Selbstverteidigung. Das ist keine Perversion der Friedensbotschaft Christi, sondern ihre praktische Umsetzung. Die Aufforderung Jesu zum radikalen Gewaltverzicht in der Bergpredigt (Mt 5, 38ff.) bezieht sich nicht auf konkrete Handlungen, sondern auf die innere Haltung des Menschen, die praeparatio cordis (Haltung des Herzens), wie Augustinus es nannte. Die innere Haltung des Christen sagt ihm: Krieg ist ein Übel, auf das nur nach Ausschöpfung aller friedlichen Mittel zurückgegriffen werden darf. Die Voraussetzung eines Krieges ist immer die Verfehlung des Anderen, denn „nur die Ungerechtigkeit der Gegenpartei nötigt dem Weisen gerechte Kriege auf“ (Augustinus). Dieses Übel kommt in einem eschatologischen Sinne auch dem ungerechten Gegner zugute, da er so in die von ihm verlassene Ordnung zurückkehren kann. Mit dieser erzwungenen Umkehr orientiert man den Kriegsauslöser wieder auf Gott hin und trägt damit letztlich dadurch dem Gebot der Feindesliebe Rechnung. Ließe man den Ungerechten gewähren, entfernte er sich in dem Irrglauben, seine Ungerechtigkeiten würden sich lohnen, mehr und mehr von Gott, dessen letztem Urteil er sich jedoch nicht entziehen kann.

Bei den Kreuzzügen mischt sich christliche Wallfahrtstradition und dieser frühmittelalterliche bellum iustum-Topos zu einem Verständnis von „bewaffneter Pilgerreise“, die für den freien Zugang zu heiligen Stätten des Christentums, die damals unter islamischer Herrschaft standen, insbesondere zum Schutz der Wege ins Heilige Land, auf militärische Gewalt als Mittel der Durchsetzung zurückgriff.

Es ging nicht um Mission oder Eroberung, sondern um Beistand für die christliche Minderheit im Heiligen Land und die Sicherheit der Jerusalem-Pilger, die durch die politischen Verhältnisse dieser Zeit nicht mehr gegeben war. Es gilt dabei zu beachten, daß bereits Karl der Große im 9. Jh. mit Harun Al Raschid, dem Kalifen von Bagdad, ein Abkommen zum Schutz der christlichen Pilger geschlossen hatte. Die sich im 10. und 11. Jh. mehrenden Übergriffe auf Pilger entlang der Route ins Heilige Land und dort selbst waren somit schlicht und ergreifend Verletzungen früher „völkerrechtlicher“ Verträge.

Im 10. Jh. kam es im Heiligen Land zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen. 966 kam es nach der Rückeroberung von Teilen Syriens durch die Byzantiner zu Übergriffen der Muslime auf Christen in Jerusalem. 969 drangen die Fatimiden, Berber aus Marokko, in Ägypten, Syrien und Palästina ein. Bei der Eroberung Jerusalems durch den Fatimiden-Kalifen Ib
n Moy (979) wurde die Auferstehungskirche in Brand gesetzt, ihre Kuppel stürzte ein, der Patriarch kam in den Flammen ums Leben. Unter dem Fatimiden-Kalifen Abu Ali al-Mansur al-Hakim (996-1021) gerieten die Christen immer stärker unter Druck: öffentliche Prozessionen wurden verboten, Christen zur Annahme des Islam gezwungen und etwa 30.000 Kirchen enteignet, viele davon geplündert und zerstört, darunter die Auferstehungskirche. 1056 wurden 300 Christen aus Jerusalem ausgewiesen und europäischen Pilgern verboten, die Grabeskirche zu betreten. Als 1065 der Erzbischof von Mainz und die Bischöfe von Utrecht, Bamberg und Regensburg zu einer Pilgerreise ins Heilige Land aufbrachen, war dies nur noch mit bewaffneter Begleitung möglich. Die Pilgerwege waren nicht mehr sicher, Übergriffe auf friedliche Wallfahrer an der Tagesordnung.

Die Kreuzzüge begannen – so wird häufig gesagt – mit der berühmt-berüchtigten „Deus lo volt“-Rede Urbans II. auf der Synode von Clermont (1095). Stimmt das? Nein, es stimmt nicht. Abgesehen von der langen Vorgeschichte – zu den Kreuzzügen kam es erst nach der Besetzung Byzanz’ durch die Seldschuken, auf die der Hilferuf Ost-Roms folgte.

Die Seldschuken, ein Steppenvolk aus dem Gebiet des heutigen Turkmenistan, Vorfahren der heutigen Türken, brachen mordend, plündernd und brandschatzend über den Orient herein. Obwohl sie selber Muslime waren, fielen sie Anfang 1055 in Persien ein und stürzten am Ende desselben Jahres den Kalifen von Bagdad. 1071 schlugen sie die Byzantiner und nahmen Kaiser Romanus IV. gefangen. 1076 eroberten sie Syrien, 1077 Jerusalem.

Die Rede Urbans war eine Reaktion auf diesen Hilferuf aus Byzanz. Er rief also nicht willkürlich zu einem Kreuzzug auf, etwa um die Muslime zu missionieren oder deren Gebiete zu erobern, sondern forderte das, was wir heute in der Tat eine „humanitäre Intervention“ nennen.

Ausführen sollte diese Intervention ein Ritterheer. Die Kreuzritter waren nicht friedliche Menschen, die die Kirche mit Heilsversprechungen erst zum Krieg hätte verführen müssen, sondern „Raufbolde“, die ohnehin meinten, ihren Anteil am Heil nur im Kampf erlangen zu können. Es war die auch von der heutigen Geschichtswissenschaft ihren Gründen nach nicht vollständig erklärte Begeisterung französischer, normannischer und flandrischer Ritter, die selbst Urban überraschte. Sie waren es, die „Deus lo volt!“ riefen und Urban nahm es erstaunt auf. Der Papst terminierte den ersten Kreuzzug auf den 15. August 1096, die Ritter waren nicht zu halten und gingen schon im April.

Auf dem Weg nach Byzanz kam es in zahlreichen deutschen Städten zu Pogromen gegen Juden. Ausschlaggebend waren auch hier die Kreuzritter, nicht die Kirche. Die jeweils zuständigen Bischöfe versuchten vergeblich, die Ritter zu zügeln. Nur in Köln fand man eine Lösung: Die Juden wurden bei befreundeten Christen versteckt. Diese Rettungsaktion wurde von der Kirche organisiert, nicht jedoch das Pogrom! Das war die Idee einzelner Ritter, die völlig unorganisiert handelten. Diese mangelnde Organisation durchzieht die gesamte Kreuzzugsgeschichte und führte bekanntlich zu zahlreichen militärischen Katastrophen.

Bereits bei zeitgenössischen Theologen gab es wegen der Übergriffe Kritik an den Kreuzzügen. Selbst der Papst, in seiner weltlichen Rolle als Garant der Sicherheit der Christen in der Diaspora, hat Gewaltexzesse scharf kritisiert, vor allem, wenn es nicht mehr um diese Sicherheit ging, sondern um andere, etwa wirtschaftliche Interessen. Der Vierte Kreuzzug endete 1204 mit der Eroberung und Plünderung Konstantinopels, der damals größten christlichen Stadt der Welt, durch Kreuzritter, die damit den Schiffstransport durch die Flotte Venedigs „bezahlten“; der Papst, der sich angesichts der Gräueltaten der Kreuzfahrer darüber im Klaren war, daß damit eine Kirchenunion mit der Orthodoxie praktisch unmöglich wurde, verurteilte diese Aktion auf das Schärfste, was jedoch faktisch ohne Wirkung blieb.

Die Kreuzzüge haben – ihren humanitären Absichten zum Trotz – viel brutale Gewalt hervorgebracht, die das Verhältnis von Okzident und Orient bis heute erheblich belasten. Doch sie brachten auch die Ritterorden hervor (Johanniter, Templer, Deutschritter), von denen die verbliebenen Johanniter noch heute wichtige humanitäre und soziale Dienste verrichten. Im frühen 13. Jh. mischte sich zudem ein Kreuzfahrer ohne Waffen unter das Heer der Pilger: Franz von Assisi, der 1219 in Ägypten mit dem Sultan sprach und einen tiefen Eindruck hinterließ. In diesem Sinne ist der interkulturelle Dialog heute fortzusetzen.

2. Schwertmission

Mission ist der Versuch, Andere vom Wert der eigenen Überzeugung zu überzeugen. Da Menschen, die Überzeugungen vertreten, davon ausgehen, daß diese wahr sind, dient Mission in ihren Augen stets der Verbreitung der Wahrheit. Mission ist nicht auf Religionen beschränkt, sondern findet sich auch in den Versuchen, Menschen für bestimmte Weltanschauungen, politische Ansichten (konkret: Parteien, Bürgerinitiativen) etc. zu gewinnen. Den Anspruch, die eigene Überzeugung Dritten zu vermitteln, hat wohl jeder, der überhaupt von etwas überzeugt ist.

Die Kirche ist apostolisch, also missionarisch1, d. h. sie ist darauf ausgerichtet, die Botschaft ihres Gründers, Jesus Christus, allen Menschen zu verkünden. Den Auftrag zur Mission erhält sie dabei von Christus selbst: „Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28, 18-20).

Von einer Sache überzeugt sein und davon reden, bedeutet nicht automatisch, dem Gegenüber mit Intoleranz zu begegnen, auch nicht, wenn man von der absoluten (daß heißt universellen) Geltung des eigenen Standpunkts überzeigt ist. Im Gegenteil: Wer eine eigene Position hat, von der er glaubt, sie sei unabhängig von Zeit und Raum, von Kultur und Situation, kann oft besser verstehen, daß auch der andere eine Position hat, die er für wertvoll und wichtig hält.

Es kommt immer darauf an, wie die Überzeugung, mit der man den Anspruch erhebt, dem Anderen etwas Wahres mitzuteilen, das für diesen nützlich und hilfreich sein kann, an diesen Anderen gerichtet wird. Hier ist die Grenze der Missionstätigkeit in Toleranz dort zu sehen, wo der andere das Angebot zur Prüfung bzw. Übernahme der Überzeugung explizit ablehnt.

Daß Mission nicht mit Zwang oder gar Gewalt einhergehen darf, macht Christus sehr deutlich, in seinen „Anweisungen für die Mission“ (Mt 10, 5-15). Zumindest für das Christentum gilt also nicht, daß Mission intolerant ist, da der Missionsbefehl an Bedingungen geknüpft ist (Friedfertigkeit der Glaubensweitergabe, Freiwilligkeit der Glaubensannahme).

Die Annahme des christlichen Glaubens kann nur freiwillig vollzogen werden, erzwungen werden kann nur die formale Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft, der Kirche. Da diese theologisch wertlos ist, soweit und solange die innere Haltung zum Glauben fehlt, haben sich Theologen im Rückgriff auf das Evangelium stets gegen Zwangstaufen und Gewaltmission gewandt. Jesus fordert eine Mission in Liebe und durch Überzeugung, die ihre Abbruchbedingung im freien Willen des zu Missionierenden findet. So sieht das heute auch die Kirche.

Die Kirche hat in der Vergangenheit gegen diesen Grundsatz Jesu Zwangstaufen und Gewaltmission vollzogen! Wird oft behauptet. Stimmt aber auch nur teilweise. In den ersten drei Jahrhunderten ihrer Geschichte gab es keine Zwangstaufen und keine Gewaltmission. Die Menschen entschieden sich freiwillig und oft unter Einsatz ihres Lebens für die Nachfolge Christi. Im Kern ihrer Begründung ist die Kirche dementsprechend nicht durch Zwang und Gewalt vorbelastet. Erst nach der Konstantinischen Wende im frühen 4. Jh., als das Christentum Staatsreligion des sich auflösenden Römischen Reiches wurde, verwandte es in dieser Funktion Zwangsmittel, um Heiden zu christianisieren. In dem Maße, indem die Kirche eine staatstragende Rolle übernahm (und Kirchenvertreter als weltliche Herrscher fungierten), nutzten sie Zwangstaufen und Gewaltmission als Machtmittel.

Grundsätzlich wurden Zwangsmissionierungen, die von weltlichen Herrschern angeordnet wurden, von Vertretern der Kirche sehr kritisch gesehen. Zwei bedeutende Beispiele dafür sind die Zwangstaufen, die Karl der Große unter den Sachsen vollziehen ließ (9. Jh.), und die Gewaltmission in Lateinamerika im Auftrag der spanischen Krone (16. Jh.). In beiden Fällen waren es weltliche Herrscher, die Mission als Mittel der Machtpolitik einsetzten. Die Kritik an diesem Ansinnen kam aus Kirchenkreisen, von Hofpredigern und Ordensleuten, die mit biblischen, theologischen und rechtlichen Argumenten opponierten.

Als Karl der Große um 800 die Sachsen unterworfen hatte, erließ er in der Capitulatio de partibus Saxoniae Vorschriften zur Todesstrafe für alle, die sich nicht taufen lassen wollten. Der theologischen Rechtmäßigkeit der Alternative „Taufe oder Tod“ hat sein Hoftheologe Alkuin entschieden widersprochen.

Als die „katholischen Könige“ mit päpstlichem Mandat Amerika eroberten und die autochthone Bevölkerung von den Conquistadores gewaltsam christianisiert wurde (Mission war die Bedingung für die päpstliche Schenkung von 1493), stieß dies bei den Missionaren auf massiven Widerspruch, für den vor allem die Dominikaner Antonio Montesino und Bartolomé de Las Casas stehen, die Überzeugungsarbeit und ein christliches Leben als positives Beispiel gegen die gewaltsame Missionspolitik stellen, die in den spanischen Kolonien an der Tagesordnung war.

Oft wird behauptet, Entwicklungshelfer seien in Gegenwart und Zukunft die besseren „Missionare“, da es keine spirituelle, sondern eine materielle Not zu lindern gelte. Dazu ist zu sagen, daß die „echten“ Missionare in unserer Zeit sehr wohl auch materiell helfen. Nur stellen sie immer wieder fest, daß die Not der Menschen eben nicht nur eine materielle, sondern auch eine spirituelle ist.

Zudem müssen die Ursachen der materiellen Not behoben werden. Die Not vieler Menschen in der so genannten „Dritten Welt“ läßt sich nachhaltig nur erfolgreich eindämmen, wenn die Kräfte zur Selbsthilfe bei diesen Menschen mobilisiert werden. Dazu ist es oft nötig, daß sich die Prinzipien der Wirtschafts- und Sozialordnung und der individuellen Lebensführung ändern. Für diese, aber auch für jene hat die Kirche ein Angebot zu machen, herausragende Beispiele finden sich im Bereich der AIDS-Prävention und der Wirtschaftsförderung.

1. Wenn der Papst als Oberhaupt der Kirche zur „Humanisierung der Sexualität“ auffordert und daran erinnert, daß der Kampf gegen AIDS mit technischen Mitteln (Kondome) nicht zu gewinnen ist, dann appelliert er für die Kirche vor dem Hintergrund ihres personalen Menschenbildes und ihres Verständnisses von partnerschaftlicher Geschlechtlichkeit als fester Verbindung von Sex und Liebe an die individuelle Lebensführung der Menschen und trägt damit dazu bei, die Ursachen der AIDS-Pandemie zu beheben, statt nur deren Symptome.

2. Mit der Sozialen Marktwirtschaft wurde in Deutschland die katholische Soziallehre sehr erfolgreich in die politische Praxis umgesetzt. Ihre Prinzipien werden aufgrund dieser positiven Erfahrungen mit dem „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit von vielen anderen Ländern dankbar aufgenommen, gerade in einer Zeit der Krise, in der die rein materielle Sicht auf den Menschen im Rahmen der sozio-ökonomischen Struktur allgemein als zu eng eingeschätzt wird. In vielen Fällen trägt der neu erlangte katholische Glaub
e wesentlich zur Stabilisierung dieser Prinzipien bei.

Gerade das kirchliche Engagement in der AIDS-Prävention sei doch ein Beispiel dafür, so heißt es dann oft weiter, wie Kirche die Not der Menschen für ihre Missionszwecke missbrauche. Doch zu unterstellen, die Kirche würde das Elend von Menschen zu Missionszwecken missbrauchen, ist einfach absurd. Ginge es bei der AIDS-Prävention um Mission, griffe die Kirche wohl kaum auf „unbequeme Wahrheiten“ wie die Notwendigkeit der Keuschheit (Enthaltsamkeit außerhalb, Treue innerhalb der Ehe) zurück, die die Menschen heute überwiegend nicht hören wollen. Dann würde sie dem Zeitgeist entsprechend Gratiskondome verteilen.

Generell geht es der Kirche stets um die Wahrheit der biblisch und kirchengeschichtlich fundierten Glaubenslehre und damit um das Wohl der Menschen, weil sie weiß, daß dies langfristig die von Gott gewollte „Strategie“ ist, Menschen an die Kirche zu binden.

3. Hexenverbrennung

Oft ist zu hören, die Kirche habe im Mittelalter Millionen von Frauen in Europa als Hexen verbrannt. Es ist das Verdienst des Berliner Protestanten Richard Schröder, gezeigt zu haben, daß in dieser Aussage vier Fehler stecken:

  1. Der Schwerpunkt der Hexenverfolgung lag nicht in Europa, sondern liegt im heutigen Afrika: „Die intensivste Hexenverfolgung“, schreibt Schröder in „Abschaffung der Religion? Wissenschaftlicher Fanatismus und die Folgen“, „fand 2001 statt“, und zwar im „östlichen Kongo“. Dort hat sie alles andere als „christliche“ Gründe.
  2. Die meisten Hexenverbrennungen gab es in Europa nicht im Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit; die letzte Hexe wurde in Deutschland 1775 verbrannt.
  3. Die Opfer waren nur in Deutschland mehrheitlich Frauen, sonst war das Verhältnis mindestens ausgeglichen, z. T. waren die Männer in der Mehrzahl; in Island waren 90%, in Estland 60% der Opfer Männer.
  4. Es waren nicht „8 oder 9 Millionen Opfer“, wie die „NS-Propaganda“ vermutete, sondern „ca. 50.000“. 50.000 Opfer – in 350 Jahren europäischer Hexenverfolgung (1430-1780). Die Christenverfolgung allein des Jahres 2008 führte zu mehr als doppelt so vielen Opfern.

Interessant ist auch, wie der Hexenwahn – in Europa! – sein Ende fand. Schröder: „Durch die Aufklärung, sagt man. Das stimmt so nicht. Er kam nämlich schon im 17. Jahrhundert weithin zum Erliegen.“ Es gab nämlich massiven Widerstand. „Die Gegner waren Theologen und Juristen, die sich als Christen verstanden.“

Einer davon war Friedrich von Spee. 1631 erscheint sein Hauptwerk, die Cautio criminalis („Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse“), die nur wenige Woche nach Erscheinen vergriffen ist. In diesem Buch entlarvt er die Hexenprozesse als Farce und die Vollstreckung der Urteile als Mord. Im Zentrum der Kritik steht die Anwendung der Folter, die damals zur Wahrheitsfindung eingesetzt wurde. Spee hält Folter zwar auch für moralisch verwerflich („Kein deutscher Edelmann würde ertragen können, daß man seinen Jagdhund so zerfleischte. Wer soll es da mit ansehen können, daß ein Mensch so vielmals zerrissen wird?“), doch zunächst für juristisch untauglich, weil sie in der Rechtspraxis zur fehlerhaften Beweisaufnahme führe.

Folter ist zudem schlecht für den, der foltert und für die, die Folter anordnen – für die Richter. Schuld fällt bei Spee nach der christlichen Sündentheorie und dem eschatologischen „Vergeltungsprinzip“ nach Mt 25, 31-46 auf den Täter zurück, den die Hölle erwarte, in der er dann jene Folter am eigenen Leibe erfahre, die er zu Lebzeiten anderen zugemutet hat. „Wenn ich sündigen wollte und mir vorgenommen hätte, durchaus in die Hölle zu fahren, so würde ich an Stelle der Richter dazu doch keinen so grausamen, sondern einen etwas erfreulicheren Weg wählen.“, formuliert er eine Spitze gegen die Gerichtsbarkeit. Eine klare Warnung, die damals verfing. Hier und heute, wo Folter wieder in Mode kommt, verfängt der Gedanke der Verantwortung vor Gott nicht mehr. Doch zumindest das ist sicherlich nicht Schuld der Kirche.

Weiterführende Literatur

Zu „Kreuzzüge“:

  • Michael Hesemann (2007): Die Dunkelmänner. Mythen, Lügen und Legenden um die Kirchengeschichte. Augsburg.
  • Hans Eberhard Mayer (2005): Geschichte der Kreuzzüge. Stuttgart.
  • Martin Tamcke (2008): Christen in der islamischen Welt. München.
  • Thomas E. Woods (2006): Sternstunden statt dunkles Mittelalter. Die katholische Kirche und der Aufbau der abendländischen Zivilisation. Aachen.

Zu „Schwertmission“:

  • Josef Bordat (2008): Annexion – Anbindung – Anerkennung: Globale Beziehungskulturen im frühen 16. Jahrhundert. Hamburg.
  • Gregor von Fürstenberg et al. (2006): Glauben, leben, geben. 175 Jahre missio. Freiburg i. Br.
  • Lutz E. von Padberg (1998): Die Christianisierung Europas im Mittelalter. Ditzingen.
  • Neal Pirolo (2007): Berufen zum Senden. Gemeinde und Weltmission. Holzgerlingen.
  • Hans Waldenfels et al. (2005): Die Sache geht weiter… München.
  • Joachim Wietzke (Hg., 1993): Mission erklärt. Ökumenische Dokumente von 1972 bis 1992. Leipzig.
  • Klaus Wetzel (2005): Missionsgeschichte Deutschlands. Nürnberg.

Zu „Hexenverbrennung“:

  • Walter Nigg (1996): Friedrich von Spee. Ein Jesuit kämpft gegen den Hexenwahn. Paderborn.
  • Richard Schröder (2009): Abschaffung der Religion? Wissenschaftlicher Fanatismus und die Folgen. Freiburg i. Br.

Die Mär von friedlichen Moslems und barbarischen Kreuzrittern

Giuseppe Nardi:


(Jerusalem) Wer Ridley Scotts 2005 herausgebrachten Film “Königreich der Himmel” gesehen hat, weiß, was er über die Kreuzzüge zu wissen hat. Zumindest das, was seit der Aufklärung der Westen zum Thema meint, darüber denken zu müssen:
– Die Kreuzfahrer waren wild und grausam, die Moslems kultiviert und tolerant;
– die europäischen Imperialisten überfielen friedliche Moslems;
– Saladin war ein Gentleman und die Kreuzritter Schurken;
– seither hassen uns die Moslems mit gutem Grund.

Diese Anhäufung von Dummheiten ist zwar längst widerlegt, doch wie alles Unkraut schwer aus der Welt zu schaffen, wie alles, was zum Kanon jener zählt, die gerade die kulturelle Hegemonie ausüben. Das veranlaßte den katholischen Priester Don Giorgio Fedalto eine Widerlegung in Buchform vorzulegen. Auf die knappest mögliche Formel gebracht, sagt er darin, daß statt des oben Aufgelisteten das genaue Gegenteil richtig ist.

Von hinten aufgezäumt bedeutet dies zum Beispiel, daß sich die Moslems erst mit den Kreuzzügen als solchen beschäftigten, als sie ihnen vom Westen Ende des 19. Jahrhunderts in den Kopf gesetzt wurden.

Von den arabischen Zeitgenossen des späten 11. bis 13. Jahrhunderts wurden die Kreuzzüge in weiten Teilen der islamischen Welt nicht einmal wahrgenommen. Die periodischen Züge der Christen, deren kriegerische Auseinandersetzungen verhältnismäßig kurze Phasen blieben, wurden von den Moslems als „logisch“ empfunden. Die Christen versuchten zurückzuerobern, was man ihnen entrissen hatte. Vor allem aber, weil die Moslems die Kreuzzüge wohl als machtpolitischen Angriff auf ihren Besitzstand verstanden, nicht aber als Angriff auf den Islam als solchen.

Die moslemischen Untertanen der Kreuzfahrerstaaten im heutigen Israel, Palästina, Syrien, Libanon und der Türkei waren im Gegenteil sogar erleichtert. Natürlich nicht, weil sie unter christliche Herrschaft kamen, aber weil die christlichen Herrscher sie nicht zu Dhimmis machten, wie dies ganz selbstverständlich die moslemischen Herrscher mit den Christen und Juden taten. In den lateinischen Staaten, über denen das Kreuz errichtet wurde, herrschte zudem ein deutlich geringerer Steuerdruck als in den umliegenden moslemischen Gebieten, was durchaus von den moslemischen Untertanen positiv registriert wurde.

„Für viele Araber waren die Kreuzzüge vor allem Angriffe gegen die verhaßten Türken“, wie der katholische Publizist Rino Cammilleri schrieb, die in jener Phase unter der Bezeichnung Seldschuken in die Geschichte eingingen. Erst mit dem Auftreten der Seldschuken (Schlacht von Manzikert 1071) und deren Massaker an den Heilig-Land-Pilgern kam es zu den Kreuzzügen.

Geostrategisch waren die Kreuzzüge keineswegs so „überflüssig“, wie es heute gerne dargestellt wird. Sie konnten den türkischen Expansionsdrang für 200 Jahre aufhalten, ehe er im 14. Jahrhundert nach Europa übergreifen konnte und zu einem jahrhundertelangen europäischen Abwehrkampf führte. Erst 1683 konnten die Christen vor Wien den türkischen Vormarsch brechen. Es sollte noch einmal mehr als 200 Jahre dauern, bis die Griechen und die anderen christlichen Balkanvölker wieder ihre Unterwerfung unter das islamische Dhimmi-System abschütteln konnten.

Die romantische Verklärung Saladins zog selbst den deutschen Kaiser Wilhelm II. in den Bann, der am Grab des Sultans einen Bronzelorbeerkranz niederlegte, den übrigens Lawrence von Arabien, um bei der Verklärung zu bleiben, verschwinden ließ, da die Araber Feinde des Osmanischen Reichs waren.

Werfen wir also einen Blick auf die auch im Film von Ridley Scott dargestellte Schlacht von Hattin. Saladins Sekretär, Imad ad-Din beschrieb das Schicksal der nach der Niederlage gefangengenommenen Kreuzritter der Orden der Templer und der Johanniter: „Er [Saladin] gab Befehl, alle zu enthaupten. Er zog es vor sie zu töten, anstatt zu Sklaven zu machen. Bei ihm war eine ganze Schar von Gelehrten und Sufis, und mehrere fromme und asketische Männer: Jeder von diesen bat ihn, zumindest einen umbringen zu dürfen“. Saladin gewährte dieses „Privileg“ gerne. Anders als im Film dargestellt, gewährte Saladin der christlichen Einwohnerschaft Jerusalems nicht den freien Abzug, sondern verkaufte die Hälfte als Sklaven, alle, die das von ihm verlangte Lösegeld nicht zahlen konnten.

Auch die gängigen Darstellungen des 4. Kreuzzuges, der nicht in das Heilige Land, sondern zur Eroberung Konstantinopels führte, werden von Don Fedalto hinterfragt. Er zeigt auf, daß das byzantinische Reich seit Beginn der Kreuzzüge eine wenig loyale Haltung gegenüber den Kreuzfahrern einnahm und diese sogar mehrfach verriet. Dies, obwohl gleichzeitig ständig aus Konstantinopel neue Hilferufe an den christlichen Westen ergingen. Der oströmische Kaiser Isaak II. verbündete sich sogar mit Saladin gegen die Kreuzritter, der zum Fall des christlichen Jerusalems beitrug. Und einmal mehr folgte ein neuer Hilferuf Konstantinopels, und einmal mehr brachen die katholischen Ritter in den Orient auf, und ebenso einmal mehr wurden sie verraten. Daraus folgerten sie, daß der einzige Weg, um diese Dolchstöße künftig zu verhindern, es war, einen der ihren als Kaiser in Konstantinopel einzusetzen.

Eine andere zu zerlegende „Schwarze Legende“ ist das Blutbad, das Gottfried von Bouillon beim 1. Kreuzzug nach der Einnahme von Jerusalem mit seinen Rittern anrichtete. Man sollte zumindest die Größenordnung kennen. Das moslemische Jerusalem zählte damals rund 10.000 Bewohner. Von diesen kamen im Zuge der Eroberung Jerusalems, beziehungsweise der Befreiung, wie die Kreuzfahrer es verstanden, etwa 2000 ums Leben.

Zahlenmäßig steht das in keinem Vergleich zu den willkürlichen Abschlachtereien, wie sie von den Moslems, vor allem jene von Baibars I. und seiner Mameluken an den Christen verübt wurden und die das Ende der lateinischen Staaten im Orient besiegelten. Massaker, die zudem unter Bruch des gegebenen Wortes geschahen. Die christlichen Unterhändler wurden enthauptet, die Mönche auf dem Berg Karmel (Karmeliten) wurden alle getötet. Die schauerliche Liste könnte lange fortgesetzt werden.

Dazu gehört auch Antiochien, die einst blühende Stadt der Christenheit, dessen erste Gemeinde vom Apostel Barnabas geleitet wurde und wo die Anhänger des Jesus von Nazareth ihren Namen „Christen“ erhielten. Das „schrecklichste Massaker der gesamte Kreuzzugsepoche“ folgte der Eroberung Antiochiens durch Baibars. Was aber wissen die westlichen Historiker darüber zu sagen? Steven Runciman widmet acht Zeilen, Hans Eberhard Mayer eine einzige, Cristopher Tyerman, der viele Seiten allen Details des Massakers von Jerusalem des 1. Kreuzzuges widmet, fallen zum vielfach größeren Massaker von Antiochien lediglich vier Worte ein, Karen Armstrong bringt es auf zwölf Worte und schafft es selbst darin den Kreuzrittern die Schuld zuzuschreiben, denn, so Armstrong, sei es schließlich deren „Bedrohung“ gewesen, die erst den „neuen Islam“ geschaffen habe.

Warum scheiterten die Kreuzzüge?

Zunächst gilt es sich zu vergegenwärtigen, daß die Kreuzfahrerstaaten immerhin ebenso lange Bestand hatten, wie die heutigen USA. Allerdings verschlang ihr Erhalt soviel an Steuerzuschüssen, daß Europa ausblutete. In feindlicher Umgebung, Tausende von Kilometern von zu Hause entfernt, verlangte das Unternehmen ständigen Nachschub an Menschen und Mitteln, die auf Dauer nicht aufbringbar waren. Der Glaube (“ja, der Glaube”, schreibt Don Fedalto) machte enorme Leistungen möglich und ließ die größten Opfer bringen.

Als jedoch ein Heiliger wie Frankreichs König Ludwig IX. in zwei gut vorbereiteten Kreuzzügen scheiterte, beim ersten in Gefangeschaft geriet und beim zweiten starb, fragten sich die Christen, ob Gott es wirklich wollte, daß sie in dieser Form hinauszogen oder ob es nicht besser sei, die heiligen Orte ihrem Schicksal zu überlassen. Die Worte des sterbenden Königs: “Wir werden in Jerusalem einziehen”, bewahrheiteten sich für ihn im metaphysischen Sinn mit dem Einzug in das himmlische Jerusalem.

Eine Frage harrt noch einer näheren ideengeschichtlichen Untersuchung, doch spricht viel dafür, daß die den Kreuzzügen zugrundeliegende Idee eines “Heiligen Krieges”, die dem Christentum eigentlich fremd ist, da es vielmehr die Notwehr kennt, von Spanien importiert wurde. Dort kämpften die Christen seit 711 in der Reconquista gegen die Moslems. Dabei lernten sie von ihren Gegner die starke Wirkung entfaltende Idee des Dschihad kennen und versuchten sie für ihre Sache dienstbar zu machen.

Source: katholisches.info, 16.11.2011

Proteste gegen den Al-Quds-Tag: Gegen islamistische und antisemitische Propaganda auf Berlins Straßen – für die iranische Freiheitsbewegung!

Auch in diesem Jahr gibt es wieder Proteste gegen den islamistischen und antisemitischen Aufmarsch zum sog. “Al-Quds-Tag” in Berlin, der dieses Jahr für Samstag, den 18. August 2012 angekündigt ist.

Bereits am 13.8.2012 werden Wahied Wahdat-Hagh (European Foundation for Democracy) und Jonathan Weckerle (STOP THE BOM über den Quds-Tag und den Kampf gegen Israel und Freiheit im Nahen Osten sprechen, alle Informationen dazu hier und auf Facebook.

Das antifaschistische Bündnis “No Al-Quds-Tag” ruft am 18.8.2012 unter dem Motto Gemeinsam gegen Antisemitismus! zu einer Kundgebungen um 13.00 Uhr am Adenauerplatz auf. Alle weiteren Informationen sowie weitere Termine im Vorfeld des Al-Quds-Tages finde Sie hier.

Die von STOP THE BOMB und anderen Organisationen initiierte Kundgebung “Gegen islamistische und antisemitische Propaganda auf Berlins Straßen – Solidarität mit Israel und der iranischen Freiheitsbewegung!” wird am 18.8.2012 um 14.30 am am Joachimstaler Platz (Karte) beginnen. Weitere Informationen dazu finden Sie auf www.no-al-quds-tag.de, den Aufruf finden Sie hier. Bitte laden Sie Ihre Kontakte auch via Facebook ein!

Die Teilnahme an beiden Kundgebungen wird zeitlich wie organisatorisch gewährleistet werden!

Auf unserer Seite finden Sie auch die Dokumentation Proteste der Jahre 20112010 und 2009.

18.8.: Gegen islamistische und antisemitische Propaganda auf Berlins Straßen – Solidarität mit Israel und der iranischen Freiheitsbewegung!

Seit 1979 folgen jährlich zum Ende des Fastenmonats Ramadan islamistische Organisationen weltweit dem Aufruf zum „Al-Quds-Tag”als Kampftag des politischen Islam. Ajatollah Khomeini forderte nach der islamistischen Machtergreifung im Iran seine Anhänger und Anhängerinnen zur weltweiten Ausbreitung der islamischen Revolution, zur „Befreiung” Jerusalems und zur Vernichtung Israels auf.

Der diesjährige Quds-Marsch am 18. August in Berlin findet vor dem bedrohlichen Hintergrund des ungebrochen und beschleunigt vorangetriebenen iranischen Atomprogramms statt. Während die Zeit verrinnt, das islamistische Regime im Iran auf dem Weg zur Bombe zu stoppen, entlädt sich eine Welle des Hasses gegen Israel. Auslöser war ein Gedicht von Günter Grass, der den durch die Islamische Republik Iran existenziell bedrohten jüdischen Staat Israel als Aggressor und Bedrohung des Weltfriedens darstellt. Umso wichtiger ist es, dem in den letzten Jahren verstärkt als „Friedensdemonstration“ inszenierten Quds-Marsch entgegenzutreten und Solidarität mit Israel zu demonstrieren!

Wir solidarisieren uns auch mit der Mehrheit der Iraner, deren Rechte und deren Streben nach Freiheit von der iranischen Diktatur brutal unterdrückt werden. 2009 wurde eine landesweite Aufstandsbewegung mit extremer Gewalt niedergeschlagen, seitdem hat sich die Menschenrechtslage nochmals drastisch verschlechtert: Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen, Sittenterror, Geschlechterapartheid und Zensur sind an der Tagesordnung.

Auch in Deutschland bedroht das iranische Regime Freiheit und Leben von Menschen: Seit Mai diesen Jahres muss der 2005 aus dem Iran geflohene Musiker Shahin Najafi in Deutschland im Untergrund leben, nachdem mehrere iranische Ayatollahs Todesfatwas gegen ihn erlassen hatten. Zudem wurde von regimenahen Kreisen ein Kopfgeld von 100.000 Dollar auf Najafi ausgeschrieben. Iranische Diplomaten in Deutschland haben sich an der Verbreitung der Todes-Fatwas beteiligt.

Beim Quds-Tag marschieren nicht nur die Claqueure des Regimes, sondern auch immer einige dessen mörderischer Handlanger. Beispielsweise werden bei Quds-Märschen regelmäßig Fahnen der eng mit dem iranischen Regime verbündeten libanesischen Hisbollah gezeigt, also jener Organisation, die immer wieder in Terroranschläge weltweit verwickelt war. Zuletzt wurde am 18. Juli 2012 in Bulgarien ein Anschlag auf einen Bus mit israelischen Touristen verübt, bei dem sechs Menschen ums Leben kamen. Diesem Anschlag gingen in den letzten Jahren zahlreiche Anschlagsversuche in aller Welt voraus, die verhindert werden konnten. Seit Jahren ist bekannt und nicht zuletzt in den Berichten der staatlichen Sicherheitsbehörden nachzulesen, dass Hisbollah in Deutschland über hunderte Anhänger sowie die Fähigkeit zur Durchführung von schweren Anschlägen verfügt. Dass vor kurzem auf EU-Ebene eine Listung der Hisbollah als Terrororganisation gescheitert ist, ist ein Skandal, der aber die deutsche Regierung nur umso mehr in die
Verantwortung stellt: Die Hisbollah muss in Deutschland endlich als Terror-Organisation verboten werden!

Wir – das sind verschiedene politisch und sozial engagierte Gruppen und Einzelpersonen – rufen auch in diesem Jahr zu einer Kundgebung gegen den antisemitischen und antidemokratischen “Al-Quds-Tag” auf.

Demonstrieren Sie gemeinsam mit uns:

  • Gegen jede Form von antisemitischer und islamistischer Propaganda,
  • Gegen die Menschenrechtsverletzungen in der Islamischen Republik Iran,
  • Für ein sofortiges Verbot der Hisbollah und
  • Für Solidarität mit Israel und der iranischen Freiheitsbewegung!

Die Kundgebung findet statt am Samstag, dem 18. August 2012. Joachimstaler Str. / Ecke Kurfürstendamm (“Joachimstaler Platz”), Beginn: 14:30 Uhr.

Bereits um 13:00 Uhr beginnt am Adenauerplatz · Berlin, wo die “Quds-Demonstration” auch starten wird, Antifaschistische Kundgebung unter dem Motto „Kein Al Quds-Tag 2012 in Berlin! Gemeinsam gegen Antisemitismus“. Im Anschluß können die Teilnehmer gemeinsam zur Kundgebung am Joachimstaler Platz gehen.

Weitere Informationen zur Kundgebung der antifaschistischen Gruppen – hier klicken

Initiativkreis:

  • Anti-Defamation Center – Bildungswerk für Demokratie und Kultur gemn. e.V. (ADC Bildungswerk),
  • Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA),
  • Green Party of Iran – Deutschland, –
  • STOP THE BOMB,
  • Deutsch-Israelische Gesellschaft – Arbeitsgemeinschaft Berlin/Potsdam (DIG),
  • Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus e.V.
  • Bund der Verfolgten des Naziregimes Berlin e.V. (BVN),
  • Redaktion haOlam.de

Unterstützer:

  • Honestly Concerned e.V.
  • Deutsch-Israelischer Bund i.Gr. (DI
  • Pro Zion NRW

Wenn Sie diesen Aufruf – egal ob als Einzelperon oder als Organisation/Initiative – unterschreiben wollen, schicken Sie bitte eine Mail an: [email protected]

 Source

Über das Gewaltpotential von israelbezogenem Antisemitismus

Vom Wort zur Tat
Über das Gewaltpotential von israelbezogenem Antisemitismus. Wie ein antisemitischer Diskurs über Israel körperliche Gewalt bedingen kann.

von Jan Riebe
Antisemitismus ist die offene Abwertung und Diskriminierung gegenüber Jüdinnen und 
Juden als »Juden« (6)  und somit auch Gewalt in Worten und Taten. Dies gilt ebenso für den 
israelbezogenen Antisemitismus. Antisemitische Diskurse tragen dazu bei – gewollt oder 
ungewollt – dass einzelne Personen sich legitimiert fühlen, körperliche Gewalt gegen Jü-
dinnen und Juden anzuwenden. Wie das Zusammenspiel von antisemitischem Diskurs und Gewalt zusammenhängt, lässt sich anhand der Positionierung der außerparlamentarischen Linken ab Ende der 60er Jahre aufzeigen. Deren antisemitischer Diskurs über Israel führte zu antisemitischer 
Gewalt. Angesichts von Zustimmungsraten zu Äußerungen mit israelbezogenem antisemitischem Inhalt von bis zu 68% der Deutschen (7) sollte die Gefahr, die vom israelbezogenem Antisemitismus ausgeht, ernst genommen werden.
Bomben gegen Juden im Namen der »Israelkritik« 
Mit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 nahm die Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus stark zu – in vielen Diskursen wurde eine Täter-Opfer-Umkehr vollzogen. Dies 
geschah mitunter aber auch in Form proisraelischer Äußerungen. Die Springer-Presse feierte damals den israelischen Verteidigungsminister Moshe Dayan als den neuen »Wüstenfuchs Rommel«, das Nachrichtenmagazin Spiegel titelte im Juni des gleichen Jahres 
bewundernd »Israels Blitzkrieg«. Für die radikale Linke waren solche Israel lobenden NSVergleiche, insbesondere durch die von ihnen gehasste Springer-Presse, ein Bestätigung 
für ihre im Zuge des Sechs-Tage-Krieges gewachsene radikale antiisraelische Haltung. 
Zumal nahezu zeitgleich dieselben Zeitungen gegen die Außerparlamentarische Opposition (APO) hetzten und den Tod Benno Ohnesorgs mit Schlagzeilen wie »Wer Terror 
produziert, muß Härte in Kauf nehmen« (8) rechtfertigten. Da half es auch nicht, dass Ulrike Meinhof, linke Vordenkerin und Kolumnistin bei der Zeitschrift Konkret, auch noch 
nach dem Sechs-Tage-Krieg eine linke, kritische Solidarität mit Israel beschwor: »Es gibt 
für die europäische Linke keinen Grund, ihre Solidarität mit den Verfolgten aufzugeben, 
sie reicht in die Gegenwart hinein und schließt den Staat Israel mit ein« (9).
 Die radikale Linke, bis zum Sechs-Tage-Krieg mehrheitlich proisraelisch, folgte dieser Analyse Meinhofs weitgehend nicht. Israel wurde von Teilen der APO als »faschistisch« gebrandmarkt und 
auf der 22. Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) 
das Existenzrecht abgesprochen (10). Fortan galt für viele Linke jede Aktion, die sich formal 
gegen Israel richtete, in dieser Logik als antifaschistisch. So verhinderten linke Studierende 
1967, dass der erste Botschafter Israels in Deutschland, Asher Ben-Natan, an verschiedenen Universitäten mit Studierenden über den Sechs-Tage-Krieg reden konnte. Einer der Störer begründete dies damit, dass er sich dann ja gleich Adolf Hitler vom Himmel runterholen könne,   um mit ihm über Konzentrationslager zu debattieren (11). Diese Täter-Opfer-Umkehr, nach der die Israelis die »neuen Nazis« waren, hatte fatale Folgen: Am 9. November 1969 deponierten Linke – mit Hilfe eines agent provocateur des Verfassungsschutzes – anlässlich der Gedenkstunde zum 31. Jahrestag der Novemberpogrome, eine Bombe im Jüdischen Gemeindehaus in Berlin. Lediglich 
der defekte Zeitzünder verhinderte ein Massaker, bei dem wahrscheinlich u.a. zahlreiche Holocaust-Überlebende umgekommen wären. 
In einem Bekennerschreiben wird die Tat als antifaschistisch gerechtfertigt: 
»Am 31. Jahrestag der faschistischen Kristallnacht wurden in Westberlin mehrere 
jüdische Mahnmale mit ›Schalom und Napalm‹ und ›El Fatah‹ beschmiert. Im jüdischen Gemeindehaus wurde eine Brandbombe deponiert. Beide Aktionen sind nicht mehr als rechtsradikale Auswüchse zu diffamieren, sondern sie sind ein entscheidendes Bindeglied internationaler sozialistischer Solidarität. Das bisherige Verharren der Linken in theoretischer Lähmung bei der Bearbeitung des Nahostkonflikts ist Produkt des deutschen Schuldbewusstseins: ›Wir haben eben Juden vergast und müssen die Juden vor einem neuen Völkermord bewahren.‹ […] Jede Feierstunde in Westberlin und in der BRD unterschlägt, daß die Kristallnacht von 1938 heute täglich von den Zionisten in den besetzten Gebieten, in den Flüchtlingslagern und in den 
israelischen Gefängnissen wiederholt wird. Aus den vom Faschismus vertriebenen Juden 
sind selbst Faschisten geworden, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das 
palästinensische Volk ausradieren wollen.« (12).
Der geplante Anschlag stieß in großen Teilen der Linken auf scharfe Kritik, dennoch teilten viele diese einfache Logik, nach der Israel faschistisch geworden sei und somit »Widerstand« gegen Israel antifaschistisch sei (13). Dieses Erklärungsmuster bildete in der Folgezeit für viele Linke die Grundlage ihrer Politik gegenüber Israel. Dies bedeutet jedoch nicht, dass im gleichen Maße Gewalttaten gegenüber Jüdinnen und Juden Unterstützung fanden, dennoch fiel die Kritik daran oft schwach aus.Im Jahr 1972 rechtfertigte auch Ulrike Meinhof – in völliger Umkehr zu ihrer 1967 
verlautbarten Positionierung – in einem Pamphlet (14)  der Roten Armee Fraktion das Olympia-Attentat auf die israelische Mannschaft in München als Antifaschismus. Sie bezeichnete Moshe Dayan als »Himmler Israels«, und warf Israel vor, einen «Moshe-Dayan-Faschismus« zu betreiben. Zudem habe der Staat Israel »seine Sportler verheizt wie die Nazis die Juden – Brennmaterial für die imperialistische Ausrottungspolitik«. (15)
Wie weit die Ideologie des Antisemitismus die Betrachtung des Nahostkonfliktes in Teil 
der Linken bestimmte, zeigte sich 1976 bei einer Flugzeugentführung deutscher und 
palästinensischer Terroristen. Der deutsche Terrorist Böse, Mitglied der Revolutionären 
Zellen (RZ), selektierte die Passagiere in Juden und Nichtjuden. Explizit wurde mit der 
Ermordung der jüdischen Flugpassagiere gedroht. Für viele Jüdinnen und Juden weltweit 
stand fest: Es handelte sich um eine Selektion wie einst an der Rampe von Auschwitz, 
vorgenommen durch einen deutschen Aktivisten der RZ. Die Stürmung des Flughafengebäudes, in dem die Geiseln gefangen gehalten wurden, verhinderte ein antisemitisches Massaker. Größere Teile der radikalen Linken begannen erst 15 Jahre später, über den antisemitischen Charakter dieses Ereignisses kontrovers zu diskutieren.
In diese Tradition, Jüdinnen und Juden als die neuen Faschisten und damit einhergehend zu legitimen Angriffszielen zu deklarieren, reihte sich auch ein vermutlich geplanter 
Mordanschlag der RZ auf die jüdischen Gemeindevorsteher von Berlin und Frankfurt, 
Heinz Galinski und Ignaz Lipinski, ein. Die geplanten Taten kamen nur durch einen Aussteiger ans Licht. Die RZ veröffentlichten daraufhin ein Schreiben, in dem sie zwar nicht direkt zugaben, die beiden jüdischen Gemeindevorsteher tatsächlich ermorden zu wollen, diese jedoch als legitime Ziele linker Politik definierten. In dem Schreiben warfen die RZ der Linken vor, die
Attentatspläne gegen Galinski und Lipinski als Antisemitismus zu kritisierten, statt zu überlegen »welche Rolle Galinski spielt für die Verbrechen des Zionismus, für die Grausamkeiten der imperialistischen Armee Israels, welche Propaganda- und materielle Unterstützungsfunktion dieser Typ hat, der alles andere ist als nur >jüdischer Gemeindevorsitzender<, und: was man in einem Land wie dem unseren dagegen machen kann. Ihr entzieht euch dieser politischen Auseinandersetzung und geilt euch auf an dem 
behaupteten (antisemitischen?) Faschismus der RZ und ihrer Hintermänner. […]« (16).
Die Liste mit antisemitischen Anschlägen in der Ideologie der Täter-Opfer-Umkehr, 
verbunden mit dem Duktus antifaschistisch zu handeln, ließe sich fortführen. Viele Linke 
kritisierten solche Taten, jedoch ermöglichte die breite Akzeptanz der Meinung »aus vom 
Faschismus vertriebenen Juden sind selbst Faschisten geworden« diese Taten. 
Seit den 90er Jahren gibt es innerhalb der Linken eine gewachsene Sensibilität dem eigenen Antisemitismus gegenüber. Die Auseinandersetzungen werden häufig sehr kontrovers und intensiv geführt. Diese Debatten haben wesentlich dazu beigetragen, dass der antisemitische Diskurs zurückgedrängt wurde, parallel dazu nahmen antisemitische Taten aus der Linken stark ab.(17)
 Dies ist einerseits mit einem Bedeutungsverlust der radikalen Linken seit 1990 durch den Zusammenbruch des Ostblocks zu erklären, aber auch mit der selbstkritischeren Auseinandersetzung mit dem eigenen Antisemitismus. Dennoch kann nicht von einem Verschwinden des Antisemitismus von links geredet werden, auch kommt es immer wieder zu Gewalttaten im Zuge der Auseinandersetzungen in der Linken um Israel und Antisemitismus. Zudem geben auch Entwicklungen in Teilen der Linkspartei Grund zur Sorge, wie diverse Vorfälle mit antisemitischen Charakter der letzten Jahre zeigen (18).
Täter-Opfer-Umkehr in der »Mitte« der Gesellschaft
Dennoch sollten insbesondere die hohen Zustimmungsraten in der Mitte der Gesellschaft 
Anlass bieten, den israelbezogenen Antisemitismus auch wenn er sich häufig »nur« in Diskursen niederschlägt, ernst zu nehmen. Nicht weil in der Gegenwart in Deutschland aus 
ihr körperliche antisemitische Gewalt in hohem Maße erwächst, sondern weil Vorstellungen, wie die, »was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch 
nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben«, 
an die Täter-Opfer-Umkehr anschließen, die für den israelfeindlichen, in Teilen antisemitischen Kurs der außerparlamentarischen Linken Ende der 60er bis weit in die 80er 
Jahre entscheidend war. Dass solche Aussagen, die die Verbrechen des Nationalsozialismus 
extrem relativieren und Israels Politik dämonisieren, in Deutschland Zustimmungsraten 
von 30 bis über 50% erzielen, zeigt, dass wir es nicht mit Einstellungen einer kleinen 
Minderheit zu tun haben. Auch dass 70% der Deutschen Israel für die größte Gefahr des 
Weltfriedens (19) halten, bestätigt, dass in großen Teilen der Gesellschaft ein sehr negativer 
Diskurs über Israel vorherrscht. 
Dies alles kann dazu beitragen, dass sich beispielsweise bei einer neuerlichen Eskalation im Nahen Osten auch antisemitische Gewalt wieder Bahn bricht – ob von rechts, links oder aus der Mitte der Gesellschaft. Insbesondere Rechtsextreme, die laut Kriminalstatistik 2011 für 775 der 811 antisemitischen Straftaten in Deutschland verantwortlich waren, versuchen immer wieder, ihre antisemitischen Taten als »Kritik« an Israel zu tarnen (20). Hinzu kommt, dass sich nicht »nur« antisemitische Gewalttäter durch diesen Diskurs ermutigt sehen, sondern dass große Teile der 
Gesellschaft antisemitische Gewalt nicht als solche wahrnehmen oder wahrnehmen wollen.
»Antisemitismus? – aber das Opfer war doch ein Israeli«
Wie antisemitische Gewalt nicht als solche wahrgenommen wird, wenn sie sich gegen Israelis richtet, lässt sich an einem Vorfall vom April 2010 veranschaulichen: In Laucha, SachsenAnhalt wurde ein Jugendlicher zusammengeschlagen. Die Täter waren Neonazis. Sie riefen dabei immer »Du Scheiß-Jude, verpiss dich« und ähnliches. Darauf fragte eine Journalistin in einem Interview die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung: »Nun, Frau Kahane, was meinen Sie? Ist das schon Antisemitismus?« »Schon? Ja klar, was denn sonst?!« antwortete Kahane. »Naja«, meinte die Journalistin, »aber das Opfer war doch ein Israeli«. 
Ein die Wahrnehmung betreffend ähnliches Szenario spielte sich 2010 in Hannover ab. 
Bei einem Stadtteilfest wurde eine jüdische Tanzgruppe antisemitisch beleidigt und mit 
Steinen beworfen. Einige lokale Akteure vor Ort konnten in der Tat keinen Antisemitismus erkennen, sondern sahen darin lediglich ein Nachspielen des Nahostkonfliktes. 
Es zeigt sich, dass selbst, wenn eindeutige Begriffe wie »Scheiß Jude« im Kontext einer 
Gewalttat gegen einen Juden fallen, dies nicht notwendig als antisemitisch wahrgenommen wird, wenn die Opfer Israelis sind. Außerdem kann Gewalt gegen Jüdinnen und 
Juden als falsche Form der »Kritik« an Israel erscheinen und nicht als die antisemitische 
Praxis, die sie ist. In solchen Beispielen spiegelt sich wider, wie real die Gefahr des Zusammenspiels antisemitischer Gewalt und des Wegschauens der Mehrheitsgesellschaft ist. 
Letzteres zeigt auch, wie wenig Sensibilität und Wissen in großen Teilen der Gesellschaft 
bezüglich Formen und Gefahren von israelbezogenem Antisemitismus vorhanden sind. 
Fazit
Die Täter-Opfer-Umkehr ist ein zentraler Bestandteil des israelbezogenen Antisemitismus. 
Wie solch ein antisemitischer Diskurs in Gewalt umschlagen bzw. sie bedingen kann, zeigt 
der Blick auf die Israeldebatten der außerparlamentarischen Linken Ende der 60er Jahre. 
Angesichts Zustimmungsraten von bis zu über 50% der deutschen Mehrheitsbevölkerung 
zu Aussagen, die die Politik Israels mit der des Nationalsozialismus auf eine Ebene stellt, 
wird deutlich, wie aktuell, wie wirkungsmächtig und breit verankert die Täter-OpferUmkehr bei Debatten über Israel derzeit ist. Israelbezogener Antisemitismus stellt eine akute Bedrohung der demokratischen Kultur, aber auch für die Unversehrtheit von Jüdinnen und Juden und alle dar, die als Repräsentanten oder Sympathisantinnen Israels wahrgenommen werden. Dies können dann auch Kinder und Jugendliche einer Tanzgruppe einer jüdischen Gemeinde sein, wie der Vorfall in Hannover gezeigt hat.
Anmerkungen:
6 Damit ist gemeint, dass jenseits von der realen Existenz von Jüdinnen und Juden im Antisemitismus Judenbilder konstruiert werden. Brian Klug fasst dies so: »In short, antisemitism is the process of turning Jews into ›Jews‹«
7 Vgl. Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche Zustände Folge 3, Frankfurt/Main, S. 151
8 Schlagzeile der B.Z. vom 3. Juni 1967
9 Ulrike Meinhof: Drei Freunde Israels, in: Konkret 7/1967
10 So heißt es in einer verabschiedeten Resolution: »Die Anerkennung des Existenzrechts der in Palästina lebenden Juden durch die sozialrevolutionäre Bewegung in den arabischen Ländern darf nicht identisch sein mit der Anerkennung Israels als Brückenkopf des Imperialismus und als zionistisch
es Staatsgebilde.« Vgl. Martin W. Kloke: Israel und die deutsche Linke, Frankfurt am Main 1990, S. 77. In dieser Resolution spricht sich der SDS auch gegen antisemitische-rassistische Tendenzen von Teilen der arabischen Kriegspropaganda aus.
11 Vgl. Interview mit Inge Deutschkron, Dokumentarfilm: Wir sind da. Juden in Deutschland nach 
1945, Janusch Kozminski Filmproduktion aus dem Jahr 2000
12 AGIT 883, Nr. 40 vom 13.11.1969, S. 9
13 Vgl. Martin W. Kloke: Israel und die deutsche Linke, Frankfurt am Main 1990, S. 77 ff.
14 Vgl. «Die Aktion des »Schwarzen September« in München. Die Strategie des antiimperialistischen Kampfes, November 1972« in: Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, Berlin 1997, S. 151-177.
15 Noch weiter ging im Jahr 2008 der Direktor des Sportwissenschaftlichen Instituts an der Universität Göttingen, Arnd Krüger. Er behauptete in einem Vortrag, die Sportler seien freiwillig in den Tod gegangen, um die Schuld (und auch die Schulden) Deutschlands gegenüber dem Staat Israel zu verlängern.
16 Die gesamte RZ-Erklärung »Die Hunde bellen, und die Karawane zieht weiter« ist online nachzulesen unter:
www.salzborn.de/txt/2011_zfp.pdf
19″>
www.salzborn.de/txt/2011_zfp.pdf
19 Die Aussage »Israel ist die größte Gefahr für den Weltfrieden« ist für sich alleine genommen nicht als antisemitisch einzustufen, aber Ausdruck eines sehr negativen Israelbildes in Deutschland. Dennoch ist die Aussage anschlussfähig an antisemitische Ressentiments, wie das vom jüdischen Weltbrandstifter.
20 So marschierten beispielsweise zeitgleich am 3. Juni 2003 mit einer Veranstaltung mit dem damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, anlässlich der Ausstellung »Rassismus in Deutschland« rund 60 Neonazis aus der Region unter der verhöhnenden Losung »Der Rassismus ist ein Meister aus Israel«. Einer der Redner, ein Mitglied des NRW-Landesvorstands der NPD, skandiert über das Mikro die Parole »Internationale Völkermordzentrale Israel«.Diese und viele weitere Beispiele für Aktionen, nicht nur von Neonazis, ihren Antisemitismus als Kritik an Israel zu tarnen, findet sich in der von der Amadeu Antonio Stiftung seit 2002 betriebenen Chronik antisemitischer Vorfälle. Online: www.amadeu-antonio-stiftung.de/die-stiftung-aktiv/gegen-as/antisemitismus-heute/chronik-antisemitischer-vorfaelle/. 

Was ist israelbezogener Antisemitismus?

Jan Riebe
Die Frage, ab wann Kritik an Israel antisemitisch ist, beschäftigt und verunsichert 
viele. Im Folgenden wird erläutert, wie zwischen Kritik und Antisemitismus bei 
der Betrachtung Israels unterschieden werden kann.
Antisemitismus ohne Antisemiten
Vor dem Holocaust gab es nicht wenige Menschen und Vereine, die sich offen zum Antisemitismus bekannten. Es existierten Gruppierungen wie die »Deutsche Antisemitische Vereinigung«, in der sich Antisemitinnen und Antisemiten organisierten. Die fabrikmäßige 
Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus 
und die dadurch geprägte Erinnerungskultur machen dies heute hierzulande nahezu unmöglich. Ein offenes Bekenntnis zum Antisemitismus zieht die öffentliche Ächtung nach 
sich. Während die bekennenden Antisemitinnen und Antisemiten aus dem öffentlichen 
Bild weitestgehend verschwunden sind, ist der Antisemitismus geblieben. In der Wissenschaft spricht man daher von einem »Antisemitismus ohne Antisemiten«. Antisemitische 
Äußerungen werden meist nicht mehr offen, sondern über Umwege geäußert, häufig als 
vermeintlich legitime Kritik am Kapitalismus oder an Israel. Diese Form wird als »antisemitische Umwegkommunikation« bezeichnet. 
Antisemitische Israelkritik?
In Debatten um Kritik an Israel wird immer wieder von »antisemitischer Israelkritik« 
geredet. Dieser Begriff ist irreführend. Das Wort Kritik leitet sich vom griechischen Wort 
krínein ab. Es meint (unter-) scheiden, beurteilen. Im Antisemitismus wird jedoch nicht 
unterschieden oder beurteilt. Das Urteil steht stets schon vor Prüfung der Sachlage fest: 
Die Schuldigen sind immer »die Juden« oder eben Israel als imaginierter »kollektiver 
Jude«. Entweder ist eine Äußerung kritisch oder antisemitisch – beides geht nicht.
Israel als »kollektiver Jude«?
Im Antisemitismus werden »den Juden« seit jeher gewisse negative Eigenschaften zugeschrieben. Seit der Staatsgründung Israels werden diese häufig auch auf Israel projiziert. Im klassischen Antisemitismus gelten »die Juden« häufig als Weltbrandstifter – verantwortlich für die beiden Weltkriege. Heute wird Israel vorgeworfen, den Weltfrieden zu bedrohen und den 3. Weltkrieg herbeiführen zu wollen. 
Auch die antisemitische Ritualmordlegende wird auf Israel übertragen. Israel wird vorgeworfen, die palästinensischen Gebiete u.a. nur deshalb zu besetzen, um gesunde Organe der Palästinenserinnen und Palästinenser für die eigene Bevölkerung zu rauben. Diese moderne Variante der Ritualmordlegende findet sich sowohl im islamisierten Antisemitismus, als auch in bürgerlichen europäischen Tageszeitungen. Wenn antisemitische Ressentiments auf Israel projiziert werden, handelt es sich um Antisemitismus. Oftmals wird entgegnet, dass dies nicht Antisemitismus sein könne, da nur über Israel eine Aussage getroffen werde und nicht über alle Jüdinnen und Juden. Sobald jedoch antisemitische Ressentiments auf Israel projiziert werden, dem Staat Israel »jüdische Eigenschaften« zugeschrieben werden, wird Israel im Weltbild von Antisemitinnen und Antisemiten zum »kollektiven Juden« stilisiert. Ist das der Fall, handelt es sich eindeutig um Antisemitismus. 
Kritik, auch harsche Kritik, an der israelischen Politik, die sich keiner antisemitischen 
Ressentiments bedient, ist jedoch kein Antisemitismus.
Unterscheidungsmerkmale Kritik und Antisemitismus
Im Folgenden sollen zwei Definitionen zur Unterscheidung von legitimer Kritik an der 
Politik Israels und israelbezogenem Antisemitismus vorgestellt werden. Die bekanntesten Kriterien zur Unterscheidung zwischen Kritik und israelbezogenem Antisemitismus hat Natan Sharansky im 3D-Test entwickelt. (1). Israelbezogener Antisemitismus liegt demnach vor, wie der Name schon sagt und gerade erläutert wurde, wenn sich antisemitische Ressentiments auf den Staat Israel beziehen. Im 3D-Test geht es dementsprechend darum, Kriterien zur Erkennung von Judenhass, die aus dem klassischen Antisemitismus bekannt sind, auf den israelbezogenen Antisemitismus anzuwenden. (2) 
Das erste D ist der Test auf Dämonisierung. Während im klassischen Antisemitismus 
Jüdinnen und Juden dämonisiert wurden und werden, wie z.B. in der literarischen Darstellung von Shakespeares Shylock, so liegt in Bezug auf Israel laut Sharansky dann Antisemitismus vor, wenn Israel dämonisiert wird. Beispiele dafür sind die häufig anzutreffenden Vergleiche Israels mit dem Nationalsozialismus und der palästinensischen Flüchtlingslager mit Auschwitz.
Das zweite D ist der Test auf Doppelstandards. Während es früher wie heute ein deutliches Zeichen von Antisemitismus war und ist, wenn Jüdinnen und Juden anders als 
andere Menschen behandelt werden, z.B. durch diskriminierende Gesetze, sei in Bezug 
auf Israel stets die Frage zu stellen »ob die Kritik an Israel selektiv angewendet wird. Mit
anderen Worten, erzeugt ähnliche Politik anderer Regierungen die gleiche Kritik, oder 
wird hier ein doppelter Standard eingesetzt«?
Das dritte D ist der Test auf Delegitimierung. Wenn »die Legitimität der jüdischen 
Religion, des jüdischen Volkes, oder von beiden« negiert wird, liegt Antisemitismus vor. 
Übertragen auf Israel bedeutet dies, Antisemitismus liegt dann vor, wenn Israel das Existenzrecht abgesprochen wird.
Neben diesem 3D-Test stellt die »working definition of antisemitism« der EUMC (European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia) eine der anerkanntesten Definitionen 
dar. Zu Antisemitismus in Bezug auf Israel heißt es dort:
»Beispiele von Antisemitismus im Zusammenhang mit dem Staat Israel und unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes können folgende Verhaltensformen einschließen, ohne auf diese beschränkt zu sein:
■■ Das Abstreiten des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die 
Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.
■■ Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das 
von keinem anderen demokratischen Staat erwartet und verlangt wird.
■■ Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in 
Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben.
■■ Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik des Nationalsozialismus.
■■ Das Bestreben, alle Juden kollektiv für Handlungen des Staates Israel verantwortlich zu 
machen. Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar 
ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden.«
Antisemitisches Ressentiment vs. Antisemiten
Es gilt aber zu beachten, dass Personen, die antisemitische Ressentiments äußern, nicht 
automatisch Antisemitinnen oder Antisemiten sind. Es ist sehr wichtig, dies zu unterscheiden. Antisemiten haben ein gefestigtes antisemitisches Weltbild. Das Äußern antisemitischer Ressentiments kann vielfältige Ursachen haben, bei
denen es immer zu intervenieren gilt, jedoch bedeutet dies nicht automatisch, dass man es mit einer oder einem Antisemiten zu tun hat.
Mit den vorangestellten Definitionen kann im Regelfall nur eruiert werden, ob Aussagen antisemitisch sind oder nicht. Antisemitismus ist jedoch eine Welterklärungsideologie. 
Deshalb sollte man nicht bei der Untersuchung einzelner Aussagen verbleiben, sondern 
über deren Beurteilung hinaus klären, inwiefern jemand einem antisemitischen Weltbild 
verhaftet ist. Die vorangestellten Definitionen können dabei gut als Kontrollsystem funktionieren und dafür sensibilisieren, inwieweit antisemitische Ressentiments gegenüber Israel die Ausnahme oder Regel sind. 
Antisemitismus als Welterklärungsideologie

Antisemitismus variiert häufig in der Form, bleibt aber vom Inhalt nahezu gleich. Um Antisemitismus zu erkennen, ist es daher oftmals notwendig, sich intensiv mit der Geschichte des Antisemitismus zu befassen.
»Die Juden« sind oder – in modernisierter Form – Israel ist in der antisemitischen Welterklärungsideologie für alles Übel der Welt direkt oder indirekt verantwortlich. Nur eine 
Welt ohne Jüdinnen und Juden, ohne Israel kann laut diesen Vorstellungen eine bessere 
werden. Der Vernichtungsgedanke ist im antisemitischen Weltbild, zumindest implizit, 
immer verankert. Diese Vorstellung, dass »die Juden« oder »der kollektive Jude Israel« 
verantwortlich sind für (fast) alle Krisen, Katastrophen, (Kontra-) Revolutionen, also für 
alles Unverstandene, Komplizierte, Schlechte, bietet Antisemitinnen und Antisemiten einen einfachen Kompass fürs Alltägliche und das Weltgeschehen. Sie verschafft ihnen eine 
einfache Erklärung, wie die Welt funktioniert, und ermöglicht eine Unterscheidung in 
eindeutig Gut und eindeutig Böse. 
‚Dieser Mechanismus, sich ein Weltbild zu konstruieren, das die Welt in die klaren 
Kategorien Gut und Böse einteilt, wird in der Wissenschaft als Manichäismus bezeichnet 
und ist konstitutiver Bestandteil des Antisemitismus.
»Man wird ja wohl nochmal sagen dürfen …«
In der antisemitischen Welterklärungsideologie spielen Assoziationen eine wichtige Rolle. 
So gerieren sich Antisemitinnen und Antisemiten oft als Tabubrecher. Für sich allein genommen, ist die Behauptung, ein Tabu zu brechen, erst einmal nicht unbedingt anrüchig. 
In Bezug auf Israel sollte es jedoch aufhorchen lassen: »Man wird ja wohl noch mal sagen 
dürfen«. Dieser Satz impliziert, dass dies aber nicht gesagt werden darf. Auch hier legt 
sich aufmerksames Nachhaken nahe. Gibt es das Tabu wirklich, von dem gerade die Rede 
ist? Und wer setzt angeblich dieses vermeintliche Tabu durch? Häufig landet man da sehr 
schnell bei der vermeintlichen Auschwitz- bzw. Antisemitismuskeule. Also dem Vorwurf: 
Jüdinnen und Juden und der Staat Israel instrumentalisieren das Gedenken an den Holocaust gegen unerwünschte Kritik, und um eigene Machtinteressen gegen die Mehrheit durchzusetzen. 
Eigentlich sollte ein täglicher Blick in die unterschiedlichsten Tageszeitungen deutlich 
machen, dass dieses häufig behauptete Tabu, man dürfe die Politik Israels nicht kritisieren, 
in keiner Weise vorhanden ist. Wohl die Politik keines Staates, vielleicht mit Ausnahme 
der USA, ist medial und in alltäglichen Gesprächen so in der Kritik, wie die Politik Israels. 
Aussagen wie »man muss Israel doch auch mal kritisieren dürfen« beinhalten häufig nicht 
den Wunsch, die Politik Israels zu kritisieren, sondern sie wollen Israels Existenz »kritisieren«. Spätestens da begeben sich die vermeintlich überzeugten Gegnerinnen und Gegner 
von Antisemitismus in antisemitische Argumentationsmuster. Den »Israelkritikern« in 
Deutschland geht es auch im Regelfall nicht in erster Linie um den Nahostkonflikt oder 
den Konflikt um die iranische Atombombe. Ihnen geht es um die deutsche Geschichte, 
um Schuldentlastung. Hier überschneidet sich sekundärer und israelbezogener Antisemitismus [vgl Text »Bildungsarbeit gegen israelbezogenen Antisemitismus«, S. 19 in dieser Broschüre]. 
Täter-Opfer-Umkehr
Dass der israelbezogene Antisemitismus, als Kritik getarnt, eine antisemitische Umwegkommunikation ist, zeigt sich auch daran, dass diese Variante des Antisemitismus unmit-
telbar mit der Staatsgründung Israels einsetzte (3), als Formen des klassischen Antisemitismus durch den Holocaust öffentlich sanktioniert wurden. Insbesondere in Deutschland 
geschah dies häufig in Form einer Opfer-Täter-Umkehr. Dass diese aktuelle Variante des 
Antisemitismus schon unmittelbar nach der israelischen Staatsgründung Anwendung 
fand, zeigt zudem, wie schnell Menschen in der Lage sind, antisemitische Ressentiments 
an neue Gegebenheiten anzupassen. So bescheinigte die damalige ZEIT-Kolumnistin Marion Gräfin Dönhoff bereits 1948, gerade vier Monate nach der Staatsgründung Israels, in 
einem Artikel über die Ermordung des UN-Vermittlers für Palästina, Folke Bernadotte, 
den Israelis, sehr weit »auf jenem Wege bereits gelangt [zu sein], der erst vor kurzem ein 
anderes Volk ins Verhängnis geführt hat« (4). Allein dieser Satz könnte aus einem Lehrbuch 
über israelbezogenen Antisemitismus stammen. Er setzt Israel mit dem nationalsozialistischen Deutschland nahezu gleich, mit dem Ziel,  Israel zu dämonisieren und deutsche 
Verbrechen massiv zu verharmlosen. Zudem vollzieht Dönhoff eine Täter-Opfer-Umkehrung: Die Israelis, viele gerade aus den deutschen Todeslagern entkommen, seien nun die 
Täterinnen und Täter und zu schlechter Letzt wird das »deutsche Volk« als Opfer dargestellt, da ihm ein eingeschlagener Weg zum Verhängnis geworden sei. Diese Betrachtungsweise des Nahostkonflikts und der Missbrauch des Nahostkonfliktes für die Relativierung 
der Verbrechen der deutschen Geschichte finden sich auch nach über 60 Jahren immer 
wieder und immer häufiger in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung.
Eine des Antisemitismus unverdächtige Kritik an Israel ist möglich, aber selten.
Schon 2004 stellte das Bielefelder Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung fest: 
 »Eine des Antisemitismus unverdächtige Kritik an Israel ist möglich, aber selten. Nur 10% der Befragten, die im GMF [Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit]-Survey 2004 eine Kritik an Israel ohne antisemitische Anleihen äußerten, signalisierten keine Zustimmung zu mindestens einer weiteren Facette des Antisemitismus. Die Mehrheit dieser Befragten kritisierte ebenso die palästinensischen Angriffe auf Israel und wendete sich generell gegen Gewalt als Mittel der Konfliktlösung. Ihre politische Position markieren sie eher als »links« oder »Mitte«, sie sind besser gebildet als der Durchschnitt, weniger nationalistisch und autoritär gestimmt und erweisen sich auch gegenüber anderen Gruppen als toleranter.« (5) 
Anmerkungen:

1 Im Internet ist der Aufsatz »Antisemitismus in 3-D«, in dem Natan Sh
aransky den 3D-Test erläutert, abrufbar unter:
5″>www.zeit.de/1948/39/voelkischer-ordensstaat-israel
5 »Antisemitismus in Deutschland und Europa« von Andreas Zick und Beate Küpper in »Aus Politik und Zeitgeschicht« 31/2007, online: www.bpb.de/apuz/30329/antisemitismus-in-deutschlandund-europa?p=0
style=”text-align: center;”>Weiterlesen 
hier!
Jan Riebe, Diplom-Sozialwirt, ist Projektkoordinator bei der Amadeu Antonio Stiftung.

Israelbezogener Antisemitismus – ein überladenes Problem

Anetta Kahane

Wenige Themen der öffentlichen Debatte sind so schwierig und derart überladen wie der 
israelbezogene Antisemitismus. Das hat verschiedene Ursachen und drückt sich unterschiedlich aus. Fakt aber ist: es gibt ihn, den Israelhass, der antisemitisch daherkommt 
und auch so gemeint ist. Sogar wenn er nicht so gemeint ist, taucht er auf, mal direkt, mal 
indirekt, doch stets bewacht von vielen Emotionen. Gegen die Emotionen ist eigentlich 
nichts auszusetzen, die Frage ist nur, wen oder was sie beschützen. Die Antwort: in der 
Regel ist es mit den heftigen Gefühlen in dieser Debatte wie mit einer Falle, die sich umso 
fester schließt, je mehr man sich zu befreien versucht. Je leidenschaftlicher eine Diskussion 
über Israel jeden Antisemitismus darin bestreitet, desto präsenter ist er. 
Wann genau ein Diskurs über Israel antisemitische Züge annimmt, soll hier dargelegt 
werden, doch mindestens ebenso wichtig erscheint die Frage, warum Israel überhaupt so 
allgegenwärtig die öffentlichen Debatten bewegt. Erst wenn es darüber Klarheit gibt, finden inhaltliche oder auch polemische Beiträge ihren angemessenen Platz. 
Wie kein anderes Land auf der Welt steht Israel unter ständiger, missbilligender Beobachtung. In Europa und besonders in Deutschland verfolgt die Öffentlichkeit nahezu 
obsessiv, was in diesem kleinen Land geschieht. Dabei steht der Konflikt mit den Palästinensern stets im Mittelpunkt aller Betrachtung. Bezugspunkt jeder Bewertung Israels ist 
das »himmelschreiende Unrecht« gegenüber den Palästinensern, das alle anderen Konflikte der Welt als Nebenschauplätze erscheinen lässt. Weshalb ist das so? Woran erregt sich 
die deutsche Gemütslage so grundsätzlich und vehement? Weshalb gerade hier und nicht 
an anderen großen oder kleineren Konflikten, die meist härter, ungerechter, blutiger und 
fundamentaler geführt werden als die Auseinandersetzungen in Israel und den Palästinensergebieten? 
Die Quellen des Hasses existieren noch immer 
Das hat mit der Geschichte zu tun, heißt es. Und das stimmt auch. Der Massenmord an 
den europäischen Juden, geplant und exekutiert von Deutschen, mit mehr oder weniger 
engagiertem Zutun aus anderen europäischen Ländern hat für unabsehbare Zeit eine Verbindung zu Israel und den Juden hervorgebracht, wie es sie zu anderen nicht gibt. Diese 
Verbindung aber muss man sich genau anschauen, denn sie ist geprägt von Schuld und 
Schuldabwehr, von Projektionen und vom ganz banalen Antisemitismus, der sich durch 
den Holocaust nicht einfach in Luft aufgelöst hat. Doch gerade angesichts des Menschheitsverbrechens kann er nicht mehr länger in seiner plumpen Form daherkommen. Denn 
wenn er es tut, wie bei Nazis und Neonazis, ist das Geschrei groß. Zu Recht. Nicht alle 
aber, die da schreien, sind selbst frei davon. Zu groß ist die Scham darüber, warum man 
eigentlich die Juden hasst. Und dass die Quellen des Hasses noch immer existieren. Es ist 
eine Mischung aus Neid und Verachtung, eine Furcht vor dem Kosmopolitischen, dem 
Abstrakten, dem Kapitalistischen, dem Revolutionären, dem Verschwörerischen und dem 
Intellektuellen. Das alles steckt in der antisemitischen Projektion, die freilich nichts mit 
dem realen Judentum zu tun hat. Es sind Urängste, tief sitzender Neid, bitterste Verachtung, niedrigste Bauchgefühle. Die Projektionen auf die Juden sind so komplex, dass sie 
eigentlich tun können, was sie wollen – es wird immer irgendein Ressentiment bestätigt. 
Nach dem Holocaust lässt sich das aber nur schwer zugeben, doch Gott sei Dank gibt es ja 
jetzt Israel. Das lässt sich gut mit als Kritik verkleidetem Ressentiment überschütten. Und 
in der täglichen Politik gibt es dafür auch immer wieder Anlass genug. 
Rassismus als Kampfbegriff
Ein grundsätzliches Missverständnis taucht immer wieder auf, wenn es um Israel geht. 
Dem Staat wird vorgeworfen, in seinem Kern rassistisch zu sein. Das ist umso bemerkenswerter, als dass diejenigen Länder, aus denen der Vorwurf kommt, hier ganz explizit Deutschland, den Rassismus im eigenen Lande verleugnen. Jeder Versuch, Rassismus 
explizit und konkret anzusprechen, ist wie ein vergebliches Rufen im Walde. Es bleibt 
im besten Fall ungehört und im schlechtesten wird der Rufer bestraft. Israel jedoch wird 
selbst von Spitzenpolitikern als jüdischer Apartheidstaat bezeichnet. So oft Rassismus in 
Bezug auf Israel als Kampfbegriff eingesetzt wird, so wenig gilt er im eigenen Lande. 
Das Judentum, Ziel des Antisemitismus, zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus. 
Jude zu sein, bedeutet sowohl eine im modernen Sinne ethnische Zugehörigkeit, als auch 
eine Religion. Man kann also Jude sein durch Geburt von einer jüdischen Mutter oder 
durch Religiosität. In vielen Fällen ist beides gleichzeitig der Fall. Dennoch gibt es Juden, 
die nicht vom Stammesverständnis her, sondern durch Beitritt – also Konversion zu Juden 
werden. Da im Judentum nicht missioniert wird, sind solche Übertritte vergleichsweise 
selten, doch es gibt sie. Wer sich entschließt, Jude zu werden, kann es auch, doch er muss 
sich auf einen mühsamen Weg machen. Anders als bei Christen oder Muslimen reicht 
kein Glaubensbekenntnis. Viele Israelis sind daher zwar Juden von Geburt, aber nicht religiös. Und umgekehrt sind nicht alle Religiösen von Geburt an Juden. Das Judentum ist 
also eine Mischung aus unterschiedlichen Formen des Bezugs. Was jedoch alle verbindet, 
ist die Geschichtsidentität. Ob säkular oder religiös, ob aus Israel oder sonst wo auf der 
Welt, alle Juden kennen ihre Geschichte seit über 5000 Jahren, die an einem Ort spielt, 
der Israel heißt. Israel – ein Begriff, der das Volk des alten Israel genauso bezeichnet wie 
einen geographischen Punkt auf der Landkarte. 
Israel, kein Staat wie jeder andere
Nach der Metzelei an den europäischen Juden wurde der Wunsch nach einem eigenen 
Staat, in dem man als Jude in der Mehrheit ist, immer nachdrücklicher. Dass ausgerechnet 
jene Ecke der Welt dafür ausgesucht wurde, die den Bezug zur eigenen Identität verkörpert, hatte also seine Logik. In diesem Staat aber sollen die Juden die Mehrheitsgesellschaft 
bilden. Also müssen säkulare und religiöse Perspektiven im Aufbau des Staates berücksichtigt werden. Und das ist schwer in der modernen Welt. Ein Privilegieren der Juden als 
Mehrheit in einem jüdischen Staat bedeutet, Nicht-Juden dieses Privileg vorzuenthalten. 
Das wiederum ist in einer Demokratie nicht möglich. Also sind die Gesetze innerhalb 
Israels an der Stelle kompliziert, statt einfach. Einfach wäre es zu sagen: alle sind gleichberechtigt. Doch das würde bedeuten, keinen jüdischen Staat zu haben, sondern einen Staat 
wie jeden anderen. 
Davor jedoch fürchten sich die Juden, denn ihre Lage in der Region ist sehr schwierig. 
Der Hass der umliegenden Staaten bedroht ihre Existenz. Und zwar weil Israel nicht 
nur ein jüdischer, s
ondern eben auch ein säkularer, moderner, demokratischer Staat ist, 
dessen Gesellschaft äußerst heterogen und multikulturell ist. Israel ist westlich orientiert, 
hat eine intensive Debattenkultur, über alles wird gestritten; es ist eine Insel vital gelebter 
Demokratie inmitten einer Region, in der um wichtige Parameter der Menschenrechte 
wie Pressefreiheit, Religionsfreiheit, freie Wahlen und vieles mehr noch gekämpft werden 
muss. Der Hass auf Israel ist ein Ventil für die Wut und Resignation über das Stagnieren 
der Region auf einem niedrigen ökonomischen Niveau. Viele Länder im Mittleren Osten 
haben noch einen schwierigen und langen Weg von Despotie zu Demokratie zu gehen. 
Doch statt sie dabei zu unterstützen und für die Menschenrechte einzutreten, ist es für 
viele Europäer leichter, Israel zu dämonisieren und die Juden dabei zu meinen. 
Gewiss ist die Mehrheit-Minderheit-Konstruktion in Israel für Europäer schwer zu verstehen, und die Folgen auch schwer gutzuheißen, doch der einfache Rückzug auf ein Ressentiment belegt nur den Mangel an Bereitschaft, sich in die israelische Lage hineinzudenken. Dass es darüber hinaus auch jegliche Art von Kritik an der jeweiligen politischen Ausrichtung der Regierung geben kann, versteht sich von selbst. Meist sind aber das Ressentiment und der Mangel an Bereitschaft zu Empathie die Quellen der Kritik und nicht die ohnehin komplizierte Sachlage. Israelfeindschaft oder – wie wir es nennen – israelbezogener Antisemitismus hat den klassischen Antisemitismus als Gesellschaftstheorie längst abgelöst. 
Antisemitismus jenseits der extremen Rechten
Dieser Antisemitismus kommt nicht mehr nur bei Rechtsextremen vor, im Gegenteil. 
Gerade Menschen, die den Kapitalismus ablehnen und den Imperialismus bekämpfen, 
benutzen Israel als ihre Projektionsfläche. Israel und die Juden sind für sie fast gleichbedeutend mit Kapitalismus und Imperialismus. Auch das ist ein altes antisemitisches Ressentiment, Juden mit Geld und Verschwörung zu verbinden, sie als heimliche Herrscher 
der Welt zu fantasieren. Oder als gnadenlose Rächer gegenüber den »unterdrückten Völkern« der Region. Viele antikapitalistische Gruppen und Verbände haben eine irrationale 
Haltung zu Israel und den Juden. In ihrer Ideologie zeigen sich die alten Klischees, die 
Gerüchte über die Juden. Und sie behaupten, man dürfe Israel nicht kritisieren, um so 
jeder Auseinandersetzung von vorn herein aus dem Weg zu gehen oder jeden Widerspruch 
zu delegitimieren. Und schon entstehen wieder heftige Emotionen, die keinerlei Vernunft 
mehr zugänglich sind. 
Israel entstand in einer Zeit des weltweiten Umbruchs. Nach den beiden Weltkriegen 
sind viele Staaten neu entstanden und andere verschwanden. Grenzen wurden neu gezogen, gerade in Europa, Bevölkerungen wurden ausgetauscht. Polen, Ukrainer, Ungarn, 
Rumänen, Tschechen, Deutsche – überall in Mittel- und Osteuropa gerieten die Grenzen, Staaten und ihre Bewohner in Bewegung. Die meisten Juden, die dort lebten waren 
umgebracht worden, die überlebten, suchten nach einem neuen Weg. Und viele führte 
dieser Weg in ein neues, eigenes Land, in dem weder Invasoren noch Nachbarn sie einfach 
töten konnten. Alle diese neuen Grenzen sind inzwischen Normalität. Niemand will mehr 
ernsthaft, dass die Vertriebenen nach Polen, Russland oder sonst wohin zurückkehren. 
Ebenso wenig wollen das alle anderen. Denn in dem Fall müssten die meisten Europäer 
noch einmal komplett umziehen. Mitsamt aller ihrer Nachfahren. Niemand will sich die 
Konflikte, Probleme und Kämpfe, die daraus heute entstehen würden, wirklich vorstellen. 
Warum also soll Israel das einzige Land sein, dem nicht zugebilligt wird, als Produkt 
der europäischen und speziell der deutschen Geschichte anerkannt zu werden? Weshalb 
gerade Israel? Wozu die Obsession? Um israelbezogenen Antisemitismus aufzulösen, muss 
man zuerst verstehen. Dazu wollen wir mit diesem Heft beitragen. 

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Anetta Kahane ist Vorsitzende der Amadeu Antonio.Stiftung