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GESCHICHTE VON HUNDEN von Nathan Weinstock


GESCHICHTE VON HUNDEN

von Nathan Weinstock


…in der arabisch-muselmanischen Welt
ist der Untermensch, der „Hund”, zuallererst der Jude

Erscheint in «Revue d’Histoire de la
Shoah»

Es gab einmal eine Zeit, als man sich verpflichtet
fühlte, jede Äußerung mit einem Arsenal an Zitaten aus den Werken von
Marx zu garnieren. Das ist außer Mode gekommen. Glücklicherweise – denn
diese Manier, alles und jedes nach der Art des Chefs zuzubereiten,
gereichte seinem Andenken eigentlich nicht zu Ehren. Dennoch, man muss
keineswegs Marxadept sein, um Marx als scharfen Denker und subtilen
Analytiker der sozialen und politischen Konflikte anzuerkennen. Weshalb
sollten wir also den israelisch-arabischen Konflikt nicht erörtern,
indem wir von einer marxschen Beobachtung ausgehen.

Es ist bekannt, dass Karl Marx für die Gemeinschaft, aus der er stammte, keine besondere Zuneigung empfand. Sein Traktat „Zur Judenfrage”, geschrieben 1843, ist derart von einem aggressiven Antisemitismus durchtränkt, dass die österreichischen Antisemiten des 19. Jahrhunderts sich ein Vergnügen daraus machten, diesen Artikel wiederherauszugeben, um seine Schüler zu beschämen. Und in seiner Korrespondenz mit Engels belegte er seine Gegner jüdischer Herkunft mit Ausdrücken, die ihn heute in Gefahr brächten, juristisch belangt zu werden. In einem Text aus dem Jahre 1854 jedoch hat sich Marx intensiv mit dem Schicksal der Juden befasst, die im „Heiligen Land” zur damaligen Zeit lebten. Seltsamerweise erweist sich dieser Text als der einzige von seiner Hand, in dem er ein wenig Sympathie für die Seinen bekundet.

Lesen wir also diesen Artikel, der den Juden Jerusalems gewidmet ist:

[Beginn Zitat Marx]

„Die Muselmanen, die ungefähr einen Viertel der Gesamtheit (der Bevölkerung) ausmachen und aus Türken, Arabern und Mauren (Mooren) bestehen, sind natürlich die Herren in jeder Hinsicht, denn sie sind in keiner Weise durch die Schwäche ihrer Regierung in Konstantinopel beeinträchtig. Das Elend und die Leiden der Juden von Jerusalem sind ohnegleichen. Sie bewohnen das schmutzigsten Viertel der Stadt – das „hareth-el-yahoud” (Judenviertel) genannt wird – das Müll(-, Mist und Abfall)viertel der Stadt, zwischen dem Berg Zion und dem Berg Moriah (Tempelberg) gelegen, wo sich ihre Synagogen befinden. Sie sind das konstante Objekt muselmanischer Unterdrückung und Intoleranz, beschimpft von den Griechen, verfolgt von den Römisch-Katholischen. Sie leben nur von den spärlichen Almosen ihrer europäischen Brüder. Die Juden sind jedoch keine Einheimischen, sondern aus verschiedenen, entfernten Ländern. Und von Jerusalem sind sie angezogen lediglich durch den Wunsch, im Tal von Josephat zu wohnen und genau an dem Ort zu sterben, wo der Erlöser erwartet wird. „Sie widmen sich ihrem Tode”, sagt ein französischer Autor [2], „sie beten und leiden. Den Blick gerichtet auf diesen Berg Moriah (Tempelberg), wo sich einst der Tempel von Libanon erhob und dem sich zu nähern sie sich nicht getrauen, beweinen sie das Schicksal Zions und ihre Zerstreuung über die Welt”.

[Ende Zitat Marx]

Nebenbei erfahren wir von Marx, dass die Stadt Jerusalem eine Bevölkerung von 15000 Seelen umfasste; davon waren 8000 Juden und 4000 Muselmanen (Araber, Türken und Mauren).

(…) diese Anmerkungen werden von allen zeitgenössischen Beobachtern bestätigt. Übergehen wir die Untersuchungen der „Alliance Israélite Universelle”, die ein misstrauischer Leser des Mangels an Objektivität verdächtigen könnte. Wenden wir uns lieber den katholischen Reisenden zu, vielmehr den Autoren von Reiseführern für die Pilger, die (damals) ins Heilige Land reisten. Es waren genau diese erbaulichen Beschreibungen, die unvermeidlich in Betrachtungen dieses – genauso lehrreichen, wie herzzerreißenden – Spektakels endeten: Verachtete Juden auf der untersten Stufe des Elends – erstarrt im Gebet vor der Klagemauer, ergaben sie ein lebendiges Bild der Verkommenheit des „gottesmörderischen Volkes”. Und um dieser Apotheose noch mehr Hintergrund zu geben, befliss man sich, vor dieser letzten Etappe (dem Besuch der Klagemauer), in das Reiseprogramm einen Besuch des Judenviertels einzuschieben: „Dies ist bei weitem der düsterste und ungesundeste Teil der Stadt (…) der elende Anblick der Bewohner und das scheußliche Gepräge diese Quartiers bewirkt, dass man bei seiner Durchquerung die Verdammung Gottes nicht vergessen kann, die in so sichtbarer Weise auf den Kindern Israels lastet.” [4].

Kommen wir zurück zu dem Bild der Juden von Jerusalem, das Marx skizziert hat. Was zeigt es uns?

  Dass die Juden „das schmutzigste Viertel der Stadt bewohnen”, „das Müll(-, Mist und Abfall)viertel”

  Dass sie „das konstante Objekt muselmanischer Unterdrückung und Intoleranz” sind (ohne dass ihnen darum die Beleidigungen durch die Griechen und die Verfolgung durch die Römisch-Katholischen erspart geblieben wären).

  Dass die Juden Jerusalems zu jener Zeit nicht Einheimische waren (tatsächlich wuchs die jüdische Bevölkerung der Stadt und der Region seit dem Ende des 18. Jahrhunderts andauernd durch das Dazukommen von Neueinwanderern aus dem ottomanischen Reich oder aus anderen Gebieten) und dass sie den Tod erwarteten während sie für die Erlösung beteten.  

[Anfang Zwischenkommentar von Jared Israel]

Anmerkung des Herausgebers: Der obige Abschnitt ist verworren oder es handelt sich um einen typografischen Fehler im Original. (Die Übersetzung ist korrekt.) Ich möchte diesen Punkt näher beleuchten, denn er ist wichtig: Die anti-israelische Polemik beruht auf der Vorstellung, dass Juden „Außenseiter” oder „Kolonialisten” sind, nicht heimisch im Nahen Osten.

1) Weinstock legt dar, allem Anschein nach gemäss eines Teils des Marxschen Textes, den er nicht zitiert, dass die jüdische Bevölkerung Jerusalems seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bis 1853 konstant gewachsen war – d.h. seit mehr als fünf Jahrzehnten. Das würde bedeuten, dass eine ansässige, einheimische jüdische Bevölkerung  *mindestens* bereits vor dem Jahre 1800 bestand – d.h. ein Jahrhundert vor dem ersten Zionistenkongress in Basel 1897.

2) Weinstock sagt, dass die jüdische Neuankömmlinge von *innerhalb* des osmanischen Reiches kamen und aus anderen Ländern. Diejenigen, die von innerhalb des Reiches kamen, wanderten innerhalb der Grenzen eines Staates. Offensichtlich wanderten auch Muslime innerhalb dieses Staates. Von diesen Migranten, Juden oder Muslime, war niemand Kolonialist, geschweige denn Einwanderer. Aber nur über die Juden wird gesagt, „Sie waren nicht ‚Ansässige”. Nathan Weinstock argumentiert ähnlich weiter unten.

3) Und man beachte, dass Marx, der den Juden kritisch gegenüberstand, 1853, d.h. 44 Jahre vor dem ersten Zionistenkongress in Basel, schrieb, dass es in Jerusalem doppelt so viele Juden wie Muslime gab. Doppelt so viele! Und, gemäß Marx sowie gemäss einem ungenannten französischen Autor, den er zitiert, waren die Juden dort, weil ihre Leidenschaft für Jerusalem so groß war, dass ihr natürlicher Horror gegenüber der Art und Weise, wie sie behandelt wurden, überwunden wurde.

4) Überdies – wie wir an anderer Stelle bewiesen – haben die Juden, die im Rahmen des zionistisches Projektes einwanderten und zwar lange nachdem Marx seinen Artikel schrieb, Land von den arabischen Landbesitzern zu hohen Marktpreisen gekauft. Das ist natürlich nicht die Art von Kolonialisten. Zum Beispiel: Als die Briten Teile
des Mittleren Ostens übernahmen, kauften sie nicht etwa Land zu hohen Marktpreisen von verkaufswilligen Landbesitzern, wie es die Juden taten. Stattdessen exproprierten es die Briten einfach und überstellten es der britischen Krone. Auch in anderen Gebieten, wie Kenia, stahlen sie das Land auf die eine oder andere Weise.

[Ende Zwischenkommentar von Jared Israel]

[weiter im Artikel von Nathan Weinstock ]

Was Marx hier beschrieben hat – und alle zeitgenössischen Beobachter stimmen mit ihm darin überein – ist ganz einfach, dass die Juden Jerusalems (nach dem Beispiel der anderen Juden des Gebietes, das man gemeinhin das Heilige Land nennt und wie es die Regel war in der gesamten muselmanischen Welt) in einen Status der strukturellen und im eigentlichen Sinne diskriminierenden Erniedrigung gezwängt waren – in den Status der „Dhimmis”.

Dieser Zustand als «geschützter» Untertan, der Gnade der muselmanischen Macht ausgeliefert, ist die Erniedrigung, die die Scharia (das religiöse Gesetz des Islam) als Regime geschaffen und den Minderheiten des Buches (des Korans) auferlegt hat. Sie gilt also auch für die Christen der muselmanischen Welt, was diese jedoch nie daran gehindert hat, einen bösartigen Antisemitismus an den Tag zu legen. Alles spielt sich so ab, als sie ob aus der antijüdischen Tradition der christlichen Kirchen eine psychologische Kompensierung schöpften, die ihnen erlaubt, sich über die täglichen Erniedrigungen hinwegzutrösten, indem sie sich an den Parias schadlos halten, die noch weiter unten auf der Leiter der sozialen Anerkennung angesiedelt sind. So haben die orthodoxen Christen Jerusalems 1847, zweifellos inspiriert durch die Affäre von Damaskus, gegen ihre jüdischen Mitbürger eine Anklage wegen „rituellem Verbrechen” vorgetragen [5].

Nirgends wird das Los der Erniedrigung des Dhimmi so deutlich, wie in Yemen. In diesem Land trägt jeder Mann an seinem Gürtel einen gekrümmten Dolch zur Schau. Den Juden ist jedoch das Tragen des Dolches verboten, wodurch symbolisch illustriert wird, wie der Jude durch die Muselmanen wahrgenommen wird, nämlich als „Untermensch”. Dieser Status der Erniedrigung auferlegte den Dhimmis auch eine diskriminierende Kleiderordnung, untersagte ihnen den Gebrauch edler Reittiere (Pferde und Kamele), zwang sie, im öffentlichen Raum allen Muselmanen Platz zu machen, gegenüber welchen sie offensichtlich keinerlei Amtsgewalt beanspruchen konnten, auferlegte ihnen besonderen Steuern („kharaj” und „jizya”) und andere zusätzliche Abgaben, ohne dass sie dadurch vor den wiederholten Ausschreitungen des Pöbels geschützt gewesen wären.

Denn der „Schutz”, den der Status des Dhimmi vermittelt, garantiert den „Nutznießern” nicht etwa Sicherheit vor Verfolgungen:

Um im Nahen Osten zu bleiben (wobei analoge Beobachtungen in Nordafrika und in der gesamten muselmanisch-arabischen Welt gemacht werden können): In den Jahren 1850, 1856 und 1860 folgen sich religiöse Krawalle und gegen Nicht-Muselmanen gerichtete Massaker in Aleppo, in Nablus und in Damaskus. Was die Juden von Jerusalem, von Hebron, von Tiberias und von Zefat betrifft, so wurden sie Opfer von Razzien, von Raub und Erpressung während der ganzen ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts [6]. Die Lage der Dhimmis hat sich jedoch seit 1830-40, mit der Errichtung von europäischen Konsulaten in Jerusalem, verbessert: Die Diplomaten verlangten, dass sie (die Dhimmis) in den Genuss des, am 18 Februar 1856 vom Sultan unterzeichneten, „Ferma’n” kommen, welcher den Minderheiten juristische Gleichheit gewährte. Indessen nährten diese ausländischen Interventionen eine Reaktion der Ablehnung, die genau solche blutigen, interkonfessionellen Hassausbrüche auslösten, wie sie gegen die Christen des Libanon während der Jahre 1853-1860 gerichtet waren.

Wenn man einen Augenblick über das Wesen dieser strukturellen Erniedrigung, die den Dhimmis auferlegt war, nachdenkt, so kommt einem spontan das Konzept des Kolonialismus als Subsumption ihrer Lebensbedingungen in den Sinn. Tatsächlich werden durch die Entmenschlichung, die der Gesamtheit von Juden und Christen gegenüber der Gesamtheit der Muselmanen auferlegt wird, letztere – und dieses gilt für jedes Mitglied ihrer Gemeinschaft, unabhängig von seiner sozialen Stellung – zu Privilegierten im Verhältnis zu den Minderheiten. Dies entspricht sehr genau der Lebensbedingung der Kolonisierten, wie sie Albert Memmi beschrieben hat [7]. Es zeigt sich, dass dieser so oft beschriebene Kolonialismus, dessen Missetaten im Nahen Osten zu brandmarken man sich gefällt, aus historischer Sicht nicht immer dort anzutreffen ist, wo man ihn zu entdecken glaubte. Aus phänomenologischer Sicht muss man konstatieren, dass in der arabisch-muselmanischen Welt der Untermensch, der „Hund”, zuvörderst der Jude ist.

Wenn ich das sage, so bin ich mir bewusst, dass ich auf Verständnislosigkeit stoßen werde, d.h. auf die Entrüstung von zahlreichen Muselmanen, deren Lauterkeit ich nicht bezweifle. Sie werden daran erinnern wollen, dass der Jude eine sehr vertraute Erscheinung in der nordafrikanischen oder levantinischen Welt war, dass eine Vielzahl von Banden die Juden mit ihren Nachbarn vereinte, dass es – bis zu einem gewissen Punkt – eine Symbiose der beiden Kulturen gab. Feststellungen, die nicht falsch sind, die aber ein unverzeihlicher Mangel an (historischer) Perspektive ad absurdum führt. Denn – man erlaube mir eine brutale Analogie – bei konsequenter Analyse erweist sich diese Nähe von Muselmanen und Juden als ähnlich der Nähe, die den Reiter mit seinem Reittier vereint – und es ist der Jude, der hier geritten wird. Die Blindheit, die den muselmanischen Beobachter in diesem Zusammenhang schlägt, entspricht sehr genau derjenigen des Kolonialisten, der sich mit Rührung der Jahre harter Arbeit an der Seite seines „boy” erinnert, ohne dass er in der Lage wäre, zu verstehen, dass ihre Beziehung von Unterwerfung geprägt war. Kurz gesagt: Es ist das Wahrnehmungsvermögen des Südstaatlers (Sklavenhalters).

Diese Tatsache muss man sich vergegenwärtigen, denn sie ist nicht ohne Bedeutung für die Entstehungsgeschichte und für den Begriff des Konflikts, in dem sich die zionistischen Neuankömmlinge und die palästinensischen Fellachen im Heiligen Land gegenüberstehen werden. Wenn man sich auch nur darauf einigt, sich von oberflächlichen Analysen abzugrenzen und der Laxheit des vorherrschenden Von-der-Stange-Denkens zu mistrauen [8], so offenbart eine kritische Untersuchung der Ursprünge der Reibungen zwischen der arabische Bevölkerung [9] und der Yischuf [10], dass der erste bedeutende Konflikt, der die beiden Gemeinschaften gegeneinander aufbrachten, gar nichts mit bäuerlicher Landnahme, mit dem Problem der Landkäufe oder dem zionistischen Projekt an sich zu tun hatte.

Der Protest brach aus 1908, infolge des Entscheids der jüdischen Pioniere von Sejera, die tscherkessischen Wachleute zu entlassen und sie durch jüdische Wachleute zu ersetzen, (d.h.) zur Zeit der Gründung der Hachomer (Der Wächter), der Organisation der jüdischen Wachleute, die sich konstituierte nach dem Vorbild der Selbstverteidigungseinheiten, wie sie in Osteuropa, im Kampf gegen Pogrome geschaffen w
orden waren. Im Übrigen vom gleichen Geist getragen: Keinerlei Abhängigkeit bei der Absicherung seiner Sicherheit und Organisieren seiner eigenen Sicherheit.

Überdies muss man in diesem Zusammenhang klarstellen, dass diese Verteidigung (der Juden von Sejera) gegen beduinische Plünderer und gegen Viehdiebe gerichtet war (die sich ohne Unterschied bei allen Einwohnern des Dorfes bedienten) und nicht auf enteignete Bauern. Nun ist es genau diese Entlassung der tscherkessischen Wachleute (die keine Araber waren), welche zur Kristallisation der Ablehnung gegen die zionistischen Siedler geführt hat. Und weshalb? Worin fühlten sich die arabischen Dorfnachbarn durch diese Ablösung betroffen? Die Erklärung dafür ist zum Verzweifeln einfach: Ein Dhimmi ist darauf verwiesen, unter dem Schutz der Muselmanen zu leben. Mit welchem Recht könnte er denn beanspruchen, Waffen zu tragen und seine Verteidigung selbst in die Hand zu nehmen, er der weniger ist, als ein Hund? Das wäre eine Verkennung (Ablehnung) des vorgegebenen Status’ der Unterwerfung, der der seine ist..

Der Ursprung der konfessionellen Tumulte, die in Jaffa im März 1908 zwischen Araber und Juden ausbrechen, ist nicht klar. Klar ist dagegen die Motivation, die der Hetze gegen die Juden von Hebron vom Januar 1908 bis Januar 1909 – und es handelt sich hier nicht um Neuankömmlinge, sondern um die Bevölkerung der alten Yischuf, die übrigens dem Zionismus feindlich gegenüberstand: Wie Henry Laurens aufgrund von Archiven der französischen Konsulate gezeigt hat: „Die muselmanische Bevölkerung wurde zu einem Boykott der jüdischen Händler aufgerufen, in der Absicht, die Juden auf ihren Platz zu verweisen” [11] Denn der konservativen Bevölkerung der Stadt schmeckt die Revolution der „Jungen Türken” mit ihren Versprechungen der ottomanischen Staatsbürgerschaft keineswegs. Die Juden sollten sich nicht darauf versteigen, zu glauben, dass sie gleich seien wie die anderen. Diese jüdische „Frechheit” machte es nötig, dass man sie schonungslos an die Regeln der konfessionellen Hierarchie erinnerte: Um den Kolonisierten auf seinen Platz zu verweisen. Dazu kam die Vergiftung der Köpfe durch die – weitgehend austauschbaren –  Mythen von der jüdischen Weltverschwörung und vom Komplott der Freimaurer – eingeschleppt vom europäischen Antisemitismus, der sich stufenweise im Nahen Osten verbreitete. Zum Beispiel waren für den nationalistischen Führer Rachid Rida das jungtürkische Komitee „Union und Fortschritt” nichts anderes, als Auswirkungen der jüdischen und der freimaurerischen Macht. Diese Wahnvorstellungen werden bis in unsere Tage nicht aufhören zu wuchern dank der emsigen Lektüre der „Protokolle der Weisen von Zion” und anderer Auswüchse des judenfeindlichen Deliriums des Westens.

Wenn man nach den Demonstrations-Parolen urteilt, frappiert jedoch am meisten die Tatsache, dass die gegen die jüdische Gemeinde gerichteten Krawalle ihre Motivation nicht aus der Abneigung gegen das zionistische Projekt schöpften (Landkäufe, Landkolonisierung, Politik der ausschließlichen Beschäftigung von jüdischen Arbeitskräften). Die antikolonialistische Rhetorik taucht sogar seltsamerweise in den Demonstrations-Parolen der Menge überhaupt nicht auf. Letztere berufen sich nicht auf den Anspruch der Massen, die Unabhängigkeit zu erreichen. Nicht mehr als darin die Rede ist von Fellachen, die von ihrem Land vertrieben wurden. Nein: Die blutigen Krawalle in Jaffa vom 1. Mai 1921 finden statt zu Rufen wie “Muselmanen, wehret Euch, die Juden töten Eure Frauen” [12], d.h. durch die Beschwörung eines klassischen Archetyps des imaginären Rassisten oder südstaatlichen Sklavenhalters. Das ist genau das nahöstlichen Äquivalent der fixen Idee, die da heißt: „Berühre keine weiße Frau!”. Und es ist bezeichnend, dass die Angriffe nicht ausschließlich die Neueinwanderer zum Ziele haben, sondern genauso (und manchmal hauptsächlich) die alte Yischuf (der Ansiedlung von Juden im Heiligen Land), die lange vor dem zionistischen Projekt bestand, wie z.B. in Hebron, ja gelegentlich sogar Samaritaner, die überhaupt nicht Juden sind.

Und am 2. November 1921, dem Jahrestag der Balfour Deklaration: Wie lauten die Schlachtrufe, die in Jerusalem [13] von den mit Schlagstöcken und Messern bewaffneten Demonstranten bei einer neuerlichen, blutigen Demonstration gegen die jüdische Bevölkerung zu hören waren? Sie stellen sich zweifellos Parolen vor, die den Willen der Massen, Selbstbestimmung oder Unabhängigkeit zu erlangen, zum Ausdruck bringen? Keineswegs. Ihr Sammlungsruf ist der folgende: „Palästina ist unser Land, die Juden sind unsere Hunde [14], Mahomeds Gesetz ist das Schwert und die Regierung ist Schall und Rauch” [15]. Vielmehr als um eine „antimperialistische Bewußseinsbilduntg” handelt es sich hier um die Bestärkung des unveräußerlichen Rechts jedes Muselmanen („…die Regierung ist Schall und Rauch”) je nach Bedarf mit dem Schwert „Mahomeds Gesetz” zu erzwingen – und dieses will, dass „die Juden unsere Hunde (sind)”.

Das ist es, was man nicht hören will.

Um das Bild zu vervollständigen, sei hervorgehoben, dass die Ausbrüche von Hass, die die jüdische Gemeinschaft im Laufe der Jahre nach 1920 in ein Blutbad tauchen, hauptsächlich nicht gegen die ländlichen Kolonien oder die städtischen Viertel der zionistischen Einwanderer gerichtet waren, sondern gegen die Juden der alten Yischuf. Nun war diese – zum Teil arabischsprachige – Gemeinschaft schon seit Jahrzehnten in der Gegend ansässig. Sie ist für ihre eher feindliche Haltung gegenüber dem Zionismus bekannt – aus Gründen des religiösen Konservatismus. Und dennoch: 1929 stürzte sich der arabische Pöbel, in Hebron wie in Safed, auf die jüdischen Quartiere um ihre Einwohner in einem Anfall von abscheulichster Barbarei niederzumetzeln, zu verbrennen, zu verstümmeln, zu entmannen und zu vergewaltigen. Im Gegensatz zu den zionistischen Neuankömmlingen, hatten sich diese religiösen Juden nie auch nur im Geringsten darum bemüht, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Verteidigung im Falle einer Aggression zu gewährleisten, und so waren sie eine ideale Beute für die Mörder. Was uns aber ins Mark treffen sollte, ist zu sehen, dass sich diese blutige Furie auf friedliche Nachbarn konzentrierte, die nichts mit dem, durch die zionistische Kolonisierung entstandenen, Konflikt zu tun hatten und deren einzige Schuld es war, Juden zu sein.

Man erspare uns also bitte die allseits beliebten Interpretationen der Denkfaulen, die beanspruchen, alles mit der vom palästinensischen Volk empfundenen Ungerechtigkeit zu „erklären”. Was sich hier zeigt, ist ganz einfach die Logik der Entmenschlichung des Dhimmi und die fürchterliche Bestrafung, die den „Hunden” vorbehalten ist, die verdächtigt werden, aus ihrem Status entkommen zu wollen. Am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts sind die Mitglieder des alten Yischuf zu Schicksalsbrüdern der anderen, nicht-muselmanischen, verfolgten Minderheiten des Nahen Ostens geworden, genau wie die Assyrer und die Armenier – auch sie verdächtigt, dass sie sich dem Joch der Dhimmis zu entziehen trachteten.

Schlussendlich findet die Schlüsselrolle des Dhimmi-Status eine schöne Veranschaulichung in der Konstruktion des Begriffes „palästinensisches Volk”. Henry Laurens hat den Ausdruck „Falastin”, resp. seine Entstehung um 1908-1909 untersucht. Was auffällt, ist: Der Begriff „Palästinenser” umfasst alle, sich folgenden Einwanderungswellen von Muselmanen, die sich im Heiligen Land im 19. Jahrhundert niederließen, Araber oder Nicht-Araber (Hauranis aus Syrien, Maghrebiner aus Nordafrika, Tscherkessen aus Südrussland, Bosnier aus dem Balkan etc.) dagegen findet sich der jüdische Anteil von dieser gleichen, sich in Entstehung begriffenen,
palästinensischen Bevölkerung ausgeschlossen. Das gilt für die alte Yischuf und für die Juden aus der arabisch-muselmanischen Welt (aus dem Maghreb, aus Buchara, aus dem Yemen), selbst für arabischsprachige. Jeder Muselmane integriert sich von Rechts wegen in die palästinensische Gemeinschaft, jeder Jude ist a priori davon ausgeschlossen: Zu den Hunden geworfen.

Man verstehe mich recht. Es wäre absurd, den, von seltener Komplexität gezeichneten, israelisch-arabischen Konflikt auf eine einzige Komponente reduzieren zu wollen, nämlich derjenigen des Dhimmi-Systems. Es wäre aber genauso illusorisch, zu versuchen, die tiefliegenden Triebkräfte dieses Konfliktes zu verstehen, ohne diesen strukturellen Faktor zu berücksichtigen, der seit Beginn die arabische Wahrnehmung des Juden, ob er nun Israeli sei oder nicht, gefärbt hat und es weiterhin, bis zum heutigen Tage tut. Die „arabische Verweigerung” gegenüber der Tatsache Israel und gegenüber der Legitimität eines jüdischen Staates in Palästina durchzieht die Geschichte des Konflikts wie ein roter Faden. Dieser abgrundtiefe Hass auf Israel, dieses unerträgliche Gefühl der Demütigung, die dieser Staat hervorruft, erklärt sich aber nicht, wie oft versichert wird, durch das Drama der palästinensischen Flüchtlinge, denn dieser Hass datiert von viel früher: Schon am 15. Mai 1948, genau zum Zeitpunkt, als die regulären Truppen der arabischen Staaten den Jordan überqueren – also bevor es auch nur einen einzigen palästinensischen Flüchtling gegeben hätte – verkündet der Generalsekretär der Arabischen Liga, Azzam Pacha: „Es wird ein Vernichtungskrieg sein und ein denkwürdiges Massaker, an das man sich erinnern wird, wie an die Mongolenmassaker und diejenigen der Kreuzzüge.” [16]. Und der Hass hat seinen Ursprung auch nicht in der israelischen Präsenz in Cisjordanien und im Gazastreifen seit 1967: Hat man vielleicht vergessen, dass die gesamte arabische Welt Israel boykottierte und die Anerkennung des hebräischen Staates seit seiner Proklamation 1948 (aufgrund des UNO Vollversammlungsbeschlusses vom 29.11.1947) verweigerte, den sie vielmehr dämonisierte und zu zerstören schwor?

Unabhängig von den politischen Bedingungen, die eine dauerhafte Lösung des israelisch-arabischen Konfliktes beeinflussen, setzt eine solche Lösung zuallererst eine Revolution der Mentalitäten voraus. Die Friedensglocke wird an dem Tag geschlagen haben, an dem die Israelis – ganz einfach – als Grenznachbarn anerkannt werden, auch wenn die Politik ihrer Regierenden andersweitige Uneinigkeiten hervorrufen kann. Wie sehr würde man sich wünschen, dass dazu gerade diejenigen beitragen, die unaufhörlich ihre Sympathie mit der palästinensischen Sache proklamieren.

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Fußnoten und weitere Literaturangaben

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[1] Karl Marx, The Outbreak of the Crimean War – Moslems, Christians and Jews in the Ottoman Empire, New York Daily Tribune, 15. April 1854.

[2] Marx zitiert hier, ohne ihn zu nennen César Famin, Autor der Histoire de la rivalité et du protectorat des Eglises chrétiennes en Orient erschienen in Paris 1853.

[3] Hier das Original in Englisch, (das direkt auf Deutsch übersetzt wurde, der Übersetzer JL) : «The Mussulmans forming about a fourth of the whole and consisting of Turks, Arabs and Moors are of course the masters in every respect, as they are in no way affected by the weakness of their Government at Constantinople. Nothing equals the misery and the sufferings of the Jews of Jerusalem, inhabiting the most filthy quarter of the town, called hareth -el-yahoud, in the quarter of dirt between Zion and the Moriah where their synagogues are situated – the constant object of Mussulman oppression and intolerance, insulted by the Greeks, persecuted by the Latins, and living only upon the scanty alms transmitted by their European brethren. The Jews, however are not natives, but from different and distant countries, and are only attracted to Jerusalem by the desire of inhabiting the Valley of Josephat; and to die on the very place where the redemption is to expected. ‘Attending to their death’, says a French author, ‘they suffer and pray. heir regards turned to that Mountain of Moriah where once rose the Temple of Lebanon, and which they dare not approach, they shed tears on misfortunes of Zion, and their dispersion over the world’».

[4] Zweite Auflage von Guide-Indicateur des sanctuaires et lieux saints historiques de la Terre-Sainte des Bruders Liévin de Hamme, zitiert bei Guy Ducquois et Pierre Sauvage, L’invention de l’antisémitisme racial. L’implication des catholiques français et belges (1850-2000), Ed. Academia-Bruylant, Louvain-la-Neuve 2000, S.264.

[5] Henry Laurens, La question de Palestine, erster Band, Ed. Fayard, Paris 1999, S. 59.

[6] Über den «Dhimmi-Status» im allgemeinen, wird man sich stützen auf das Werk von Bat Yéor, Juifs et Chrétiens sous l’Islam, Ed. Berg International, Paris 1994.(www.dhimmitude.org)

[7] Albert Memmi, Portrait du colonisé précédé de Portrait du colonisateur, Coll. Folio Actuel, Ed. Gallimard, Paris 2002.

[8] Diese Bemerkung enthält eine gute Portion Selbstkritik: Ich habe mich in einigen meiner Publikationen selbst ins Unrecht gesetzt, indem ich die Falle nicht vermieden habe, solche allzu vereinfachende Ansichten zu verbreiten.

[9] Eigentlich eine trügerische Terminologie: Nicht alle nicht-jüdischen Bewohner Palästinas sind Araber (man denke an die Tscherkessen und die Bosnier) und die jüdische Bevölkerung umfasst eine beträchtliche Zahl von arabischsprachigen Juden, die aus dem Maghreb oder aus dem Yemen stammen.

[10] Mit diesem Ausdruck bezeichnet man die jüdische Gemeinschaft, die in Eeretz Israel, dem Heiligen Land wohnt.

[11] Henry Laurens, op.cit., S. 231 (Unterstreichung/Hervorhebung durch N.W.).

[12] Ibid., S. 565.

[13] Es ist angebracht, hier in Erinnerung zu rufen, dass seit der Mitte des 19.Jahrhunderts – lange vor der ersten zionistischen Einwanderungswelle – die Bevölkerung Jerusalems mehrheitlich jüdisch war.

[14] Yahoud kalabna.

[15] Henry Laurens, op.cit., S. 589 (Unterstreichung/Hervorhebung durch N.W.).

[16] Al Ahram et New York Times du 16 mars 1948 (cités par Rony E. Gabbay, A Political History of the Arab-Jewish Conflict, Genève 1959, p. 88).

 

(Ende Artikel von Nathan Weinstock)

 

   

< a href="http://emperors-clothes.com/german/articles/d-hunden.htm" target="" class="">Source: Emporer’s Clothes

Gegen Israel und die Juden: Mit Odin und Allah


Wenn es gegen Israel und die Juden geht,
setzen deutsche Neonazis auch auf Bündnisse
mit islamischen Kräften.



Von Alfred Schobert, Jungle World Nr. 3/2001


Umso länger die neue Intifada dauert, je mehr die Lage in und um Israel sich zuspitzt und je verfahrener die Situation wird, desto heller ist die Freude der hiesigen extremen Rechten. Die Angriffe auf die Alte Synagoge in Essen und die Synagoge in Münster im Anschluss an Palästina-Solidaritätsdemos wurden zur eigenen Entlastung genutzt. Wegen des erhöhten politischen Drucks kamen diese Aktionen gerade recht.


Nun konnten die Völkischen in dasselbe Horn stoßen, in welches diverse Innenbehörden blasen, wenn es um den »Ausländerextremismus« geht. Wilhelm von Gottberg, Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, schreibt im Ostpreußenblatt, die Anschläge »durch fanatische Moslems« hätten »schlaglichtartig erhellt, was uns bei weiterer Zuwanderung blüht. Der Zusammenstoß der Kulturen in unserem Land wird nicht friedlich verlaufen.« Das ist seit langem rechte Standard-Argumentation, die sich – so geschehen im Rep-Blatt Der neue Republikaner – gelegentlich auch auf den Soziologen Wilhelm Heitmeyer beruft. Dieses Szenario trifft sich mit dem Rassismus der Mitte der Gesellschaft, dessen Ausstrahlung im Übrigen bis zu Teilen der antideutschen Linken reicht.


Die Festnahme der mutmaßlichen Täter des Anschlags auf die Düsseldorfer Synagoge steigerte die Stimmung in der rechten Publizistik. Nicht nur suchte man die schmutzigen deutschen Hände in Unschuld zu waschen. Eine sich nun deutlicher artikulierende Minderheitenströmung ergänzte die Ablenkungsrhetorik des rechten Mainstreams um heftige Kritik an Israel, den Juden, sowie um Solidaritätsbekundungen mit der palästinensischen Sache.


Gerhard Freys National-Zeitung titelte in den üblichen großen roten Lettern: »Israels Verbrechen an den Pälästinensern«. In deutlicher Anspielung auf deutsche Innenpolitik fragte das Blatt: »Wo bleibt hier der “Aufstand der Anständigen”?« Die National-Zeitung bedauert, dass »der Untergang der Palästinenser« die »politische Klasse und Journaille« kalt lasse, und plagiiert den antirechten Betroffenheitsjargon der letzten Monate: »Wegschauen ist nicht zulässig.«


Die um ein honoriges Image bemühte Junge Freiheit (JF) bietet, vordergründig betrachtet, eine bunte Mischung. Einer ihrer Alibijuden, Ivan Denes, durfte den proisraelischen Hardliner geben und den früheren Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu vom Likud als Retter »vor der schon halb bewerkstelligten Kapitulation« feiern. Das provozierte sogleich eine zornige Leserreaktion. Zuvor hatte sich Abdallah Frangi, Mitglied im Zentralkomitee der Al Fatah sowie im Zentralrat der PLO und seit 1993 Leiter der Palästinensischen Generaldelegation in Bonn, ausführlich per Interview in der JF zu Wort gemeldet.


Heftiger geht es in anderen rechten Medien zur Sache, insbesondere im Internet. Auf der Homepage der Jungen Nationaldemokraten (JN) Duisburg wird man von einem vermummten Kämpfer mit Knarre begrüßt. Im Gästebuch hofft man auf die »Absicht der Araber (…), dass sie das, was die Deutschen angefangen haben, zuende bringen«. Zu den rabiateren rechten Kämpfern gegen die weltumspannende jüdische Macht zwischen Israel und den USA zählt Martin Schwarz.


Als umtriebiger Autor besorgt er es der ganz alten Rechten, den »Reichs«-Rasern um Hans-Dietrich Sander in den Staatsbriefen, aber auch dem musikinteressierten Nachwuchs; er schrieb den Begleittext einer CD zu Ehren des faschistischen Gurus Julius Evola (Jungle World, 38-39/00), auf der ein Spektrum vertreten ist, das vom US-Neonazi Michael Moynihan bis zu den provinziellen Landser-Lyrikern Orplid reicht. Schwarz betrachtet den Nahost-Konflikt geopolitisch. So elitär und gebildet seine Analyse auch daherkommt, so altbacken ist die antisemitische Botschaft über »die Juden und das Geld«: Schwarz sieht eine »erfreuliche Annäherung des Irans an Rußland«, derweil »sich die früheren Oligarchen Rußlands bereits nach Israel abzusetzen beginnen«.


Sein Islam-Fimmel ist nicht neu, sondern hat sich bereits in NPD-Zusammenhängen bewährt. Schwarz übersetzte für das NPD-Organ Deutsche Stimme eine theo-geopolitische Skizze des italienischen Evolianers Claudio Mutti. Seit seinem Übertritt zum Islam bastelt Mutti in europäischen Zusammenhängen der so genannten Neuen Rechten an einem Bündnis mit islamischen Kräften. Der gemeinsame Feind, Israel und alles Jüdische, soll die krude Allianz schmieden.


Hinweise auf obskure Islam-Experten dürfen beim Bildungshuber Schwarz nicht fehlen. Ein »Geheimtip« ist Ahmed Huber aus der Riege der schweizer Holocaust-Leugner um den kürzlich in den Iran geflohenen Jürgen Graf. Huber war Gastredner beim 7. Europäischen Kongress der Jugend der JN Ende Oktober letzten Jahres.


Den eindrucksvollsten Bericht über Hubers Auftritt lieferte ein weiterer Gästebucheintrag bei der JN-Duisburg: »Gegen Ende der Veranstaltung redete ein schweizer Araber (?). Er erzählte (…) von den Weltherrschaftsansprüchen eines bestimmten Volkes (!).« Im »ungefähren Wortlaut« habe Huber dies gesagt: »Die Lage im Nahen Osten scheint sich zu ändern. Die Türkei und Saudi-Arabien sind auf dem besten Weg sich auf die Seite der Palästinenser zu schlagen. Wenn dies geschieht, dann kann man sagen, wie es früher schon einmal gesagt wurde: Der Tag der Freiheit und für Brot bricht an! Dem kann man wohl nichts mehr hinzufügen …« Der Klarheit halber sei hinzugefügt, dass hier eine Zeile aus dem Horst-Wessel-Lied gesampelt wurde.


Doch weiter im JN-Text: Huber »machte auch darauf aufmerksam, dass revisionistisches Geschichtsbewußtsein in fast allen arabischen (…) Staaten allgemein anerkannt ist, und sogar in den Schulen gelehrt wird. (…) Er hat seine Rede mit den Worten Allah sei mit Euch beschlossen, was Roßmüller (JN-Bundesvorsitzender; A.S.) in seiner abschließenden Rede dazu veranlasst hat zu sagen, dass wir stolz darauf sein können, dass wir Allah und Odin hinter uns stehen haben!«

Source: jungle world: Jungle World Nr. 3, 10. Januar 2001

Die Toleranz im islamischen Spanien ist ein Mythos

Professor Francisco Garcia Fitz


Es bleibt eine verlockende Idee: eine tolerante Gesellschaft, in der Völker mit verschiedenen Sitten, Sprachen und Religionen friedlich zusammenleben. Gerade in unserer Zeit hat sie eine außerordentliche Anziehungskraft. Dabei herrscht die weit verbreitete Vorstellung, daß sich im mittelalterlichen Spanien eine solche geradezu ideale multikulturelle und gemischtreligiöse Gesellschaft herausgebildet habe, in der drei Kulturen, die christliche, die muslimische und die jüdische, in relativer Harmonie zusammenlebten. Dort habe es, anders als im homogenen (gleichgesinnten) und monolithischen (einheitlichen) christlichen Europa nördlich der Pyrenäen, Toleranz und Verständnis füreinander gegeben.

Nicht wenige Politiker und Intellektuelle sehen darin ein Modell, um den wachsenden Problemen der Integration von Einwanderern aus anderen Kulturkreisen zu begegnen. Obwohl es Ansätze dafür auch in den christlichen spanischen Reichen gegeben hat, glaubt man dieses geradezu idyllische Profil vor allem im muslimischen (süd-spanischen) Andalusien vorzufinden. Doch diese Vorstellung einer Gesellschaft dreier verschiedener, sich gegenseitig respektierender Kulturen ist ein Mythos, ein Gemeinplatz, der nicht der historischen Realität entspricht.

Auf den ersten Blick deutet manches im mittelalterlichen Spanien tatsächlich auf eine „convivencia“ (ein friedliches Zusammenleben) zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen hin. Die politische Struktur im muslimischen Spanien ermöglichte es Christen und Juden, ihre Identität auch unter muslimischer Herrschaft zu bewahren. Eine gewisse Teilhabe der Unterworfenen an den Geschicken des Landes innerhalb der muslimischen Verwaltung war weiterhin möglich. Diese Haltung gegenüber den religiösen Minderheiten basierte auf dem Koran, der Muslimen vorschreibt, die Mitglieder der monotheistischen Religionen (Christentum und Judentum) zu respektieren. Christen und Juden galten somit als geschützte Minderheiten, als sogenannte „Dhimmis“.

Der politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Status der Christen und der Juden in al-Andalus war aber dennoch von Ausgrenzung und Minderwertigkeit geprägt. Entscheidende Positionen, beispielsweise Führungsaufgaben im Heer oder in der politischen Administration, blieben Christen und Juden verwehrt. Wenn gegen diese Regel verstoßen wurde, kam es mitunter zu Protesten der muslimischen Bevölkerung, die zur Absetzung, manchmal sogar zum Tod des Emporkömmlings führen konnten. Insbesondere das Steuerrecht spiegelte die gesellschaftliche Benachteiligung wider: Christen und Juden zahlten spezifische Steuern (die Dschizya = Tribut oder Kopfsteuer), eine Individualsteuer, und eine Grundsteuer, die sehr viel drückender waren als diejenigen Steuern, die den Muslimen auferlegt waren.

Hinzu kamen allerlei Herabsetzungen und Schikanen. So war es den christlichen und jüdischen Gemeinden verboten, ihre Religion öffentlich sichtbar auszuüben z.B. durch das Läuten der Glocken und das Abhalten von Prozessionen oder durch den Bau neuer Gotteshäuser. Strikt verboten war ihnen, ihre Ansichten über Religion öffentlich zu äußern. Kleidervorschriften dienten dazu, die „Dhimmis“ in der Öffentlichkeit eindeutig von den Muslimen zu unterscheiden.

Unklar ist, ob diese Bestimmungen in der Zeit des Kalifats (929-1031) durchgesetzt wurden. Doch für das 12. Jahrhundert ist belegt, daß Christen und Juden einen Gürtel, den sogenannten „Zunnar“, tragen mußten, während den Juden im islamischen Granada eine gelbe Mütze oder eine andere gelbe Kennzeichnung sowie besondere Kleidung vorgeschrieben war. Jede auch nur äußerliche Unterordnung eines Muslimen gegenüber einem Christen oder Juden war verboten, wie sich auch Christen und Juden keinerlei Zeichen eines höheren Ranges wie z.B. Waffentragen oder auf einem Pferd Reiten anmaßen durften. Ehen zwischen muslimischen Männern und christlichen Frauen waren erlaubt, aber die Kinder dieser Verbindung galten als Muslime. Umgekehrt war die Ehe zwischen einem christlichen Mann und einer muslimische Frau untersagt. Es ließen sich weitere Beispiele für diskriminierende Sanktionen und entehrende Bilder aufzählen. Manchmal wurden Christen und Juden mit Aussätzigen verglichen.

Auch wenn viele dieser diskriminierenden Gesetze nicht strikt befolgt wurden: Die pure Existenz dieser Vorschriften zeugt von einem grundsätzlichen Mißtrauen, von Geringschätzung, Feindseligkeit und Vorurteil der Muslime gegenüber dem „Anderen“ (Ungläubigen). Während der Herrschaft der nordafrikanischen Almoraviden und Almohaden über das muslimische Spanien im 11. und 12. Jahrhundert mündete diese Grundhaltung sogar in Zwangsbekehrungen, in Deportationen (Verbannung, Ausweisung) und in massenhaften Emigrationen (Flucht, Auswanderung) in das (nord-spanische) christliche Spanien (Asturien).

Als weiteres Argument für die Vorstellung, daß es im mittelalterlichen Spanien eine tolerante und offene Gesellschaft gegeben habe, gelten die Kulturleistungen. Zwischen iberischen Christen und Muslimen, und in geringerem Umfang zwischen diesen und der jüdischen Bevölkerung, hat es einen intensiven kulturellen Austausch gegeben. Dazu gehören der fruchtbare Einfluß des Arabischen auf die kastilische Sprache sowie der Einfluß der islamischen Kunst auf die christliche, der zu einer eigenen Kunstrichtung führte, dem sogenannten „Mudejar-Stil“. Doch es ist ein Irrtum, kulturellen Austausch mit „convivencia“ (friedlichem Zusammenleben) und Toleranz gleichzusetzen. Gleichheit oder Respekt sind dafür keine zwingende Voraussetzung. Die Herrschaft einer Gemeinschaft über eine andere, die Marginalisierung (Ausgrenzung), Intoleranz oder sogar Verfolgung und Versklavung einer Gruppe (der Juden und Christen) waren niemals ein Hindernis für kulturellen Austausch.

Ähnlich verhält es sich mit den Institutionen, die im mittelalterlichen Spanien einer friedlichen Lösung von Konflikten zwischen den Nachbarn verschiedener Religion auf beiden Seiten der Grenze dienten. Denn wir dürfen nicht die wahre Natur der Beziehungen verkennen, die jene Institutionen zu normalisieren versuchten: Wenn es friedliche Vermittlungsinstanzen gab, dann eben deshalb, weil Aggression, Raub, Verschleppung und Versklavung sowie Mordtaten an der Tagesordnung waren. Von daher erscheinen jene Institutionen viel weniger ein Argument für die Existenz guter nachbarschaftlicher Beziehungen, als vielmehr für die gewalttätige Natur der Beziehungen, die sie zu regeln versuchten.

Nicht zuletzt waren die Weltanschauungen, die auf beiden Seiten den kriegerischen Zusammenprall rechtfertigten und belebten, der Djihad (Heilige Krieg) auf der islamischen und die „Reconquista“ (die Rückeroberung des christlichen Spanien) auf der christlichen Seite, totalitäre Konzeptionen, die darauf angelegt waren, den Feind zu zerstören und nicht darauf, mit ihm zu paktieren oder zusammenzuleben. Die militärischen Unternehmungen des cordobesischen Herrschers Almanzor im 10. Jahrhundert oder die Djihad-Expeditionen der fundamentalistischen Almoraviden und Almohaden im 12. Jahrhundert gegen die christlichen Gebiete waren eine Entsprechung zu den Kreuzzügen der Christen in ihrem Kampf gegen den Islam.

Aus alledem läßt sich schließen, daß die Beziehungen zwischen Christen, Muslimen und Juden in ihrer Gesamtheit kaum von Toleranz zeugen, zumindest nicht im Sinne des Verständnisses, das wir heutzutage von diesen Konzepten haben. Unbestreitbar hat es kulturelle Anleihen und Einflüsse und friedliche wirtschaftliche Beziehungen gegeben, aber keine Beziehungen auf der Basis von Gleichheit und voller Akzeptanz der Unterschiede. Die Koexistenz (das friedliche aber unabhängige Nebeneinander) der verschiedener Gemeinschaften war relativ, denn zugleich wurden die persönlichen, familiären und politischen Kontakte zwischen ihnen immer wieder behindert oder sogar verhindert.

Vor diesem Hintergrund wirkt die idyllische Vorstellung eines muslimischen Spaniens als Treffpunkt dreier Kulturen eher wie die Antwort auf ein aktuelles Bedürfnis. Die Modelle für interkulturelle Beziehungen, die unsere Gesellschaft benötigt, sollten nicht im Mittelalter gesucht werden. Denn was man dort findet, ist die Kehrseite: eine Politik der Ausgrenzung, die schließlich in Gewalt und Vertreibung mündete.

Der Autor ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität von Extremadura in Cáceres (Spanien). Übersetzung: Alexander Bronisch.

Quelle: Welt, 1.6.2006
 und mit Kommentaren

Al Andalus – Das Land, wo Blut und Honig floss

Eugen Sorg

Jede Zeit, jede Kultur, ja jede soziale Gruppe schafft sich Mythen, in denen sie sich ihrer selbst vergewissert. Herkunftslegenden, Seinsparabeln, kleiner Aberglauben und grosse Vorsehung laden die kalte Zufälligkeit der Existenz mit Sinn auf, ordnen das Weltchaos in Gut und Böse und verwandeln Menschenhaufen in Gemeinschaften mit Seele und Tradition. Mythen sind wie magische Spiegel, die dem Betrachter jenes Bild zurückwerfen, das er von sich und seinesgleichen haben möchte. 

Einer der Lieblingsmythen der gebildeten Stände des Westens ist derjenige vom Glanz und Niedergang des maurischen Spanien. Die fast achthundert Jahre dauernde Epoche von al-Andalus, wie die Halbinsel von ihren arabischen Bewohnern genannt wurde, gilt als goldenes Zeitalter der Wissenschaften und der Künste und der christlich-jüdisch-islamischen Harmonie – unter dem Schutz eines toleranten, milden, von Vernunft durchwalteten Islam. «Für einen kurzen historischen Moment», schwärmt etwa der Herausgeber von «Das Wunder von al-Andalus», einer jüngst publizierten Sammlung arabischer und hebräischer Gedichte aus dem maurischen Spanien, «wurde der Traum von einem friedlichen Miteinander Wirklichkeit.» Ein Traum, der 1492 mit dem Abschluss der inquisitorisch-katholischen Reconquista Granadas und der Vertreibung der Muslime und Juden aus Spanien wieder ausgelöscht worden sei. 

Die Erfindung des muslimischen Spanien als Ort überlegenen Menschtums findet vor 250 Jahren in der Aufklärung statt und wird bis heute in unzähligen Versionen erneuert. Immer bedienen diese die Interessen der jeweiligen Zeit. Der sklerotisch erstarrten katholischen Kirche wird von den französischen Aufklärern eine idealisierte, gleichsam deistisch geläuterte islamische Gegenwelt ohne Papst, Dogma oder Scheiterhaufen vorgehalten. Wie der Rousseausche edle Wilde wird auch die Figur des edlen Muslim oder Orientalen von Pierre Bayle, Montesquieu, Voltaire und anderen zum zivilisa-tionskritischen «Tugendmodell und Beschämungsinstrument» (Siegfried Kohlhammer) ausgeformt. In Herders pädagogisierender Menschheitsutopie schliesslich erscheinen die Hispano-Araber als «Lehrer Europas», die mit dem «orientalischen Genius», mit dem «hellen Licht» ihrer Kultur die abendländische «Dunkelheit» beendet hätten. 


Die Romantik wiederum mit ihrer Sehnsucht nach Vergangenem und Verwunschenem findet in den maurischen Überlieferungen und Legenden ein ideales Dekor für Geschichten von Ritterlichkeit, Ehre und selbstloser Liebe. Chateaubriand («Le dernier Abencérage», 1826) und Washington Irving («Tales of the Alhambra», 1832) lösen mit ihren Büchern einen «Granada- und Alhambra-Kult» aus, in dessen Folge ein nicht mehr abbrechender Kulturtourismus mit entsprechenden Reiseberichten entsteht. Noch 1912 lässt sich zum Beispiel Rainer Maria Rilke in einem Brief aus Spanien vernehmen: «Übrigens müssen Sie wissen, ich bin seit Córdoba von einer beinah rabiaten Antichristlichkeit, ich lese den Koran, er nimmt mir, stellenweise, eine Stimme an, in der ich so mit aller Kraft drinnen bin, wie der Wind in der Orgel.» 

Paläste, Gärten und Gewalt

Der Orientalist Bernard Lewis hat bemerkt, dass der «Mythos spanisch-islamischer Toleranz besonders von jüdischen Gelehrten gefördert wurde, denen er als Stock diente, um ihre christlichen Nachbarn zu schlagen». Einer der Hauptgründe dafür war die lang anhaltende Weigerung des christlichen Europa, die Emanzipation der Juden anzuerkennen. Jüdische Intellektuelle führten dagegen den historischen Musterfall von al-Andalus ins Feld, «jene schöne und unübertroffene Zivilisation», wie der englische Staatsmann und Schriftsteller Disraeli mit mahnendem Unterton lobpries («Coningsby», 1844), in der «die Kinder Ismaels (die Araber) die Kinder Israels mit gleichen Rechten und Privilegien belohnten. Während dieser seligen Jahrhunderte fällt es schwer, die Gefolgsleute Mose von den Anhängern Mohammeds zu unterscheiden. Beide erbauten sie Paläste, Gärten und Brunnen, versahen gleichberechtigt die höchsten Staatsämter, konkurrierten in einem in die Ferne reichenden und aufgeklärten Handel und wetteiferten miteinander an berühmten Universitäten.» 

Und in den letzten Jahren schwingt bei der Erwähnung von al-Andalus ein beschwörender Klang mit. Die pazifistischen Eliten Europas sind verschreckt, verwirrt und beleidigt durch nicht enden wollende Gewalt und Krieg im Nahen Osten und durch das Vordringen islamischen Terrors in die eigenen Städte. «Nur Öffnung, nur Kontakt ist fruchtbar», ruft der erwähnte Herausgeber der Gedichtsammlung einer imaginären Öffentlichkeit unter Verweis auf das märchenhafte Maurenreich zu, «Abkapselung und Kampf sind tödlich. Die Symbiose von arabischer und hebräischer Sprachkultur, von muslimischem und jüdischem Geist bringt Wunder hervor – ihre Konfrontation kann nur Ungeheuer gebären. Das ist die Lektion von al-Andalus; sie ist bis heute folgenlos geblieben, in Spanien und überall sonst, zum Schaden der Menschheit.» 

Einen Mythos erkennt man nicht in erster Linie am gehobenen, hymnischen Ton, sondern vor allem an der Hartnäckigkeit, mit der er Realität und Zeit widersteht. So ignorieren die maurophilen Verklärungen und die damit einhergehenden Verdammungen der christlichen Intoleranz systematisch, dass sich die arabische Dominanz in Spanien einer kriegerischen Invasion und gewaltsamen Herrschaftssicherung verdankte. Nach einem Verrat des byzantinischen Exarchen von Ceuta hatte im Jahre 711 ein arabisches Heer unter Führung des Berberkommandanten Tarik nach Gibraltar (Dschabal al-Tarik, der Felsen des Tarik) übergesetzt und kontrollierte kurze Zeit darauf grosse Teile Spaniens. Es war der westlichste Teil des islamischen Imperiums, das sich von Lissabon bis an den Indus erstreckte. Nur hundert Jahre hatten die Nachfolger des 632 gestorbenen Glaubensstifters Mohammed gebraucht, um das gewaltige Gebiet zu erobern. 

Von al-Andalus aus lancierten arabische Truppen und Banden regelmässige Razzien (al-ghazw, arab. der Raubzug) bis tief ins Hinterland der christlichen Barbaren. Sie plünderten sich wiederholt durch das Rhonetal, terrorisierten Südfrankreich, besetzten Arles, Avignon, Nîmes, Narbonne, welches sie 793 in Brand setzten, verwüsteten 981 Zamora und deportierten 4000 Gefangene. Vier Jahre darauf brannten sie Barcelona nieder, töteten oder versklavten sämtliche Bewohner, verwüsteten 987 das portugiesische Coimbra, welches daraufhin sieben Jahre lang unbewohnt blieb, zerstörten León mitsamt Umgebung. Verantwortlich für letztere Operationen war der Amiriden-Herrscher al-Mansur, «der Siegreiche» (981–1002), bekannt geworden dafür, dass er alle philosophischen Bücher, deren er habhaft werden konnte, verbrannte, und der während seiner Regentschaft rund fünfzig Feldzüge anführte – regelmässig einen im Frühling und einen im Herbst. Sein berühmtester wurde jener von 997 gegen die heilige Pilgerstadt Santiago de Compostela. Nachdem er sie dem Erdboden gleichgemacht hatte, traten ein paar tausend christliche Überlebende den Marsch in die Sklaverei an. Mit sich schleppten sie die Glocken von Compostela ins tausend Kilometer entfernte Córdoba, wo diese zu Lampen für die Moschee umgeschmolzen wurden. (Ein Vierteljahrtausend später eroberten die Kastilier Córdoba zurück, und die wiederhergestellten Glocken wurden nach Compostela zurückgebracht, auf den Rücken von muslimischen Gefangenen.) Die nordafrikanischen Berberdynastien der Almoraviden und Almohaden, die im 11. und 12. Jahrhundert die Macht in al-Andalus an sich rissen, setzten die Praxis der räuberischen Raids fort. 

Während der ganzen Epoche kreuzten auch islamische Seefahrer und Piraten an den Küsten Südfrankreichs, Italiens, Sardiniens, Siziliens,
Griechenlands auf. Ihre verheerenden Überfälle hatten die Entvölkerung ganzer Landstriche zur Folge, wie viele zeitgenössische Berichte dokumentieren. Kreta, überliefert eine Chronik, wurde 827 während zwölf Tagen geplündert, und die Einwohner von 29 Städten wurden in die Sklaverei getrieben. Eine andere Chronik erzählt vom Fall von Syrakus nach neunmonatiger Belagerung im Jahre 878: «Tausende Menschen wurden umgebracht, und es fiel dort Beute an wie niemals zuvor in einer anderen Stadt. Einige wenige konnten entkommen.» 


Die Truppen der Emire und Kalifen bestanden zum Teil aus grossen Kontingenten von Nichtmuslimen. Die Raubzüge stellten – neben dem Auffüllen der Herrscherkasse – den Nachschub an Kampfsklaven sicher, aber ebenso denjenigen an Feldsklaven oder frischen Haremsgespielinnen. Und sie hatten noch einen weiteren Zweck, wie der Historiker al-Maqqari aus dem nordafrikanischen Tlemcen im 17. Jahrhundert erklärte. Der Terror, schrieb er, welchen die arabischen Reiter und Seeleute verbreiteten, habe die spätere Eroberung erleichtert: «Allah, auf diese Weise wurde eine solche Angst unter den Ungläubigen gesät, dass sie es nicht wagten, sich zu rühren und gegen die Eroberer zu kämpfen; nur als Bittsteller näherten sie sich diesen und flehten um Frieden.» 

Rohe Brutalität, Versklavung, Brandschatzung waren die Praxis aller Armeen der damaligen Zeit. Aber die «Masslosigkeit, die Regelmässigkeit und der systematische Charakter der Verwüstungen», urteilt die britisch-ägyptische Historikerin Bat Ye’or, unterscheide die islamo-arabische Expansion von kriegerischen Unternehmungen der damaligen griechischen, slawischen, lateinischen Heere, und mache sie zur «vielleicht grössten Plünderungsaktion der Geschichte». 

Die muslimischen Kombattanten waren getragen von der Idee des Dschihad, des heiligen Krieges, eines bis heute zentralen Begriffs im Islam. Ihr Glaube unterteilte die Welt in das Dar al-Islam (Haus des Islam), in dem das Gesetz Allahs herrscht, und in das Dar al-Harb (Haus des Krieges), Wohnsitz der Ungläubigen, das heisst aller Nichtmuslime. Das Ziel des Dschihad ist es, die Völker der Erde unter das Gesetz Allahs, unter die Scharia zu bringen. Solange noch Harbi, Ungläubige existierten, konnte es für die Muslime, für «die beste Gemeinschaft, die unter den Menschen entstanden ist» (Koran, Sure 3:110), höchstens vorübergehende Waffenruhe, aber keinen Frieden geben. «Der Dschihad ist eine heilige Aufgabe», schrieb im 14. Jahrhundert Ibn Khaldun, Politiker, Soziologe und Abkömmling einer adligen Araberfamilie aus al-Andalus, «wegen der Universalität der islamischen Mission und der Verpflichtung, jedermann zum Islam zu bekehren, sei es durch Überzeugung oder durch Gewalt.» Und: «Der Islam hat den Auftrag, Macht über die anderen Nationen zu gewinnen.»

Tribut oder Tod

Um das Jahr 610 war dem damals 40-jährigen, bescheidenen Kaufmann Mohammed aus Mekka zum ersten Mal der Erzengel Gabriel erschienen. Und als er 22 Jahre später starb, war er der mächtigste Mann Arabiens. Mohammed hatte die meisten Stämme der Halbinsel unter dem von ihm gestifteten Islam vereint. Als charismatischer Heerführer hatte er Karawanen überfallen und Oasen geplündert und als Richter über Tod oder Leben der Gefangenen und die Verteilung der Beute verfügt. Er hatte zwei der drei jüdischen Stämme von Medina, die sich nicht bekehren liessen, ausgeraubt und aus der Stadt vertrieben. Als finsterer orientalischer Leviathan hatte er die Ausrottung aller Männer des dritten, des Stammes der Banu Quraiza, angeordnet und deren Frauen und Kinder versklavt. Und als Prophet konnte er für jede seiner Entscheidungen göttliche Offenbarung geltend machen. 

«In der Nacht wurden quer über den Marktplatz der Stadt Gräben ausgehoben, gross genug, um die Leichen der Männer [des Stammes der Banu Quraiza] aufzunehmen. Am Morgen befahl Mohammed, der selber zu den Zuschauern der Tragödie gehörte, dass die männlichen Gefangenen in Gruppen von jeweils fünf oder sechs herbeigeführt werden sollten. Jede Gruppe hiess man dann in einer Reihe am Rande des Grabens niedersitzen, der bestimmt war, ihr Grab zu werden; dort wurden sie enthauptet und die Leichen hinabgestossen. Die Schlächterei, die am Morgen begonnen hatte, dauerte den ganzen Tag und wurde bei Fackelschein bis in den Abend fortgesetzt. Nachdem er so den Marktplatz mit dem Blut von sieben- oder achthundert Opfern getränkt und den Befehl erteilt hatte, die Erde über den Leichen zu glätten, liess Mohammed das furchtbare Schauspiel hinter sich, um bei den Reizen Rihanas Trost zu finden, deren Ehemann und männliche Verwandte alle gerade in dem Massaker umgekommen waren.» (Sir William Muir, «The Life of Mohammed», in: Ibn Warraq, «Warum ich kein Muslim bin».) 

Ausgehend vom exemplarischen Leben Mohammeds, wie es im Koran und im Hadith, den Überlieferungen seiner Worte und Taten, festgeschrieben stand, entwickelten Generationen von muslimischen Rechtsgelehrten eine Dogmatik des heiligen Krieges. Eine der folgenreichsten Verkündungen Mohammeds lautete: «Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und den Jüngsten Tag glauben und nicht verbieten, was Allah und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben [Juden und Christen] –, bis sie kleinlaut aus der Hand Tri
but entrichten» (Sure 9:29). Sie sanktionierte nicht nur die Pflicht zum Dschihad, sie eröffnete auch die Möglichkeit, den besiegten Feinden eine Art Vertrag, Dhimma, zu gewähren, der sie in den Status von Tributpflichtigen, Dhimmi, versetzte. Gegen das Entrichten einer Kopf- und Landsteuer erkaufte sich der unterworfene Ungläubige das Recht auf Leben, Besitz, Ausübung seiner Religion – als Angehöriger des Dar al-Harb, des aussermuslimischen Kriegsgebietes, hatte er das nicht gehabt.


In allen islamisierten Ländern, auch in al-Andalus, kam die Einrichtung der Dhimma zur Anwendung. Obwohl sie weniger ein Vertrag als ein erpresserisches Arrangement war – Tribut oder Tod –, übte sie eine zivilisierende Wirkung aus. Der Dschihad war aus der Tradition der Beuteökonomie räuberischer Wanderbeduinen hervorgegangen, die auch die Kerntruppen der grossislamischen Okkupationen bildeten. Die Idee nun einer verbindlichen Übereinkunft mit den Unterworfenen, eines auf sakraler Grundlage vereinbarten Verzichts auf übliche Plünderung, Massaker, Versklavung, mässigte die Grausamkeit der Beduinen, «zügelte die Barbarei des Krieges» (Bat Ye’or). Und sie machte den Dschihad effizienter. 

Die modernen Liebhaber des maurischen Spanien erblicken, mit erstaunlicher Logik, in der Dhimma einen schlagenden Beweis für al-Andalus’ Toleranz. «Die neue islamische Politik», schreibt beispielsweise die Yale-Professorin María Rosa Menocal in ihrem Buch «The Ornament of the World», «hat nicht nur das Überleben der Christen und Juden ermöglicht, sondern sie gemäss koranischem Auftrag im Grossen und Ganzen beschützt.» Doch der «Schutzvertrag» verdankte sich keiner grossherzigen ökumenischen Inspiration, keinem «pankonfessionellen Humanismus», wie ein amerikanischer Journalist neulich träumte. Er gehorchte dem weltlichen Prinzip der Utilitas, der pragmatisch-schlauen Nützlichkeit.

Der Schutzvertrag wird auch Pakt Umars genannt, nach Umar (634–644), dem zweiten Kalifen, der seine Anhänger aufforderte, die Dhimmi zu schützen, weil es der Wille des Propheten sei und weil «sie für den Lebensunterhalt eurer Familien sorgen». Und einer der Gefährten des Propheten wurde gefragt, so die Überlieferung, wozu die Tributpflichtigen für die Muslime gut seien. «Sie helfen dir», so die Antwort, «deiner Armut zu entkommen, um dich mit dem Reichtum zu versorgen, über den du verfügst.» Das System des Tributs, geleistet in Form von Geld, Naturalien oder Arbeit, wurde denn auch «die erste (und wichtigste) Quelle» (Bat Ye’or) des wirtschaftlichen Wohlergehens der Umma, der islamischen Gemeinschaft.

Nur schon die demografische Realität zwang die Muslime zu einer Bürokratisierung und Verrechtlichung der Mittelbeschaffung. Sie standen als fremde Eroberer während langer Zeit einer riesigen Mehrheit Einheimischer christlichen und jüdischen Glaubens gegenüber. Der machtsichernde Transfer von Ressourcen und Wissen wurde gewährleistet, indem der Kalif die Vorsteher der Dhimmi-Gemeinden, die Rabbiner und Bischöfe mit hohen Positionen in Wirtschaft und Verwaltung betraute. Als Befehlsempfänger und privilegierte Nutzniesser der islamischen Macht waren diese bereit, die eigenen Leute auch dann noch auszupressen, wenn die Tributforderungen längst das erträgliche Mass überschritten hatten. 

Gleichzeitig sorgte ein theologisches, politisches und alltägliches Regelwerk für die permanente Erniedrigung und «rituelle Demütigung» (Bernard Lewis) der nichtmuslimischen Bevölkerung. Der hochgeachtete Gelehrte Ibn Abdun beispielsweise, Vertreter der malikitischen Rechtsschule, die sich in al-Andalus durchgesetzt hatte, verfasste um 1100 in Sevilla ein längeres juristisches Gutachten. Darin heisst es unter anderem:

«Ein Muslim darf einen Juden nicht massieren, auch nicht einen Christen. Er darf nicht ihren Abfall beseitigen und nicht ihre Latrine reinigen; es ist angemessener, dass Juden und Christen dieses Gewerbe ausüben, denn es ist das Gewerbe der am meisten Verachteten» (Nr. 153).

«Man darf nicht zulassen, dass ein Steuereintreiber, Polizist, Jude oder Christ, sich wie ein Notabler, ein Jurist oder ein Reicher kleidet, sondern man muss sie hassen, den Verkehr mit ihnen meiden und darf sie nicht mit ‹Der Friede sei mit dir› grüssen, denn ‹der Satan hat von ihnen Besitz ergriffen und sie das Gedenken Allahs vergessen lassen. Sie gehören zur Partei des Satans. Wahrlich, die zur Partei Satans gehören, werden ja (letzten Endes) den Schaden haben› (Sure 58:19). Sie müssen ein Abzeichen tragen, an dem man sie erkennt, das ihnen zur Schande gereicht» (Nr. 169).

«Man darf dem Juden und auch dem Christen kein wissenschaftliches Buch verkaufen, es sei denn, der Verfasser bekenne sich zu ihrer Religion, denn sie übersetzen wissenschaftliche Bücher und schreiben sie ihren Anhängern und Bischöfen zu, während ihre Verfasser Bischöfe sind» (Nr. 206).

Die religiöse «Apartheid» setzte sich in einer scharfen sozialen Schichtung fort. An der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie al-Andalus’ stand das Herrenvolk der arabischen Stammesverbände. Aufgebrochen aus den unwirtlichsten Gegenden der Welt, hatten sie sich der fruchtbaren Flusstäler Spaniens bemächtigt. In steter Rivalität untereinander um die lukrativsten Positionen im neuen Reich, waren sie sich einig in der Verachtung der nordafrikanischen Berber. Diese, von den Arabern zwangsislamisiert und ihnen als Klienten unterstellt, mussten mit den trockenen Berg- und Steppengebieten vorlieb nehmen und schauten ihrerseits herab auf die Muwallad, auf die zum Islam konvertierten Einheimischen. Die Herablassung aller wiederum traf die Ungläubigen, die in den Städten in Gettos lebten, deren Zeugnis vor Gericht nichts galt, denen es verboten war, auf einem edlen Tier wie dem Pferd zu reiten oder sexuelle Beziehungen zu muslimischen Frauen zu haben und diese zu heiraten, und die in der ständigen Furcht leben mussten, wegen Gotteslästerung angeschwärzt und zum Tode verurteilt zu werden. Sozial tiefer standen nur noch die Sklaven.

Ein kurze Periode einmaliger und relativer interreligiöser Duldsamkeit erlebte al-Andalus in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts unter Abdurrahman III. (912–961), dem Kalifen von Córdoba, und seinem bibliophilen Nachfolger al-Hakam II. (961–976), der eine Bibliothek mit 400000 Bänden angelegt haben soll. Nach Konstantinopel und Bagdad galt die Stadt als wichtigstes politisches und kulturelles Zentrum der damaligen Welt. Mit Skrupellosigkeit hatte Abdurrahman das in Teilreiche zerfallene Land wieder vereinigt und mit Umsicht organisiert. Der wirtschaftliche Aufschwung – nicht zuletzt bewirkt durch die Friedfertigkeit der christlichen Fürstentümer, welche die Heereskosten senkte, und durch eine aussergewöhnliche Serie ertragreicher Ernten – nahm etwas Druck von den Dhimmi weg, ermöglichte eine beispiellos verschwenderische Hofführung und lockte grosse europäische Gesandtschaften und die Spitzen der internationalen Intelligenz und Kunst nach Córdoba. Luxus und Weltläufigkeit erzeugten eine «Scheinblüte multikultureller Toleranz», wie der Orientalist Hans-Peter Raddatz schreibt, «deren Bestand weniger vom Geist des Islam, sondern von seiner Fähigkeit abhing, den Strom der Tribute aufrechtzuerhalten». 

Abdurrahman war der erste der Herrscher von al-Andalus, der einen Juden, den Arzt Chasdai Ben Schaprut, in hohe Staatsdienste aufnahm. Dieser wird als einer der fähigsten Männer seiner Zeit geschildert. Noch weitere Juden sollten in höchste Positionen gelangen, so Samuel Ibn Nagrella, der vom Berberkönig Habus von Granada zum Wesir, zum Minister und Hauptberater, ernannt wurde. Samuel Ibn Nagrella war Gelehrter, Heerführer, schrieb Kriegsepen, Lyrik und 22 Werke über hebräische Grammatik und sprach sieben Sprachen. Der bedeutendste Historiker al-Andalus’, Ibn Hayyan, schrieb über seinen Zeitgenossen: «Dieser Mann, der verdammt ist, weil Gott ihn nicht die wahre Religion hatte kennen lassen, war ein überlegener Mensch. Er besass ausgedehnte Kenntnisse und duldete mit Langmut unwürdige Behandlung.»

Juden in hohen Stellungen galten als etwas verlässlicher als Christen, welche unter latentem Verdacht standen, verräterische Parteigänger der feindlichen Christenstaaten zu sein. Und gegenüber muslimischen Würdenträgern hatten sie den Vorteil, dass sie dem Kalifen oder Sultan nie bedrohlich werden konnten. Sie hatten keine tribalen oder familiären Verbindungen zum Hof, konnten als Ungläubige nie hoffen, selber die Macht zu erlangen, und verdankten ihre durch die Scharia verbotene Stellung einzig dem willkürlichen Entscheid ihres Herrschers – was eine starke Loyalität schuf.

Nachdem Samuel Ibn Nagrella 1056 unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen war, übernahm sein Sohn Josef, ebenfalls ein begabter Gelehrter, seine Ämter. 1066 kam es zu einem antijüdischen Pogrom. Die mehreren tausend Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Granada wurden erschlagen, mit ihnen auch der jüdische Wesir. Pamphlete und Gedichte wie dasjenige des frommen Rechtsgelehrten Abu Ishaq hatten die Stimmung vorbereitet: «Diese Juden, die früher auf den Abfallhaufen einen Fetzen buntes Tuch suchten, um ihre Toten zu begraben, […] haben nun Granada unter sich aufgeteilt […]. Sie ziehen Tribute ein und kleiden sich hochelegant […], und der Affe Josef hat sein Haus mit Marmor ausgelegt […]. Eilt, um ihm die Kehle durchzuschneiden; er ist ein feister Hammel, nehmt ihm sein Geld weg, denn ihr verdient es eher als er!» 

In unerträglicher Weise entehrt

Der berühmteste Jude des maurischen Spanien, der grosse Philosoph und Arzt Maimonides, verfasste sein Werk in Kairo im Exil. Als er 1149 als Vierzehnjähriger mit seiner Familie vor den Judenverfolgungen aus Córdoba floh, existierten bereits kaum mehr christliche oder jüdische Gemeinden in al-Andalus. Später schrieb er in einem oft zitierten Brief an die Juden des Jemen, die von den dortigen Pogromen berichtet hatten: «Bedenkt, meine Glaubensgenossen, dass Gott uns unserer grossen Sündenlast wegen mitten unter dieses Volk, die Araber, geschleudert hat […]. Nie hat uns ein Volk so beschwert, erniedrigt, gedemütigt und gehasst wie sie […], wir wurden von ihnen in unerträglicher Weise entehrt.» 

Al-Andalus hat ein reiches lyrisches Vermächtnis hinterlassen. In arabischer und hebräischer Sprache wird die Natur besungen, der Weingenuss, die Liebe zu Jünglingen, die Vergänglichkeit des Lebens. Die Raffinesse, die Schönheit, die Frivolität der Gedichte zeugen von der geistigen Freiheit und Libertinage einer schmalen städtischen und höfischen Elite, welche sich von den starren Vorschriften einer strengen Gotteslehre weit entfernt hat. Auffällig ist aber auch der hohe Anteil an Lobpreisungs- und Schmeichelpoesie: Fast alle Dichter haben viele Hymnen an die Mächtigen verfasst. Dies verweist auf ein anderes Merkmal ihrer Lebensweise. Nicht nur die Hofjuden, sondern auch Dichter und Gelehrte, die Wissenschaft und die Kunst generell waren Teil eines orientalischen Klientelsystems.

Der Herrschermäzen erteilte den Auftrag, und er hatte die Macht, den Künstler in den Kerker zu werfen, wenn ihm das Resultat nicht gefiel. Nur er konnte ihn vor den Nachstellungen einer fanatischen Theologie schützen oder vor der Rachsucht eines anderen Mäzens. Wofür er sich entschied, hing ab von seiner Laune oder seiner momentanen Interessenlage. Der Künstler oder Gelehrte war seinem Herrn auf Leben und Tod ausgeliefert, und er hatte allen Grund, diesen bei guter Stimmung zu halten.

Noch prekärer wurde der Status des Gelehrten durch die instabilen politischen Verhältnisse. Die Epoche von al-Andalus war geprägt von Aufständen, Semi-Anarchie, Bürgerkrieg, Vagantentum, Thronkämpfen, Eroberungen und Rückeroberungen. Zeiten der Ruhe waren selten. Der schützende Mäzen konnte plötzlich weg sein, ermordet vom Bruder, verjagt vom Konkurrenten eines anderen Stammes. Die Biografien vieler maurischer Gelehrter widerspiegeln diese Situation. Sie erzählen von Flucht, Neuanfang, Verbannung, von Verstellung, List und Hintersinn. Wie diejenige des grossen Gelehrten Averroës (1126–1198), dem die neuzeitliche europäische Philosophie so viel verdankt.

Von seiner Audienz beim Almohaden-Sultan Jusuf I. berichtete Averroës: «Nachdem der Herrscher der Gläubigen mich nach meinem Namen gefragt hatte, ebenso nach meiner Herkunft, begann er das Gespräch mit den Worten: ‹Was denken sie (das sind die Philosophen) über den Himmel und die Welt? Betrachten sie sie als ewig oder als geschaffen?› Es überkam mich eine Mischung von Scham und Angst. Ich versuchte mich zu rechtfertigen, indem ich sagte, ich befasse mich nicht mit Philosophie […]. Der Herrscher der Gläubigen bemerkte meine Verwirrung. Er wandte sich an Ibn Tufail [Philosoph und Freund des Averroës] und begann mit ihm über das Problem zu disputieren, das er mir vorgetragen hatte. Er erinnerte an das, was Aristoteles, Platon und die anderen Philosophen darüber gelehrt hatten […]. Auf diese Weise fand ich zu meiner Gelassenheit zurück, so dass ich am Ende das Wort ergriff und er erfahren konnte, was ich darüber dachte. Als ich mich verabschiedete, gebot er, mir als Geschenk Geld, ein kostbares Ehrenkleid und ein Reitpferd zu überreichen.»

Averroës wurde Leibarzt des Sultans und kommentierte in dessen Auftrag die Werke des Aristoteles. Als der Sultan starb, erliess sein Nachfolger Sultan Jakub «al-Mansur» 1195 ein Dekret, in dem die Philosophie und die «griechischen» Wissenschaften verurteilt wurden. Die Bücher Averroës’ wurden ins Feuer geworfen, der Philosoph vor der Moschee von Córdoba an den Pranger gestellt und anschliessend für drei Jahre verbannt. Kurz nach seiner Freilassung starb er. 

Al-Andalus ist nicht nur für die maurophilen Bildungsbürger ein mythisches Wunschland. In einer der Wohnungen der islamistischen Attentäter, die am 11. März 2004 in Madrider Zügen 191 Leute getötet und Hunderte verletzt hatten, fand die Polizei ein Bekennervideo. Die Terrorislamisten rechtfertigten darauf ihren Anschlag mit dem Verweis auf al-Andalus, das Land, das einst zum Dar al-Islam gehörte.

Siegfried Kohlhammer: «Ein angenehmes Märchen». 
In: Merkur, Heft 651, 2003
Bat Ye’or: Der Niedergang des orientalischen 
Christentums unter dem Islam. Resch, 2002. 572 S., Fr. 43.70
Richard Fletcher: Moorish Spain. University of 
California Press, 1992. 21.50 Euro (über www.amazon.de) style=”color: rgb(51, 51, 51); font-family: Georgia, ‘Times New Roman’, Times, serif; font-size: 16px; line-height: 24px; “>Ibn Warraq: Warum ich kein Muslim bin. 
Matthes & Seitz, 2004. 522 S., Fr. 50.50
Arnold Hottinger: Die Mauren. 
Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2005. 495 S., Fr. 48.–

Kommentare: 

  • Carlos Serrano
  • 21.06.11 | 08:50 Uhr

7-Die Frage die sich bezgl. al-Andalus bleibt: warum beurteilen wir strenger Ereignisse und Historische Prozesse wie Eroberungen der Muslime als in anderen Epochen und setzen den Akzent auf Gewalt und Grausamkeit wenn doch dies ganz generell bei allen Kriegen und Gesellschaften der Fall ist? Oder warum verklären wir Epochen und mythifizieren sie? Die Antwort liegt auf der Hand: es ist die interessierte Interpretation der Fakten die oportunistisch genützt werden um Thesen und Ideologien lauthals oder stillschweigend zu untermauern wie es sie, Herr Egon Sorg, in diesem Artikel veranschaulichen.

  • Carlos Serrano
  • 21.06.11 | 08:46 Uhr

1. Ganz so einfach ist die Sachlage bezgl. al-Andalus, die sie hier darstellen, nicht. Um die Grausamkeit des Islams zu untermauern wird die Eroberung der Iberischen Halbinsel jeweils angeführt. Natürlich war die Eroberung nicht friedlich und freundlich, dass liegt nicht in der Natur der Sache. Die Eroberungen charackterisieren sich aber auch durch ihren Verhandlungswillen. Jede Stadt und jede Siedlung wurde vor die Wahl gestellt sich zu ergeben oder eingenommen zu werden.

  • Margit Kunzke
  • 07.05.10 | 18:44 Uhr

Dieser Beitrag in Wikipèdia über Almansor entspricht nicht der historischen Wahrheit. Auch in der Rolandslegende spuken immer noch die Mauren herum, obwohl man heute längst weiß, daß es christliche Basken waren, .die das Heer Karls der Große beim Rückzug im Pyrenäenpaß bei Roncevalles angriffen und vernichteten und nicht die Mauren.

Historisch belegt ist daß Almasor die kleine präromanische Kirche niederbrannte, aber Santiagos Grab respektierte. Mit dem Bau der Kathedrale wurde erst 1075 begonnen. Alles andere fällt in den Bereich der Legenden und nicht der historisch belegten Tatsachen

  • Kurt Retzl
  • 20.04.10 | 11:30 Uhr

Die einschiffige Kirche wurde bald zu klein. So wurde 872 unter König Alfons III. mit einem größeren dreischiffigen Bauwerk begonnen. Am 10. August 997 zerstörte Almansor, der große Heerführer des Kalifen von Córdoba, die Stadt und die Kathedrale. Die Glocken der Kathedrale wurden von versklavten Christen in das 1.000 Kilo geschleppt. Nach der Eroberung Còrdobas 1237 durch kastilische Truppen ließ man sie durch maurische Sklaven wieder nach Santiago zurückbringen. Quelle: Wikipedia

Da bei Kriegszügen auch das Umland betroffen war, gab es vermutlich ausreichend Überlebende zum versklaven.

Robert Spencer: ‚Es ist Zeit zu sagen: Jetzt reicht es’

Die Kreuzzüge werden oft als ein militärischer Angriffsschlag dargestellt. Waren sie das?

Spencer: Nein. Papst Urban II., der auf dem Konzil von Clermont im Jahr 1095 zum ersten Kreuzzug aufrief, hat dies aus Gründen einer längst fälligen Verteidigung getan.

In seinem Aufruf erklärte er, dass er deshalb zum Kreuzzug aufrufe, weil „die Angriffe auf die Christen“,die „Gottgläubigen“, durch die Türken und andere muslimische Streitkräfte ohne Verteidigung noch viel größere Ausmaße annehmen würden.

„Denn die Gläubigen wurden, wie die meisten von euch bereits gehört haben, von Türken und Arabern angegriffen und das Territorium der ‚Romania’ (des hellenistischen, also griechischen Imperiums), das im Westen bis zur Mittelmeerküste und dem Hellespont (Dardanellen), der der Arm St. Georgs genannt wird, reichte, wurde erobert.“

In dem Aufruf Papst Urbans II. heißt es des Weiteren wörtlich: „Sie haben immer mehr Länder der dortigen Christen besetzt und diese in sieben Kriegen besiegt. Sie haben viele von ihnen getötet und gefangen genommen, die Kirchen zerstört und das Kaiserreich (von Byzanz) verwüstet. Wenn man sie das weiter ungestraft tun lässt, werden die Gläubigen in einem noch weit größeren Ausmaß von ihnen angegriffen werden.“

Was der Heilige Vater damals gesagt hat, stimmte. Im Verlaufe des Dschihad, des „Heiligen Krieges“, sind vom siebten Jahrhundert an bis zur Zeit Papst Urbans über die Hälfte der christlich besiedelten Gebiete erobert und islamisiert worden. Bis zu den Kreuzzügen hatte die europäische Christenheit auf diese Provokationen nicht reagiert.

Was sind die am weitest verbreiteten Irrtümer über die Kreuzzüge?

Spencer: Eines der häufigsten Missverständnisse ist die Vorstellung, die Kreuzzüge seien ein unprovozierter Angriff von Seiten Europas gegen die islamische Welt gewesen.

In Wirklichkeit stand die Eroberung Jerusalems durch die Muslime im Jahr 638 am Anfang jahrhundertelanger Angriffe von Seiten des Islam, und die Christen im Heiligen Land sahen sich einer Spirale der Verfolgung ausgesetzt, die zu eskalieren drohte.

Zu Beginn des achten Jahrhunderts wurden zum Beispiel 60 christliche Pilger, die von Amorion, einer byzantinischen Stadt im Zentrum Anatoliens, kamen, gekreuzigt. Um dieselbe Zeit ließ der muslimische Kommandant von Caesarea eine Gruppe von Pilgern aus Ikonium (antiker Name für Konya, einer Stadt in Inneranatolien) gefangen nehmen und alle – bis auf eine kleine Zahl, die zum Islam konvertierten – als Spione hinrichten.

Die Muslime verlangten von den Pilgern auch Geld – unter der Drohung, die Auferstehungskirche zu plündern, falls sie nicht zahlten.

Im späteren Verlauf des achten Jahrhunderts ließ ein muslimischer Herrscher in Jerusalem das Symbol des Kreuzes in der Öffentlichkeit verbieten. Er ließ auch die Steuern für Nicht-Muslime erhöhen, die „jizya“, die die Christen zu zahlen hatten, und verbot ihnen, ihre eigenen Kinder und ihre Mitchristen im Glauben zu unterweisen.

Zu Beginn des neunten Jahrhunderts wurden die Verfolgungen so grausam, dass eine große Zahl von Christen nach Konstantinopel und in andere christliche Städten floh. Im Jahr 937 wüteten Muslime am Palmsonntag in Jerusalem und plünderten und zerstörten die Kirche auf dem Kalvarienberg sowie die Auferstehungskirche.

Im Jahr 1004 ordnete der Fatimidenkalif (als „Fatimiden“ wird die von Fatima, der jüngsten Tochter Mohammeds, abstammende mohammedanische Dynastie bezeichnet, Anm. d. Red) Abu ‘Ali al-Mansur al-Hakim, die Zerstörung von Kirchen, das Verbrennen von Kreuzen und die Aneignung von Kirchenbesitz an. In den darauf folgenden zehn Jahren wurden 30.000 Kirchen zerstört, und unzählige Christen traten zum Islam über, um ihr Leben zu retten.

Im Jahr 1009 ließ al-Hakim die Grabeskirche in Jerusalem zusammen mit mehreren anderen Kirchen, darunter die Auferstehungskirche, zerstören. Im Jahr 1056 vertrieben die Muslime 300 Christen aus Jerusalem und verbaten europäischen Christen, die wieder aufgebaute Grabeskirche zu betreten.

Als die seldschukischen Türken im Jahr 1077 Jerusalem einnahmen, versprach der Seldschuke Emir Atsiz bin Uwaq, die Einwohner zu verschonen. Sobald jedoch seine Männer die Stadt betreten hatten, ermordeten sie rund 3.000 Menschen.

Ein weiterer sehr geläufiger historischer Irrtum besteht in der Meinung, dass die Kreuzzüge mit dem Ziel geführt wurden, Muslime gewaltsam zum Christentum zu bekehren. Entgegen dieser Behauptung ist das Fehlen jeglichen Aufrufs Papst Urbans II. an die Kreuzfahrer, die Muslime zu bekehren, eklatant. In keinem der Berichte über Papst Urbans Erklärung auf dem Konzil von Clermont findet sich irgendeine derartige Aufforderung.

Erst im 13. Jahrhundert – über 100 Jahre nach dem ersten Kreuzzug – kam es dazu, dass europäische Christen einen koordinierten Versuch unternahmen, Muslime zum Christentum zu bekehren. Das geschah, als die Franziskaner in jenen Gebieten, die von den Kreuzfahrern besetzt worden waren, mit der Mission unter Muslimen begannen. Allerdings blieb dieser Versuch weitgehend erfolglos.

Dazu kommt noch ein weiterer Irrtum über die Kreuzzüge. Er betrifft die blutige Plünderung Jerusalems durch die Kreuzfahrer im Jahr 1099.

Die Eroberung Jerusalems wird oft als einzigartiges Ereignis in der Geschichte des Mittelalters dargestellt und als Ursache für das Misstrauen der Muslime gegenüber der westlichen Welt. Richtiger müsste es heißen: Sie war der Beginn einer jahrtausendelangen Verbreitung antiwestlicher Ressentiments und antiwestlicher Propaganda.

Die Plünderung Jerusalems durch die Kreuzfahrer war zwar ohne Zweifel ein abscheuliches Verbrechen – besonders im Licht der religiösen und moralischen Prinzipien, auf die sie sich beriefen. Jedoch war sie nach den militärischen Standards der damaligen Zeit nichts Außergewöhnliches.

In jener Zeit war es ein allgemein anerkannter Grundsatz der Kriegsführung, dass eine belagerte Stadt, wenn sie gegen die Eroberung Widerstand leistete, geplündert werden durfte. Leistete sie keinen Widerstand, pflegte man sie zu verschonen. Es ist historisch belegt, dass muslimische Armeen sich häufig genauso verhalten haben, wenn sie in eine eroberte Stadt einzogen.

Zwar soll hier nicht das Verhalten der Kreuzfahrer entschuldigt werden, indem auf ähnliches Handeln auf anderer Seite hingewiesen wird – eine Greueltat rechtfertigt nicht eine andere –, es zeigt aber, dass das Verhalten der Kreuzfahrer in Jerusalem dem anderer Armeen der Periode entsprochen hat, und zwar aufgrund derselben Einstellung zu Belagerung und Widerstand, die die verschiedenen Städte besaßen.

Im Jahr 1148 schreckte der muselmanische Kommandeur Nur ed-Din nicht davor zurück, alle Christen in Aleppo (Stadt in Nordwest-Syrien) töten zu lassen. Als im Jahr 1268 die Dschihad-Streitkräfte des Mamelukken-Sultans Baybars Antiochien den Kreuzfahrern weggenommen hatten, war Baybars verärgert, als er feststellen musste, dass der Kommandeur der Kreuzfahrer die Stadt bereits verlassen hatte. Er schrieb deshalb einen Brief an ihn, welcher erhalten geblieben ist und in dem er mit seinen Massakern an den Christen prahlte.

Am berüchtigtsten ist wohl der Einmarsch der Dschihad-Krieger in Konstantinopel am 29. Mai 1453, als diese, wie der Historiker Steven Runciman schreibt, „alle, die sie auf der Straße antrafen, unterschiedslos erschlugen – Män
ner, Frauen und Kinder“.

Und schließlich gehört zu den Irrtümern über die Kreuzzüge auch die Behauptung, Papst Johannes Paul II. habe sich für die Kreuzzüge entschuldigt. Das hat er nicht getan.

Zweifellos ist die Ansicht, Papst Johannes Paul II. habe sich für die Kreuzzüge entschuldigt, weit verbreitet. Als er starb, ‚erinnerte’ die „Washington Post“ ihre Leser daran, dass „Papst Johannes Paul II. sich in seiner langen Amtszeit bei den Muslimen für die Kreuzzüge, bei den Juden für den Antisemitismus, bei den orthodoxen Christen für die Plünderung Konstantinopels, bei den Italienern für die Beziehungen zur Mafia und zu jenen Wissenschaftlern, die die Verfolgung Galileos betrieben hatten, entschuldigt hat“.

Aber Johannes Paul II. entschuldigte sich nie wirklich für die Kreuzzüge. Was einer solchen Entschuldigung am nächsten kam, war das, was er in seiner Predigt am „Tag der Vergebung“ am 12. März 2000 sagte: „Wir müssen einfach die Treulosigkeiten gegenüber dem Evangelium, die von einigen unserer Brüder im Glauben besonders im zweiten Jahrtausend begangen worden sind, zur Kenntnis nehmen. Lasst uns um Vergebung bitten für die Spaltungen unter den Christen, für die Gewalt, die einige bei ihrem Dienst an der Wahrheit angewendet haben, und für die misstrauische und feindselige Haltung, die bisweilen gegen die Anhänger anderer Religionen eingenommen wurde.“

Dies kann man kaum eine eindeutige Entschuldigung für die Kreuzzüge nennen.

Wie haben die Muslime damals und heute die Kreuzzüge wahrgenommen?

Spencer: Jahrhundertelang, als das Osmanische Reich blühte, waren die Kreuzzüge nicht die vorrangige Sorge der islamischen Welt. Vom westlichen Standpunkt aus betrachtet waren sie einfach ein Misserfolg. Mit dem Verfall der militärischen Macht und der Einheit der islamischen Welt und dem damit zusammenfallenden Aufstieg des Westens wurden sie jedoch zum Brennpunkt muslimischer Ressentiments gegenüber dem, was sie als Übergriff und Ausbeutung empfanden.

In welchem Umfang bedienen sich heute extremistische Kreise der weit verbreiteten Irrtümer über die Kreuzzüge?

Spencer: Die Kreuzzüge richten heute wohl eine größere Verwüstung an, als sie es in den drei Jahrhunderten, als die meisten von ihnen geführt wurden, getan haben. Ich beziehe mich hier nicht auf das, was den Verlust von Menschenleben und die Zerstörung materieller Besitztümer angeht, sondern meine eine subtilere Form von Zerstörung.

Die Kreuzzüge sind zur Hauptsünde nicht nur der katholischen Kirche, sondern auch der ganzen westlichen Welt geworden. Sie sind das Beweisstück Nr. 1 für die Anklage, dass es letztendlich der Westen sei, der die gegenwärtige Auseinandersetzung zwischen der muslimischen Welt und der westlichen post-christlichen Zivilisation zu verantworten habe. Der Westen habe die Muslime provoziert, ausgebeutet und brutal behandelt, seit die ersten Frankenkrieger in Jerusalem einzogen.

Osama bin Laden sprach von seiner Organisation nicht als El-Kaida, sondern als einer „Weltfront des Islam für den Heiligen Krieg gegen Juden und Kreuzfahrer“ und rief eine Fatwa zum „Heiligen Krieg gegen Juden und Kreuzfahrer“ aus.

Dieser Sprachgebrauch ist weit verbreitet. Am 8. November 2002, kurz vor Beginn des Irakkriegs, durch den Saddam Hussein gestürzt wurde, predigte Sheikh Bakr Abed Al-Razzaq Al-Samaraai in der „Mutter-aller-Kriege-Moschee“ über „diese schwere Stunde, in der das islamische Volk die Herausforderung der Kräfte des Unglaubens von Ungläubigen, Juden, Kreuzfahrern, Amerikanern und Briten erlebt und mit ihr konfrontiert wird“.

Ähnlich erklärten die islamischen Dschihadisten, als sie im Dezember 2004 das US-Konsulat in Jedda in Saudi Arabien bombardierten, dass der Angriff Teil eines größeren Planes sei, nämlich eines Gegenschlags gegen die „Kreuzfahrer“. In ihrer Erklärung hieß es: „Dieses Unternehmen ist Bestandteil mehrerer Aktionen, die von El-Kaida organisiert und geplant wurden als Teil des Kampfes gegen die Kreuzfahrer und Juden und ebenso als Teil des Plans, die Ungläubigen dazu zu zwingen, die arabische Halbinsel zu verlassen“.

Sie brüsteten sich, dass es ihnen gelungen sei, „in eine der mächtigen Festungen der Kreuzfahrer auf der arabischen Halbinsel einzudringen und in das amerikanische Konsulat, von dem aus diese (die Amerikaner) das Land kontrollieren und überwachen“.

Angesichts einer solchen Propaganda sollten sich die Bewohner des Abendlandes hinsichtlich der Kreuzzüge nicht ins Bockshorn jagen lassen. Es ist Zeit, klar zu sagen: „Jetzt reicht es“, und unsere Kinder zu lehren, auf ihr eigenes Erbe stolz zu sein. Sie sollen wissen, dass sie eine Kultur und eine Geschichte haben, für die sie dankbar sein können; dass sie nicht Kinder und Enkel von Tyrannen und Schurken sind, und dass ihre Häuser und Familien es wert sind, dass man sie gegen jene verteidigt, die sie ihnen wegnehmen wollen und die nicht davor zurückschrecken, einen Mord zu begehen, um ihr Ziel auch zu erreichen.

Source: kath.net, 15.4.2006


Islam und die Kreuzzüge – Eine Aufstellung

632 n. Chr. (467 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Tod Mohammeds. Zum Zeitpunkt des Todes Mohammeds durch war der Islam durch Kriegszüge über weite Teile der Arabischen Halbinsel verbreitet worden. Diese Kriegszüge wurden nach dem Tode fortgesetzt und verwandelte den gesamten Mittelmeerraum für Jahrhunderte in einen Schauplatz permanenter Eroberungsfeldzüge.

635 n. Chr. (464 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): ein muslimisches Heer erobert das zum christlichen byzantinischen Reich gehörende Damaskus, die Hauptstadt des christlichen Syriens

637 (462 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): ein muslimisches Heer erobert das zum christlichen byzantinischen Reich gehörende Jerusalem


Schlacht um Ktesiphon (637 n. Chr.)

Ktesiphon war Hauptresidenz der Könige der Parther und der Sassaniden. Ktesiphon war ebenfalls das geistliche Zentrum der christlichen Kirche Persiens, der Assyrische Kirche des Ostens. Entsprechend beeindruckend muss die Stadt mit ihren bis zu 500.000 Einwohnern wohl auch gewesen sein. Der Palast selbst war so überwältigend, dass muslimische Chronisten davon ausgingen, dass nicht Menschen sondern Geister dieses Bauwerk errichteten.

637 n. Chr. konnte die Stadt durch eine muslimische Armee unter Kalif Omar erobert. Das persische Reich war durch die ständigen Angriff der muslimischen Armeen so geschwächt worden, dass keine Gegenwehr mehr geleistet werden konnte. Die Stadt wurde geplündert und größtenteils zerstört. Was mit den Einwohnern passierte kann man nur mutmassen. Ein weiteres kulturelles Zentrum des Altertums verschwand in der Bedeutungslosigkeit.

Eroberungen 639 – 641 n.Chr.

Im Jahr 639 n.Chr. fallen mindestens sieben wichtige Städte unter arabische Kontrolle. Pelusium, Bilbais, Oxyrhynchus (al-Bahnsa), Heliopolis, Faiyum, Abwait und Nikiu werden erobert oder kapitulieren.

Pelusium war durch persische Soldaten gut gesichert worden. Nach zweimonatiger Belagerung wurde die Stadt erobert. Sämtliche Kirchen wurden zerstört, alle Schiffe im Hafen versenkt.

Oxyrhynchus (al-Bahnsa) war eine der wichtigsten Städte der Christenheit und ein Chronist schreibt es würden 10.000 Mönche und 20.000 Nonnen dort leben (was natürlich stark übertrieben sein dürfte). Auffallend muss jedenfalls die große Zahl der Kirchen gewesen sein. Durch Ausgrabungen wissen die Wissenschaftler sehr viel über das Leben in Oxyrhynchus bis 639 n.Chr. Die gefundenen Gegenstände datieren jedoch nahezu vollständig vor der Eroberung im Jahr 639 n.Chr. Das ausbleiben von Funden nach 639 n.Chr. bestätigt die Aussage von Chronisten, die davon berichten, dass die gesamte Bevölkerung in Oxyrhynchus durch die muslimischen Angreifer abgeschlachtet wurde.

Faiyum folgt dem Schicksal Oxyrhynchus. Die Hauptstadt des sehr fruchtbaren Fayyum-Beckens in Ägypten wurde von den arabischen Armeen eingenommen und versank in kürzester Zeit in der Bedeutungslosigkeit. Auch hier sieht es (gestützt durch die Fundlage der Archäologen) als wäre die Bevölkerung plötzlich vollständig verschwunden.

641 n.Chr. wird Nikiu von Muslimen angegriffen. Die Stadt, die zu diesem Zeitpunkt viele Flüchtlinge der zuvor eroberten anderen Städte beherbergt, ergibt sich kampflos, da sie keine Hoffnung in einer Verteidigung sieht. Trotzdem wird die gesamte Bevölkerung, Soldaten, Männer, Frauen und Kinder ermordet.

Zusammenfassend lässt vermuten, dass es während des Feldzuges der arabischen Invasionstruppen in Ägypten unvorstellbare Massaker an der Bevölkerung gegeben haben muss. Die “ungläubigen” Einwohner der Städte Pelusium, Bilbais, Oxyrhynchus, Heliopolis, Faiyum, Abwait und Nikiu, die bis 639 n.Chr. grosszügig Spuren z.B. in Form von Papyrus-Dokumenten hinterlassen haben, verschwinden jedenfalls urplötzlich spurlos aus der Geschichte. Zumindest bei Oxyrhynchus und Nikiu wurde das Massaker auch dokumentiert.

Caesarea

Caesarea erhielt seinen Namen zu Ehren des römischen Kaisers Oktavius Augustus. Seit dem Jahre 6 n.Chr. war die wohl geplante Stadt Sitz der römischen Prokuratoren. Im 3./4. Jh. lebten in Caesarea Heiden, Samaritaner, Juden und Christen einträchtig nebeneinander. Ende des 6. Jahrhunderts wurde Caesarea befestigt und zur grössten befestigten Stadt des Landes. Caesarea wurde zwischen 634 n.Chr. und 640 n.Chr. mehrfach durch Araber angegriffen. Nach der Eroberung durch die Araber (640 n.Chr.), die w
ährend und nach der Belagerung der Stadt mehrere tausend Einwohner töteten, verlor Caesarea an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung und blieb nur noch ein kleiner unbedeutender Ort. Ein weiteres blühendes Kulturzentrum verschwand vom Erdboden.


642 (457 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): ein muslimisches Heer erobert das zum christlichen byzantinischen Reich gehörende Alexandria, die Hauptstadt des christlichen Ägyptens

Eroberung Tripolis (643 n.Chr.)

Im Jahr 643 n.Chr. erobern muslimische Truppen Tripolis. Die überlebenden jüdischen und christlichen Frauen und Kinder werden in die (Sex-) Sklaverei verschleppt, die Männer müssen künftig erdrückende Steuern (Dhimmi-Steuer) zahlen. In den kommenden Jahren sehen sich die Juden und Christen in Tripolis immer wieder Übergriffen und Pogromen ausgesetzt. Zudem wird in Tripolis laut den Chronisten die so genannten “Knabenlese” praktiziert, d.h. ein Fünftel der neugeborenen Knaben werden den Eltern weggenommen und zu Janitscharen ausgebildet oder als Sex-Sklaven verkauft. Insgesamt scheint der Bedarf an jugendlichen, männlichen Sex-Slaven recht hoch gewesen zu sein und viele muslimische Dichter dieser Zeit rühmen den Verkehr mit den bartlosen Knaben.

645 (454 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Muslime erobern das christliche Barka in Nordafrika (Lybien)

674 (425 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): ein muslimischer Angriff auf Konstantinopel (Hauptstadt des christlichen byzantinischen Reiches und Sitz des christlichen Kaisers) wird abgewehrt


Eroberung Karthago (698 n.Chr.)

Im Jahr 698 n.Chr. wird Karthago vom arabischen Feldherrn Hassan ibn an-Numan mit 40.000 Mann belagert. Die byzantinische Flotte wird Karthago zu Hilfe gesandt und kann zunächst auch gute Erfolge erzielen. Später musste sich die Flotte aber in Richtung Kreta zurückziehen und der Weg für die Eroberung und Zerstörung Kartagos ist frei. Das prächtige Karthago, früherer Hauptfeind Roms, dient in den folgenden Jahrzehnten als Lieferant von Baumaterial für muslimische Städte.

Der Fall Kartagos darf nicht unterschätzt werden. Karthago galt als zweitwichtigste Kornkammer des Byzantinschen Reichs. Mit dem Fall Karthagos war auch die muslimische Vorherrschaft in Nordafrika gesichert. In den folgenden Jahren wurden in Nordafrika Christen und Juden vernichtet oder vertrieben. Christliche Kirchen wurden abgerissen um als Baumaterial für Moscheen zu dienen.

Und, ebenfalls nicht zu unterschätzen: der Weg in´s christliche Europa war nun auch frei! Nun lagen die Balearen, Sizilien und Sardinien in greifbarer Nähe für ständige Angriffe auf diese Inseln. Und die Invasion Spaniens konnte in aller Ruhe vorbereitet werden.

In heutiger Zeit wird von muslimischer Seite oft behauptet, die muslimischen Expansion sei ein Akt der muslimischen Selbstverteidigung gewesen. Betrachtet man aber die Leichtigkeit, mit der sich die muslimischen Truppen entlang der Nordküste Afrikas bewegten und wie schnell Byzanz schlussendlich vernichtet wurde, stellt sich die Frage: gegen wen mussten sich die muslimischen Araber eigentlich verteidigen? Byzanz war offensichtlich viel zu schwach um sich selbst zu behaupten, geschweige denn eine Gefahr für die Muslime darzustellen.
Vielmehr muss man zum Schluss kommen, dass die Kriegszüge reine Eroberungs- und Vernichtungsfeldzüge darstellten. Die arabischen Angreifer waren scheinbar selbst überrascht über die Leichtigkeit ihrer Angriffe. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Infrastruktur in den vorhandenen Städte nicht genutzt sondern zerstört wurde. Man könnte meinen, dass die Muslime rechneten gar nicht damit, die Städte später halten zu können. Statt dessen stürmten die Invasoren auf der Jagd nach Beute (Güter und Sklaven) schnell voran und hinterliessen eine breite Blutspur in Afrika und Ägypten.


717 (382 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): ein muslimischer Angriff auf Konstantinopel (Hauptstadt des christlichen byzantinischen Reiches und Sitz des christlichen Kaisers) wird abgewehrt.

708 (391 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Der muslimische Feldzug zur Eroberung des christlichen Nordafrikas erreicht die Atlantikküste.

710 (389 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): mit der Eroberung der letzten christlichen Stadt Nordafrikas ist das gesamte ehemals christliche Nordafrika islamisiert. Fast alle der 400 christlichen Bistümer in Nordafrika gehen unter. Nordafrika war eine einstmals blühende christliche Welt, die bedeutende Theologen des christlichen Altertums hervorgebracht hat: Tertullian, Cyprian, Athanasius, Augustinus.

711 (388 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): muslimische Heere überschreiten die Meerenge von Gibraltar und fallen in Europa ein. Beginn der Eroberung der iberischen Halbinsel (heute Spanien und Portugal).

712 (387 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): die Eroberung Südspaniens ist abgeschlossen.

713 (386 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge)ie Araber erobern Barcelona, überschreiten die Pyrenäen und beginnen mit der Eroberung Südfrankreichs. Rund neunzig Jahre nach Mohammeds Tod stehen muslimische Heere (nicht etwa muslimische Missionare!) im christlichen Reich der Franken (heute: Frankreich)

720 (379 Jahre vor Beginn der Kreuzzüge): Die Araber erobern in Südfrankreich Narbonne und belagern Toulouse.

723 (376 Jahre vor Beginn der Kreuzzüge): Abwehrschlacht bei Tours und Poitiers (heute: Frankreich): Sieg der europäischen Heere über die muslimischen Heere.

1009 (90 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Kalif Al-Hakim ordnete die systematische Zerstörung sämtlicher christlicher Heiligtümer in Jerusalem an. Auch die Grabeskirche einschließlich des Heiligen Grabes wird zerstört.


Pogrom von Cordoba 1011 n.Chr.

Leider habe ich bisher zu diesem Pogrom noch keine näheren Informationen gefunden. Die bislang gefundenen Quellen sprechen zwar von einigen hundert getöteten Juden, meist wird jedoch eher auf das Pogrom von Granada Bezug genommen.

Pogrom in Fez (Marokko) 1033 n.Chr.

Im Jahr 1033 wurden in Fez (Marokko) vermutlich 6.000 jüdische Einwohner durch einen “muslimischen Mob” (“muslim mob”) ermordet. Quellen aus der damaligen Zeit sprechen von 100.000 Toten in Fez und ungefähr 120.000 Toten in Marrakesh. Diese Opferzahlen sind aber vermutlich zu hoch gegriffen.


Pogrom von Granada 1066 n.Chr.

Am 30. Dezember 1066 n.Chr. stürmte ein muslimischer Mob den königlichen Palast von Granada und kreuzigte Joseph ibn Naghrela, einen sehr einflussreichen Juden, der zu dieser Zeit als Wesir (eine Art politischer Berater oder Minister) tätig war. Anschließend massakrierte der Mob an nur einem Tag fast die gesamte jüdische Bevölkerung in Granada: 1.500 jüdischer Familien, insgesamt ca. 4.000 Menschen.

Die Stimmung war zuvor von Abu Ishak of Elvira, einem fanatischen arabischen Poeten, der hasserfüllte Gedichte über Joseph ibn Naghrela veröffentlicht hatte:
«Diese Juden, die früher auf den Abfallhaufen einen Fetzen buntes Tuch suchten, um ihre Toten zu begraben, […] haben nun Granada unter sich aufgeteilt […]. Sie ziehen Tribute ein und kleiden sich hochelegant […], und der Affe Josef hat sein Haus mit Marmor ausgelegt […]. Eilt, um ihm die Kehle durchzuschneiden; er ist ein feister Hammel, nehmt ihm sein Geld weg, denn ihr verdient es eher als er!»

Der berühmteste Jude des maurischen Spanien, der grosse Philosoph und Arzt Maimonides, verfasste sein Werk in Kairo im Exil. Als er 1149 als Vierzehnjähriger mit seiner Familie vor den Judenverfolgungen aus Córdoba floh, existierten bereits kaum mehr christliche oder jüdische Gemeinden in al-Andalus. Später schrieb er in einem oft zitierten Brief an die Juden des Jemen, die von den dortigen Pogromen berichtet hatten: «Bedenkt, meine Glaubensgenossen, dass Gott uns unserer grossen Sündenlast wegen mitten unter dieses Volk, die Araber, geschleudert hat […]. Nie hat uns ein Volk so beschwert, erniedrigt, gedemütigt und gehasst wie sie […], wir wurden von ihnen in unerträglicher Weise entehrt.»


1070 (29 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Die Seldschuken, ein türkisches Nomadenvolk aus Innerasien, das sich im 10. Jh. zum Islam bekehrt hatte, gewinnt die Kontrolle über Jerusalem. Die friedliche Pilgerfahrt von Christen zu den heiligen Stätten wird zunehmend behindert.

1071 (28 Jahre vor Beginn der chr
istlichen Kreuzzüge)
: Schlacht bei Mantzikert – ein christliches byzantinisches Heer wird durch ein muslimisches Heer vernichtend geschlagen. Die muslimischen Seldschuken erobern das Kerngebiet des christlichen byzantinischen Reiches: Kleinasien.

1095 (4 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Der christliche byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos sendet eine Gesandtschaft an Papst Urban II. mit der Bitte um militärische Hilfe. Auf der Synode von Clermont wird der Kreuzzug beschlossen.

1099 bis 1293 Nach knapp vierhundertundsiebzig Jahren islamischer Expansion durch das Schwert beginnen zwei Jahrhunderte der christlichen Kreuzzüge.

1389 Schlacht auf dem Amselfeld: Ein christliches Heer der Serben, Bosnier und Bulgaren wird von einem muslimischen Heer vernichtend geschlagen. Die christlichen Balkanstaaten werden muslimische Vasallen.

1453 Eroberung von Konstantinopel (heute: Istanbul), des Zentrums des oströmischen Reiches und der orthodoxen Kirche. Der christliche Kaiser fällt im Kampf. Ende des christlichen byzantinischen Reiches.


Konstantinopel

Konstantinopel (heute: Istanbul) wurde von Griechen um 660 v. Chr. als Byzantion gegründet und 326 n. Chr. in Konstantinopel umbenannt. In der Spätantike und im Mittelalter war Konstantinopel die Hauptstadt des Oströmischen Reichs. Militärisch galt Konstantinopel lange Zeit als uneinnehmbar und wurde als die stärkste Festung der Welt betrachtet.

Die Araber belagerten Konstantinopel insgesamt drei Mal: von 668 n.Chr. bis 669 n.Chr., von 674 n.Chr. bis 678 n.Chr. und schließlich von 717 n.Chr. bis 718 n.Chr. Alle drei Belagerungen scheiterten. Vorallem die letzte Belagerung war für die muslimischen Angreifer verheerend, da die arabische Flotte, fast 1.800 Schiffe, nahezu vollständig zerstört wurde. Die Seeherrschaft im Mittelmeer war damit beendet. Historiker gehen davon aus, dass 130.000 bis 170.000 Araber bei der Belagerung ihr Leben verloren. Von diesem Rückschlag konnten sich die Araber jahrzehntelang nicht erholen.

Die islamische Expansion in Richtung Europa wurde durch die erfolgreiche Verteidigung Konstantinopels aufgehalten und war daher von ausserordentlich wichtiger geschichtlicher Bedeutung. Es wird vermutet, dass im Falle des Sieges der arabischen Angreifer der Weg des Islam in´s Herz des christlichen Europas frei gewesen wäre.


1480 ein muslimisches Heer erobert Otranto in Italien. 1481 Rückeroberung durch ein christliches Heer.


1492: Nachdem die Spanier 1492 mit Granada das letzte muslimische Königreich in Westeuropa zurückerobert hatten, siedelten sich aus Spanien geflohene Morisken im Maghreb an. Zusammen mit einheimischen Arabern und Mauren rüsteten sie große Flotten aus und begannen von ihrer Basis Nordafrika aus als Korsaren einen permanenten Krieg gegen das christliche Europa, insbesondere gegen deren Schiffahrt und Küsten. Die Raubzüge der moslemischen Korsaren führten während der nächsten vier Jahrhunderte bis an die Küsten Flanderns, Dänemarks, Irlands und sogar Islands, wo sie aus küstennahen Dörfern und Städten Einwohner verschleppten und später als Skl
aven verkauften. Häufigstes Ziel der Sklavenrazzien waren jedoch die Küsten Italiens, Spaniens und Portugals.
 

1499 – 1503: Türkische Einheiten dringen ins oberitalienische Friaul ein und bedrohen sogar Vicenza. Die apulische Hafenstadt Otranto (ca. 100 Kilometer südöstlich von Brindisi) wird erobert und zum Brückenkopf für weitere Raub- und Kriegszüge ausgebaut. 

1521 ein muslimisches Heer erobert Belgrad.

1526 Schlacht von Mohács – ein christliches Heer wird durch ein muslimisches Heer vernichtend geschlagen. Muslimische Heere erobern den größten Teil Ungarns und bedrohen Wien.

1526: Die Stadt Ragusa (heute Dubrovnik) wird von osmanischen Truppen erobert. Was folgt, sind Plünderungen, Vergewaltigungen und Zwangsislamisierung oder Sklaverei.

1526 – 1530: Großmogul Babur eroberte ausgehend vom Gebiet der heutigen Staaten Usbekistan und Afghanistan das Sultanat von Delhi sowie das indische Kernland rund um die nordindische Indus-Ganges-Ebene und die Städte Delhi, Agra und Lahore. 100 bis 150 Millionen Menschen geraten in die Fänge dieses muslimischen Usurpators.

1529 Die erste Belagerung Wiens durch ein muslimisches Heer scheitert. 
Auf dem Vormarsch aber gehen die Städte Komorn und Preßburg (heute Bratislava) in Flammen auf. Die gesamten umliegenden Länder werden stark verwüstet. Abertausende geraten in muslimische Gefangenschaft und enden auf den Sklavenmärkten Istanbuls. 


1534: Mit insgesamt 84 Galeeren überfallen und brandschatzen muslimische Piraten die südliche Westküste Italiens bei Reggio beginnend nordwärts durch das Tyrrhenische Meer bis hin nach Sperlonga, um anschließend beladen mit Tausenden Sklaven und unermesslicher Beute nach Istanbul zu fahren.

1537: Moslemische Piraten erobern die venetianischen Inseln Naxos, Kasos, Tinos und Karpathos.

1543: Moslemische Berberpiraten belagern und plündern die Stadt Nizza.

1544: Chair ad-Din überfällt die Insel Ischia (vor der Küste Italiens), nimmt 4.000 Geiseln (welche nur gegen Lösegeld entlassen werden) und versklavt weitere 9000 Einwohner (fast die gesamte Restbevölkerung).

1551: Turgut Reis versklavt die gesamte Bevölkerung der maltesischen Insel Gozo. Es werden 5.000 – 6.000 Menschen auf den libyschen Sklavenmärkten verkauft.

1554: Moslem-Piraten überfallen die italienische Stadt Vieste. Die Stadt wird geplündert, und es werden 7.000 – 10.000 Sklaven gemacht, die auf den Märkten von Istanbul verkauft werden.

1555: Turgut Reis überfällt Bastia auf Korsika. Er versklavt 6.000 – 7.000 Menschen die auf den libyschen Sklavenmärkten verkauft werden. Beim Rückzug läßt er zahlreiche Küstenorte in Flammen aufgehen.

1558: Piraten der Berberküste erobern die Stadt Ciutadella (Minorca). Sie zerstören alle Gebäude, nehmen 3.000 Sklaven (die in Istanbul verkauft werden) und schlachten ansonsten die gesamte Stadt ab.

1563: Turgut Reis landet an der Küste der Provinz Grenada (Spanien). Er erobert und plündert sämtliche Küstenorte. Darunter Almuñécar, wo er 4.000 Sklaven nimmt und eine weitaus größere Anzahl niedermetzelt. In den Folgejahren werden die Balearen so häufig angegriffen, daß die gesamte Küste schließlich mit Wachtürmen und Wehrkirchen befestigt werden muß. Inseln wie Formentera werden durch Sklaverei, Massaker und Flucht vollständig entvölkert.

1565: Die Belagerung Maltas durch ein osmanisches Heer begann am 18. Mai und dauerte bis zum Abzug der Truppen am 8. September 1565. Dabei wurde die Insel fast vollständig zerstört, die Befestigungen zu Trümmern geschossen und über 42.000 Soldaten und Zivilisten getötet.

1658 – 1707: Südexpansion des Mogulreiches und Zwangsislamisierung der eroberten Gebiete.

1609 – 1616: England allein verliert 466 Handelsschiffe (zwischen 15.000 und 40.000 Menschen) an die muslimischen Berberpiraten. Die Besatzungen werden massakriert oder enden in der Sklaverei.

1617 – 1625: Attacken der Berberpiraten sind an der Tagesordnung. Überfälle ereignen sich im südlichen Portugal, Süd- und Ost Spanien, die Balearen, Island, Sardinien, Korsika, Elba, die italienische Halbinsel (Besonders in Ligurien, Toskana, Lazio, Kampagnien, Kalabrien und Apulien) Weitere Überfalle und Raubzüge (inklusive Vergewaltigungen und Versklavung) ereignen sich auf Sizilien und Malta. Größere Überfälle im Format richtiger Kriegszüge richten sich gegen die iberische Halbinsel. Diesen Attacken der Berberpiraten fallen die Städte Bouzas, Cangas, Moaña und Darbo zum Opfer.

1627: Island wird mehrfach von türkischen Piraten geplündert und ein Großteil der Bevölkerung als Sklaven an der Berberküste verkauft. Jene, die Widerstand leisten, werden in einer Kirche zusammengetrieben und dort bei lebendigem Leib verbrannt.

1631: Murat Reis überfällt mit algerischen Piraten und auch regulären osmanischen Soldaten Irland. Sie stürmen die Küste nahe Baltimore (County of Cork). Sie brandschatzen und plündern die gesamte Stadt, nehmen beinahe alle Einwohner von Baltimore als Sklaven und verkaufen sie auf den Sklavenmärkten der Berberküste. Nur zwei kehren wieder lebend heim.

1677 – 1680: Weitere 160 britische Handelsschiffe (zwischen 8.000 und 20.000 Menschen) werden von algerischen Moslempiraten gekapert, die Besatzung massakriert bzw. versklavt.

1683 Die zweite Belagerung Wiens durch ein muslimisches Heer scheitert. Beim Vormarsch des osmanischen Heeres gehen die umliegenden Länder in Flammen auf. Alle Ortschaften werden restlos geplündert und entvölkert (Versklavung), soweit die Bewohner nicht bereits geflohen waren. Die abrückenden Osmanen hinterlassen ausschließlich verbrannte Erde.

Nach der Niederlage vor Wien war der Islam militärisch entscheidend geschwächt, so dass er nicht mehr in der Lage war, große Kriege zu führen. Dafür operierte er nach einer längeren Phase der Stagnation mit Terror:

1700 – 1750: Über 20.000 europäische Gefangene (nicht Sklaven) schmoren in algerischen Kerkern und warten auf Freikauf. Darunter nicht nur Mittelmeeranrainer sondern auch Dänen, Deutsche, Engländer, Schweden und sogar Isländer.

1822: Auf den Inseln Chios und Psara schlachten die Türken 50.000 Griechen ab und versklaven weitere 50.000.

1842 – 1846: Ermordung von 10.000 christlichen Assyrern durch die Türken.

1894 – 1896: Ermordung von 150.000 armenischen Christen durch den türkischen Sultan Abdul Hamid.

1914 – 1923: Genozid an 300.000 bis 730.000 Griechen durch die Türken vor allem in der nordtürkischen Pontus-Region.

1915 – 1918: Genozid an den Armeniern. Die islamische Regierung der Türkei nutzt die Wirren des 1. Weltkriegs zur Auslöschung der christlichen Armenier. 1,5 – 2 Millionen Armenier werden in Todesmärschen, Gefangenenlagern und bei örtlichen Massakern abgeschlachtet. Zudem werden 750.000 christliche Assyrer im Irak von den Türken ermordet.

1922: Beim Massaker von Izmir werden 25.000 Christen (Armenier und Griechen) ermordet, 200.000 vertrieben.

1933: Beim Massaker von Simmele/Irak ermorden die Türken 3.000 christliche Assyrer.

1955: „Pogrom von Istanbul” (plus Izmir und Ankara), angeblich nur 15 Tote, Sachschaden bis zu 500 Mill. US-Dollar, Exodus von rund 100.000 Griechen aus der Türkei (Es verblieben 2.500).

1955 – 2011: Fast 50 Jahre dauert der Unabhängigkeitskrieg des christlichen Südsudan gegen die islamische Kolonialmacht Nordsudan, der ca. 2 Millionen südsudanesische Zivilisten abschlachtet. Rund 1.400 Jahre lang war der Süden Jagdgebiet arabischer Sklavenjäger.

1969: Völkerrechtswidrige Annexion West-Papuas durch Indonesien mit nachfolgender Zwangsislamisierung und schweren Menschenrechtsverletzungen gegen die Urbevölkerung bis heute – und geduldet durch die UNO Umbenennung des Landes in Irian Jaya. Militärs verschleppen und ermorden über 100.000 Menschen und sind aktiv beteiligt am illegalen Holzeinschlag, der den Lebensraum der indigenen Bevölkerung zerstört. Durch Umsiedlungen ist ein großer Bevölkerungsteil heute indonesisch. 2003 wird die Provinz Papua-Barat gegen den Willen der Papua von West-Papua abgetrennt.

1974: Ermordung von 4.000 christlichen Zyprioten im Auftrag des türkischen Präsidenten Fahri Koroturk.

1988: Bei dem Anschlag auf ein amerikanisches Flugzeug durch libysche Agenten sterben 270 Menschen im schottischen Lockerbie.

1990 bis heute: In Kaschmir wurden bis heute ca. 10.000 Hindus von Ork-Fundamentalisten ermordet.

1993: In Sivas in der Türkei wurde ein Hotel in Brand gesteckt, in dem alevitische Intellektuelle aus Anlaß eines Festes logierten. 37 verbrennen, während draußen Tausende von Sunniten ihren qualvollen Tod feiern.

1975 – 2000: Neun Tage nach der Unabhängigkeitserklärung der ehem. portugiesischen Kolonie Osttimor wird das Land von indonesischen Invasionstruppen überfallen. Im Verlauf von 25 Jahren werden rund 23% der überwiegend christlichen Bevölkerung bzw. 183.000 Menschen abgeschlachtet, unzählige vergewaltigt, gefoltert, zwangsumgesiedelt, eingesperrt, verbannt oder zwangssterilisiert.



Source, und Quelle und Ursprung

Mit kühlem Kopf an heiße Eisen. Kreuzzüge, Schwertmission und Hexenverbrennung

Josef Bordat

Die Menschen flüchten aus der Kirche. Zumindest hat man den Eindruck, schaut man sich den Mitgliederschwund der Römisch-Katholischen Kirche in Deutschland an, wie er in den letzten Jahrzehnten die Kirchenbänke leerte. Zwar sind heute immer noch 25 Millionen Deutsche katholisch, aber der Anteil an der Bevölkerung ist von etwa der Hälfte auf etwa ein Drittel gesunken. Und der Druck steigt weiter: 2008 seien 120.000 Mitglieder – so viele wie seit Jahren nicht mehr – aus der Kirche ausgetreten, sagte der Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, zur Eröffnung der Herbstvollversammlung in Fulda. Das sei „schmerzlich“, man werde „der Frage nachgehen“, fügte Zollitsch an.

Spricht man mit Menschen, die zwar „irgendwie“ an Gott glauben (oder an etwas „Höheres“), der Kirche aber den Rücken kehrten oder zu kehren dabei sind, so ist – neben der Steuerersparnis – meist die Vergangenheit der Kirche ausschlaggebend, die oft in drei Punkten zusammengefaßt wird: 1. Kreuzzüge, 2. Schwertmission, 3. Hexenverbrennung. Oft sind diese Phänomene nur dem Wort, nicht aber dem Begriff nach bekannt. Das macht aber nichts, weil das Wort gewaltig genug ist, um jede weitere Diskussion zu ersticken. Die Haß-Trias, die mittlerweile jeden braven und treuen Katholiken in Sack und Asche zur Kirche gehen läßt, stets bereit, sich für die dunkle Vergangenheit zu entschuldigen, wird dabei meist unhinterfragt geschluckt, sowohl vom Kirchenkritiker als auch vom Kirchenfreund. Kreuzzüge, Schwertmission, Hexenverbrennung – das ist halt die dunkle Seite der Kirchengeschichte. Daß nicht alles ganz so dunkel war, wie man meint, zeigen ab und an Filme wie der über Hildegard von Bingen. Aber drei Wochen nach Kinostart ist das wieder vergessen. Was bleibt hängen? Kreuzzüge, Schwertmission, Hexenverbrennung. Es scheint also angezeigt, darauf einen genaueren Blick zu werfen.

1. Kreuzzüge

Der Begriff „Kreuzzug“ findet in den letzten Jahren wieder häufiger Verwendung, wenn von „Kreuzzügen für die Freiheit“ die Rede ist oder politische Kampagnen durch die Bezeichnung „Kreuzzug“ in ihrer ungewöhnlichen Vehemenz und Schärfe treffend beschrieben werden sollen. Die Verwendung ist dabei teils affirmativ, teils kritisch bis spöttisch, in jedem Fall soll sie an das vermeintliche Verständnis der historischen Kreuzzügler erinnern und entsprechende Gefühle auslösen: Wer einen Kreuzzug führt, will in der Annahme, er sei im Besitz absoluter Wahrheit, gewaltsam und rücksichtslos seine Ideen durchzusetzen, und zwar dort, wo sie nicht von sich aus überzeugen. Paradigma ist dabei die mittelalterliche römische Kirche, die vom 11. bis 13. Jahrhundert in diesem Sinne Krieg führte, eben jene sieben Kreuzzüge unternahm, die als solche in die Geschichte eingegangen sind. Die Ursache der Kreuzzüge ist dabei im Machtvakuum des Römischen Reiches zu sehen, das seit dem 5. Jahrhundert dazu geführt hatte, den Papst als einzige konstante Institution des Okzidents immer mehr in die weltliche Pflicht zu drängen (in der Ostkirche gab es dementsprechend keine Kreuzzüge).

Bei den Kreuzzügen ging es nie um Imperialismus, Kolonialismus oder Zwangsmissionierung, sondern um das Überleben der Christen im Südosten Europas, in der Türkei und im Nahen Osten sowie um die Sicherheit der Pilger nach Jerusalem. Eine Verweigerung des Kreuzzugs wäre einer unterlassenen Hilfeleistung gegenüber dem Notruf des christlichen Bruderlandes gleichgekommen. Die Kreuzzüge haben ursächlich also den Charakter einer „humanitären Intervention“.

Die christliche Glaubenslehre kennt ein Naturrecht auf Notwehr und Selbstverteidigung. Das ist keine Perversion der Friedensbotschaft Christi, sondern ihre praktische Umsetzung. Die Aufforderung Jesu zum radikalen Gewaltverzicht in der Bergpredigt (Mt 5, 38ff.) bezieht sich nicht auf konkrete Handlungen, sondern auf die innere Haltung des Menschen, die praeparatio cordis (Haltung des Herzens), wie Augustinus es nannte. Die innere Haltung des Christen sagt ihm: Krieg ist ein Übel, auf das nur nach Ausschöpfung aller friedlichen Mittel zurückgegriffen werden darf. Die Voraussetzung eines Krieges ist immer die Verfehlung des Anderen, denn „nur die Ungerechtigkeit der Gegenpartei nötigt dem Weisen gerechte Kriege auf“ (Augustinus). Dieses Übel kommt in einem eschatologischen Sinne auch dem ungerechten Gegner zugute, da er so in die von ihm verlassene Ordnung zurückkehren kann. Mit dieser erzwungenen Umkehr orientiert man den Kriegsauslöser wieder auf Gott hin und trägt damit letztlich dadurch dem Gebot der Feindesliebe Rechnung. Ließe man den Ungerechten gewähren, entfernte er sich in dem Irrglauben, seine Ungerechtigkeiten würden sich lohnen, mehr und mehr von Gott, dessen letztem Urteil er sich jedoch nicht entziehen kann.

Bei den Kreuzzügen mischt sich christliche Wallfahrtstradition und dieser frühmittelalterliche bellum iustum-Topos zu einem Verständnis von „bewaffneter Pilgerreise“, die für den freien Zugang zu heiligen Stätten des Christentums, die damals unter islamischer Herrschaft standen, insbesondere zum Schutz der Wege ins Heilige Land, auf militärische Gewalt als Mittel der Durchsetzung zurückgriff.

Es ging nicht um Mission oder Eroberung, sondern um Beistand für die christliche Minderheit im Heiligen Land und die Sicherheit der Jerusalem-Pilger, die durch die politischen Verhältnisse dieser Zeit nicht mehr gegeben war. Es gilt dabei zu beachten, daß bereits Karl der Große im 9. Jh. mit Harun Al Raschid, dem Kalifen von Bagdad, ein Abkommen zum Schutz der christlichen Pilger geschlossen hatte. Die sich im 10. und 11. Jh. mehrenden Übergriffe auf Pilger entlang der Route ins Heilige Land und dort selbst waren somit schlicht und ergreifend Verletzungen früher „völkerrechtlicher“ Verträge.

Im 10. Jh. kam es im Heiligen Land zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen. 966 kam es nach der Rückeroberung von Teilen Syriens durch die Byzantiner zu Übergriffen der Muslime auf Christen in Jerusalem. 969 drangen die Fatimiden, Berber aus Marokko, in Ägypten, Syrien und Palästina ein. Bei der Eroberung Jerusalems durch den Fatimiden-Kalifen Ib
n Moy (979) wurde die Auferstehungskirche in Brand gesetzt, ihre Kuppel stürzte ein, der Patriarch kam in den Flammen ums Leben. Unter dem Fatimiden-Kalifen Abu Ali al-Mansur al-Hakim (996-1021) gerieten die Christen immer stärker unter Druck: öffentliche Prozessionen wurden verboten, Christen zur Annahme des Islam gezwungen und etwa 30.000 Kirchen enteignet, viele davon geplündert und zerstört, darunter die Auferstehungskirche. 1056 wurden 300 Christen aus Jerusalem ausgewiesen und europäischen Pilgern verboten, die Grabeskirche zu betreten. Als 1065 der Erzbischof von Mainz und die Bischöfe von Utrecht, Bamberg und Regensburg zu einer Pilgerreise ins Heilige Land aufbrachen, war dies nur noch mit bewaffneter Begleitung möglich. Die Pilgerwege waren nicht mehr sicher, Übergriffe auf friedliche Wallfahrer an der Tagesordnung.

Die Kreuzzüge begannen – so wird häufig gesagt – mit der berühmt-berüchtigten „Deus lo volt“-Rede Urbans II. auf der Synode von Clermont (1095). Stimmt das? Nein, es stimmt nicht. Abgesehen von der langen Vorgeschichte – zu den Kreuzzügen kam es erst nach der Besetzung Byzanz’ durch die Seldschuken, auf die der Hilferuf Ost-Roms folgte.

Die Seldschuken, ein Steppenvolk aus dem Gebiet des heutigen Turkmenistan, Vorfahren der heutigen Türken, brachen mordend, plündernd und brandschatzend über den Orient herein. Obwohl sie selber Muslime waren, fielen sie Anfang 1055 in Persien ein und stürzten am Ende desselben Jahres den Kalifen von Bagdad. 1071 schlugen sie die Byzantiner und nahmen Kaiser Romanus IV. gefangen. 1076 eroberten sie Syrien, 1077 Jerusalem.

Die Rede Urbans war eine Reaktion auf diesen Hilferuf aus Byzanz. Er rief also nicht willkürlich zu einem Kreuzzug auf, etwa um die Muslime zu missionieren oder deren Gebiete zu erobern, sondern forderte das, was wir heute in der Tat eine „humanitäre Intervention“ nennen.

Ausführen sollte diese Intervention ein Ritterheer. Die Kreuzritter waren nicht friedliche Menschen, die die Kirche mit Heilsversprechungen erst zum Krieg hätte verführen müssen, sondern „Raufbolde“, die ohnehin meinten, ihren Anteil am Heil nur im Kampf erlangen zu können. Es war die auch von der heutigen Geschichtswissenschaft ihren Gründen nach nicht vollständig erklärte Begeisterung französischer, normannischer und flandrischer Ritter, die selbst Urban überraschte. Sie waren es, die „Deus lo volt!“ riefen und Urban nahm es erstaunt auf. Der Papst terminierte den ersten Kreuzzug auf den 15. August 1096, die Ritter waren nicht zu halten und gingen schon im April.

Auf dem Weg nach Byzanz kam es in zahlreichen deutschen Städten zu Pogromen gegen Juden. Ausschlaggebend waren auch hier die Kreuzritter, nicht die Kirche. Die jeweils zuständigen Bischöfe versuchten vergeblich, die Ritter zu zügeln. Nur in Köln fand man eine Lösung: Die Juden wurden bei befreundeten Christen versteckt. Diese Rettungsaktion wurde von der Kirche organisiert, nicht jedoch das Pogrom! Das war die Idee einzelner Ritter, die völlig unorganisiert handelten. Diese mangelnde Organisation durchzieht die gesamte Kreuzzugsgeschichte und führte bekanntlich zu zahlreichen militärischen Katastrophen.

Bereits bei zeitgenössischen Theologen gab es wegen der Übergriffe Kritik an den Kreuzzügen. Selbst der Papst, in seiner weltlichen Rolle als Garant der Sicherheit der Christen in der Diaspora, hat Gewaltexzesse scharf kritisiert, vor allem, wenn es nicht mehr um diese Sicherheit ging, sondern um andere, etwa wirtschaftliche Interessen. Der Vierte Kreuzzug endete 1204 mit der Eroberung und Plünderung Konstantinopels, der damals größten christlichen Stadt der Welt, durch Kreuzritter, die damit den Schiffstransport durch die Flotte Venedigs „bezahlten“; der Papst, der sich angesichts der Gräueltaten der Kreuzfahrer darüber im Klaren war, daß damit eine Kirchenunion mit der Orthodoxie praktisch unmöglich wurde, verurteilte diese Aktion auf das Schärfste, was jedoch faktisch ohne Wirkung blieb.

Die Kreuzzüge haben – ihren humanitären Absichten zum Trotz – viel brutale Gewalt hervorgebracht, die das Verhältnis von Okzident und Orient bis heute erheblich belasten. Doch sie brachten auch die Ritterorden hervor (Johanniter, Templer, Deutschritter), von denen die verbliebenen Johanniter noch heute wichtige humanitäre und soziale Dienste verrichten. Im frühen 13. Jh. mischte sich zudem ein Kreuzfahrer ohne Waffen unter das Heer der Pilger: Franz von Assisi, der 1219 in Ägypten mit dem Sultan sprach und einen tiefen Eindruck hinterließ. In diesem Sinne ist der interkulturelle Dialog heute fortzusetzen.

2. Schwertmission

Mission ist der Versuch, Andere vom Wert der eigenen Überzeugung zu überzeugen. Da Menschen, die Überzeugungen vertreten, davon ausgehen, daß diese wahr sind, dient Mission in ihren Augen stets der Verbreitung der Wahrheit. Mission ist nicht auf Religionen beschränkt, sondern findet sich auch in den Versuchen, Menschen für bestimmte Weltanschauungen, politische Ansichten (konkret: Parteien, Bürgerinitiativen) etc. zu gewinnen. Den Anspruch, die eigene Überzeugung Dritten zu vermitteln, hat wohl jeder, der überhaupt von etwas überzeugt ist.

Die Kirche ist apostolisch, also missionarisch1, d. h. sie ist darauf ausgerichtet, die Botschaft ihres Gründers, Jesus Christus, allen Menschen zu verkünden. Den Auftrag zur Mission erhält sie dabei von Christus selbst: „Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28, 18-20).

Von einer Sache überzeugt sein und davon reden, bedeutet nicht automatisch, dem Gegenüber mit Intoleranz zu begegnen, auch nicht, wenn man von der absoluten (daß heißt universellen) Geltung des eigenen Standpunkts überzeigt ist. Im Gegenteil: Wer eine eigene Position hat, von der er glaubt, sie sei unabhängig von Zeit und Raum, von Kultur und Situation, kann oft besser verstehen, daß auch der andere eine Position hat, die er für wertvoll und wichtig hält.

Es kommt immer darauf an, wie die Überzeugung, mit der man den Anspruch erhebt, dem Anderen etwas Wahres mitzuteilen, das für diesen nützlich und hilfreich sein kann, an diesen Anderen gerichtet wird. Hier ist die Grenze der Missionstätigkeit in Toleranz dort zu sehen, wo der andere das Angebot zur Prüfung bzw. Übernahme der Überzeugung explizit ablehnt.

Daß Mission nicht mit Zwang oder gar Gewalt einhergehen darf, macht Christus sehr deutlich, in seinen „Anweisungen für die Mission“ (Mt 10, 5-15). Zumindest für das Christentum gilt also nicht, daß Mission intolerant ist, da der Missionsbefehl an Bedingungen geknüpft ist (Friedfertigkeit der Glaubensweitergabe, Freiwilligkeit der Glaubensannahme).

Die Annahme des christlichen Glaubens kann nur freiwillig vollzogen werden, erzwungen werden kann nur die formale Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft, der Kirche. Da diese theologisch wertlos ist, soweit und solange die innere Haltung zum Glauben fehlt, haben sich Theologen im Rückgriff auf das Evangelium stets gegen Zwangstaufen und Gewaltmission gewandt. Jesus fordert eine Mission in Liebe und durch Überzeugung, die ihre Abbruchbedingung im freien Willen des zu Missionierenden findet. So sieht das heute auch die Kirche.

Die Kirche hat in der Vergangenheit gegen diesen Grundsatz Jesu Zwangstaufen und Gewaltmission vollzogen! Wird oft behauptet. Stimmt aber auch nur teilweise. In den ersten drei Jahrhunderten ihrer Geschichte gab es keine Zwangstaufen und keine Gewaltmission. Die Menschen entschieden sich freiwillig und oft unter Einsatz ihres Lebens für die Nachfolge Christi. Im Kern ihrer Begründung ist die Kirche dementsprechend nicht durch Zwang und Gewalt vorbelastet. Erst nach der Konstantinischen Wende im frühen 4. Jh., als das Christentum Staatsreligion des sich auflösenden Römischen Reiches wurde, verwandte es in dieser Funktion Zwangsmittel, um Heiden zu christianisieren. In dem Maße, indem die Kirche eine staatstragende Rolle übernahm (und Kirchenvertreter als weltliche Herrscher fungierten), nutzten sie Zwangstaufen und Gewaltmission als Machtmittel.

Grundsätzlich wurden Zwangsmissionierungen, die von weltlichen Herrschern angeordnet wurden, von Vertretern der Kirche sehr kritisch gesehen. Zwei bedeutende Beispiele dafür sind die Zwangstaufen, die Karl der Große unter den Sachsen vollziehen ließ (9. Jh.), und die Gewaltmission in Lateinamerika im Auftrag der spanischen Krone (16. Jh.). In beiden Fällen waren es weltliche Herrscher, die Mission als Mittel der Machtpolitik einsetzten. Die Kritik an diesem Ansinnen kam aus Kirchenkreisen, von Hofpredigern und Ordensleuten, die mit biblischen, theologischen und rechtlichen Argumenten opponierten.

Als Karl der Große um 800 die Sachsen unterworfen hatte, erließ er in der Capitulatio de partibus Saxoniae Vorschriften zur Todesstrafe für alle, die sich nicht taufen lassen wollten. Der theologischen Rechtmäßigkeit der Alternative „Taufe oder Tod“ hat sein Hoftheologe Alkuin entschieden widersprochen.

Als die „katholischen Könige“ mit päpstlichem Mandat Amerika eroberten und die autochthone Bevölkerung von den Conquistadores gewaltsam christianisiert wurde (Mission war die Bedingung für die päpstliche Schenkung von 1493), stieß dies bei den Missionaren auf massiven Widerspruch, für den vor allem die Dominikaner Antonio Montesino und Bartolomé de Las Casas stehen, die Überzeugungsarbeit und ein christliches Leben als positives Beispiel gegen die gewaltsame Missionspolitik stellen, die in den spanischen Kolonien an der Tagesordnung war.

Oft wird behauptet, Entwicklungshelfer seien in Gegenwart und Zukunft die besseren „Missionare“, da es keine spirituelle, sondern eine materielle Not zu lindern gelte. Dazu ist zu sagen, daß die „echten“ Missionare in unserer Zeit sehr wohl auch materiell helfen. Nur stellen sie immer wieder fest, daß die Not der Menschen eben nicht nur eine materielle, sondern auch eine spirituelle ist.

Zudem müssen die Ursachen der materiellen Not behoben werden. Die Not vieler Menschen in der so genannten „Dritten Welt“ läßt sich nachhaltig nur erfolgreich eindämmen, wenn die Kräfte zur Selbsthilfe bei diesen Menschen mobilisiert werden. Dazu ist es oft nötig, daß sich die Prinzipien der Wirtschafts- und Sozialordnung und der individuellen Lebensführung ändern. Für diese, aber auch für jene hat die Kirche ein Angebot zu machen, herausragende Beispiele finden sich im Bereich der AIDS-Prävention und der Wirtschaftsförderung.

1. Wenn der Papst als Oberhaupt der Kirche zur „Humanisierung der Sexualität“ auffordert und daran erinnert, daß der Kampf gegen AIDS mit technischen Mitteln (Kondome) nicht zu gewinnen ist, dann appelliert er für die Kirche vor dem Hintergrund ihres personalen Menschenbildes und ihres Verständnisses von partnerschaftlicher Geschlechtlichkeit als fester Verbindung von Sex und Liebe an die individuelle Lebensführung der Menschen und trägt damit dazu bei, die Ursachen der AIDS-Pandemie zu beheben, statt nur deren Symptome.

2. Mit der Sozialen Marktwirtschaft wurde in Deutschland die katholische Soziallehre sehr erfolgreich in die politische Praxis umgesetzt. Ihre Prinzipien werden aufgrund dieser positiven Erfahrungen mit dem „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit von vielen anderen Ländern dankbar aufgenommen, gerade in einer Zeit der Krise, in der die rein materielle Sicht auf den Menschen im Rahmen der sozio-ökonomischen Struktur allgemein als zu eng eingeschätzt wird. In vielen Fällen trägt der neu erlangte katholische Glaub
e wesentlich zur Stabilisierung dieser Prinzipien bei.

Gerade das kirchliche Engagement in der AIDS-Prävention sei doch ein Beispiel dafür, so heißt es dann oft weiter, wie Kirche die Not der Menschen für ihre Missionszwecke missbrauche. Doch zu unterstellen, die Kirche würde das Elend von Menschen zu Missionszwecken missbrauchen, ist einfach absurd. Ginge es bei der AIDS-Prävention um Mission, griffe die Kirche wohl kaum auf „unbequeme Wahrheiten“ wie die Notwendigkeit der Keuschheit (Enthaltsamkeit außerhalb, Treue innerhalb der Ehe) zurück, die die Menschen heute überwiegend nicht hören wollen. Dann würde sie dem Zeitgeist entsprechend Gratiskondome verteilen.

Generell geht es der Kirche stets um die Wahrheit der biblisch und kirchengeschichtlich fundierten Glaubenslehre und damit um das Wohl der Menschen, weil sie weiß, daß dies langfristig die von Gott gewollte „Strategie“ ist, Menschen an die Kirche zu binden.

3. Hexenverbrennung

Oft ist zu hören, die Kirche habe im Mittelalter Millionen von Frauen in Europa als Hexen verbrannt. Es ist das Verdienst des Berliner Protestanten Richard Schröder, gezeigt zu haben, daß in dieser Aussage vier Fehler stecken:

  1. Der Schwerpunkt der Hexenverfolgung lag nicht in Europa, sondern liegt im heutigen Afrika: „Die intensivste Hexenverfolgung“, schreibt Schröder in „Abschaffung der Religion? Wissenschaftlicher Fanatismus und die Folgen“, „fand 2001 statt“, und zwar im „östlichen Kongo“. Dort hat sie alles andere als „christliche“ Gründe.
  2. Die meisten Hexenverbrennungen gab es in Europa nicht im Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit; die letzte Hexe wurde in Deutschland 1775 verbrannt.
  3. Die Opfer waren nur in Deutschland mehrheitlich Frauen, sonst war das Verhältnis mindestens ausgeglichen, z. T. waren die Männer in der Mehrzahl; in Island waren 90%, in Estland 60% der Opfer Männer.
  4. Es waren nicht „8 oder 9 Millionen Opfer“, wie die „NS-Propaganda“ vermutete, sondern „ca. 50.000“. 50.000 Opfer – in 350 Jahren europäischer Hexenverfolgung (1430-1780). Die Christenverfolgung allein des Jahres 2008 führte zu mehr als doppelt so vielen Opfern.

Interessant ist auch, wie der Hexenwahn – in Europa! – sein Ende fand. Schröder: „Durch die Aufklärung, sagt man. Das stimmt so nicht. Er kam nämlich schon im 17. Jahrhundert weithin zum Erliegen.“ Es gab nämlich massiven Widerstand. „Die Gegner waren Theologen und Juristen, die sich als Christen verstanden.“

Einer davon war Friedrich von Spee. 1631 erscheint sein Hauptwerk, die Cautio criminalis („Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse“), die nur wenige Woche nach Erscheinen vergriffen ist. In diesem Buch entlarvt er die Hexenprozesse als Farce und die Vollstreckung der Urteile als Mord. Im Zentrum der Kritik steht die Anwendung der Folter, die damals zur Wahrheitsfindung eingesetzt wurde. Spee hält Folter zwar auch für moralisch verwerflich („Kein deutscher Edelmann würde ertragen können, daß man seinen Jagdhund so zerfleischte. Wer soll es da mit ansehen können, daß ein Mensch so vielmals zerrissen wird?“), doch zunächst für juristisch untauglich, weil sie in der Rechtspraxis zur fehlerhaften Beweisaufnahme führe.

Folter ist zudem schlecht für den, der foltert und für die, die Folter anordnen – für die Richter. Schuld fällt bei Spee nach der christlichen Sündentheorie und dem eschatologischen „Vergeltungsprinzip“ nach Mt 25, 31-46 auf den Täter zurück, den die Hölle erwarte, in der er dann jene Folter am eigenen Leibe erfahre, die er zu Lebzeiten anderen zugemutet hat. „Wenn ich sündigen wollte und mir vorgenommen hätte, durchaus in die Hölle zu fahren, so würde ich an Stelle der Richter dazu doch keinen so grausamen, sondern einen etwas erfreulicheren Weg wählen.“, formuliert er eine Spitze gegen die Gerichtsbarkeit. Eine klare Warnung, die damals verfing. Hier und heute, wo Folter wieder in Mode kommt, verfängt der Gedanke der Verantwortung vor Gott nicht mehr. Doch zumindest das ist sicherlich nicht Schuld der Kirche.

Weiterführende Literatur

Zu „Kreuzzüge“:

  • Michael Hesemann (2007): Die Dunkelmänner. Mythen, Lügen und Legenden um die Kirchengeschichte. Augsburg.
  • Hans Eberhard Mayer (2005): Geschichte der Kreuzzüge. Stuttgart.
  • Martin Tamcke (2008): Christen in der islamischen Welt. München.
  • Thomas E. Woods (2006): Sternstunden statt dunkles Mittelalter. Die katholische Kirche und der Aufbau der abendländischen Zivilisation. Aachen.

Zu „Schwertmission“:

  • Josef Bordat (2008): Annexion – Anbindung – Anerkennung: Globale Beziehungskulturen im frühen 16. Jahrhundert. Hamburg.
  • Gregor von Fürstenberg et al. (2006): Glauben, leben, geben. 175 Jahre missio. Freiburg i. Br.
  • Lutz E. von Padberg (1998): Die Christianisierung Europas im Mittelalter. Ditzingen.
  • Neal Pirolo (2007): Berufen zum Senden. Gemeinde und Weltmission. Holzgerlingen.
  • Hans Waldenfels et al. (2005): Die Sache geht weiter… München.
  • Joachim Wietzke (Hg., 1993): Mission erklärt. Ökumenische Dokumente von 1972 bis 1992. Leipzig.
  • Klaus Wetzel (2005): Missionsgeschichte Deutschlands. Nürnberg.

Zu „Hexenverbrennung“:

  • Walter Nigg (1996): Friedrich von Spee. Ein Jesuit kämpft gegen den Hexenwahn. Paderborn.
  • Richard Schröder (2009): Abschaffung der Religion? Wissenschaftlicher Fanatismus und die Folgen. Freiburg i. Br.

Die Mär von friedlichen Moslems und barbarischen Kreuzrittern

Giuseppe Nardi:


(Jerusalem) Wer Ridley Scotts 2005 herausgebrachten Film “Königreich der Himmel” gesehen hat, weiß, was er über die Kreuzzüge zu wissen hat. Zumindest das, was seit der Aufklärung der Westen zum Thema meint, darüber denken zu müssen:
– Die Kreuzfahrer waren wild und grausam, die Moslems kultiviert und tolerant;
– die europäischen Imperialisten überfielen friedliche Moslems;
– Saladin war ein Gentleman und die Kreuzritter Schurken;
– seither hassen uns die Moslems mit gutem Grund.

Diese Anhäufung von Dummheiten ist zwar längst widerlegt, doch wie alles Unkraut schwer aus der Welt zu schaffen, wie alles, was zum Kanon jener zählt, die gerade die kulturelle Hegemonie ausüben. Das veranlaßte den katholischen Priester Don Giorgio Fedalto eine Widerlegung in Buchform vorzulegen. Auf die knappest mögliche Formel gebracht, sagt er darin, daß statt des oben Aufgelisteten das genaue Gegenteil richtig ist.

Von hinten aufgezäumt bedeutet dies zum Beispiel, daß sich die Moslems erst mit den Kreuzzügen als solchen beschäftigten, als sie ihnen vom Westen Ende des 19. Jahrhunderts in den Kopf gesetzt wurden.

Von den arabischen Zeitgenossen des späten 11. bis 13. Jahrhunderts wurden die Kreuzzüge in weiten Teilen der islamischen Welt nicht einmal wahrgenommen. Die periodischen Züge der Christen, deren kriegerische Auseinandersetzungen verhältnismäßig kurze Phasen blieben, wurden von den Moslems als „logisch“ empfunden. Die Christen versuchten zurückzuerobern, was man ihnen entrissen hatte. Vor allem aber, weil die Moslems die Kreuzzüge wohl als machtpolitischen Angriff auf ihren Besitzstand verstanden, nicht aber als Angriff auf den Islam als solchen.

Die moslemischen Untertanen der Kreuzfahrerstaaten im heutigen Israel, Palästina, Syrien, Libanon und der Türkei waren im Gegenteil sogar erleichtert. Natürlich nicht, weil sie unter christliche Herrschaft kamen, aber weil die christlichen Herrscher sie nicht zu Dhimmis machten, wie dies ganz selbstverständlich die moslemischen Herrscher mit den Christen und Juden taten. In den lateinischen Staaten, über denen das Kreuz errichtet wurde, herrschte zudem ein deutlich geringerer Steuerdruck als in den umliegenden moslemischen Gebieten, was durchaus von den moslemischen Untertanen positiv registriert wurde.

„Für viele Araber waren die Kreuzzüge vor allem Angriffe gegen die verhaßten Türken“, wie der katholische Publizist Rino Cammilleri schrieb, die in jener Phase unter der Bezeichnung Seldschuken in die Geschichte eingingen. Erst mit dem Auftreten der Seldschuken (Schlacht von Manzikert 1071) und deren Massaker an den Heilig-Land-Pilgern kam es zu den Kreuzzügen.

Geostrategisch waren die Kreuzzüge keineswegs so „überflüssig“, wie es heute gerne dargestellt wird. Sie konnten den türkischen Expansionsdrang für 200 Jahre aufhalten, ehe er im 14. Jahrhundert nach Europa übergreifen konnte und zu einem jahrhundertelangen europäischen Abwehrkampf führte. Erst 1683 konnten die Christen vor Wien den türkischen Vormarsch brechen. Es sollte noch einmal mehr als 200 Jahre dauern, bis die Griechen und die anderen christlichen Balkanvölker wieder ihre Unterwerfung unter das islamische Dhimmi-System abschütteln konnten.

Die romantische Verklärung Saladins zog selbst den deutschen Kaiser Wilhelm II. in den Bann, der am Grab des Sultans einen Bronzelorbeerkranz niederlegte, den übrigens Lawrence von Arabien, um bei der Verklärung zu bleiben, verschwinden ließ, da die Araber Feinde des Osmanischen Reichs waren.

Werfen wir also einen Blick auf die auch im Film von Ridley Scott dargestellte Schlacht von Hattin. Saladins Sekretär, Imad ad-Din beschrieb das Schicksal der nach der Niederlage gefangengenommenen Kreuzritter der Orden der Templer und der Johanniter: „Er [Saladin] gab Befehl, alle zu enthaupten. Er zog es vor sie zu töten, anstatt zu Sklaven zu machen. Bei ihm war eine ganze Schar von Gelehrten und Sufis, und mehrere fromme und asketische Männer: Jeder von diesen bat ihn, zumindest einen umbringen zu dürfen“. Saladin gewährte dieses „Privileg“ gerne. Anders als im Film dargestellt, gewährte Saladin der christlichen Einwohnerschaft Jerusalems nicht den freien Abzug, sondern verkaufte die Hälfte als Sklaven, alle, die das von ihm verlangte Lösegeld nicht zahlen konnten.

Auch die gängigen Darstellungen des 4. Kreuzzuges, der nicht in das Heilige Land, sondern zur Eroberung Konstantinopels führte, werden von Don Fedalto hinterfragt. Er zeigt auf, daß das byzantinische Reich seit Beginn der Kreuzzüge eine wenig loyale Haltung gegenüber den Kreuzfahrern einnahm und diese sogar mehrfach verriet. Dies, obwohl gleichzeitig ständig aus Konstantinopel neue Hilferufe an den christlichen Westen ergingen. Der oströmische Kaiser Isaak II. verbündete sich sogar mit Saladin gegen die Kreuzritter, der zum Fall des christlichen Jerusalems beitrug. Und einmal mehr folgte ein neuer Hilferuf Konstantinopels, und einmal mehr brachen die katholischen Ritter in den Orient auf, und ebenso einmal mehr wurden sie verraten. Daraus folgerten sie, daß der einzige Weg, um diese Dolchstöße künftig zu verhindern, es war, einen der ihren als Kaiser in Konstantinopel einzusetzen.

Eine andere zu zerlegende „Schwarze Legende“ ist das Blutbad, das Gottfried von Bouillon beim 1. Kreuzzug nach der Einnahme von Jerusalem mit seinen Rittern anrichtete. Man sollte zumindest die Größenordnung kennen. Das moslemische Jerusalem zählte damals rund 10.000 Bewohner. Von diesen kamen im Zuge der Eroberung Jerusalems, beziehungsweise der Befreiung, wie die Kreuzfahrer es verstanden, etwa 2000 ums Leben.

Zahlenmäßig steht das in keinem Vergleich zu den willkürlichen Abschlachtereien, wie sie von den Moslems, vor allem jene von Baibars I. und seiner Mameluken an den Christen verübt wurden und die das Ende der lateinischen Staaten im Orient besiegelten. Massaker, die zudem unter Bruch des gegebenen Wortes geschahen. Die christlichen Unterhändler wurden enthauptet, die Mönche auf dem Berg Karmel (Karmeliten) wurden alle getötet. Die schauerliche Liste könnte lange fortgesetzt werden.

Dazu gehört auch Antiochien, die einst blühende Stadt der Christenheit, dessen erste Gemeinde vom Apostel Barnabas geleitet wurde und wo die Anhänger des Jesus von Nazareth ihren Namen „Christen“ erhielten. Das „schrecklichste Massaker der gesamte Kreuzzugsepoche“ folgte der Eroberung Antiochiens durch Baibars. Was aber wissen die westlichen Historiker darüber zu sagen? Steven Runciman widmet acht Zeilen, Hans Eberhard Mayer eine einzige, Cristopher Tyerman, der viele Seiten allen Details des Massakers von Jerusalem des 1. Kreuzzuges widmet, fallen zum vielfach größeren Massaker von Antiochien lediglich vier Worte ein, Karen Armstrong bringt es auf zwölf Worte und schafft es selbst darin den Kreuzrittern die Schuld zuzuschreiben, denn, so Armstrong, sei es schließlich deren „Bedrohung“ gewesen, die erst den „neuen Islam“ geschaffen habe.

Warum scheiterten die Kreuzzüge?

Zunächst gilt es sich zu vergegenwärtigen, daß die Kreuzfahrerstaaten immerhin ebenso lange Bestand hatten, wie die heutigen USA. Allerdings verschlang ihr Erhalt soviel an Steuerzuschüssen, daß Europa ausblutete. In feindlicher Umgebung, Tausende von Kilometern von zu Hause entfernt, verlangte das Unternehmen ständigen Nachschub an Menschen und Mitteln, die auf Dauer nicht aufbringbar waren. Der Glaube (“ja, der Glaube”, schreibt Don Fedalto) machte enorme Leistungen möglich und ließ die größten Opfer bringen.

Als jedoch ein Heiliger wie Frankreichs König Ludwig IX. in zwei gut vorbereiteten Kreuzzügen scheiterte, beim ersten in Gefangeschaft geriet und beim zweiten starb, fragten sich die Christen, ob Gott es wirklich wollte, daß sie in dieser Form hinauszogen oder ob es nicht besser sei, die heiligen Orte ihrem Schicksal zu überlassen. Die Worte des sterbenden Königs: “Wir werden in Jerusalem einziehen”, bewahrheiteten sich für ihn im metaphysischen Sinn mit dem Einzug in das himmlische Jerusalem.

Eine Frage harrt noch einer näheren ideengeschichtlichen Untersuchung, doch spricht viel dafür, daß die den Kreuzzügen zugrundeliegende Idee eines “Heiligen Krieges”, die dem Christentum eigentlich fremd ist, da es vielmehr die Notwehr kennt, von Spanien importiert wurde. Dort kämpften die Christen seit 711 in der Reconquista gegen die Moslems. Dabei lernten sie von ihren Gegner die starke Wirkung entfaltende Idee des Dschihad kennen und versuchten sie für ihre Sache dienstbar zu machen.

Source: katholisches.info, 16.11.2011

Proteste gegen den Al-Quds-Tag: Gegen islamistische und antisemitische Propaganda auf Berlins Straßen – für die iranische Freiheitsbewegung!

Auch in diesem Jahr gibt es wieder Proteste gegen den islamistischen und antisemitischen Aufmarsch zum sog. “Al-Quds-Tag” in Berlin, der dieses Jahr für Samstag, den 18. August 2012 angekündigt ist.

Bereits am 13.8.2012 werden Wahied Wahdat-Hagh (European Foundation for Democracy) und Jonathan Weckerle (STOP THE BOM über den Quds-Tag und den Kampf gegen Israel und Freiheit im Nahen Osten sprechen, alle Informationen dazu hier und auf Facebook.

Das antifaschistische Bündnis “No Al-Quds-Tag” ruft am 18.8.2012 unter dem Motto Gemeinsam gegen Antisemitismus! zu einer Kundgebungen um 13.00 Uhr am Adenauerplatz auf. Alle weiteren Informationen sowie weitere Termine im Vorfeld des Al-Quds-Tages finde Sie hier.

Die von STOP THE BOMB und anderen Organisationen initiierte Kundgebung “Gegen islamistische und antisemitische Propaganda auf Berlins Straßen – Solidarität mit Israel und der iranischen Freiheitsbewegung!” wird am 18.8.2012 um 14.30 am am Joachimstaler Platz (Karte) beginnen. Weitere Informationen dazu finden Sie auf www.no-al-quds-tag.de, den Aufruf finden Sie hier. Bitte laden Sie Ihre Kontakte auch via Facebook ein!

Die Teilnahme an beiden Kundgebungen wird zeitlich wie organisatorisch gewährleistet werden!

Auf unserer Seite finden Sie auch die Dokumentation Proteste der Jahre 20112010 und 2009.

18.8.: Gegen islamistische und antisemitische Propaganda auf Berlins Straßen – Solidarität mit Israel und der iranischen Freiheitsbewegung!

Seit 1979 folgen jährlich zum Ende des Fastenmonats Ramadan islamistische Organisationen weltweit dem Aufruf zum „Al-Quds-Tag”als Kampftag des politischen Islam. Ajatollah Khomeini forderte nach der islamistischen Machtergreifung im Iran seine Anhänger und Anhängerinnen zur weltweiten Ausbreitung der islamischen Revolution, zur „Befreiung” Jerusalems und zur Vernichtung Israels auf.

Der diesjährige Quds-Marsch am 18. August in Berlin findet vor dem bedrohlichen Hintergrund des ungebrochen und beschleunigt vorangetriebenen iranischen Atomprogramms statt. Während die Zeit verrinnt, das islamistische Regime im Iran auf dem Weg zur Bombe zu stoppen, entlädt sich eine Welle des Hasses gegen Israel. Auslöser war ein Gedicht von Günter Grass, der den durch die Islamische Republik Iran existenziell bedrohten jüdischen Staat Israel als Aggressor und Bedrohung des Weltfriedens darstellt. Umso wichtiger ist es, dem in den letzten Jahren verstärkt als „Friedensdemonstration“ inszenierten Quds-Marsch entgegenzutreten und Solidarität mit Israel zu demonstrieren!

Wir solidarisieren uns auch mit der Mehrheit der Iraner, deren Rechte und deren Streben nach Freiheit von der iranischen Diktatur brutal unterdrückt werden. 2009 wurde eine landesweite Aufstandsbewegung mit extremer Gewalt niedergeschlagen, seitdem hat sich die Menschenrechtslage nochmals drastisch verschlechtert: Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen, Sittenterror, Geschlechterapartheid und Zensur sind an der Tagesordnung.

Auch in Deutschland bedroht das iranische Regime Freiheit und Leben von Menschen: Seit Mai diesen Jahres muss der 2005 aus dem Iran geflohene Musiker Shahin Najafi in Deutschland im Untergrund leben, nachdem mehrere iranische Ayatollahs Todesfatwas gegen ihn erlassen hatten. Zudem wurde von regimenahen Kreisen ein Kopfgeld von 100.000 Dollar auf Najafi ausgeschrieben. Iranische Diplomaten in Deutschland haben sich an der Verbreitung der Todes-Fatwas beteiligt.

Beim Quds-Tag marschieren nicht nur die Claqueure des Regimes, sondern auch immer einige dessen mörderischer Handlanger. Beispielsweise werden bei Quds-Märschen regelmäßig Fahnen der eng mit dem iranischen Regime verbündeten libanesischen Hisbollah gezeigt, also jener Organisation, die immer wieder in Terroranschläge weltweit verwickelt war. Zuletzt wurde am 18. Juli 2012 in Bulgarien ein Anschlag auf einen Bus mit israelischen Touristen verübt, bei dem sechs Menschen ums Leben kamen. Diesem Anschlag gingen in den letzten Jahren zahlreiche Anschlagsversuche in aller Welt voraus, die verhindert werden konnten. Seit Jahren ist bekannt und nicht zuletzt in den Berichten der staatlichen Sicherheitsbehörden nachzulesen, dass Hisbollah in Deutschland über hunderte Anhänger sowie die Fähigkeit zur Durchführung von schweren Anschlägen verfügt. Dass vor kurzem auf EU-Ebene eine Listung der Hisbollah als Terrororganisation gescheitert ist, ist ein Skandal, der aber die deutsche Regierung nur umso mehr in die
Verantwortung stellt: Die Hisbollah muss in Deutschland endlich als Terror-Organisation verboten werden!

Wir – das sind verschiedene politisch und sozial engagierte Gruppen und Einzelpersonen – rufen auch in diesem Jahr zu einer Kundgebung gegen den antisemitischen und antidemokratischen “Al-Quds-Tag” auf.

Demonstrieren Sie gemeinsam mit uns:

  • Gegen jede Form von antisemitischer und islamistischer Propaganda,
  • Gegen die Menschenrechtsverletzungen in der Islamischen Republik Iran,
  • Für ein sofortiges Verbot der Hisbollah und
  • Für Solidarität mit Israel und der iranischen Freiheitsbewegung!

Die Kundgebung findet statt am Samstag, dem 18. August 2012. Joachimstaler Str. / Ecke Kurfürstendamm (“Joachimstaler Platz”), Beginn: 14:30 Uhr.

Bereits um 13:00 Uhr beginnt am Adenauerplatz · Berlin, wo die “Quds-Demonstration” auch starten wird, Antifaschistische Kundgebung unter dem Motto „Kein Al Quds-Tag 2012 in Berlin! Gemeinsam gegen Antisemitismus“. Im Anschluß können die Teilnehmer gemeinsam zur Kundgebung am Joachimstaler Platz gehen.

Weitere Informationen zur Kundgebung der antifaschistischen Gruppen – hier klicken

Initiativkreis:

  • Anti-Defamation Center – Bildungswerk für Demokratie und Kultur gemn. e.V. (ADC Bildungswerk),
  • Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA),
  • Green Party of Iran – Deutschland, –
  • STOP THE BOMB,
  • Deutsch-Israelische Gesellschaft – Arbeitsgemeinschaft Berlin/Potsdam (DIG),
  • Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus e.V.
  • Bund der Verfolgten des Naziregimes Berlin e.V. (BVN),
  • Redaktion haOlam.de

Unterstützer:

  • Honestly Concerned e.V.
  • Deutsch-Israelischer Bund i.Gr. (DI
  • Pro Zion NRW

Wenn Sie diesen Aufruf – egal ob als Einzelperon oder als Organisation/Initiative – unterschreiben wollen, schicken Sie bitte eine Mail an: [email protected]

 Source

Über das Gewaltpotential von israelbezogenem Antisemitismus

Vom Wort zur Tat
Über das Gewaltpotential von israelbezogenem Antisemitismus. Wie ein antisemitischer Diskurs über Israel körperliche Gewalt bedingen kann.

von Jan Riebe
Antisemitismus ist die offene Abwertung und Diskriminierung gegenüber Jüdinnen und 
Juden als »Juden« (6)  und somit auch Gewalt in Worten und Taten. Dies gilt ebenso für den 
israelbezogenen Antisemitismus. Antisemitische Diskurse tragen dazu bei – gewollt oder 
ungewollt – dass einzelne Personen sich legitimiert fühlen, körperliche Gewalt gegen Jü-
dinnen und Juden anzuwenden. Wie das Zusammenspiel von antisemitischem Diskurs und Gewalt zusammenhängt, lässt sich anhand der Positionierung der außerparlamentarischen Linken ab Ende der 60er Jahre aufzeigen. Deren antisemitischer Diskurs über Israel führte zu antisemitischer 
Gewalt. Angesichts von Zustimmungsraten zu Äußerungen mit israelbezogenem antisemitischem Inhalt von bis zu 68% der Deutschen (7) sollte die Gefahr, die vom israelbezogenem Antisemitismus ausgeht, ernst genommen werden.
Bomben gegen Juden im Namen der »Israelkritik« 
Mit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 nahm die Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus stark zu – in vielen Diskursen wurde eine Täter-Opfer-Umkehr vollzogen. Dies 
geschah mitunter aber auch in Form proisraelischer Äußerungen. Die Springer-Presse feierte damals den israelischen Verteidigungsminister Moshe Dayan als den neuen »Wüstenfuchs Rommel«, das Nachrichtenmagazin Spiegel titelte im Juni des gleichen Jahres 
bewundernd »Israels Blitzkrieg«. Für die radikale Linke waren solche Israel lobenden NSVergleiche, insbesondere durch die von ihnen gehasste Springer-Presse, ein Bestätigung 
für ihre im Zuge des Sechs-Tage-Krieges gewachsene radikale antiisraelische Haltung. 
Zumal nahezu zeitgleich dieselben Zeitungen gegen die Außerparlamentarische Opposition (APO) hetzten und den Tod Benno Ohnesorgs mit Schlagzeilen wie »Wer Terror 
produziert, muß Härte in Kauf nehmen« (8) rechtfertigten. Da half es auch nicht, dass Ulrike Meinhof, linke Vordenkerin und Kolumnistin bei der Zeitschrift Konkret, auch noch 
nach dem Sechs-Tage-Krieg eine linke, kritische Solidarität mit Israel beschwor: »Es gibt 
für die europäische Linke keinen Grund, ihre Solidarität mit den Verfolgten aufzugeben, 
sie reicht in die Gegenwart hinein und schließt den Staat Israel mit ein« (9).
 Die radikale Linke, bis zum Sechs-Tage-Krieg mehrheitlich proisraelisch, folgte dieser Analyse Meinhofs weitgehend nicht. Israel wurde von Teilen der APO als »faschistisch« gebrandmarkt und 
auf der 22. Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) 
das Existenzrecht abgesprochen (10). Fortan galt für viele Linke jede Aktion, die sich formal 
gegen Israel richtete, in dieser Logik als antifaschistisch. So verhinderten linke Studierende 
1967, dass der erste Botschafter Israels in Deutschland, Asher Ben-Natan, an verschiedenen Universitäten mit Studierenden über den Sechs-Tage-Krieg reden konnte. Einer der Störer begründete dies damit, dass er sich dann ja gleich Adolf Hitler vom Himmel runterholen könne,   um mit ihm über Konzentrationslager zu debattieren (11). Diese Täter-Opfer-Umkehr, nach der die Israelis die »neuen Nazis« waren, hatte fatale Folgen: Am 9. November 1969 deponierten Linke – mit Hilfe eines agent provocateur des Verfassungsschutzes – anlässlich der Gedenkstunde zum 31. Jahrestag der Novemberpogrome, eine Bombe im Jüdischen Gemeindehaus in Berlin. Lediglich 
der defekte Zeitzünder verhinderte ein Massaker, bei dem wahrscheinlich u.a. zahlreiche Holocaust-Überlebende umgekommen wären. 
In einem Bekennerschreiben wird die Tat als antifaschistisch gerechtfertigt: 
»Am 31. Jahrestag der faschistischen Kristallnacht wurden in Westberlin mehrere 
jüdische Mahnmale mit ›Schalom und Napalm‹ und ›El Fatah‹ beschmiert. Im jüdischen Gemeindehaus wurde eine Brandbombe deponiert. Beide Aktionen sind nicht mehr als rechtsradikale Auswüchse zu diffamieren, sondern sie sind ein entscheidendes Bindeglied internationaler sozialistischer Solidarität. Das bisherige Verharren der Linken in theoretischer Lähmung bei der Bearbeitung des Nahostkonflikts ist Produkt des deutschen Schuldbewusstseins: ›Wir haben eben Juden vergast und müssen die Juden vor einem neuen Völkermord bewahren.‹ […] Jede Feierstunde in Westberlin und in der BRD unterschlägt, daß die Kristallnacht von 1938 heute täglich von den Zionisten in den besetzten Gebieten, in den Flüchtlingslagern und in den 
israelischen Gefängnissen wiederholt wird. Aus den vom Faschismus vertriebenen Juden 
sind selbst Faschisten geworden, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das 
palästinensische Volk ausradieren wollen.« (12).
Der geplante Anschlag stieß in großen Teilen der Linken auf scharfe Kritik, dennoch teilten viele diese einfache Logik, nach der Israel faschistisch geworden sei und somit »Widerstand« gegen Israel antifaschistisch sei (13). Dieses Erklärungsmuster bildete in der Folgezeit für viele Linke die Grundlage ihrer Politik gegenüber Israel. Dies bedeutet jedoch nicht, dass im gleichen Maße Gewalttaten gegenüber Jüdinnen und Juden Unterstützung fanden, dennoch fiel die Kritik daran oft schwach aus.Im Jahr 1972 rechtfertigte auch Ulrike Meinhof – in völliger Umkehr zu ihrer 1967 
verlautbarten Positionierung – in einem Pamphlet (14)  der Roten Armee Fraktion das Olympia-Attentat auf die israelische Mannschaft in München als Antifaschismus. Sie bezeichnete Moshe Dayan als »Himmler Israels«, und warf Israel vor, einen «Moshe-Dayan-Faschismus« zu betreiben. Zudem habe der Staat Israel »seine Sportler verheizt wie die Nazis die Juden – Brennmaterial für die imperialistische Ausrottungspolitik«. (15)
Wie weit die Ideologie des Antisemitismus die Betrachtung des Nahostkonfliktes in Teil 
der Linken bestimmte, zeigte sich 1976 bei einer Flugzeugentführung deutscher und 
palästinensischer Terroristen. Der deutsche Terrorist Böse, Mitglied der Revolutionären 
Zellen (RZ), selektierte die Passagiere in Juden und Nichtjuden. Explizit wurde mit der 
Ermordung der jüdischen Flugpassagiere gedroht. Für viele Jüdinnen und Juden weltweit 
stand fest: Es handelte sich um eine Selektion wie einst an der Rampe von Auschwitz, 
vorgenommen durch einen deutschen Aktivisten der RZ. Die Stürmung des Flughafengebäudes, in dem die Geiseln gefangen gehalten wurden, verhinderte ein antisemitisches Massaker. Größere Teile der radikalen Linken begannen erst 15 Jahre später, über den antisemitischen Charakter dieses Ereignisses kontrovers zu diskutieren.
In diese Tradition, Jüdinnen und Juden als die neuen Faschisten und damit einhergehend zu legitimen Angriffszielen zu deklarieren, reihte sich auch ein vermutlich geplanter 
Mordanschlag der RZ auf die jüdischen Gemeindevorsteher von Berlin und Frankfurt, 
Heinz Galinski und Ignaz Lipinski, ein. Die geplanten Taten kamen nur durch einen Aussteiger ans Licht. Die RZ veröffentlichten daraufhin ein Schreiben, in dem sie zwar nicht direkt zugaben, die beiden jüdischen Gemeindevorsteher tatsächlich ermorden zu wollen, diese jedoch als legitime Ziele linker Politik definierten. In dem Schreiben warfen die RZ der Linken vor, die
Attentatspläne gegen Galinski und Lipinski als Antisemitismus zu kritisierten, statt zu überlegen »welche Rolle Galinski spielt für die Verbrechen des Zionismus, für die Grausamkeiten der imperialistischen Armee Israels, welche Propaganda- und materielle Unterstützungsfunktion dieser Typ hat, der alles andere ist als nur >jüdischer Gemeindevorsitzender<, und: was man in einem Land wie dem unseren dagegen machen kann. Ihr entzieht euch dieser politischen Auseinandersetzung und geilt euch auf an dem 
behaupteten (antisemitischen?) Faschismus der RZ und ihrer Hintermänner. […]« (16).
Die Liste mit antisemitischen Anschlägen in der Ideologie der Täter-Opfer-Umkehr, 
verbunden mit dem Duktus antifaschistisch zu handeln, ließe sich fortführen. Viele Linke 
kritisierten solche Taten, jedoch ermöglichte die breite Akzeptanz der Meinung »aus vom 
Faschismus vertriebenen Juden sind selbst Faschisten geworden« diese Taten. 
Seit den 90er Jahren gibt es innerhalb der Linken eine gewachsene Sensibilität dem eigenen Antisemitismus gegenüber. Die Auseinandersetzungen werden häufig sehr kontrovers und intensiv geführt. Diese Debatten haben wesentlich dazu beigetragen, dass der antisemitische Diskurs zurückgedrängt wurde, parallel dazu nahmen antisemitische Taten aus der Linken stark ab.(17)
 Dies ist einerseits mit einem Bedeutungsverlust der radikalen Linken seit 1990 durch den Zusammenbruch des Ostblocks zu erklären, aber auch mit der selbstkritischeren Auseinandersetzung mit dem eigenen Antisemitismus. Dennoch kann nicht von einem Verschwinden des Antisemitismus von links geredet werden, auch kommt es immer wieder zu Gewalttaten im Zuge der Auseinandersetzungen in der Linken um Israel und Antisemitismus. Zudem geben auch Entwicklungen in Teilen der Linkspartei Grund zur Sorge, wie diverse Vorfälle mit antisemitischen Charakter der letzten Jahre zeigen (18).
Täter-Opfer-Umkehr in der »Mitte« der Gesellschaft
Dennoch sollten insbesondere die hohen Zustimmungsraten in der Mitte der Gesellschaft 
Anlass bieten, den israelbezogenen Antisemitismus auch wenn er sich häufig »nur« in Diskursen niederschlägt, ernst zu nehmen. Nicht weil in der Gegenwart in Deutschland aus 
ihr körperliche antisemitische Gewalt in hohem Maße erwächst, sondern weil Vorstellungen, wie die, »was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch 
nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben«, 
an die Täter-Opfer-Umkehr anschließen, die für den israelfeindlichen, in Teilen antisemitischen Kurs der außerparlamentarischen Linken Ende der 60er bis weit in die 80er 
Jahre entscheidend war. Dass solche Aussagen, die die Verbrechen des Nationalsozialismus 
extrem relativieren und Israels Politik dämonisieren, in Deutschland Zustimmungsraten 
von 30 bis über 50% erzielen, zeigt, dass wir es nicht mit Einstellungen einer kleinen 
Minderheit zu tun haben. Auch dass 70% der Deutschen Israel für die größte Gefahr des 
Weltfriedens (19) halten, bestätigt, dass in großen Teilen der Gesellschaft ein sehr negativer 
Diskurs über Israel vorherrscht. 
Dies alles kann dazu beitragen, dass sich beispielsweise bei einer neuerlichen Eskalation im Nahen Osten auch antisemitische Gewalt wieder Bahn bricht – ob von rechts, links oder aus der Mitte der Gesellschaft. Insbesondere Rechtsextreme, die laut Kriminalstatistik 2011 für 775 der 811 antisemitischen Straftaten in Deutschland verantwortlich waren, versuchen immer wieder, ihre antisemitischen Taten als »Kritik« an Israel zu tarnen (20). Hinzu kommt, dass sich nicht »nur« antisemitische Gewalttäter durch diesen Diskurs ermutigt sehen, sondern dass große Teile der 
Gesellschaft antisemitische Gewalt nicht als solche wahrnehmen oder wahrnehmen wollen.
»Antisemitismus? – aber das Opfer war doch ein Israeli«
Wie antisemitische Gewalt nicht als solche wahrgenommen wird, wenn sie sich gegen Israelis richtet, lässt sich an einem Vorfall vom April 2010 veranschaulichen: In Laucha, SachsenAnhalt wurde ein Jugendlicher zusammengeschlagen. Die Täter waren Neonazis. Sie riefen dabei immer »Du Scheiß-Jude, verpiss dich« und ähnliches. Darauf fragte eine Journalistin in einem Interview die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung: »Nun, Frau Kahane, was meinen Sie? Ist das schon Antisemitismus?« »Schon? Ja klar, was denn sonst?!« antwortete Kahane. »Naja«, meinte die Journalistin, »aber das Opfer war doch ein Israeli«. 
Ein die Wahrnehmung betreffend ähnliches Szenario spielte sich 2010 in Hannover ab. 
Bei einem Stadtteilfest wurde eine jüdische Tanzgruppe antisemitisch beleidigt und mit 
Steinen beworfen. Einige lokale Akteure vor Ort konnten in der Tat keinen Antisemitismus erkennen, sondern sahen darin lediglich ein Nachspielen des Nahostkonfliktes. 
Es zeigt sich, dass selbst, wenn eindeutige Begriffe wie »Scheiß Jude« im Kontext einer 
Gewalttat gegen einen Juden fallen, dies nicht notwendig als antisemitisch wahrgenommen wird, wenn die Opfer Israelis sind. Außerdem kann Gewalt gegen Jüdinnen und 
Juden als falsche Form der »Kritik« an Israel erscheinen und nicht als die antisemitische 
Praxis, die sie ist. In solchen Beispielen spiegelt sich wider, wie real die Gefahr des Zusammenspiels antisemitischer Gewalt und des Wegschauens der Mehrheitsgesellschaft ist. 
Letzteres zeigt auch, wie wenig Sensibilität und Wissen in großen Teilen der Gesellschaft 
bezüglich Formen und Gefahren von israelbezogenem Antisemitismus vorhanden sind. 
Fazit
Die Täter-Opfer-Umkehr ist ein zentraler Bestandteil des israelbezogenen Antisemitismus. 
Wie solch ein antisemitischer Diskurs in Gewalt umschlagen bzw. sie bedingen kann, zeigt 
der Blick auf die Israeldebatten der außerparlamentarischen Linken Ende der 60er Jahre. 
Angesichts Zustimmungsraten von bis zu über 50% der deutschen Mehrheitsbevölkerung 
zu Aussagen, die die Politik Israels mit der des Nationalsozialismus auf eine Ebene stellt, 
wird deutlich, wie aktuell, wie wirkungsmächtig und breit verankert die Täter-OpferUmkehr bei Debatten über Israel derzeit ist. Israelbezogener Antisemitismus stellt eine akute Bedrohung der demokratischen Kultur, aber auch für die Unversehrtheit von Jüdinnen und Juden und alle dar, die als Repräsentanten oder Sympathisantinnen Israels wahrgenommen werden. Dies können dann auch Kinder und Jugendliche einer Tanzgruppe einer jüdischen Gemeinde sein, wie der Vorfall in Hannover gezeigt hat.
Anmerkungen:
6 Damit ist gemeint, dass jenseits von der realen Existenz von Jüdinnen und Juden im Antisemitismus Judenbilder konstruiert werden. Brian Klug fasst dies so: »In short, antisemitism is the process of turning Jews into ›Jews‹«
7 Vgl. Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche Zustände Folge 3, Frankfurt/Main, S. 151
8 Schlagzeile der B.Z. vom 3. Juni 1967
9 Ulrike Meinhof: Drei Freunde Israels, in: Konkret 7/1967
10 So heißt es in einer verabschiedeten Resolution: »Die Anerkennung des Existenzrechts der in Palästina lebenden Juden durch die sozialrevolutionäre Bewegung in den arabischen Ländern darf nicht identisch sein mit der Anerkennung Israels als Brückenkopf des Imperialismus und als zionistisch
es Staatsgebilde.« Vgl. Martin W. Kloke: Israel und die deutsche Linke, Frankfurt am Main 1990, S. 77. In dieser Resolution spricht sich der SDS auch gegen antisemitische-rassistische Tendenzen von Teilen der arabischen Kriegspropaganda aus.
11 Vgl. Interview mit Inge Deutschkron, Dokumentarfilm: Wir sind da. Juden in Deutschland nach 
1945, Janusch Kozminski Filmproduktion aus dem Jahr 2000
12 AGIT 883, Nr. 40 vom 13.11.1969, S. 9
13 Vgl. Martin W. Kloke: Israel und die deutsche Linke, Frankfurt am Main 1990, S. 77 ff.
14 Vgl. «Die Aktion des »Schwarzen September« in München. Die Strategie des antiimperialistischen Kampfes, November 1972« in: Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, Berlin 1997, S. 151-177.
15 Noch weiter ging im Jahr 2008 der Direktor des Sportwissenschaftlichen Instituts an der Universität Göttingen, Arnd Krüger. Er behauptete in einem Vortrag, die Sportler seien freiwillig in den Tod gegangen, um die Schuld (und auch die Schulden) Deutschlands gegenüber dem Staat Israel zu verlängern.
16 Die gesamte RZ-Erklärung »Die Hunde bellen, und die Karawane zieht weiter« ist online nachzulesen unter:
www.salzborn.de/txt/2011_zfp.pdf
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www.salzborn.de/txt/2011_zfp.pdf
19 Die Aussage »Israel ist die größte Gefahr für den Weltfrieden« ist für sich alleine genommen nicht als antisemitisch einzustufen, aber Ausdruck eines sehr negativen Israelbildes in Deutschland. Dennoch ist die Aussage anschlussfähig an antisemitische Ressentiments, wie das vom jüdischen Weltbrandstifter.
20 So marschierten beispielsweise zeitgleich am 3. Juni 2003 mit einer Veranstaltung mit dem damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, anlässlich der Ausstellung »Rassismus in Deutschland« rund 60 Neonazis aus der Region unter der verhöhnenden Losung »Der Rassismus ist ein Meister aus Israel«. Einer der Redner, ein Mitglied des NRW-Landesvorstands der NPD, skandiert über das Mikro die Parole »Internationale Völkermordzentrale Israel«.Diese und viele weitere Beispiele für Aktionen, nicht nur von Neonazis, ihren Antisemitismus als Kritik an Israel zu tarnen, findet sich in der von der Amadeu Antonio Stiftung seit 2002 betriebenen Chronik antisemitischer Vorfälle. Online: www.amadeu-antonio-stiftung.de/die-stiftung-aktiv/gegen-as/antisemitismus-heute/chronik-antisemitischer-vorfaelle/.