Dr. Rita Breuer: Christenverfolgung im Islam

Frau Breuer; haben Sie sich mit Ihrem
Buch Ärger eingehandelt?

Nein.

Auch nicht von muslimischen Organisationen? Sie
gehen mit dem Islam schließlich hart ins Gericht, geißeln seine Intoleranz
gegenüber Andersgläubigen und sagen selbst, wie schnell man islamfeind
lich
genannt werde.

Ich kann auch nicht ausschließen, dass man mich irgendwann der
Islamfeindlichkeit bezichtigt. Das geschieht immer dann, wenn man sich mit den
Thesen des Gegenübers nicht auseinandersetzen kann, aber versucht, diese ins
Unrecht zu setzen. Ich kritisiere auch
nicht den Islam an sich, sondern eine
sehr dominante Ausprägung dieser Religion, die zu Lasten der Christen geht. Das
hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch entwickelt.

Für Sie liegt der Zusammenhang zwischen dem Islam und
der Unterdrückung der Christen so offen vor Augen, dass es verantwortungslos
wäre, ihn zu übersehen.

Absolut. Alle mehrheitlich muslimischen Länder sind unter den Top
Fifty der Staaten, die Christen verfolgen. Je intensiver die religiöse
Ausprägung. eines islamischen Staatswesens ist, desto schlechter ist die Lage
der Christen. Und um das zu rechtfertigen, bezieht man sich auf die Quellen des
Islams.

Bit uns ist der Aufschrei nur laut, wenn es viele
Tote gibt wie in Alexandria.

Vor einigen Jahren war es noch sehr schwierig, die
Öffentlichkeit überhaupt für dieses Thema zu interessieren. Das liegt auch
daran, dass man die Verfolgung, Desavouierung und Benachteiligung von Christen
beschönigt und darüber hinwegschaut. Das kann man alles tun, solange es „nur”
um Vertreibung, die Diskriminierung am Arbeitsplatz, die rechtliche
Benachteiligung geht. Aber wenn es Tote gibt, schreckt der ein oder andere auf
und sagt: Das kann man nicht mehr leugnen. Zumal, wenn die Täter ihre Tat mit
der Religionszugehörigkeit der Opfer begründen.

Dass der permanente Aufschrei ausbleibt – liegt das
auch an der Angst, mit Kritik noch mehr Ge
walt anzustacheln?

Das ist gut möglich. Die Vertreter der christlichen Minderheiten
in der muslimischen Welt scheuen sich jedenfalls teilweise, die Dinge offen
beim Namen zu nennen, weil sie eben noch stärkere Repressionen befürchten. Sie
haben Angst, weil sie von der Mehrheit abhängig sind. Und weil sie wissen, dass
sie sich auf die Internatio­nale Solidarität, sei es von Christen oder den
westlichen Staaten, kaum verlassen können. Jedenfalls bis in die jüngste
Vergangenheit, Ich habe eine gewisse Hoffnung, dass sich das allmählich ändert.

Man -will es sich eben nicht mit den Muslimen
verscherzen?
Natürlich. Es ist auch nicht so, dass jeder Muslim Christen
diskriminiert. Oder jeder Christ in der muslimischen Welt diskriminiert wäre.
Das ist ja nicht der Fall. Ich habe auch nichts gegen den Islam an sich und
schon gar nichts gegen die Muslime. Aber es geht darum, es nicht langer zu
leugnen, dass Christen in der muslimischen Welt zunehmend Opfer von
Diskriminierungen werden, von Beleidigungen, Benachteiligungen, Verfolgung bis
hin zur Tötung.

Stichwort Solidarität; Sie werfen den Kirchen in
Deutschland vor, einem idealisierten Islambild hinterherzulaufen. Einem Islam
der Toleranz, der Friedfertigkeit.

Es mischen sich allmählich auch ein paar kritische Zwischentöne
darunter, aber die Grundtendenz bei den beiden großen Kirchen ist, nach wie vor
zu unterstellen, der Is­lam  habe  dieselben Werte  und Grundideen wie das Christentum, Das ist gut gemeint, aber
nimmt den Islam nicht ernst.

Sind die Kirchen also blauäugig?

Ja, das ist eine Form von Blauäugigkeit, aber auch von
Selbstverliebtheit – zu glauben, dass jeder Mensch die Werte teilt, auf denen
das Christentum fußt. Und nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass andere
eigenständige Religionsgemeinschaften manches anders sehen als wir.

Wie helfen die Kirchen den bedrängten Christen?

Christliche Hilfsangebote – Gesundheitsdienste, Schulen,
Hilfe für Bedürftige – richten sich immer an die ganze Bevölkerung und nicht
explizit an Christen. Das ist umgekehrt nicht der Fall. Unter Muslimen ist
klar, dass man zuerst mit den eigenen Glaubensbrüdern und -schwestern
solidarisch ist.

Christen leiden also unter einer mangelnden Christenliebe“?
Absolut. Mich haben schon vor zwanzig Jahren Christen in der
muslimischen Welt fassungslos gefragt, wie es denn sein könne, dass die Kirchen
sich sehr für die Rechte von Muslimen in Deutschland einsetzen, was ja auch
nicht falsch ist, aber gleichzeitig keinen Sinn dafür haben, was mit den
Christen in muslimischen Ländern geschieht. Viele, von einfachen Menschen bis
zu hohen kirchlichen Würdenträgern, haben resigniert gesagt, die Hoffnung auf
Unterstützung hätten sie sich abgewöhnt. Vielleicht auch, weil in Europa
Religion nicht mehr in dem Maße Teil der Identität ist wie anderswo.

Weil bei uns das Christentum auf dem Ruckzug ist,
sind uns die Christen dort gleichgültig?

So wird es
zumindest wahrgenommen. Dass man sich hierzulande lieber mit der Frage
beschäftigt, ob das Kopftuchverbot für Lehrerinnen islamfeindlich ist, als sich
zu überlegen, wie man den bedrängten Christen in der muslimischen Welt zu Hilfe
eilen kann. Es gibt natürlich Organisationen, die das tun. Es gibt auch eine
langsam größer werdende Aufmerksamkeit, aber noch immer keine flächendeckende
Auseinandersetzung mit dem Thema.

Was wünschen Sie sich also von den Kirchen?

Ein ganz klares
und selbstbewusstes Bekenntnis zur eigenen Religion und Wertigkeit. Das gehört
auch, dass man die Probleme, die sich im Dialog mit den Muslimen ergeben, nicht
verniedlicht. Dass man sich für Glaubensbrüder und -schwestern, ob gebürtige
Christen oder Konvertiten, einsetzt und gegebenenfalls zum Gespräch mit
konversionswilligen Muslimen bereit ist.

Und was von der Politik?

Dass sie keine Gelegenheit auslässt, bei internationalen Kontakten
dieses Thema immer und immer wieder anzusprechen, auf Zusagen zu bestehen und
darauf, dass
sie eingehalten werden. Das reicht von der Freiheit des
Kirchenbaus bis zur Religionsausübung der christlichen Gastarbeiter in
Saudi-Arabien. Dass sie die muslimischen Verbände bei uns auf die Unteilbarkeit
des Rechts auf Religionsfreiheit verpflichtet.

Müssen die Christen nicht einfach auch nur für den
verruchten Westen herhalten?

Hier klagen Muslime ja auch, für all das haftbar gemacht
zu werden, was im Namen des Islams geschieht. Umgekehrt gilt das für die
Christen in der islamischen Welt Sie werden für alles belangt, was der Westen
macht. Im Irak, in Afghanistan oder sei es für Amerikas israelfreundliche
Politik. Da wird dann polemisiert, es gebe eine Weltverschwörung der Feinde des
Islams. Dazu zahlen der Westen, der Staat Israel und die Christen.

Verschwörungstheorien brauchen Einflüsterer.

Die sind ganz offensichtlich vorhanden. Denn dieses Denken greift
ja immer weiter um sich. Auch in den Moscheen wird oft in diese Richtung
gepredigt. Es wird antiwestliche Stimmung gemacht und manchmal direkt die
Verbindung zu den Christen in dem Land als möglichen Agenten des Westens
hergestellt.

Wo leiden die Christen besonders?

Besonders schlimm ist es auf der Arabischen Halbinsel, in
Saudi-Arabien, aber auch in Pakistan, Afghanistan, Nigeria, in Sudan und im
vermeintlichen Urlaubsparadies Malediven. Auch in Ägypten gibt es immer mehr
Fälle von massiven Übergriffen gegen die Christen.

Sind die Repressionen perfider geworden?

Ja, aber gleichzeitig auch offener und brutaler. Perfider
und geradezu absurd, indem man beispielsweise schon das Tragen von christlichen
Symbolen zum Anlass nimmt, jemanden zu schikanieren und zu verhaften. In
Saudi-Arabien ist es beispielsweise verboten, ein kleines Kreuz um den Hals zu
tragen, ein Gebetbuch bei sich zu haben. Die Angst vor christlicher Symbolik
reicht dort bis zum roten Kreuz auf dem Erste-Hilfe-Koffer. In allen
nahöstlichen Ländern werden Christen allein wegen ihres Namens benachteiligt,
bei der Wohnungssuche, bei Universitätsprüfungen, am Arbeitsplatz. Das ist
deswegen perfide, weil nicht nachweisbar ist, dass George bessere Karten gehabt
hätte, hieße er Mohammed. Viele Christen konvertieren deswegen zum Islam, nicht
aus religiöser Überzeugung, sondern well sie diese tagtägliche Diskriminierung
satt haben.

In Saudi-Arabien ist es auch verboten, eine
Bibel einzuführen. In Deutschland können Salafisten Koran-Exemplare
verteilen. Was geht Ihnen da durch den Kopf?

Wut. Muslime haben hier das ungeteilte Recht auf freie
Religionsausübung. Dafür werde ich mich immer einsetzen. Dass die Salafisten
dieses Recht für sich in Anspruch nehmen, solange es ihnen nützt, aber es nicht
vertreten – darauf kann man auch nicht häufig genug hinweisen. Hier können
Salafisten den Koran verteilen, in Iran ist allein der Besitz einer
persisch-sprachigen Bibel verboten, werden immer wieder Bibeln zu Hunderten
vernichtet. Das ist eine unerträgliche Schieflage.

Im Namen Allahs? Hinter dem Titel steht ein Fragezeichen.
Die Verfolgung geschieht oft im Nahmen Allahs, aber ist sie in seinem Sinne?

Das kann ich nicht beantworten, aber das hoffe ich nicht.
Schließlich gibt es auch viele moderne Muslime, die ein gleichberechtigtes und
solidarisches Miteinander suchen. Und das auch aus dem Islam heraus begründen.

Das Gespräch mit Rita Breuer führte Cornelia van
Wrangel.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 1.7.2012

One thought on “Dr. Rita Breuer: Christenverfolgung im Islam”

  1. Die Islamwissenschaftlerin Rita Breuer (Aachen) ist Autorin des Buches „Im Namen Allahs?“ – Christenverfolgung im Islam“, das vor kurzem im Verlag Herder (Freiburg) erschienen ist. Breuer verweist darin auf Äußerungen führender Kirchenvertreter. So habe der EKD-Ratsvorsitzende, Präses Nikolaus Schneider (Düsseldorf), im vergangenen Jahr erklärt: „Es ist ein Irrtum zu sagen, der Islam sei deutlich weniger am Frieden interessiert als das Christentum.“ Nach den Worten der promovierten Islamwissenschaftlerin zeugt diese Aussage von einer „einseitigen Wahrnehmung des Islam“. Denn er rechtfertige in seinen Quellen, dem Koran, und auch nach dem gelebten Vorbild des Propheten Mohammed „anders als die Quellen des Christentums Gewalt in bestimmten Situationen“. Laut Breuer mutet auch eine Äußerung des Hamburger Weihbischofs Hans-Jochen Jaschke „befremdlich“ an. Er hatte erklärt: „Wir alle kennen den Koran nur in spitzen Aussagen und stoßen uns daran. Muslime müssen uns dabei helfen, dass er richtig verstanden werden kann. Wir müssen den Koran dahingehend lesen, dass er Gewalt verurteilt.“ Breuer fragt: „Müssen wir das? Oder sollten es nicht besser die Muslime tun?“ Der Autorin zufolge ist zwar das Streben der Kirchen nach achtungsvollem Umgang mit den Muslimen und einem konstruktiven Dialog „aller Ehren wert“. Dabei dürfe man aber den real existierenden Islam und seine Auswirkungen auf die orientalischen Christen nicht ausblenden.

Comments are closed.