von Jenny Mansch
Eine Ranch in den USA wird heute meist von einer Frau geleitet. Auf der Zapata-Ranch in Colorado haben sogar zwei die Hosen an.
Wie ein “Programmdirektor” sieht Asta Repenning wirklich nicht aus. Wenn die 25-Jährige frühmorgens am Steuer eines großen Pick-Up-Trucks samt Pferdeanhänger vor dem Haupthaus der Zapata Ranch vorfährt, wirbelt sie jede Menge Staub auf. Um acht Uhr ist sie bereits seit Stunden auf den Beinen. Sie ist ausgeritten und hat die Pferde eingesammelt und in die Ställe manövriert, die nachts draußen in der Prärie bleiben. Gefüttert, getränkt und gesattelt, schaukeln sie nun in dem Anhänger zur Arbeit, die Schlappohren der beiden Helferhunde auf dem Truck flattern im Wind.
Zurück zur Natur
Die Zapata Ranch ist eine historische Ranch im San Luis Valley von Colorado, rund vier Autostunden von der Hauptstadt Denver entfernt. Die TV-Serie South Park spielt in dieser Gegend. 1860 kamen zunächst die Mexikaner und begannen, die von Ute-Indianern, Bisons und Rindern bevölkerte Gegend um die Ranch zu besiedeln. Doch schnell geriet man mit konkurrierenden Familien, die sich in der Schafszucht versuchten, in die Wolle. Über die Jahrzehnte gingen die Besitzverhältnisse hin und her, wie man es aus den Western kennt: Zäune wurden eingerissen, Wasserläufe manipuliert, Pistolen gezückt.
1989 machte schließlich ein japanischer Investor dem wilden Treiben im Westen ein Ende und kaufte die Ranch, um sie mit Restaurant und Golfplatz zu einer touristischen Edeladresse zu machen. Zum Glück kam Investor Hisa Ota eines Tages persönlich vorbei. Angesichts der durch seine Pläne ramponierten Schönheit der Natur schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. Bestürzt verkaufte er das Gebiet an die Nature Conservancy, eine gemeinnützige Naturschutzorganisation. Seit 2004 hat der erfahrene Rancher Duke Philipps nun die Aufgabe übernommen, die Ranch, zu der auch die benachbarte Medano-Ranch gehört, im Einklang mit der Natur zu führen. Als erstes schloss er das Restaurant und renaturierte den Golfplatz zum Weideland.
Alle auf der Farm haben ihr Wissen vom “Duke”, wie er hier heißt, aber die beiden Schwestern Asta und Tess schmeißen den Betrieb auf der Zapata-Ranch längst schon allein. Die Arbeitsteilung ist leicht zu erahnen. Asta sieht aus wie ein richtiger Cowboy und scheint mit Hut und Lederchaps auf die Welt gekommen zu sein. Sie plant alle Aktivitäten und Arbeitsabläufe auf der Ranch, daher der “Programmdirektor”, ist ansonsten aber draußen bei der Herde. Die aparte Schwester Tess ist fürs Marketing und die Verkäufe zuständig. Eine gute Entscheidung, denn der Cowboy an sich kriegt auch heute die Zähne nicht recht auseinander. Da hilft eher weibliches Verhandlungsgeschick und Eloquenz.
Winzige Cowboy-Gewerkschaft
Eine “Working Ranch” wie die Zapata-Farm kann sich heute kaum noch allein mit Viehtrieb und Bisonfleisch über Wasser halten. Schon 1893 stellte man fest, dass Ferien auf einer solchen Arbeitsranch überaus beliebt sind und eine weitere Einnahmequelle bedeuten. Seitdem haben viele ihre Scheunentore auch für Besucher geöffnet, die in die Arbeit mit den Rinder- und Bisonherden einbezogen werden wollen. Wer einmal versucht hat, ein Jungtier zum Branden auf den Boden zu werfen, der weiß am Abend, was er getan hat. “Es ist heutzutage schwer, gute Cowboys zu finden”, erzählt Asta. Vor allem junge Männer werden gesucht, die sich diesen einsamen Knochenjob zumuten wollen. Aber immer seltener gefunden. Es gibt nur noch geschätzte 3000 arbeitende Cowboys in denUSA, und bis heute sind es einsame Reiter, die gern allein und wortkarg ihrer Arbeit nachgehen. Dennoch existiert sogar eine winzige Cowboy-Gewerkschaft, die Working Ranch Cowboy Association. Sie unterstützt ihre Mitglieder vornehmlich bei der Finanzierung der Ausbildung ihrer Kinder.
Eco-Farming
Umso mehr begeistert sich jemand wie Eileen Wolf für das Leben auf einer Ranch. Die 58-Jährige ist für eine Woche aus Minnesota hergekommen, um mehr über das Viehtreiben und das Branding der Jungtiere zu lernen. Es ist nicht ihr erster Aufenthalt auf einer Ranch. Im Laufe der Jahre hat sie schon einige besucht und hat immer noch Fragen. Sie ist nämlich auch Police Detective und hat erst letzte Woche nach monatelangen Ermittlungen 22 Scheckbetrüger verhaften müssen, die versucht hatten, Walmart übers Ohr zu hauen. Davon will sie sich hier erhole
n und klatscht erfreut in die Hände, als Asta ihr den Plan für den nächsten Tag zeigt: Kastrieren der Jungbullen. Das wollte sie schon immer mal machen!
Darüber kann der stille Chefkoch Mike nur den Kopf schütteln. Er war früher selbst Cowboy, bis er sich auf die Küchenkunst verlegte. Er bereitet das zarte Bio-Bisonfleisch zu, ein Produkt des Eco-Farmings auf der Ranch: Statt wenige Tiere unbegrenzte Zeit einen Weideabschnitt kahlknabbern zu lassen, kontrolliert und plant Asta genau, wie viele Tiere wann auf welchem Flecken grasen. Damit gönnen sie dem Land und den Pflanzen Ruhephasen, um sich nachhaltig zu erholen. Doch das sind die Tage am Schreibtisch, die dem robusten Cowgirl eher nicht liegen. Viel lieber ist ihr die Zeit draußen und der November, wenn die Bisonherde in die Halle eingetrieben wird. Hier wird der Bestand gezählt und sie entscheidet, welches Tier bleibt und welches in den Verkauf geht. ” Ein mächtiges Getöse”, erzählt sie, “immer nur ein Bison darf rein, die Cowboys schließen und öffnen die Klappen, damit man sie separiert reinlassen kann. Das klappt nur auf Zuruf, und hier drin wird’s richtig laut.” Zum Schluss klemmt die 1-Meter-60-Frau den Kopf eines riesigen Bisons ein und fuhrwerkt sachkundig in seinem Maul. So bestimmt sie Alter und Geschlecht und kann das zottige Tier seiner weiteren Bestimmung zuführen. Auch darüber entscheidet sie hier ganz allein.
Quelle: ver.di PUBLIK 11, 2011