Monika Maron: Politiker müssen Muslimen die Grenzen aufzeigen

E” lang=”DE”>Integrationspolitik
ist vor allem eine Politik für türkische Muslime. Oder hatten wir je einen
vietnamesischen Integrationspolitiker und forderten die hier lebenden Hindus je
einen eigenen Feiertag? Von Monika Maron

E” lang=”DE”>Als ich neulich in
der Zeitung las, der Innenminister de Maizière wolle die mittlerweile
zermürbende und ergebnisarme
IslamkonferenzE” lang=”DE”>
ganz und gar umgestalten, flackerte ein Hoffnungsflämmchen in mir auf.

E” lang=”DE”>Endlich, dachte ich, endlich ein Minister, der
sich auch fragt, was viele andere, darunter ich, sich schon lange fragen: Warum
nur eine Islamkonferenz, warum nicht auch eine Hindu-, griechisch-orthodoxe,
russisch-orthodoxe Konferenz, warum nicht eine Polen-, Vietnamesen-,
Afrikanerkonferenz?

E” lang=”DE”>Endlich wird es wohl eine Konferenz geben für alle
Eingewanderten, in der dann die vietnamesischen und polnischen Einwanderer den
türkischen erklären könnten, wie das mit ihren Kindern und der Schule
funktioniert und warum sie bisher keine eigene Konferenz brauchten und solche Dinge.

E” lang=”DE”>Aber nur ein paar Stunden später war klar, dass
die Vertreter der Ditib und anderer türkisch-muslimischer Verbände den
Innenminister viel besser verstanden hatten als ich, was meine zaghafte
Hoffnung in verzweifelte Ratlosigkeit umschlagen ließ.

Und wieder ein Forderungskatalog

E” lang=”DE”>Denn schon de Maizières unkonkrete Ankündigung
ermutigte die Kolats, Kizilkayas und andere Wortführer der Muslime, dem
Minister einen Forderungskatalog zu unterbreiten, den sie für jede ihnen
günstig erscheinende Gelegenheit offenbar immer bereithalten: ein muslimischer
Feiertag, Seelsorger in Bundeswehr und Gefängnissen (da besonders),
Krankenhäuser, Friedhöfe, alleinige Herrschaft der Verbände in den Beiräten für
islamische Religionspädagogik und, so eine Forderung des Sprechers der
DitibE” lang=”DE”>,
Bekir Alboga, “wertschätzende Aussagen von Politikern”, um “die
öffentliche Wahrnehmung” des Islam in Deutschland zu verbessern.

E” lang=”DE”>Ich stelle mir vor, ich würde von deutschen
Literaturkritikern wertschätzende Äußerungen über meine Bücher fordern, um
deren öffentliche Wahrnehmung zu verbessern. “Dann schreiben Sie bessere
Bücher”, würden mir die Kritiker vielleicht sagen, wahrscheinlich würden
sie mich aber nur für verrückt erklären.

E” lang=”DE”>Die Ditib, in deren Namen Bekir Alboga spricht,
ist der deutsche Repräsentant der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die
direkt der Regierung Erdogan untersteht. Offenbar versucht sie in Deutschland
durchzusetzen, was inzwischen selbst in der Türkei auf Widerstand stößt.

E” lang=”DE”>In Deutschland leben 15 Millionen Einwanderer,
darunter sind etwa 4,5 Millionen Muslime, davon drei Millionen Türken. Wie
viele Muslime sich durch ihre Verbände wirklich vertreten fühlen, wissen wir
nicht.

Warum ein muslimischer Feiertag für alle?

E” lang=”DE”>Aber selbst wenn es alle wären, ergäbe ihr Anteil
an der deutschen Bevölkerung fünf Prozent, was hieße, dass 95 Prozent einen
Feiertag begehen sollen, mit dem sie weder durch Tradition noch durch ihren
Glauben irgendwie verbunden wären.

E” lang=”DE”>Allein dieser Anspruch erscheint mir absurd. In
Deutschland herrscht vollkommene Religionsfreiheit. Jeder Gläubige ist
berechtigt, an seinen religiösen Feiertagen Urlaub zu nehmen.

E” lang=”DE”>Ich frage mich schon lange, wie die muslimischen
Verbände es anstellen, dass ihre absurdesten Forderungen die ganze Republik
regelmäßig in Aufruhr versetzen, sodass man den Eindruck haben könnte, wir
lebten tatsächlich schon in einem halbislamischen Staat, dessen säkulare
Verfassung unter den religiösen Forderungen der Muslime nach und nach begraben
werden soll.

E” lang=”DE”>Verschleierte Lehrerinnen, Gebetsräume in Schulen,
BurkinisE” lang=”DE”> in
Schwimmhallen – wenn es nach den muslimischen Funktionären ginge, würde das
Bild des öffentlichen Lebens in Deutschland im Namen von fünf Prozent seiner
Bewohner so lange umgestaltet, bis es islamischen Ansprüchen genügt. Ich hoffe
inständig, dass zumindest die Hälfte aller deutschen Muslime das so wenig
wünscht wie ich.

Die Politik und ihr beschwichtigender Ton

E” lang=”DE”>Am wenigsten verstehe ich, warum die deutschen
Politiker mit den muslimischen Vertretern in diesem beschwichtigenden Ton
sprechen, als hätten sie gerade einen Deeskalationskurs der Neuköllner
Kriminalpolizei absolviert. Sie sind die gewählten Repräsentanten aller
Deutschen und legitimiert, die säkularen Grundsätze des Staates klar und
unmissverständlich zu verteidigen.

E” lang=”DE”>Wenn die religiösen Ansprüche der Muslime mit dem
Gleichheitsgebot des Grundgesetzes kollidieren sollten, müsste man, wie der
deutsch-ägyptische Autor
Hamed Abdel SamadE” lang=”DE”> es
schon vorgeschlagen hat, die Privilegien der christlichen Kirchen womöglich
beschränken, um den Zugriff des Islam auf das öffentliche Leben von uns allen
zu verhindern.

E” lang=”DE”>Es ist eine Illusion zu glauben, die Probleme des
Islam und mit dem Islam ließen sich allein im deutschen Kontext lösen. Gläubige
Muslime verstehen sich als eine weltweite Gemeinschaft, als Umma, deren
Konflikte und Kämpfe auch in die deutschen Klassenzimmer dringen.

Türkisch, iranisch, palästinensisch

E” lang=”DE”>Die Hoffnung, den Frieden zu wahren, indem die
eigenen, hart erkämpften Werte durchlöchert werden, trügt, wie der gepriesene
Frieden des “Wunders von Marxloh” *) getrogen hat.

E” lang=”DE”>Statt aber scharfe Grenzen zum religiösen Anspruch
einer Bevölkerungsgruppe zu ziehen, demonstrieren Politiker aller Parteien ihre
Toleranz, indem sie möglichst jeden frei werdenden Posten in der
Integrationspolitik mit einem Mann, am liebsten aber mit einer Frau türkischer,
iranischer oder palästinensischer, in jedem Fall muslimischer Herkunft
besetzen.

E” lang=”DE”>Warum eigentlich nicht mit einer Vietnamesin oder
einem Polen, einem Russen oder einer Bulgarin, deren Religionszugehörigkeit
sicher nicht gesondert hervorgehoben würde? Ist Integrationspolitik vor allem
eine Politik für Muslime, insbesondere für türkische Muslime, oder schließt sie
die übrigen zehn Millionen Einwanderer ein?

E” lang=”DE”>Aydan Özoguz, seit Dezember 2013 Staatsministerin
für Integration, beklagte kurz nach ihrem Amtsantritt mangelnde Kenntnisse der
Deutschen über Islam und Islamkonferenz. Kurz darauf forderte sie, die
bisherige Regelung für die doppelte Staatsangehörigkeit “ohne Wenn und
Aber” aufzuheben.

Es gilt, das Grundgesetz zu wahren

E” lang=”DE”>Das Verb “integrieren” hat sowohl eine
reflexive als auch eine nicht reflexive Bedeutung; man kann etwas oder jemanden
integrieren, und man kann sich integrieren.

E” lang=”DE”>Eine Integrationsministerin sollte beide Bedeutungen des Wortes in ihrer Politik bedenken. Sonst liefe
sie Gefahr, Klientelpolitik zu betreiben und die Interessen des ganzen Landes
aus den Augen zu verlieren.

E” lang=”DE”>Die
Integrationsaufgabe der deutschen Gesellschaft und Politik ist es, den
Menschen, die aus anderen Kulturen und Staaten zu uns kommen, die Wege zu
ebnen, die Türen zu Schulen und Universitäten zu öffnen, Religions- und
Meinungsfreiheit zu garantieren.

E” lang=”DE”>Die
Integrationsaufgabe der Einwanderer ist es, diese Angebote anzunehmen und das
Grundgesetz, das heißt auch die Säkularität des Landes, zu achten; eben sich
zu integrieren, als Muslime, Atheisten, Orthodoxe jeder Couleur, Hindus, Juden,
Katholiken, Protestanten, jeder nach seiner Fasson.

E” lang=”DE”>*) In
Duisburg-Marxloh wurde 2008 die größte Moschee Deutschlands eröffnet
E” lang=”DE”>

E” lang=”DE”>Die
Autorin ist Schriftstellerin und lebt in Berlin. Zuletzt erschien ihr Roman
“Zwischenspiel”

Source: Die Welt, 2.2.2014
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