FBI-Akte
“Marilyn Monroe” wirft neue Fragen auf
Länger als 50 Jahre hielt das FBI die Akte der
Schauspielerin Marilyn Monroe geheim. Jetzt hat die Behörde eines der Dokumente
freigegeben. Auf 31 Seiten kommen erstaunliche Details ans Licht.
Marilyn Monroe war kein dummes Blondchen. Sie las gern und
viel – in ihrer Privatbibliothek fanden sich Bände von Camus, James Joyce,
Thurber, Walt Whitman und Thomas Mann. Marilyn Monroe schrieb Gedichte.
Sie war ein zutiefst sensibler und verletzlicher Mensch. War sie
auch eine Kommunistin? Jedenfalls behauptete dies ein anonymer Anrufer, der
sich am 3. Juli 1956 bei den “New York Daily News” meldete.
Der Dramatiker Arthur Miller, den Marilyn Monroe gerade eben
geheiratet hatte, sei Mitglied der Kommunistischen Partei Amerikas und ihr
“Strohmann für Kulturelles”. Die religiöse Hochzeitszeremonie mit
Miller – Marilyn Monroe war seinetwegen zum Judentum übergetreten – sei nichts
als “Schwindel”.
Marilyn Monroe, sagte der Anrufer, sei “immer mehr in den
kommunistischen Orbit abgedriftet”, und Geld aus ihrer Firma, Marilyn
Monroe Productions, sei auf den Konten der Kommunistischen Partei Amerikas
aufgetaucht.
Beobachtung
durch das FBI begann 1955
Woher wissen wir von jenem anonymen Anruf? Weil er am 11.
Juli 1956 dem FBI gemeldet wurde und das FBI einen Aktenvermerk darüber
anlegte. Man kann ihn auf der Website des FBI unter vault.fbi.gov einsehen. Der
anonyme Anruf ist Teil eines Dokuments, das 31 Seiten umfasst.
Die
Beobachtung durch das FBI begann demnach im August 1955, als Monroe bei der
sowjetischen Botschaft einen Antrag für ein Visum stellte.
Später
wird eine Reise dokumentiert: “Diese Quelle teilte mit, dass MARILYN
MONROE, die Schauspielerin, kürzlich in Mexiko auf Urlaub war und in Mexiko
enge Beziehungen mit Mitgliedern der Amerikanischen Kommunistischen Gruppe in
Mexiko pflegte. Die Quelle charakterisierte die Amerikanische Kommunistische
Gruppe in Mexiko als lockeren Zusammenschluss geselliger Natur von
gegenwärtigen und/oder vergangenen Mitgliedern der Kommunistischen Partei der
USA und ihren Freunden und Bekannten, die dem Kommunismus und der Sowjetunion
mit Sympathie gegenüberstehen. Sie teilten mit, im Laufe dieses Besuches sei
eine wechselseitige Verliebtheit zwischen dem Subjekt und (Stelle geschwärzt)
entstanden. Diese Situation verursachte erhebliche Bestürztheit bei Frau
Monroes Begleitung und auch bei der Amerikanischen Kommunistischen Gruppe in
Mexiko.”
Nach 50 Jahren Aufklärung verlangt
Die Akte des FBI
dokumentiert die Zeit bis kurz vor dem Tod der Schauspielerin; sie enthält
nicht nur eigene Berichte und Einschätzungen, auch Ausschnitte aus Magazinen
und Fotografien wurden ihr beigefügt.
Diese Akte ist nichts
Neues, aber sie ist unvollständig. Das FBI behauptet, der Rest sei bei einem
Transport verloren gegangen.
Pünktlich zum 50.
Todestag der Schauspielerin – Monroe wurde am 5. August 1962 tot aufgefunden –
hat die Nachrichtenagentur AP nun eine Kampagne gestartet, um das FBI zu
zwingen, mit mehr Informationen über sie herauszurücken.
Vor allem geht es
darum zu erfahren, unter welchen Umständen der Rest ihrer Akte, wie das FBI
behauptet, abhanden kam; und es geht um die zensierten Stellen. 50 Jahre
danach, so AP, könne niemand mehr behaupten, dass die Schwärzungen notwendig
seien.
Monroes Tod bleibt weiter ein Rätsel
Im Hintergrund all
dessen steht die Frage nach Marilyn Monroes Tod, um den sich viele
Verschwörungstheorien ranken. Bevor sie starb, hatte Marilyn Monroe eine Affäre
mit John F. Kennedy, dem Präsidenten, und vielleicht auch mit seinem Bruder
Robert Kennedy. Der letzte Mensch, den sie vor ihrem Tod anrief, war der
Präsident.
Es gibt also Leute,
die mutmaßen, sie sei einem Komplott zum Opfer gefallen; die CIA oder die Mafia
habe Marilyn Monroe umgebracht. Oder eben das FBI.
Thomas Noguchi, der
Arzt, der nach ihrem Tod die Autopsie durchführte, schrieb allerdings, er halte
für “sehr wahrscheinlich”, dass sie sich umgebracht habe. Er meinte
aber auch: “Solange die kompletten Berichte des FBI nicht öffentlich
gemacht wurden und die Notizen und Interviews der
Selbstmorduntersuchungskommission nicht zugänglich sind, werden sich weiterhin
Kontroversen um ihren Tod drehen.”
War Arthur Miller ein “kultureller
Strohmann”?
Unterdessen bleibt
eine andere Frage weiter offen: Hatte jener anonyme Anrufer bei den “New
York Daily News” recht? War Arthur Miller wirklich ein “kultureller
Strohmann” der Kommunistischen Partei?
Er selbst behauptete
in seiner Anhörung vor dem House Un-American Activities Committee, er habe in
den Dreißigerjahren nur an einem marxistischen Studienkreis teilgenommen. Das
sei es schon gewesen.
Es muss aber
auffallen, dass Miller in seinen späteren öffentlichen Äußerungen immer
hundertprozentig auf Parteilinie war – zumindest bis in die späten
Fünfzigerjahre hinein.
Eine schöne Ironie der Geschichte
Also: Antifaschist
nach 1936, kein kritisches Wort über die Moskauer Schauprozesse von 1937, von
1939 bis 1941 Isolationist (als die Sowjetunion mit Hitlerdeutschland verbündet
war), am Tag des nazideutschen Angriffs auf die Sowjetunion sofort wieder
Antifaschist, hinterher gegen den Koreakrieg und so weiter.
Ist es also vielleicht
ganz einfach wahr, dass er Marilyn Monroe politisch auf seine Seite gezogen
hat? Dann wäre das erotische Symbol der freien Welt eben Kommunistin gewesen.
Im Rückblick erscheint diese Möglichkeit wie eine schöne Ironie der Geschichte.
Quelle: Welt 31.12.2012