Was ist israelbezogener Antisemitismus?

Jan Riebe
Die Frage, ab wann Kritik an Israel antisemitisch ist, beschäftigt und verunsichert 
viele. Im Folgenden wird erläutert, wie zwischen Kritik und Antisemitismus bei 
der Betrachtung Israels unterschieden werden kann.
Antisemitismus ohne Antisemiten
Vor dem Holocaust gab es nicht wenige Menschen und Vereine, die sich offen zum Antisemitismus bekannten. Es existierten Gruppierungen wie die »Deutsche Antisemitische Vereinigung«, in der sich Antisemitinnen und Antisemiten organisierten. Die fabrikmäßige 
Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus 
und die dadurch geprägte Erinnerungskultur machen dies heute hierzulande nahezu unmöglich. Ein offenes Bekenntnis zum Antisemitismus zieht die öffentliche Ächtung nach 
sich. Während die bekennenden Antisemitinnen und Antisemiten aus dem öffentlichen 
Bild weitestgehend verschwunden sind, ist der Antisemitismus geblieben. In der Wissenschaft spricht man daher von einem »Antisemitismus ohne Antisemiten«. Antisemitische 
Äußerungen werden meist nicht mehr offen, sondern über Umwege geäußert, häufig als 
vermeintlich legitime Kritik am Kapitalismus oder an Israel. Diese Form wird als »antisemitische Umwegkommunikation« bezeichnet. 
Antisemitische Israelkritik?
In Debatten um Kritik an Israel wird immer wieder von »antisemitischer Israelkritik« 
geredet. Dieser Begriff ist irreführend. Das Wort Kritik leitet sich vom griechischen Wort 
krínein ab. Es meint (unter-) scheiden, beurteilen. Im Antisemitismus wird jedoch nicht 
unterschieden oder beurteilt. Das Urteil steht stets schon vor Prüfung der Sachlage fest: 
Die Schuldigen sind immer »die Juden« oder eben Israel als imaginierter »kollektiver 
Jude«. Entweder ist eine Äußerung kritisch oder antisemitisch – beides geht nicht.
Israel als »kollektiver Jude«?
Im Antisemitismus werden »den Juden« seit jeher gewisse negative Eigenschaften zugeschrieben. Seit der Staatsgründung Israels werden diese häufig auch auf Israel projiziert. Im klassischen Antisemitismus gelten »die Juden« häufig als Weltbrandstifter – verantwortlich für die beiden Weltkriege. Heute wird Israel vorgeworfen, den Weltfrieden zu bedrohen und den 3. Weltkrieg herbeiführen zu wollen. 
Auch die antisemitische Ritualmordlegende wird auf Israel übertragen. Israel wird vorgeworfen, die palästinensischen Gebiete u.a. nur deshalb zu besetzen, um gesunde Organe der Palästinenserinnen und Palästinenser für die eigene Bevölkerung zu rauben. Diese moderne Variante der Ritualmordlegende findet sich sowohl im islamisierten Antisemitismus, als auch in bürgerlichen europäischen Tageszeitungen. Wenn antisemitische Ressentiments auf Israel projiziert werden, handelt es sich um Antisemitismus. Oftmals wird entgegnet, dass dies nicht Antisemitismus sein könne, da nur über Israel eine Aussage getroffen werde und nicht über alle Jüdinnen und Juden. Sobald jedoch antisemitische Ressentiments auf Israel projiziert werden, dem Staat Israel »jüdische Eigenschaften« zugeschrieben werden, wird Israel im Weltbild von Antisemitinnen und Antisemiten zum »kollektiven Juden« stilisiert. Ist das der Fall, handelt es sich eindeutig um Antisemitismus. 
Kritik, auch harsche Kritik, an der israelischen Politik, die sich keiner antisemitischen 
Ressentiments bedient, ist jedoch kein Antisemitismus.
Unterscheidungsmerkmale Kritik und Antisemitismus
Im Folgenden sollen zwei Definitionen zur Unterscheidung von legitimer Kritik an der 
Politik Israels und israelbezogenem Antisemitismus vorgestellt werden. Die bekanntesten Kriterien zur Unterscheidung zwischen Kritik und israelbezogenem Antisemitismus hat Natan Sharansky im 3D-Test entwickelt. (1). Israelbezogener Antisemitismus liegt demnach vor, wie der Name schon sagt und gerade erläutert wurde, wenn sich antisemitische Ressentiments auf den Staat Israel beziehen. Im 3D-Test geht es dementsprechend darum, Kriterien zur Erkennung von Judenhass, die aus dem klassischen Antisemitismus bekannt sind, auf den israelbezogenen Antisemitismus anzuwenden. (2) 
Das erste D ist der Test auf Dämonisierung. Während im klassischen Antisemitismus 
Jüdinnen und Juden dämonisiert wurden und werden, wie z.B. in der literarischen Darstellung von Shakespeares Shylock, so liegt in Bezug auf Israel laut Sharansky dann Antisemitismus vor, wenn Israel dämonisiert wird. Beispiele dafür sind die häufig anzutreffenden Vergleiche Israels mit dem Nationalsozialismus und der palästinensischen Flüchtlingslager mit Auschwitz.
Das zweite D ist der Test auf Doppelstandards. Während es früher wie heute ein deutliches Zeichen von Antisemitismus war und ist, wenn Jüdinnen und Juden anders als 
andere Menschen behandelt werden, z.B. durch diskriminierende Gesetze, sei in Bezug 
auf Israel stets die Frage zu stellen »ob die Kritik an Israel selektiv angewendet wird. Mit
anderen Worten, erzeugt ähnliche Politik anderer Regierungen die gleiche Kritik, oder 
wird hier ein doppelter Standard eingesetzt«?
Das dritte D ist der Test auf Delegitimierung. Wenn »die Legitimität der jüdischen 
Religion, des jüdischen Volkes, oder von beiden« negiert wird, liegt Antisemitismus vor. 
Übertragen auf Israel bedeutet dies, Antisemitismus liegt dann vor, wenn Israel das Existenzrecht abgesprochen wird.
Neben diesem 3D-Test stellt die »working definition of antisemitism« der EUMC (European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia) eine der anerkanntesten Definitionen 
dar. Zu Antisemitismus in Bezug auf Israel heißt es dort:
»Beispiele von Antisemitismus im Zusammenhang mit dem Staat Israel und unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes können folgende Verhaltensformen einschließen, ohne auf diese beschränkt zu sein:
■■ Das Abstreiten des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die 
Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.
■■ Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das 
von keinem anderen demokratischen Staat erwartet und verlangt wird.
■■ Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in 
Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben.
■■ Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik des Nationalsozialismus.
■■ Das Bestreben, alle Juden kollektiv für Handlungen des Staates Israel verantwortlich zu 
machen. Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar 
ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden.«
Antisemitisches Ressentiment vs. Antisemiten
Es gilt aber zu beachten, dass Personen, die antisemitische Ressentiments äußern, nicht 
automatisch Antisemitinnen oder Antisemiten sind. Es ist sehr wichtig, dies zu unterscheiden. Antisemiten haben ein gefestigtes antisemitisches Weltbild. Das Äußern antisemitischer Ressentiments kann vielfältige Ursachen haben, bei
denen es immer zu intervenieren gilt, jedoch bedeutet dies nicht automatisch, dass man es mit einer oder einem Antisemiten zu tun hat.
Mit den vorangestellten Definitionen kann im Regelfall nur eruiert werden, ob Aussagen antisemitisch sind oder nicht. Antisemitismus ist jedoch eine Welterklärungsideologie. 
Deshalb sollte man nicht bei der Untersuchung einzelner Aussagen verbleiben, sondern 
über deren Beurteilung hinaus klären, inwiefern jemand einem antisemitischen Weltbild 
verhaftet ist. Die vorangestellten Definitionen können dabei gut als Kontrollsystem funktionieren und dafür sensibilisieren, inwieweit antisemitische Ressentiments gegenüber Israel die Ausnahme oder Regel sind. 
Antisemitismus als Welterklärungsideologie

Antisemitismus variiert häufig in der Form, bleibt aber vom Inhalt nahezu gleich. Um Antisemitismus zu erkennen, ist es daher oftmals notwendig, sich intensiv mit der Geschichte des Antisemitismus zu befassen.
»Die Juden« sind oder – in modernisierter Form – Israel ist in der antisemitischen Welterklärungsideologie für alles Übel der Welt direkt oder indirekt verantwortlich. Nur eine 
Welt ohne Jüdinnen und Juden, ohne Israel kann laut diesen Vorstellungen eine bessere 
werden. Der Vernichtungsgedanke ist im antisemitischen Weltbild, zumindest implizit, 
immer verankert. Diese Vorstellung, dass »die Juden« oder »der kollektive Jude Israel« 
verantwortlich sind für (fast) alle Krisen, Katastrophen, (Kontra-) Revolutionen, also für 
alles Unverstandene, Komplizierte, Schlechte, bietet Antisemitinnen und Antisemiten einen einfachen Kompass fürs Alltägliche und das Weltgeschehen. Sie verschafft ihnen eine 
einfache Erklärung, wie die Welt funktioniert, und ermöglicht eine Unterscheidung in 
eindeutig Gut und eindeutig Böse. 
‚Dieser Mechanismus, sich ein Weltbild zu konstruieren, das die Welt in die klaren 
Kategorien Gut und Böse einteilt, wird in der Wissenschaft als Manichäismus bezeichnet 
und ist konstitutiver Bestandteil des Antisemitismus.
»Man wird ja wohl nochmal sagen dürfen …«
In der antisemitischen Welterklärungsideologie spielen Assoziationen eine wichtige Rolle. 
So gerieren sich Antisemitinnen und Antisemiten oft als Tabubrecher. Für sich allein genommen, ist die Behauptung, ein Tabu zu brechen, erst einmal nicht unbedingt anrüchig. 
In Bezug auf Israel sollte es jedoch aufhorchen lassen: »Man wird ja wohl noch mal sagen 
dürfen«. Dieser Satz impliziert, dass dies aber nicht gesagt werden darf. Auch hier legt 
sich aufmerksames Nachhaken nahe. Gibt es das Tabu wirklich, von dem gerade die Rede 
ist? Und wer setzt angeblich dieses vermeintliche Tabu durch? Häufig landet man da sehr 
schnell bei der vermeintlichen Auschwitz- bzw. Antisemitismuskeule. Also dem Vorwurf: 
Jüdinnen und Juden und der Staat Israel instrumentalisieren das Gedenken an den Holocaust gegen unerwünschte Kritik, und um eigene Machtinteressen gegen die Mehrheit durchzusetzen. 
Eigentlich sollte ein täglicher Blick in die unterschiedlichsten Tageszeitungen deutlich 
machen, dass dieses häufig behauptete Tabu, man dürfe die Politik Israels nicht kritisieren, 
in keiner Weise vorhanden ist. Wohl die Politik keines Staates, vielleicht mit Ausnahme 
der USA, ist medial und in alltäglichen Gesprächen so in der Kritik, wie die Politik Israels. 
Aussagen wie »man muss Israel doch auch mal kritisieren dürfen« beinhalten häufig nicht 
den Wunsch, die Politik Israels zu kritisieren, sondern sie wollen Israels Existenz »kritisieren«. Spätestens da begeben sich die vermeintlich überzeugten Gegnerinnen und Gegner 
von Antisemitismus in antisemitische Argumentationsmuster. Den »Israelkritikern« in 
Deutschland geht es auch im Regelfall nicht in erster Linie um den Nahostkonflikt oder 
den Konflikt um die iranische Atombombe. Ihnen geht es um die deutsche Geschichte, 
um Schuldentlastung. Hier überschneidet sich sekundärer und israelbezogener Antisemitismus [vgl Text »Bildungsarbeit gegen israelbezogenen Antisemitismus«, S. 19 in dieser Broschüre]. 
Täter-Opfer-Umkehr
Dass der israelbezogene Antisemitismus, als Kritik getarnt, eine antisemitische Umwegkommunikation ist, zeigt sich auch daran, dass diese Variante des Antisemitismus unmit-
telbar mit der Staatsgründung Israels einsetzte (3), als Formen des klassischen Antisemitismus durch den Holocaust öffentlich sanktioniert wurden. Insbesondere in Deutschland 
geschah dies häufig in Form einer Opfer-Täter-Umkehr. Dass diese aktuelle Variante des 
Antisemitismus schon unmittelbar nach der israelischen Staatsgründung Anwendung 
fand, zeigt zudem, wie schnell Menschen in der Lage sind, antisemitische Ressentiments 
an neue Gegebenheiten anzupassen. So bescheinigte die damalige ZEIT-Kolumnistin Marion Gräfin Dönhoff bereits 1948, gerade vier Monate nach der Staatsgründung Israels, in 
einem Artikel über die Ermordung des UN-Vermittlers für Palästina, Folke Bernadotte, 
den Israelis, sehr weit »auf jenem Wege bereits gelangt [zu sein], der erst vor kurzem ein 
anderes Volk ins Verhängnis geführt hat« (4). Allein dieser Satz könnte aus einem Lehrbuch 
über israelbezogenen Antisemitismus stammen. Er setzt Israel mit dem nationalsozialistischen Deutschland nahezu gleich, mit dem Ziel,  Israel zu dämonisieren und deutsche 
Verbrechen massiv zu verharmlosen. Zudem vollzieht Dönhoff eine Täter-Opfer-Umkehrung: Die Israelis, viele gerade aus den deutschen Todeslagern entkommen, seien nun die 
Täterinnen und Täter und zu schlechter Letzt wird das »deutsche Volk« als Opfer dargestellt, da ihm ein eingeschlagener Weg zum Verhängnis geworden sei. Diese Betrachtungsweise des Nahostkonflikts und der Missbrauch des Nahostkonfliktes für die Relativierung 
der Verbrechen der deutschen Geschichte finden sich auch nach über 60 Jahren immer 
wieder und immer häufiger in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung.
Eine des Antisemitismus unverdächtige Kritik an Israel ist möglich, aber selten.
Schon 2004 stellte das Bielefelder Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung fest: 
 »Eine des Antisemitismus unverdächtige Kritik an Israel ist möglich, aber selten. Nur 10% der Befragten, die im GMF [Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit]-Survey 2004 eine Kritik an Israel ohne antisemitische Anleihen äußerten, signalisierten keine Zustimmung zu mindestens einer weiteren Facette des Antisemitismus. Die Mehrheit dieser Befragten kritisierte ebenso die palästinensischen Angriffe auf Israel und wendete sich generell gegen Gewalt als Mittel der Konfliktlösung. Ihre politische Position markieren sie eher als »links« oder »Mitte«, sie sind besser gebildet als der Durchschnitt, weniger nationalistisch und autoritär gestimmt und erweisen sich auch gegenüber anderen Gruppen als toleranter.« (5) 
Anmerkungen:

1 Im Internet ist der Aufsatz »Antisemitismus in 3-D«, in dem Natan Sh
aransky den 3D-Test erläutert, abrufbar unter:
5″>www.zeit.de/1948/39/voelkischer-ordensstaat-israel
5 »Antisemitismus in Deutschland und Europa« von Andreas Zick und Beate Küpper in »Aus Politik und Zeitgeschicht« 31/2007, online: www.bpb.de/apuz/30329/antisemitismus-in-deutschlandund-europa?p=0
style=”text-align: center;”>Weiterlesen 
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Jan Riebe, Diplom-Sozialwirt, ist Projektkoordinator bei der Amadeu Antonio Stiftung.