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Endspiel Europa

Ein durchtrenntes Europa

Europa wird wieder geteilt und damit zurück ins 20. Jahrhundert katapultiert – aber diesmal ohne Marshall-Plan. Mit den USA als Ordnungsmacht kann Europa keinen Frieden auf dem Kontinent finden – und ohne die sibirischen Rohstoffe und den chinesischen Markt keinen dauerhaften Wohlstand. So die Analyse von Ulrike Guérot und Hauke Ritz in ihrem neuen Buch „Endspiel Europa“, aus dem Multipolar Auszüge veröffentlicht. Die beiden Autoren schildern darin auch detailliert, wie der aktuelle Krieg von westlichen Akteuren minutiös und zielstrebig vorbereitet wurde.

ULRIKE GUÉROT UND HAUKE RITZ, 25. Oktober 2022, 4 KommentarePDF

Die älteste Karte der Europa von 1534, Europa Prima Pars Terre in Forma Virginis, „Europa, erster Teil der Erde, in Gestalt einer Jungfrau“, zeigt eine majestätische Frauenfigur, die den ganzen europäischen Kontinent abbildet. Spanien ist der Kopf und trägt die Krone. Francia ist die Brust, Germania das Herz, Großbritannia hängt lose am linken Arm, Italia ist der rechte Arm. Weiter im Bauch beziehungsweise im Unterleib der Europa befinden sich, lose angeordnet und ohne klare Grenzen, Polonia, Bulgaria, Albania, Rumania und Russia, die ganzen europäischen Völker eben. Die Karte endet mit einem üppig ausraffenden Kleid hinter Moskau im Norden und im Süden am Bosporus. Die Europa steht mit zwei Füßen fest auf der russischen Landmasse, während sie ihren Kopf in den Atlantik neigt. Sicher hat man sich 1534 etwas bei dieser Karte gedacht, als man die Füße Europas nicht auf das Wasser des Atlantiks gestellt hat. 

Dieser Europa wird jetzt der Garaus gemacht. Die derzeitige Politik des Westens im Ukraine-Krieg zielt im Wesentlichen darauf, die ehemalige Mauer des Eisernen Vorhangs von 1989 rund 1500 Kilometer weiter östlich wieder aufzubauen. Europa wird damit zurück ins 20. Jahrhundert katapultiert, aber diesmal ohne Marshall-Plan, sondern mit einem Abo auf das „Zwei-Prozent-Ziel“ der NATO, also der Verpflichtung für alle EU-Staaten, dauerhaft zwei Prozent ihres Haushaltes für die NATO aufzubringen. Das kommt de facto der endgültigen Beerdigung einer unabhängigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gleich, die trotz jahrzehntelanger Vorsätze seit dem Maastrichter Vertrag von 1992 stets nur eine Seifenblase geblieben ist. 

Um im Bild der Karte zu bleiben: Die Europa wird jetzt unterhalb ihres Bauchnabels, mitten im Leib, durchtrennt und wird gleichsam zu einem europäischen Rumpf gemacht. Vom Baltischen Meer bis zum Schwarzen Meer wird wieder eine harte Grenze zwischen zwei Blöcken zementiert, die doch seit 1989 überwunden geglaubt war. Diese von Russland und Asien abgetrennte europäische Halbinsel wird im Wettbewerb der Mächte keine Chance haben. Europa wird dann keine „zweite Welt“ zwischen „Chimerica“ werden, die der amerikanisch-pakistanische Autor Parag Khanna schon vor zehn Jahren als plausible europäische Option skizziert hat. Mit den USA als Ordnungsmacht kann Europa keine stabile politische Einheit werden und keinen konföderalen Frieden auf dem Kontinent finden. Und ohne die sibirischen Rohstoffe und den chinesischen Markt gibt es auch keinen dauerhaften Wohlstand für Europa. Es geht hier nicht um eine Dämonisierung der USA, sondern um europäische Emanzipation. (…)

Lange vorbereiteter amerikanischer Stellvertreterkrieg

Wir zeichnen in drei Kapiteln jeweils für die 1990er, 2000er und 2010er Jahre mit groben Strichen nach, wie und warum Europa in den letzten dreißig Jahren das, was es eigentlich werden wollte, aus den Augen verloren hat und die EU als politisches Projekt spätestens seit der Jahrtausendwende keine Chance mehr hatte. 

Wir leiten aus amerikanischen Quellen her, dass der russisch-ukrainische Krieg ein lang vorbereiteter amerikanischer Stellvertreterkrieg ist, eine Apotheose jahrzehntelanger amerikanischer Geostrategie, deren eigentliches Ziel die Verfestigung der amerikanischen Dominanz in Europa ist. Europa soll von seinen wirtschaftlichen Adern im Osten abgeschnitten werden, jener Landmasse, auf der die Füße der Europa stehen. Es ist eine Politik der „restricted damage“, der kontrollierten, aber bewussten wirtschaftlichen Schädigung, die vor allem die Kappung des deutschen Handelsüberschusses, der im Osten erwirtschaftet wird, zum Ziel hat. Europa wird wirtschaftlich und strategisch von den USA gebraucht, soll sich aber in amerikanischen Augen eben nicht emanzipieren und dadurch möglicherweise zu einem Konkurrenten einer längst kränkelnden Weltmacht werden, die ihren eigenen Untergang fürchtet. 

Die hier vorgetragene Analyse entspringt dem Wunsch nach einem geeinten Europa und einer kontinentalen Friedensordnung, die wir im Schlussteil dieses Buches einer näheren Betrachtung unterziehen werden. Wir wollen mit diesem Essay dazu beitragen, Europa aus der Verdrängung und Selbstablehnung des Eigenen herauszuholen: Es geht um die letzte Chance einer europäischen Emanzipation! (…)

Wer hat den Krieg begonnen?

Zu den häufigsten semantischen Setzungen seit Kriegsbeginn zählt die Rede vom „russischen Überfall“ oder dem „russischen Angriffskrieg“ auf die Ukraine. Keine Nachrichtensendung kommt bis dato ohne diese Formulierung aus. Damit wird insinuiert, dass sowohl die Ukraine als auch der Westen vom Krieg überrascht worden seien und ihn nicht haben kommen sehen, geschweige denn vorbereitet haben. 

Eine genaue Analyse der Vielzahl an militärischen Aktivitäten, die Dutzende NATO-Staaten, aber insbesondere Großbritannien, die USA und Kanada, seit 2014 in der Ukraine entfaltet haben, zeigt indes deutlich, dass dem nicht so war. (…) Im Grunde genommen müsste die Frage, wer diesen Krieg wirklich begonnen hat, neu erforscht werden. Es geht eher um angelsächsische – nämlich amerikanische, britische und kanadische – Kriegsvorbereitungen gegen Russland, die zwar nicht in den Medien besprochen wurden, aber doch durch öffentliche Dokumente zugänglich waren und sind. (…) 

Studiert man die westlichen Kriegsvorbereitungen im Detail, so wird deutlich, dass der Ukraine die Rolle zukam, stellvertretend für den Westen einen Krieg mit Russland zu beginnen, der dann militärisch und logistisch von NATO-Mitgliedstaaten unterstützt werden sollte, ohne die Allianz insgesamt direkt in den Krieg zu involvieren. Dieser Prozess sollte begleitet werden durch einen Wirtschaftskrieg (Sanktionen), Informationskriegsführung (antirussische Propaganda) und eine nukleare Einkreisung Russlands, die vor allem durch das Raketenschild in Rumänien und Polen sowie seegestützte Kräfte, insbesondere Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse, sichergestellt werden sollte. All diese Maßnahmen entsprachen dem Streben der USA nach „Full Spectrum Dominance“ und zielten darauf ab, die Russische Föderation auf mehreren Ebenen so weit zu schwächen, dass das Land sein Gleichgewicht verlieren und innere Konflikte zum Sturz der Regierung führen würden. 

Westliche Manöver und Kriegsvorbereitungen im Jahr 2021

Eine Beschreibung der Aktivitäten im letzten Jahr vor Kriegsbeginn dürfte ausreichen, die obige These zu erhärten: 

  • Am 24. März 2021 verabschiedete die Ukraine eine Militärstrategie, die die Regierung dazu verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen – einschließlich militärischer – zur Wiedereingliederung der Krim sowie der Republiken Donbass und Lugansk zu ergreifen.
  • Ebenfalls im März 2021 erklärte das britische Verteidigungsministerium, seine Aktivitäten im Schwarzen Meer verstärken zu wollen. Noch im gleichen Monat begann die Militärübung „Defender Europe 21“ an der 28 000 Soldaten aus 26 Ländern in unmittelbarer Nachbarschaft der Ukraine teilnahmen
  • Im April 2021 veröffentlichten die türkische und ukrainische Regierung eine gemeinsame Stellungnahme, in der die Türkei die Schritte zur Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine unterstützte.
  • Im Mai und Juni 2021 kam es zu mehreren gemeinsamen Manövern zwischen der Ukraine und westlichen Ländern: Steadfast Defender 2021 mit 9000 Soldaten aus 20 NATO Ländern. 
  • Im Juni einigten sich ukrainische und britische Regierungsvertreter auch auf das „Naval Capabilities Enhancement Programme“, im Zuge dessen britische Kriegsschiffe an die Ukraine verkauft werden sollten.
  • Ebenfalls im Juni fand im Rahmen des Manövers Defender Europe 21 die Übung „Noble Jump“ statt, an der im ukrainischen Nachbarland Rumänien 13 Nationen und 4000 Soldaten teilnahmen.
  • Beim NATO-Gipfeltreffen im gleichen Monat in Brüssel erneuerten die NATO-Mitgliedstaaten ihr 2008 in Bukarest gegebenes Bekenntnis zu einer zukünftigen Mitgliedschaft der Ukraine. 
  • Vom 28. Juni bis 20. Juli 2021 fand die Militärübung „Sea Breeze“ unter amerikanisch-ukrainischer Führung im Schwarzen Meer statt. An dieser Übung nahmen 32 Schiffe, 40 Flugzeuge und Hubschrauber sowie 5000 Soldaten aus 24 Nationen teil.
  • Vom 12. bis 19. Juli 2021 fand die Militärübung „Breeze 2021“ statt, an der 30 Schiffe und 2000 Soldaten teilnahmen.
  • Am 7. Juli 2021 wies das Europäische Parlament in einem Beschluss darauf hin, dass die EU eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der von der NATO verfolgten Politik ausüben könnte.
  • Ebenfalls im Juli 2021 fand die Übung „Three Swords“ mit 1200 ukrainischen, polnischen, litauischen und amerikanischen Soldaten statt. Außerdem fand im im gleichen Monat das ukrainisch-britische Manöver „Cossack Mace 2021“ statt, an dem neben 900 ukrainischen auch 500 Soldaten verschiedener NATO-Länder teilnahmen.
  • Am 23. August 2021 nahm der stellvertretende Generalsekretär der NATO an der Auftaktveranstaltung der Krim-Plattform teil. Im gleichen Monat überflog eine Formation britischer Kampfjets die ukrainische Hauptstadt Kiew anlässlich der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestages der Loslösung von der Sowjetunion.
  • Im September 2021 fand das von der Ukraine und den USA organisierte Manöver „Rapid Trident 2021“ mit 4000 ukrainischen und 2000 ausländischen Soldaten statt, die neben den USA, Kanada, sechs EU-Staaten sowie Georgien, Moldau, die Türkei, Jordanien und Pakistan mit einschlossen.
  • Im September wurde auch eine gemeinsame Erklärung zur US-amerikanisch-Ukrainischen strategischen Partnerschaft veröffentlicht.
  • Im Oktober 2021 besuchte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin Kiew, um mit der Ukraine an der Umsetzung des Strategischen Verteidigungsabkommens zu arbeiten.
  • Im Oktober fand zudem die britisch-ukrainische Übung Warrior Watchers statt, bei der die Verteidigung von Flugplätzen geübt wurde.
  • Im Oktober berichteten Medien schließlich von einem internen Arbeitspapier des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in dem erwogen wurde, ob nicht auch die EU eine eigenständige militärische Ausbildungsmission für die Ukraine einleiten könne.
  • Im November 2021 unterzeichneten Großbritannien und die Ukraine ein Abkommen, im Zuge dessen die Ukraine 1,7 Milliarden britische Pfund für die Entwicklung seiner Marine erhält.
  • Am 10. November kam es zur Unterzeichnung der „US-amerikanischen-ukrainischen Charta der strategischen Partnerschaft“. In dem Dokument heißt es, dass „die USA […] nie die versuchte Annexion der Krim durch Russland akzeptieren [werden].“
  • Ebenfalls am 10. November berichteten amerikanische Medien über einen Aufmarsch der russischen Armee entlang der ukrainischen Grenze. Parallel dazu kam es auch zu einem Aufmarsch ukrainischer Truppen entlang der Grenze zu den unabhängigen Republiken Donezk und Lugansk sowie an der Grenze zur Krim. Es entstand eine Übermacht ukrainischer Militäreinheiten an der Grenze zu den beiden Republiken. Russland interpretierte den ukrainischen Aufmarsch als Kriegsvorbereitung. 
  • Am 8. Dezember 2021 wurde in einem gemeinsamen Kommuniqué zwischen Großbritannien und der Ukraine noch einmal der Status der Ukraine als „NATO Enhanced Opportunities Partner“ unterstrichen.
  • Am 14. Dezember verabschiedete das ukrainische Parlament das Gesetz „über die Zulassung bewaffneter Einheiten der Streitkräfte anderer Staaten auf dem Territorium der Ukraine im Jahr 2022“. Das Gesetz bezieht sich auf die für das Jahr 2022 geplanten Manöver Rapid Trident, Cossack Mace, Light Avalance, Silver Sabre, Sea Breeze, Riverine, Maple Arch und Viking und erlaubt die längere Präsenz ausländischer Truppen in der Ukraine.
  • Um den 27. Januar 2022 herum scheiterte der diplomatische Briefwechsel zwischen Moskau und den USA. Die USA lehnten die russischen Kernforderungen wie den Verzicht auf die NATO-Osterweiterung, Rückbau der NATO-Präsenz gemäß NATO-Russland-Akte von 1997 sowie den Verzicht auf die Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen ab.
  • Am 7. Februar 2022 erklärte der ukrainische Außenminister in einer Pressekonferenz mit der deutschen Außenministerin Baerbock, dass „es keinen direkten Dialog seiner Regierung mit den prorussischen Rebellen im Osten der Ukraine geben“ werde. Damit wurde öffentlich zugegeben, das Minsker Abkommen nicht umsetzen zu wollen.
  • Am 14. Februar 2022 sagte der ukrainische Botschafter in Großbritannien, man erwäge anstelle einer sofortigen NATO-Mitgliedschaft auch zusätzliche bilaterale Abkommen mit den USA und Großbritannien.
  • Ebenfalls am 14. Februar äußerte US-Präsident Joe Biden, dass er mit einem Angriff Russlands auf die Ukraine am 16. Februar rechne. Tatsächlich begann am 16. Februar 2022 ein immer stärkerer Beschuss der Republiken Donezk und Lugansk durch die Ukraine. Am 18. Februar war der Beschuss gegenüber dem 14. Februar bereits um das 34-Fache gestiegen. Für den Fall, dass die Ukraine selbst eine Offensive geplant hätte, wäre zu erwarten gewesen, dass diese ganz ähnlich begonnen hätte, nämlich mit massivem Artilleriebeschuss. In gewisser Weise könnte man deshalb ebenso den 16., 17. oder 18. Februar zum Tag des Kriegsbeginns erklären. 
  • Am 16. Februar kam es zu 591 Waffenstillstandsverletzungen und 316 Explosionen, was eine Verachtfachung gegenüber dem 14. Februar darstellte. Am 17. Februar kam es wiederum zu einer zu einer Verdoppelung des Beschusses, bei dem sich die Streitkräfte der Republiken Donezk und Lugansk deutlich in der Defensive befanden. Die OSZE registrierte 870 Waffenstillstandsverletzungen und 654 Explosionen. Am 18. Februar zeigte sich das gleiche Bild. Nun registrierte die OSZE bereits 1566 Waffenstillstandsverletzungen und 1413 Explosionen. Am Wochenende vom 19. und 20. Februar 2022 registrierte die OSZE sogar 3231 Waffenstillstandsverletzungen und 2026 Explosionen. 
  • Am 19. Februar 2022 erklärte der ukrainische Präsident Selenski auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass sein Land aus dem Budapester Memorandum aussteigen würde, sofern es keine festen Sicherheitsgarantien der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, einschließlich Deutschlands und der Türkei gäbe. Damit kündigte der Präsident indirekt an, Atomwaffen erwerben zu wollen. 
  • Am 21. Februar 2022 erkannte Moskau die Unabhängigkeit der beiden unabhängigen Republiken Donezk und Lugansk an. Die OSZE registrierte an diesem Tag 1927 Waffenstillstandsverletzungen und 1481 Explosionen.
  • Am 22. Februar 2022 kam es zu 1710 Waffenstillstandsverletzungen und 1420 Explosionen. Die Republiken Donezk und Lugansk konnten dem militärischen Druck von Seiten der Ukraine kaum noch standhalten und reichten eine Bitte um militärische Hilfe bei der russischen Regierung ein.
  • Der Bericht über den 23. Februar spricht nur noch von einer stark verschlechterten Sicherheitslage.
  • Am 24. Februar überschritten russische Truppen die Grenze zur Ukraine. (…)

Asymmetrische Abhängigkeit

Die letztendliche Ursache dafür, dass ein 1989 scheinbar geeintes, von zwei Weltkriegen zum Frieden bekehrtes Europa erneut an der Lunte des Krieges zündelt, liegt mithin in der unkritischen und nicht ausbalancierten transatlantischen Ausrichtung Europas begründet, die keine gleichberechtigte Partnerschaft ist, sondern eine asymmetrische Abhängigkeit bedeutet. Daran müsste sich etwas ändern, damit sowohl die europäische Einheit als auch eine friedliche Partnerschaft mit Russland auf dem Kontinent gesichert werden können. (…)

In Europa könnte – so wie sich die Dinge mit Blick auf die Ukraine entwickeln – durch eine Übersprunghandlung zum dritten Mal ein Weltkrieg beginnen. Das Zeitgeschehen ist darum ein gleich dreifacher Verrat an Europa, ein Kulturbruch sondergleichen mit 70 Jahren Aufbauarbeit an Europa und Zivilität! 

Die einzige und unmittelbare Verantwortung, die sich daraus für Europa ergibt, ist, sich mit all seinem politischen Gewicht, flankiert von UNO und OSZE, für einen sofortigen Waffenstillstand auszusprechen und Friedensverhandlungen anzuberaumen. In diesen Friedensverhandlungen muss es nicht nur um einen Friedensschluss für die Ukraine gehen, sondern um eine europäische Grand Strategy, einen neuen, großen Entwurf für Europa im 21. Jahrhundert. Die USA sollten von diesen Verhandlungen eigentlich ausgeschlossen werden. Zwischen Europa und Russland müsste es möglich sein, sich auf eine neutrale Ukraine innerhalb einer föderalen Ordnung zu einigen, damit zu den Zielen des Minsker Abkommens (Minsk II) zurückzukehren und zugleich eine Sicherheitsordnung anzustreben, in der keiner sich bedroht fühlt. Dies würde genau der Idee einer kooperativen, föderalen Ordnung für den gesamten Kontinent entsprechen, wie sie 1989 nach dem Mauerfall angestrebt wurde. 

Ulrike Guérot / Hauke Ritz, Endspiel Europa. Warum das politische Projekt Europa gescheitert ist und wie wir wieder davon träumen können, Westend, 208 Seiten, 20 Euro

Über die Autoren:

Ulrike Guérot, Jahrgang 1964, studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie in Bonn, Münster und Paris. Als Autorin, Aktivistin und Professorin arbeitet sie vor allem zu den Themen Europa und Demokratie, mit Stationen in Denkfabriken und an Universitäten in Paris, Brüssel, London, Washington, Berlin und Wien. Seit 2021 ist sie Professorin für Europapolitik an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms Universität Bonn.

Hauke Ritz, Jahrgang 1975, studierte an der FU und HU Berlin. Nach seiner Dissertation im Fach Philosophie mit dem Schwerpunkt Geschichtsphilosophie beschäftigte er sich intensiv mit dem Ost-West-Konflikt, dessen Fortbestehen er seit 2008 im Zuge verschiedener Publikationen und seit 2014 durch regelmäßige Russlandreisen erforscht. Er hat an der Universität Gießen, der MSU und RGGU in Moskau sowie der Universität Belgorod unterrichtet und war zuletzt für den DAAD in Moskau tätig.

Geo-Politics in Current US Media – The Cases of Russia and China

American Affairs, Volume VI, Number 2, Summer 2022

1. Geoffrey Cain, Ukraine versus Afghanistan – Lessons in National Solidarity
(Senior fellow at Lincoln Network and visiting fellow at National Security Institute at George Mason University)

Cain first describes Zelensky’s route to become President, starting as a comedian in Servant of the People and doing business on behalf of billionaire Igor Kolomoisky, who was considered by the US State Department involved in “significant corruption”. This was not unusual since Ukraine was “also ruined by mismanagement, kleptocracy, and poverty”, and violence was common, too, as was revealed when a former President, Leonid Kutchma, was heard on tape ordering the murder of a Ukrainian journalist.
The US meddling into Ukrainian affairs is mentioned in the case of US State official Victoria Nuland exclaiming “Fuck the EU” when helping to install a pro-US puppet government. The authoritarian nature of this pro-US government is shown with the 2017 education law that required Ukrainian to be the language of instruction from fifth grade on. Before, more than half the high school students had been taught in Russian as their first language. The literacy rate was 99.5%, whereas it was only 40% in Afghanistan where forty different languages are spoken.
2400 US soldiers have died in Afghanistan. Cain doesn’t elaborate much on the reasons why the US war there failed its objectives. He seems to put the blame on Benazir Bhutto, the Pakistani Prime Minister in the nineties, who later admitted to have funded the Taliban together with Saudi Arabia. The US “pumped $5 trillion into this perilous political system” that they supported during 20 years of dominating that country.

2. Wolfgang Streeck, The EU after Ukraine
(Director emeritus of the Max Planck Institute for the study of Societies in Cologne)

Streeck describes the world in geopolitical terms. The EU for him is an “engine of neoliberal reform, supply-side economics, and New Laborism”, and it is “firmly embedded in the American-dominated unipolar order”, a “regional microcosm of what came to be called hyperglobalization”, a close match of a Hayekian idea of an international federation, an isonomy, with identical market liberal laws in all states. This whole project is anchored within the global financial system dominated by the USA, and kept stable by roughly 40,000 US troops in Germany. This fact is seen by France as an obstacle to European sovereignty, and a hindrance to a closer “French-German European tandem”.
After the collapse of the Soviet Union the US had the aim “to integrate the former Communist countries of eastern Europe into an American-led West.” “Making Europe through NATO take an adversarial position toward Russia would ensure European dependence on an alliance with the US in the bipolar world growing out of George HW Bush’s New World Order”. Thus the US “has put an end to any vision of an independent non-imperial, cooperative state system in Europe”. Streeck believes the US want all of European and Russia neighboring states join NATO. For their economic stability they should join the EU. This strategy is a preparation for the confrontation with China, the leading force in the creation of a multipolar world. The EU has to coordinate the sanctions regime against Russia but under the guidance of NATO and its strongest nation state, the US, which is already planning a war lasting several years. The logical “goal of the war is regime change in Russia”. The Europeans, being subordinate to NATO, find themselves “dependent on the bizarreries of the domestic politics of the US, a declining great power readying itself for global conflict with a rising great power, China”. The desastrious military adventures of the US in Iraq, Afghanistan, Syria, and Lybia with the record of incompetence and irresponsibility seem to be forgotten, at least by the media and the political elites.
Streeck doesn’t see a quick solution to the current conflicts, instead he sees “something like a stalemated phony war in Ukraine in the interest of the US seeking to build global alliances for an imminent battle with China over the next New World Order. Monopolar or bipolar in old or new ways, to be fought out in coming years…”


Harper’s Magazine, July 2022

1. Daniel Bessner, Empire Burlesque – What comes after the American Century
(Associate professor at the University of Washington’s Henry M. Jackson School of International Studies)

In February 1941, shortly before Hitler invaded the Soviet Union and before Pearl Harbor, Republican oligarch Henry Luce demanded in an article called The American Century for global domination by the US. By the end of the 20th century the US indeed became a world-spanning empire. But two challenges emerged, one internal and one external. First, President Trump approached international relations as any corrupt businessman, he tried to get the most while giving the least. Second, the emergence of China has decisively ended the “unipolar moment”.
Bessner asks himself what comes next? “Are we doomed to witness the return of great power rivalry, in which the US and China vie for influence? Or will the decline of US power produce novel forms of international collaboration?

Two camps in the US foreign policy establishment emerged: First the liberal internationalists who want to defend the status quo, and second the restrainers who want to abandon militarism and who favor peaceful forms of international engagement in order to abandon “decades of hubris that has caused so much suffering worldwide”. For the liberal internationalists “peace is unthinkable”, the US will “remain on a war footing for the foreseeable future”. Bessner indicates that the US might have incited the war in Ukraine and with China it will be impossible to have it both ways, to challenge China without a shooting war or economic decoupling. The restrainers understand that the American Century is over. They want to reduce US presence abroad, shrink the defense budget, and restore Congress’s constitutional authority to declare war. This kind of policy was originally thought of already in the early years of the US, quoting John Quincy Adams “She goes not abroad, in search of monsters to destroy”. Of course, this idea of abstaining from “messianic projects” remained wishful thinking.

Restrainers included Senator Robert A. Taft. Currently they don’t believe it is in the interest of the US to fight WWIII for Taiwan. They point to the fiascos, the infamous wars in Korea, Vietnam, Afghanistan, and Iraq that resulted in millions of dead people. Bessner refers to historian Paul Thomas Chamberlin who estimates that at least 20 million people died in Cold War conflicts alone, and the killing didn’t end with the end of the Cold War. Of course, these numbers don’t deter the liberal internationalists. Their Manichaean model of geopolitics is both inconsistent and counterproductive. On the one hand they talk about democracy but on the other they align themselves with brutal dictators. Practically they follow the ideas of political scientist Hans Morgenthau, a theorist of the classical realist school of foreign policy, who maintains that nations have an animus dominandi, a will to dominate, to expand their sphere of influence to the limits of their power. Currently, they point to China as a state that wants to replace the US as the dominating world power, but Bessner contradicts their arguments by stressing that China doesn’t prepare herself for such an endeavor. However, the liberal internationalists are supported by about 90% of Americans. But, for how long?

Guenter Langer, RPB 10/08/2022

Warum der Holocaust in Deutschland geschah – Die Ideologie des Todes Christentum, Antijudaismus und Antisemitismus – Drei Autoren recherchierten

Warum der Holocaust in Deutschland geschah – Die Ideologie des Todes
Christentum, Antijudaismus und Antisemitismus – Drei Autoren recherchierten

1. Tilman Tarach, Teuflische Allmacht – Über die verleugneten christlichen Wurzeln des modernen Antisemitismus und Antizionismus, Edition Telok, Berlin & Freiburg 2022
2. John Weiss, Ideology of Death – Why the Holocaust Happened in Germany, Elephant Paperbacks, Chicago 1997
John Weiss, Der lange Weg zum Holocaust, Hoffmann & Campe, Hamburg, 1998
3. Jürgen Elsässer, Antisemitismus – das alte Gesicht des neuen Deutschland, Dietz Berlin, 1992

Diese drei Titel sind Werke mit sehr ähnlicher Tendenz. Sie beantworten die Frage, weshalb die christlichen Kirchen einen so starken Einfluss auf die Herausbildung der Nazi-Ideologie hatten. Die jahrhundertalte Feindschaft der christlichen Kirchen gegenüber Juden hat zwar nicht in allen christlich dominierten Ländern die verheerend-mörderischen Folgen gezeitigt wie in Deutschland, aber sie war sine qua non für die Nazis, um daran andocken zu können.


1. Tilman Tarach

Tarach weist darauf hin, dass bereits im Neuen Testament, in der Offenbarung des Johannes von der „Synagoge des Satans“ die Rede ist, wenn die Juden gemeint sind. In Julius Streichers Der Stürmer wird das dann während des Dritten Reiches einfach zitiert. Das ist Tarachs Vorgehen, die direkten Bezüge der Nazis auf Aussagen und Texte der Kirchen, wenn es darum ging, die Juden zu verteufeln. Hitler selbst habe Jesus für seinen Antisemitismus vereinnahmen wollen, wenn er ihn als ersten Antisemiten bezeichnet hat, der die Juden aus dem Tempel verjagt habe. Aus dieser Begebenheit sei die jüdische Feindseligkeit gegen die Christen entstanden und vor diesem Hass müsse die christliche Kirche gerettet werden. Die Oberammergauer Passionsspiele oder z. B. auch Mel Gibsons Film Die Passion Christie würden diesen Vorwürfen selbst in unserer Zeit noch Vorschub leisten.

Der angebliche Verrat einiger Juden an Jesus wurde ebenfalls bereits in den Paulusbriefen behauptet. Diese Aussage bietet bereits eine Basis für Verschwörungstheorien und dient als Anknüpfungspunkt für Antisemitismus in frühchristlichen Zusammenhängen. Die antijüdischen Exzesse in der Geschichte sind nicht unmittelbar Gegenstand dieses Buches. Den Autor interessiert mehr, welche modernen antisemitischen Aspekte auf christlichem Mist gewachsen sind, so hat z.B. sogar die Bekennende Kirche kurz nach der Nazi-Zeit in ihrem „Wort zur Judenfrage“ es fertig gebracht zu formulieren, dass „Israel den Messias kreuzigte“. Sie ist sich damit mit der EKD einig, die an der sogenannten Substitutionstheologie festhält: „Weil Gott nur in Jesus, dem Juden, erschienen sei und sein Volk ihn abgelehnt und getötet habe, habe es sich selbst vom Heil ausgeschlossen.“ Da Christen Jesus als göttlich ansehen, hätten die Juden an Jesus einen Gottesmord begangen. So noch der Papst 1965. Wenn auch die Kirchen diesen Mord inzwischen nicht mehr „den Juden“, sondern nur einzelnen Personen anlasten, verschwindet diese Differenz in der Masse der Gläubigen. Danach lag in Umfragen der Wert, derjenigen, die der Kollektivthese anhängt, zwischen 14 % (Deutschland), 17% (USA), bis zu 46% (Polen). Damit seien „die Juden“ schuld an jedem Unglück dieser Welt und eine Abwehr gegen die Schuldverursacher ist immer und überall gerechtfertigt und notwendig. Obskuranten wie die Pius-Brüder, der Professor Rolf Peter Sieferle, und auch einige AfD-Politiker wie Martin Hohmann und Wolfgang Gedeon vertreten diese Art von Theorien.
Selbst der sog. Judenstern basiert auf christlicher Tradition, der Gelbe Fleck, wie auch die Behauptung bezüglich angeblicher jüdischer Ritualmorde. Erstmalig wurde 415 in Antiochia ein Mord an einem christlichen Knaben behauptet, später dann z.B. im 12 Jahrhundert in Norwich, England. Viele tausend Juden haben mit dem Vorwurf der Ritualmorde ihr Leben eingebüßt. Die Nazis haben ebenfalls ständig mit den behaupteten Ritualmorden Propaganda gemacht. Der Nazi-Propagandist Frederik de Gast schlussfolgerte daraus offen die „radikale Vernichtung des Judentums“. Der Autor meint, diese Ritualmordpropaganda habe eine zentrale Rolle gespielt bei der Fanatisierung der Bevölkerung.
Im Zarenreich wurden häufig Pogrome veranstaltet, besonders auch in der Ukraine, wo während des Bürgerkrieges mehr als 50,000 Juden ermordet wurden. Selbst nach Ende des 2. Weltkriegs wurden mit Verweis auf Ritualmorde 42 Juden in der polnischen Stadt Kielce ermordet. Auch in unseren Tagen lebt diese Story in einem anderen Zusammenhang wieder auf, wenn „Reichsbürger“ oder eine Gruppe „Christen im Widerstand“ von Satanisten reden, die „rituellen Kindesmissbrauch“ begehen würden. Tarach verweist auch auf Gruppen der „Querdenker“, die mit der Q-Anon-Bewegung aus den USA sympathisieren, die ähnlich abstruse Ideen von Kinderopfern verbreiten. Selbst die Pop-Kultur sei nicht davor gefeit, wie die Fälle von Naidoo und Sido zeigen.
Der nazistische Ariernachweis kennt ebenfalls einen christlichen Vorläufer, eine Regelung namens pruebas de limpiezas, auf gut deutsch Reinheitsbeweis. Dieser Beweis beruhte auf der limpieza de sangre – Reinheit des Blutes –. Damit mutierte der religiös begründete Antijudaismus im Spanien des 15. Jahrhunderts zum rassistischen Antisemitismus. Mit dieser Regelung sollten die Conversos, also die zum Christentum übergetretenen Juden, weiterhin Sondergesetzen unterworfen, also auch rechtlich diskriminiert werden können. Auch Martin Luther sprach vom „Geblüt und Stamm Israel“, vom „jüdischen Blut“ und „Blutstamm“. Religiöser Antijudaismus trug demnach den rassistischen Antisemitismus bereits in sich.
Die Nazis übernahmen diese aus christlichen Traditionen stammenden Merkmale, hatten aber objektive Schwierigkeiten menschliche Rassen zu differenzieren, insbesondere in Deutschland einen naturwissenschaftlich begründeten Unterschied zwischen Juden und sogenannten Ariern zu definieren. Für den Ariernachweis stützten sie sich auf die Archive der Kirchen. Wenn beispielsweise ein Urgroßvater zum Christentum übergetreten war, konnte der Urenkel problemlos eine Arierbescheinigung erhalten. Im Blut ließ sich bekanntlich kein Rassemerkmal herauslesen. Den Vätern der Nürnberger Gesetze, Wilhelm Stuckart und Hans Globke war das selbstverständlich bewusst und sie mussten konstatieren: „Es gibt ein deutsches Volk, aber keine deutsche Rasse. Und wie es keine deutsche Rasse gibt, so gibt es streng genommen auch keine jüdische.“ Julius Streichers Stürmer verstieg sich sogar dazu, zu behaupten, die alten kirchlichen Bestimmungen gegen Juden seien radikaler als die Nürnberger Gesetze.
Auch in moderneren Zeiten, Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts hauten Katholiken noch in dieselbe Kerbe, wenn sie von Rasse schreiben und die Juden meinen. Selbst die Nazi-Theorie vom schaffendem und raffendem Kapital nehmen sie vorweg. Und Martin Luther sprach bereits von Vernichtung im Hinblick auf die Juden. Katholiken und andere Antisemiten, wie Adolf Stöcker, wünschten sich eine starke Person, einen „Befreier“ herbei, der das christliche Volk „vom Juden befreien“ könne. Zum Problem der Irrationalität der Nazis bemerkt Tarach: „Das Handeln der Nazis wurde wesentlich von ihrer Ideologie bestimmt, nicht von Zweckmäßigkeitserwägungen. Ihre antisemitische Raserei stellten sie über ihre objektiven Interessen.“
In einem Exkurs weist der Autor darauf hin, dass auch die sog. „Christlichen Zionisten“ im Grunde Antisemiten seien. Sie würden Juden für ihre Endzeitvisionen zu instrumentalisieren suchen. Es mag kurios anmuten, aber der Vatikan unterhielt gute Beziehungen zum Hitlerfreund, dem sog. Großmufti von Jerusalem und dessen Neffen, Jassir Arafat. Sie waren sich alle einig, „the Jewish people have crucified the founder of Christianity.” Der von den Postkolonialisten so hochverehrte Edward Said vertritt ebenfalls die Gottesmordthese, also das “endlose Golgatha“. Wie Edward Said war auch die PLO-Organisation PFLP christlich orientiert. Das hinderte sie allerdings nicht daran ihrem Antisemitismus freien Lauf zu lassen, als sie mit einigen Mitgliedern beim „Schwarzen September“ dabei war, israelische Sportler bei der Münchener Olympiade 1972 als Geiseln zu nehmen.
Ein Kapitel ist der sog. Damaskusaffäre gewidmet, der „Blutanklage von Damas“ aus dem Jahre 1840. Ein Pater Tomaso da Sardegna von den Kapuzinermönchen sei angeblich von Juden ermordet worden, um dessen Blut rituell beim Pessachfest für das Matzebrot zu backen. Der Vatikan hat daraus eine antijüdische Kampagne betrieben. Der syrische Außenminister Mustafa Tlas hat noch in den 70igern und 80igern des 20. Jahrhundert diese Geschichte zu Propagandazwecken benutzt. Er war allerdings nicht der einzige Muslim, der die Ritualthematik aufgegriffen hat. Für die Muslime ist Jesus nicht am Kreuz gestorben, sondern ein Simon von Kyrene an seiner statt. Demnach haben die Juden mit Jesus keinen Gottesmord zu verantworten, da Jesus ohnehin nur ein Prophet, aber kein Gott war. Stattdessen behaupten die Muslime, die Juden hätten es auf Mohammed abgesehen gehabt. Allah habe das aber verhindert. Juden werden einerseits verachtet und als Unterlegene angesehen, andererseits dämonisiert: „Rabbi trinkt Kinderblut“. Wie die Christen sind auch die Juden Dhimmis, also nur Menschen zweiter Klasse.
Tarach erwähnt die Pogrome von Granada aus dem Jahre 1066 bei denen ca 4000 Juden ermordet worden sind. Die Gründung des Staates Israel widerspricht eklatant dem Status der Dhimmis und der „Niedergang des Osmanischen Reiches verstärkte die narzisstische Kränkung der Muslime.“ Der Gründer der Muslimbruderschaft, Sayyid Qutb, wünschte den Juden „die schlimmste Art von Strafen“ für ihre Dreistigkeit einen Staat zu gründen. Er verwies dabei u.a. auch auf Hitler, der von Allah gegen die Juden geschickt worden sei. Im übrigen sei Jesus Palästinenser gewesen, den „die Juden“ in der Via Dolorosa gekreuzigt, also ermordet hätten. Auch die angeblichen Ritualmorde werden von PLO-Leuten erneut in Umlauf gesetzt, selbst Brunnenvergiftungsmärchen werden bemüht. Unterstützung erfahren palästinensische und jüdisch-antizionistische Gruppen in ihrem Wirken gegen den Staat Israel von christlichen Organisationen wie Pax Christi und Ländern wie Deutschland, das ca 200 Millionen Euro jährlich ohne Bedingungen palästinensischen Gruppen zur Verfügung stellt. Tarach sieht hierin eine „Delegation“ des Antisemitismus auf die arabischen Gruppen.
In den Schlusskapiteln widerlegt der Autor Behauptungen, die christlichen Kirchen hätten dem Nazitum widerstanden, weder die katholische und schon gar nicht die evangelische. Selbst die führenden Köpfe der Bekennenden Kirche, wie Niemöller und Bonhoeffer, seien Antisemiten gewesen und hätten sich zum Teil den Nazis angedient. Nach der Nazizeit versuchten sich führende Christen zu entlasten indem sie behaupteten, die Nazis seien Gottlose gewesen, genau wie die Bolschewisten, und zusammen seien diese beiden Bewegungen das eigentliche Übel. Die Shoah war das Werk eines neuheidnischen Regimes gewesen. „Sein Antisemitismus hatte seine Wurzeln außerhalb des Christentums“, so der Vatikan. Von daher nimmt es nicht Wunder, dass die Kirchen gemeinsame Sache machten mit den Nazis. Sie begrüßten ausdrücklich die sofortige Unterdrückung der Freidenkerverbände bereits kurz vor und dann nach der Machtübernahme 1933. Atheisten wurden z.B. auch nicht in die SS aufgenommen. Diese Übereinstimmung von Kirche und Nazis drückte sich nach dem Ende des Regimes noch darin aus, dass den Mördern geholfen wurde der Strafjustiz zu entgehen. Sie wurden in Klöstern versteckt oder ins sichere Ausland verbracht.
Da die christliche Lehre Unterordnung unter die jeweilige Obrigkeit predigt, hat der Gläubige kein Recht auf Rebellion. Er kann sich nur auf die Gnade Gottes verlassen, und wenn die zu wünschen übrig lässt, kommt es dazu, dass der erniedrigte und geknechtete Mensch Ersatzobjekte für seine Wut sucht und ihn im Juden findet. Einzig „die individuelle Selbstbestimmung und Freiheit, die Emanzipation des Individuums vom Kollektiv“, so der Autor schlussfolgernd, kann dem Antisemitismus den Boden entziehen.

2. John Weiss

Das Buch von Weiss hat neben der original englischen auch eine deutsche Ausgabe. Auffällig dabei ist die unterschiedliche Akzentsetzung im Titel. Im deutschen Titel glaubte der Verlag offenbar auf den Begriff der „Ideologie des Todes“ verzichten zu müssen, wie auch auf die Fragestellung, warum gerade in Deutschland diese Ideologie des Todes zum Holocaust führte.
Weiss geht zwei Hauptfaktoren für die Entwicklung der Ideologie des Todes nach, zunächst beschreibt er ausführlich die christliche Judenfeindschaft, um dann die spezifisch deutsche, völkische Entwicklung zur Staats- und Nationenbildung als Nährboden für den eliminatorischen Antisemitismus nachzuzeichnen. Wobei der erste Faktor das gesamte Volk beeinflusste, wie eben auch in anderen europäischen Ländern, aber der zweite eine Besonderheit aufwies. Weiss erkennt einen fundamentalen Unterschied in den sozialen Klassen. Während die oberen Klassen und die gebildeten Schichten, wie auch das Kleinbürgertum den antisemitischen Parolen christlicher Prediger und schließlich der Nazi-Agitatoren wohlwollendes Gehör schenkten, war die arbeitende abhängige Bevölkerung, das Proletariat, insbesondere die Arbeiterorganisationen immun dagegen. Selbst in Hochzeiten von Hitlers Popularität lehnte die Hälfte der Deutschen, hauptsächlich die Progressiven und Linken, aber nicht nur die, die rassistische Gewalt ab.
Weiss weist auf die christliche Tradition hin, den Juden als Kollektiv den Gottesmord zu unterstellen. Religiöse Lehrer und Päpste haben den Deizit zum zentralen Argument für die Diskriminierung der Juden bis hin zu Pogromen gemacht. Die Reformation hat dann in Deutschland diese Tendenz durch Matin Luther eher verstärkt als gemäßigt, während die Calvinisten wie die Hugenotten sie eher abmilderten. Die strenggläubigen, wie Luther, glorifizierten das Landleben und misstrauten den Städten. Luther war der einzige Reformer, der nationale Gefühle ansprach und sich mit der „deutschen Nation“ identifizierte. Die katholische Gegenreformation brachte verstärkte Diskriminierung der Juden mit sich, so auch die Verpflichtung der Juden, den Gelben Stern zu tragen.
Die Philosophen der Aufklärung sprachen sich gegen die Diskriminierung der Juden aus, wobei sie allerdings beide Religionen des Alten und Neuen Testaments als „absurd“ kritisierten. In Diderots Enzyklopädie wurde Jesus als Sohn einer Prostituierten und eines römischen Legionärs beschrieben. Allerdings hat sich Voltaire trotzdem antisemitisch geäußert, indem er den Juden Wucher und ähnliches nachgesagt hat. Diese Haltung setzte sich in Frankreich, England und den Niederlanden nicht durch. Dort wurde die Tradition jüdischer Erfolge im Handel akzeptiert und eher positiv gesehen. Nur in Deutschland, das keine internationalen Beziehungen qua Kolonien hatte, drehten die Reaktionäre diesen Punkt in antisemitische Propaganda um. Den Gegensatz von Frankreich und Deutschland beschreibt Weiss dann für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts im Detail, wie die Befreiung von den Fesseln, die den Juden bis dahin auferlegt worden waren.
Die deutschen Philosophen akzeptierten die Aufklärung nur für die materielle Welt, nicht jedoch für gesellschaftliche Zusammenhänge. Dort blieben sie dem Christentum verbunden und damit auch in gewissem Grade dessen Anti-Judaismus. Die aufklärerische Idee, dass die Gesellschaft die Individuen formt, lehnte z. B. der besonders einflussreiche Fichte explizit ab. Daraus folgerte er, dass der Mensch einen freien Willen bezüglich seiner Moralvorstellungen habe. Diese Eigenschaft wurde auf die Völker übertragen, die ihren jeweils eigenen Volksgeist entwickeln. Da Juden schon seit alters her von vielen Dingen der Gesellschaft ausgeschlossen waren, wurden sie als etwas „Anderes“ angesehen und dem Volksgeist gegenüber gestellt. Schopenhauer wollte sie deshalb vom öffentlichen Dienst ferngehalten sehen, und Fichte wollte sie gar aus Deutschland vertrieben sehen.
Als Kern der deutschen Entwicklung sieht Weiss den Zustand und die Rolle Preußens, wo das Patriarchat, die Familie und das Dorf den Kern von Preußens Größe ausmachten. Verunsichert einerseits von Napoleons Modernität und andererseits von aristokratischer Reaktion suchten deutsche Intellektuelle einen dritten Weg und fanden ihn mythisch-deutscher Tradition und neu entstehendem Nationalismus. Nach Napoleons Niederlage wurde die rassistische Literatur vulgärer und härter. Den Deutschen, den deutschen Kriegshelden, wurde eine spirituelle Höherwertigkeit und dem jüdischen Blut Gefahren zugesprochen. Friedrich Wilhelm III und sein Tutor Friedrich Carl von Savigny wollten die Juden erneut ins Ghetto stecken, so auch Ernst Moritz Arndt und Turnvater Jahn. Der Antisemitismus in Preußen entwickelte sich exzeptionell, anders als in anderen westlichen Nationen oder anderen deutschen Ländern. Die Konservative Partei, Bismarck und sein Leibblatt, die Kreuzzeitung, sowie die Gartenlaube, knüpften daran an. Dazu gesellten sich Otto Glagau, Constantin Frantz, Heinrich von Treitschke, Bernhard Förster, Adolf Stöcker u.a. Das katholische Blatt Germania und Papst Pius IX gab ihnen Munition. In populärer Literatur von Gustav Freytag, Brüder Grimm, Wilhelm Raabe, wurden Juden negativ dargestellt. Schon 1879 wurde „Kauft nicht bei Juden“ an jüdische Geschäfte geschmiert. Die Hälfte aller Studenten unterschrieb antisemitische Forderungen. Anarchisten wie Johann Most versuchten in direkter Konfrontation dagegen zu halten. Wie Most waren auch die Sozialdemokraten gegen den Antisemitismus. Der spätere Kaiser Wilhelm II war schon in jungen Jahren begeisterter Anhänger des bekanntesten Antisemiten Adolf Stöcker.
Weiss verfolgt dann den nächsten Schritt vom gemeinen Antisemitismus zum „populären Antisemitismus“ an Hand von der Agitation von Wilhelm Marr, Adolf Stöcker, Otto Böckel, Herrmann Ahlward, Theodor Fritsch, Alfred Ploetz, H.S. Chamberlain, Wilhelm Schack, Ludwig Langemann, Eugen Dühring, die Österreicher Guido von List und Lanz von Liebenfels. Diese Männer hatten großen Einfluss auf Bismarcks Konservative Partei. Nachdem Bismarck 1890 abdanken musste, gewann für kurze Zeit General Caprivi mit seinem gemäßigten Kurs die Oberhand, der Polen und Juden mehr Rechte zubilligte. Weiss meint, Caprivi hätte mehr wie ein Deutscher regiert, nicht so sehr als Preuße, der er eigentlich war.
Mit Otto von Manteuffel eroberten die Antisemiten 1892 den Vorsitz in der Konservativen Partei und erreichten bis 1894, dass Caprivi die Unterstützung des Kaisers verlor und er zurücktrat. Manteuffel, die Stoecker-Anhänger und Graf Eulenberg, Ministerpräsident von Preußen, vereinigten sich mit dem Bauern-Bund, geführt von Berthold von Ploetz, um einen schärferen antisemitischen Kurs durchzusetzen. Die Kreuzzeitung unter der Regie von Georg von Hammerstein führte die Kampagne an, jüdische Immigration zu stoppen. 1890 gründete Heinrich Class die All-Deutsche Liga, deren Ziel die Verstärkung imperialistischer Politik war, aber auch den Antisemitismus förderte. Dazu gehörte Alfred Hugenberg, in jener Zeit preußischer Wirtschaftsminister. Dazu gesellte sich auch Carl Peters, Chef der Kolonial-Liga. Eine Massenbasis erhielt diese Elite von ca 2,5 Millionen Veteranen, die in diversen Clubs organisiert waren. Alle streng auf imperialistischem und antisemitischem Kurs. Dem Kaiser gefiel diese Entwicklung und im Jahre 1900 ernannte er Prinz von Bülow zum Kanzler, der die Sozialdemokratie bekämpfen und mit der parlamentarischen Demokratie aufräumen sollte. 1901 befreundete sich der Kaiser mit H.S. Chamberlain, dem rassistischen Intellektuellen par excellence. Weiss sieht darin einen Beweis, der vielen Historikern widerspricht, die behaupten, der Kaiser sei kein Antisemit gewesen. Chamberlain vertrat wie Diderot die These, dass Jesus ein Kind eines römischen Legionärs und einer nichtjüdischen Frau gewesen sei.
Weiss zieht eine Verbindung zu Propagandisten der Eugenik, die später von den Nazis aufgegriffen wurde, um ihre Rassereinheitsideologie zu untermauern. Eugenik und Rassetheorien fanden besonders Anklang bei Lehrern und Ärzten. Der kaiserliche Historiker Heinrich von Treitschke tat sich besonders hervor in der Propagierung imperialistischer und antisemitischer Politik. Paul de Lagarde und Julius Langbehn wurden gefördert mit ihren rassistischen Theorien, die auch die Forderung nach mehr Lebensraum für das deutsche Volk enthielt. Langbehn war so extrem, dass er sogar die deutsche Presse als „palästinisiert“ (sic!), also als jüdisch, ansah. Weiss hält auch die Ansicht vieler Historiker für falsch, die behaupten, dieser Antisemitismus sei völlig anders als der christliche Antijudaismus. Selbst der atheistische Antisemit Wilhelm Marr schonte die Christen in seiner Polemik, wenn er Unterstützung für seine antisemitischen Kampagnen brauchte. Im Anschluss an Chamberlains These, dass Jesus kein Jude gewesen war, forderten Lagarde und Langbehn ein deutsches Christentum. Richard Wagner propagierte dagegen mehr den deutschen Mythos, die Götterdämmerung, die stark antisemitisch besetzt war.
Ein spezielles Kapitel widmete Weiss den Gegnern des Antisemitismus, also insbesondere der Sozialdemokratie. Selbst Marx, der in seinen Frühschriften antijüdische Bemerkungen verfasste, hätte niemals rassistisch argumentiert oder für antijüdische Diskriminierungen plädiert. Rasse sei für Marx und die Marxisten irrelevant gewesen, Klasse war dagegen entscheidend. Friedrich Engels und Karl Kautsky hätten sich explizit gegen Antisemitismus gewandt. Obwohl linke Strömungen mehr Einfluss bis 1914 gewannen, oder vielleicht gerade deswegen, wuchs der Antisemitismus und Imperialismus in höheren und mittleren Schichten stark an. Zu Kriegsbeginn dominierten schon die Ideologien, die wir nach dem Krieg als Nazi-Ideologie identifizieren können.
Ein Sonderkapitel befasst sich mit dem Antisemitismus in Österreich, wo insbesondere die katholische Kirche ihren Einfluss ausübte. Karl Lueger, Bischof Keppler, Georg Ritter von Schoener, und Prinz Alois Liechtenstein stimmten Otto Glogaus Formel zu, „die soziale Frage ist die jüdische Frage“. Die Deutsch-Österreicher waren die schärfsten Antisemiten im westlichen Europa, verbunden mit anti-tschechischer Hetze. Hitler passte perfekt rein in dieses Milieu.
Die Zeit unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg sah linke Bewegungen, Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten im Vormarsch. Die Konservativen und Reaktionäre identifizierten sie allesamt als jüdisch-bolschewistisch und knüpften an das rassistische Vorurteil der Vorkriegszeit an. Die jeweiligen Militärs sorgten für die Niederlage der Räterepubliken, mit Ausnahme natürlich in Russland. In diesem Zusammenhang schlichen sich auch Fehler in Weiss‘ Beschreibung ein. Er behauptete bspw., dass nicht nur Rosa Luxemburg jüdischen Ursprungs war, sondern fälschlicherweise auch Karl Liebknecht, der aber aus einem protestantischen Milieu schon großväterlicherseits stammte. Er sah die neugegründete KPD von Moskau, bzw. von Lenin gesteuert, ohne das allerdings näher zu begründen. Der kurze Zeit später versuchte Staatsstreich, der sog. Kapp-Putsch, wurde dann schon direkt von Antisemiten, Wolfgang Kapp, einem Freund General Ludendorffs, durchgeführt. Der Putsch wurde von Freikorps und der Erhardt Brigade unterstützt, die bereits das Hakenkreuz-Banner nutzten.
In der Nachkriegssituation zeigte sich die Konservative Partei (DNVP) als genauso antisemitisch wie die Nazi-Partei, desgleichen Bauernverbände, die Vaterlandspartei, in der sich Kapp, Ludendorff, von Tirpitz, Hauptmann Bauer u.a. organisiert hatten, die Thule Gesellschaft, der Stahlhelm, 300,000 Freikorps-Mitglieder, General Graf Rüdiger von der Goltz, General Karl Wolff und viele andere. Selbst der spätere Hitler-Gegner Pfarrer Martin Niemöller war anfangs pro-Nazi wie auch viele frühere Wandervogel-Mitglieder, Burschenschaftler usw. Die Ermordung Erzbergers und Rathenaus und die militärische Intervention Bayerns gegen die linke Regierung in Sachsen und Thüringen zeigten bereits den enormen Einfluss der reaktionären Kräfte, und damit auch des Antisemitismus, in der Weimarer Republik.
Ein spezielles Kapitel widmet Weiss der Kunstszene in der Weimarer Republik, wobei es ihm besonders George Groß angetan hat, aber auch Brecht, Tucholsky, Piscator usw., die er den pro-Nazi-Ideologen wie Artur Dinter, Ludwig Klages, Martin Heidegger, Konrad Lorenz, Werner Sombart, Oswald Spengler, Hans Grimm usw. gegenüberstellt.
Als die Weltwirtschaftskrise Deutschland erfasste, hatten die Nazis leichtes Spiel an die antisemitischen Traditionen, die die Konservativen und eben auch die christlichen Parteien und Gruppen gepflegt und vorbereitet hatten, anzuknüpfen. Weiss betont, ohne diese antisemitische Tradition hätten die Nazis nie die Macht erobern können, und es „gibt kein Zweifel, dass der Rassismus die zentrale Rolle spielte“ für die Wahlerfolge der Nazis.
Eine entscheidende Rolle spielte auch das Militär, so z.B. der Oberkommandierende Armeegeneral Kurt von Hammerstein, der davon überzeugt war, dass Militär und Nazis die gleichen Ziele verfochten, wenn nicht sogar dringlicher. Andere Eliten, wie die Kaisertreuen, die Aristokraten selbst und die Wirtschaftskreise sahen das genauso. Bischof Otto Dibelius stieß ins gleiche antisemitische Horn. Kein Wunder, dass rund ein Drittel aller protestantischen Kirchen sich antisemitisch und pro-NAZI verstanden. Die Katholiken waren etwas gemäßigter, suchten aber ihrerseits Kompromisse mit den NAZIs. Hitler sorgte dafür, dass seine Kohorten die katholische Kirche in Ruhe ließen und antikirchliche Agitation unterblieb. Die Universitäten waren ebenfalls NAZI-nah, die Hälfte aller Studenten votierte für die NAZIs. Insbesondere in den medizinischen und juristischen Fakultäten fanden sie Anklang.
Nach der Machtübernahme gab es kein Halten mehr. Theologen wie Gerhard Kittel predigte, Juden würden das deutsche Volk korrumpieren und müssten von ihren Berufen ausgeschlossen und ausgebürgert werden. NAZI-Kirchenratsmitglieder machten nun über 70% aus. Selbst die Bekennende Kirche konnte sich nicht durchringen den bedrängten Juden zu helfen, wenn sie keine Konvertiten waren. Pastor Niemöller konnte es z.B. selbst 1935 nicht lassen von der Blutschuld der Juden zu faseln. Kein Wunder, dass weniger als die Hälfte ihrer Mitglieder Hitler ablehnten, die Mehrheit also den NAZIs wohlwollend gegenüberstanden. Ein Viertel der SS-Männer war praktizierende Katholiken. Andere Kirchen wie die Methodisten und Mormonen verhielten sich ähnlich NAZI-affin. Einzig die Zeugen Jehovas leisteten aktiven Widerstand.
Der Kristallnacht folgte der Blitzkrieg, die Eroberung von Lebensraum, der Rassismus gegen die Slawen, der Genozid an Juden und Zigeunern, die Endlösung. Weiss meint, der Holocaust sei keine Folge des Krieges, sondern ein Ziel des Krieges mit der höchsten Priorität gewesen, wie auch die Vernichtung der Zigeuner (500,000). In der Vernichtungsmaschine beteiligten sich kroatische, rumänische, ukrainische und ungarische Faschisten, sowie die Faschisten der drei baltischen Länder, die zwischen Russen, Juden und Kommunisten keine Unterschiede machten. Die relativ große jüdische Bevölkerung von Odessa (ca 1/3 der Gesamtbevölkerung) wurde von rumänischen Einheiten ermordet, nicht ohne sie vorher gefoltert und vergewaltigt zu haben.
Während das Bürgertum mehr oder weniger mitmachte, kam Widerstand nur von links, von Kommunisten und Sozialisten. 95% aller Richter waren PGs und nicht ein einziger wurde von ihnen nach dem Kriege belangt. Erst mit der Studentenbewegung in den 60igern wurde die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Nazi-Verbrechen gelenkt. Nazis waren integriert in höchste Regierungsämter, wie General Reinhard Gehlen oder Hans Globke. Gehlen baute den BND auf und empfahl seine Nazi-Kollaborateure z.B. aus der Ukraine an die US-Dienste, die sie prompt gegen den neuen Feind, die SU, einsetzten.

3. Jürgen Elsässer
Für Elsässer war Anfang der 90iger die deutsche Nation eine „kollektive Halluzination“, wo „Blut und Boden“, sowie „Gefühl und Gemüt“ die Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ ersetzt haben. Wegen der Shoah sei in Deutschland keine positive nationale Identität möglich, die eine identifikationsfähige Vergangenheit benötigen würde. Wenn man also eine positive nationale Identität in diesem Deutschland begründen will, meint Elsässer, müsse die deutsche Geschichte vom Holocaust entsorgt, die Geschichte also gereinigt werden, bzw das Dritte Reich zum Betriebsunfall, zur historischen Nebensächlichkeit degradiert werden. Dies sei der Kern des Historikerstreits zwischen Ernst Nolte, Habermas usw gewesen. Ein zweiter Faktor habe die Diskussion um Deutschlands „geografische Mittellage“ beinhaltet, worauf der Kanzler-Kohl-Berater Michael Stürmer hingewiesen habe, indem er sich auf Bismarck bezog, der für Preußen die Situation als Amboss oder Hammer beschrieben hatte. Der US-amerikanische Historiker Harold James schlug angesichts der ökonomischen Schwierigkeiten während der Wiedervereinigung vor, auf die Nation zu setzen, denn nur sie könne das Ende des Kommunismus erträglich machen. Die Nation sei „ein Refugium in einer Welt von Veränderlichkeit und Fluss“. WELT-Chefredakteur Herbert Kremp schlug in diesem Zusammenhang bereits vor, sich auf Osteuropa, „bis in die Tiefen Russlands“ zu orientieren. Der Mann war im September 1990 bereits sehr vorausschauend, so als ob er die Ampel vorausgeahnt hätte. Die Habermassche Gegenposition des Verfassungspatriotismus ist spätestens mit der Ampel obsolet.
Elsässer beschäftigt sich dann mit der schleppenden Verfolgung alter Nazi-Verbrecher und den Erfolgen von Neo-Nazis (NPD, DVU, REP) bei aktuellen Wahlen. Im Unterschied zu rechten Wahlerfolgen in Frankreich oder Italien sieht er bei deutschen Rechten eine Hinwendung zur Vergangenheit, zum Revanchismus. Sodann beschäftigt er sich mit „Antisemitismus ohne reale Juden“, mit dem Zusammenhang zwischen Rassismus und Antisemitismus und mit dem Zusammenhang von Antizionismus und Antisemitismus, wobei er konzediert, dass ca 1/3 der Antizionisten nicht gleichzeitig Antisemiten sein müssen. Als antisemitische Hassobjekte in einigen Mainstreammedien (Spiegel, BILD u.a.) beschreibt er die Fälle von Gysi, Schalck-Golodkowski, Wiesental und Galinski. Meinungsumfragen zeigen einen relativ breiten Resonanzboden für Antisemitismus in Ost und West, wobei es rund um die Wiedervereinigung Unterschiede zu verzeichnen gab. In der offiziellen Außenpolitik gab es ebenfalls eine Differenz in der Sichtweise Israels. Im Außenministerium (Gerhard Schröder/CDU) gab es größere Vorbehalte gegenüber einer Unterstützung israelischer Positionen, was in Augsteins Spiegel auf Beifall stieß, insbesondere in der Frage der Wiedergutmachungszahlungen.
Spezielle Aufmerksamkeit erfährt der Antisemitismus in der Linken. Historisch betrachtet ist der Antisemitismus in der deutschen Linken marginal, als „Sozialismus des dummen Kerls“ eher verharmlosend. Um 1910 schien „die volle Assimilierung der jüdischen Bevölkerungsgruppe nur noch eine Frage von kurzer Zeit“. Der virulente kaiserliche Imperialismus habe den Antisemitismus zeitweilig verdrängt. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts kam es zu der Behauptung in linken Medien (Radio Dreyeckland, autonomer Infoladen) einiger Protagonisten (Professor Dr. Helmut Spehl, Said Dudin) die Juden hätten eine Mitschuld am Holocaust gehabt, und der neuaufkommende Nationalismus habe wie der Imperialismus 80 Jahre vorher ähnlich gewirkt.
Marx habe seine antisemitismusaffinen Bemerkungen in seinen Frühschriften (Zur Judenfrage) im „Kapital“ korrigiert, woraus sich eine Perspektive entwickeln lässt, dass „Antisemitismus als notwendiger Schein von der Warengesellschaft ständig neu erzeugt wird.“ Daher sei auch „das antikapitalistische Ressentiment potentiell“ antisemitisch. Das Gleiche gilt auch für den Nationalismus in der Wendezeit. Der linke Oskar Lafontaine habe das erkannt und deshalb für eine langsamere Gangart bei der Vereinigung plädiert, während die CDU/CSU eine völkisch-nationale Kampagne angezettelt hätte. Elsässer warnt zum Schluss vor den sich freisetzenden Nationen in Osteuropa, die sich schon immer völkisch definiert hätten. Die Barbarei drohe bei den „zu spät gekommenen“ Nationen, die versuchen würden zur DM zu kommen. Von daher sei „das Denken in den Kategorien von Volk und Nation zu denunzieren“.
Günter Langer, Berlin, 18.9.2022

Krim + Völkerrecht


DIE KRIM UND DAS VÖLKERRECHT:  Kühle Ironie der Geschichte
·       VON REINHARD MERKEL
·       -AKTUALISIERT AM 08.04.2014-16:02
·       Russland hat völkerrechtliche Ansprüche der Ukraine verletzt. Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen. Wer am lautesten nach Sanktionen schreit, lenkt nur ab von der eigenen Blamage.
·       Hat Russland die Krim annektiert? Nein. Waren das Referendum auf der Krim und deren Abspaltung von der Ukraine völkerrechtswidrig? Nein. Waren sie also rechtens? Nein; sie verstießen gegen die ukrainische Verfassung (aber das ist keine Frage des Völkerrechts). Hätte aber Russland wegen dieser Verfassungswidrigkeit den Beitritt der Krim nicht ablehnen müssen? Nein; die ukrainische Verfassung bindet Russland nicht. War dessen Handeln also völkerrechtsgemäß? Nein; jedenfalls seine militärische Präsenz auf der Krim außerhalb seiner Pachtgebiete dort war völkerrechtswidrig. Folgt daraus nicht, dass die von dieser Militärpräsenz erst möglich gemachte Abspaltung der Krim null und nichtig war und somit deren nachfolgender Beitritt zu Russland doch nichts anderes als eine maskierte Annexion? Nein.
·       Die offiziellen Bekundungen westlicher Regierungen lauten anders. Glaubt man ihnen, dann hat Russland auf der Krim völkerrechtlich das Gleiche getan wie Saddam Hussein 1991 in Kuweit: fremdes Staatsgebiet militärisch konfisziert und dem eigenen zugeschlagen. Die Annexion damals, man erinnert sich, hat ihrem Urheber einen massiven Militärschlag zugezogen. Wäre ein solcher Schlag, von seiner politischen Unmöglichkeit abgesehen, heute auch gegen Russland gerechtfertigt? Gewiss nicht. Aber das ist nicht der einzige Grund, den regierungsamtlichen Vokativen von Berlin bis Washington zu misstrauen.
·       Sezession, Referendum, Beitritt ist etwas anderes als Annexion
·       „Annexion“ heißt im Völkerrecht die gewaltsame Aneignung von Land gegen den Willen des Staates, dem es zugehört, durch einen anderen Staat. Annexionen verletzen das zwischenstaatliche Gewaltverbot, die Grundnorm der rechtlichen Weltordnung. Regelmäßig geschehen sie im Modus eines „bewaffneten Angriffs“, der schwersten Form zwischenstaatlicher Rechtsverletzungen. Dann lösen sie nach Artikel 51 der UN-Charta Befugnisse zur militärischen Notwehr des Angegriffenen und zur Nothilfe seitens dritter Staaten aus – Erlaubnisse zum Krieg auch ohne Billigung durch den Weltsicherheitsrat. Schon diese Überlegung sollte den freihändigen Umgang mit dem Prädikat „Annexion“ ein wenig disziplinieren. Freilich bietet dessen abstrakte Definition auch allerlei irreführenden Deutungen Raum. Aus einer von ihnen scheint sich das völkerrechtliche Stigma ableiten zu lassen, das der Westen derzeit dem russischen Vorgehen aufdrückt und an dem er die eigene Empörung beglaubigt.
·       Aber das ist Propaganda. Was auf der Krim stattgefunden hat, war etwas anderes: eine Sezession, die Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit, bestätigt von einem Referendum, das die Abspaltung von der Ukraine billigte. Ihm folgte der Antrag auf Beitritt zur Russischen Föderation, den Moskau annahm. Sezession, Referendum und Beitritt schließen eine Annexion aus, und zwar selbst dann, wenn alle drei völkerrechtswidrig gewesen sein sollten. Der Unterschied zur Annexion, den sie markieren, ist ungefähr der zwischen Wegnehmen und Annehmen. Auch wenn ein Geber, hier die De-facto-Regierung der Krim, rechtswidrig handelt, macht er den Annehmenden nicht zum Wegnehmer. Man mag ja die ganze Transaktion aus Rechtsgründen für nichtig halten. Das macht sie dennoch nicht zur Annexion, zur räuberischen Landnahme mittels Gewalt, einem völkerrechtlichen Titel zum Krieg.
       
·       Aber war sie nichtig? Waren ihre drei Elemente – Referendum, Sezession, Beitrittserklärung – völkerrechtswidrig? Nein. Schon auf den ersten Blick ungereimt ist die von der amerikanischen Regierung ausgegebene Behauptung, bereits das Referendum habe gegen das Völkerrecht verstoßen. Veranstaltet ein Teil der Bevölkerung eines Landes unter seinen Mitgliedern ein Plebiszit, so macht ihn das nicht zum Völkerrechtssubjekt. Normen des allgemeinen Völkerrechts, etwa das Verbot, die territoriale Integrität von Staaten anzutasten, betreffen ihn nicht und können von ihm nicht verletzt werden. Die Feststellung reicht über das Referendum auf der Krim hinaus. Auch die Sezessionserklärung selbst verletzt keine völkerrechtliche Norm und könnte dies gar nicht. Sezessionskonflikte sind eine Angelegenheit innerstaatlichen, nicht internationalen Rechts. Diesen Status quo des Völkerrechts hat der Internationale Gerichtshof vor vier Jahren in seinem Rechtsgutachten für die UN-Generalversammlung zur Sezession des Kosovo bestätigt.
·  
Die Logik eines Entweder-oder gilt im Völkerrecht nicht
Nun öffnet sich hier die Möglichkeit für allerlei sinistre Schachzüge im Streit um die passenden Rechtsbegriffe. Sowenig das Völkerrecht ein Verbot der Sezession kennt, so wenig akzeptiert es umgekehrt ein Recht darauf. Es trifft dazu keine Regelung. Die Staaten haben ersichtlich kein Interesse an der positiven Setzung eines Rechtstitels, der die Beschädigung, ja Zerstörung ihrer eigenen Territorien durch sezessionsgeneigte Minderheiten erlauben würde. Und da sie nicht nur die vom Völkerrecht Verpflichteten, sondern auch dessen Urheber sind, gibt es einen solchen Anspruch eben nicht, von eng umschriebenen Ausnahmen abgesehen, die im Fall der Krim nicht einschlägig sind. Die Gemeinschaft der Staaten, so die saloppe Fußnote der Völkerrechtslehre, ist kein Club von Selbstmördern.
Daraus lässt sich im Propagandakrieg etwas machen. Die landläufige Feststellung, das Völkerrecht habe den Krim-Bewohnern kein Recht zur Sezession gewährt, ist ganz richtig. Aber der mitgelieferte Schluss, also sei die Sezession völkerrechtswidrig gewesen, ist falsch. Seine irreführende Wirkung, auf die sich seine Urheber freilich verlassen können, bezieht er aus einer verfehlten Parallele zum innerstaatlichen Recht. Dieses gewährleistet außerhalb seiner konkreten Verbote stets ein prinzipielles Freiheitsrecht. Es erlaubt, was es nicht ausdrücklich untersagt. Deshalb bedeutet in seiner Sphäre die Feststellung, jemand habe ohne Erlaubnis gehandelt, stets zugleich das Verdikt, dieses Handeln sei rechtswidrig gewesen.

Die Logik eines solchen Entweder-oder gilt im Völkerrecht nicht. Es kennt Formen kollektiven Handelns, zu denen es sich neutral verhält. Die Sezession ist ein exemplarischer Fall. Ein allgemeines Verbot ginge ins Leere, da dessen mögliche Adressaten dem Völkerrecht nicht unterworfen sind. Aber eine Erlaubnis dazu wird in etlichen internationalen Dokumenten seit Jahrzehnten verneint. Auch als allgemeines Freiheitsrecht wäre sie völkerrechtlich nicht zu begründen.

Der authentische Wille einer großen Mehrheit der Krim-Bevölkerung
Das dürfte sich der in Brüssel und in Washington verordneten Sprachregelung wie von selbst eingefügt haben. Kein Recht der Krim auf Sezession! Das Referendum ein Bruch des Völkerrechts und daher null und nichtig! Der „Beitritt“ zu Russland nichts anderes als eine Annexion! Eine schöne Ableitung. Nur leider falsch.

Aber die russische Militärpräsenz? Macht sie nicht die ganze Prozedur der Sezession zur Farce? Zum schieren Produkt einer Drohung mit Gewalt? Wäre es so, dann wären Ablauf und Ergebnis des Referendums genauso wie die Erklärung der Unabhängigkeit allein den Drohenden zuzurechnen, auch wenn die Einheimischen mit guter Miene bei der bösen Inszenierung mitspielten. Die Rede von der Annexion wäre dann richtig. So hat Stalin 1940 die baltischen Staaten annektiert. Nach ihrer Besetzung und der Zwangseinrichtung kommunistischer Marionettenparlamente ließ er deren Mitglieder in Moskau um den Anschluss an die Sowjetunion ersuchen, den er freundlich gewährte. Ebendeshalb war ein knappes halbes Jahrhundert später die Ablösung der baltischen Staaten von der späten UdSSR keine Sezession, sondern die Wiederherstellung einer Souveränität, die als Rechtstitel nie erloschen war. Wäre das nicht das passende Modell zur Deutung der Vorgänge auf der Krim?


Nein. Die Zwangswirkung der russischen Militärpräsenz bezog sich weder auf die Erklärung der Unabhängigkeit noch auf das nachfolgende Referendum. Sie sicherte die Möglichkeit des Stattfindens dieser Ereignisse; auf deren Ausgang nahm und hatte sie keinen Einfluss. Adressaten der Gewaltandrohung waren nicht die Bürger oder das Parlament der Krim, sondern die Soldaten der ukrainischen Armee. Was so verhindert wurde, war ein militärisches Eingreifen des Zentralstaats zur Unterbindung der Sezession. Das ist der Grund, warum die russischen Streitkräfte die ukrainischen Kasernen blockiert und nicht etwa die Abstimmungslokale überwacht haben. Natürlich wusste Putin, dass die von ihm gewünschten Resultate sicher waren und keiner erzwungenen Fälschung bedurften. Aber ob er andernfalls sogar dazu bereit gewesen wäre, steht nicht zur Debatte. Bei aller Empörung über das russische Vorgehen ist auch hierzulande nicht ernsthaft bezweifelt worden, dass im Ergebnis des Referendums der authentische Wille einer großen Mehrheit der Krim-Bevölkerung zum Ausdruck kam. Ob die amtlichen Ergebnisse im Einzelnen korrekt waren, ist dafür ohne Belang. Die wirklichen Zahlen lagen jedenfalls weit über der Marke von fünfzig Prozent.
Missachtung der territorialen Integrität
Gleichwohl war die russische Militärpräsenz völkerrechtswidrig. Auch wenn gerade sie einen blutigen Einsatz von Waffengewalt auf der Krim verhindert haben mag, verletzte sie das zwischenstaatliche Interventionsverbot. Das macht die davon ermöglichte Sezession keineswegs nichtig. Aber es berechtigt andere Staaten zu Gegenmaßnahmen, zum Beispiel zu Sanktionen. Deren Verhältnismäßigkeit hat sich allerdings an ihrem tatsächlichen Anlass zu bemessen und nicht an einem fingierten Schreckgespenst: an einer militärischen Nötigung auf fremdem Staatsgebiet also, nicht aber einer gewaltsamen Annexion. Bei aller Überinstrumentierung der eigenen Empörung scheint man das in den westlichen Regierungen immerhin zu fühlen. Man warte nur das künftige Sanktionsregime und vor allem dessen Dauer ab. Viel Geduld wird man dafür nicht brauchen. Und frage sich dann, ob eine solche Antwort auf einen echten gewaltsamen Landraub nicht federleicht erschiene.

Noch eine weitere Völkerrechtsverletzung ist Russland vorzuhalten. Sowenig das allgemeine Völkerrecht Sezessionen verbietet, weil es deren Urheber nicht verpflichten kann, so unzweideutig verlangt es von den anderen Staaten, die dadurch geschaffene Lage nicht oder jedenfalls nicht vor deren politischer Konsolidierung anzuerkennen. Zwei Tage nach dem Referendum, am 18. März, hat Russland das Abkommen zum Beitritt der Krim unterzeichnet. Das dürfte die stärkste Form der Anerkennung eines Sezessionsgebiets als eines unabhängig gewordenen Staates sein. Zwar geht die Frage, ob sich ein unabhängiger Staat einem anderen anschließt, den Rest der Welt so wenig an wie das Völkerrecht. Aber ob das Beitrittsgebiet nach einer vorherigen Sezession als ein solcher Staat anerkannt werden darf, sehr wohl.

Zahllose Probleme, die damit zusammenhängen, sind in der Völkerrechtsdoktrin seit langem umstritten. Über bestimmte Grundlagen besteht aber weitgehend Einigkeit. Danach war die russische Anerkennung der Krim als eines beitrittsfähigen unabhängigen Staates zwei Tage nach ihrer Abspaltung mehr als vorschnell. Sie verletzte, heißt das, den völkerrechtlichen Anspruch der Ukraine auf Achtung ihrer territorialen Integrität. Auch das rechtfertigt internationale Gegenmaßnahmen.
Verwirrung der völkerrechtlichen Grundbegriffe
Freilich müssen sich die empörten westlichen Staaten nun an ihre eigenen Nasen fassen. Vor sechs Jahren, am 17. Februar 2008, erklärte die provisorische Zivilverwaltung im Kosovo dessen Unabhängigkeit vom serbischen Zentralstaat. Das verstieß, wiewohl der Internationale Gerichtshof das zwei Jahre später verneint hat, gegen einschlägiges spezielles Völkerrecht, nämlich die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats vom Juni 1999, die den Kosovo nach der Nato-Intervention unter die Hoheitsgewalt der Vereinten Nationen gestellt und zugleich die Unverletzlichkeit der serbischen Grenzen garantiert hat. Einen Tag nach dieser Sezession haben England, Frankreich und die Vereinigten Staaten, drei Tage später hat Deutschland den Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt.
Auch das waren überhastete Akte der Anerkennung und damit völkerrechtswidrige Eingriffe in den Anspruch Serbiens auf Achtung seiner territorialen Integrität. Damals hat Russland den Westen scharf kritisiert, heute spielt es das gleiche Spiel. Dass dabei die Rollen vertauscht sind, mag man als kühle Ironie einer Weltgeschichte verbuchen, die noch immer den Maximen der politischen Macht weit eher folgt als den Normen des Völkerrechts.
Das ist bedauerlich, aber vorderhand nicht zu ändern. Und das wäre vielleicht ein Grund, die völkerrechtliche Kirche im politischen Dorf zu lassen und immerhin rhetorisch ein wenig abzurüsten. Russland hat völkerrechtswidrig gehandelt, in mäßig dramatischem Modus und politisch keineswegs wie ein hasardierender Gangster. Der nun entstandene Zustand war für die Krim langfristig wohl ohnehin unumgänglich. Und die Form, in der er nun herbeigeführt wurde, mag bei all ihrer Unerfreulichkeit gravierendere Konflikte vermieden haben. Annexionen zwischen Staaten sind dagegen typischerweise Kriegsgründe.
Wer heute mit Blick auf die Krim so redet, verwirrt nicht nur die völkerrechtlichen Grundbegriffe, sondern mobilisiert deren Legitimationspotential auf eine gefährliche Weise. Wenn nicht alle Zeichen trügen, ist der Westen soeben dabei, sich für eine verfehlte Außenpolitik die Quittung einer welthistorischen Blamage zuzuziehen. Er sollte deren Kollateralschäden nicht allzu weit in die Sphäre des Völkerrechts ausdehnen.

History of the Ukraine conflict by Jacques Baud

The military situation in Ukraine, as seen by an ex-member of the Swiss strategic intelligence

Is it possible to actually know what has been and is going on in Ukraine? Jacques Baud is a former member of the Swiss strategic intelligence and specialist in Eastern countries. He takes a fact-driven down-to-earth approach to analyze the conflict and the role the West plays in it.

By

 Contributing Reporter

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April 18, 2022

By Jacques Baud*

RIO DE JANEIRO, BRAZIL –  Part One: The Road To War – For years, from Mali to Afghanistan, I have worked for peace and risked my life for it. It is therefore not a question of justifying war, but of understanding what led us to it. [….]

Let’s try to examine the roots of the [Ukrainian] conflict. It starts with those who for the last eight years have been talking about “separatists” or “independentists” from Donbass. This is a misnomer.

The referendums conducted by the two self-proclaimed Republics of Donetsk and Lugansk in May 2014, were not referendums of “independence” (независимость), as some unscrupulous journalists have claimed, but referendums of “self-determination” or “autonomy” (самостоятельность).

The qualifier “pro-Russian” suggests that Russia was a party to the conflict, which was not the case, and the term “Russian speakers” would have been more honest. Moreover, these referendums were conducted against the advice of Vladimir Putin.

In fact, these Republics were not seeking to separate from Ukraine, but to have a status of autonomy, guaranteeing them the use of the Russian language as an official language–because the first legislative act of the new government resulting from the American-sponsored overthrow of [the democratically-elected] President Yanukovych, was the abolition, on February 23, 2014, of the Kivalov-Kolesnichenko law of 2012 that made Russian an official language in Ukraine.

A bit as if German-speaking ‘putschists’ decided that French and Italian would no longer be official languages in Switzerland.

This decision caused a storm in the Russian-speaking population. The result was fierce repression against the Russian-speaking regions (Odessa, Dnepropetrovsk, Kharkov, Lugansk and Donetsk) which was carried out beginning in February 2014 and led to a militarization of the situation and some horrific massacres of the Russian population (in Odessa and Mariupol, the most notable).

At this stage, too rigid and engrossed in a doctrinaire approach to operations, the Ukrainian general staff subdued the enemy but without managing to actually prevail. The war waged by the autonomists [consisted in].… highly mobile operations conducted with light means. With a more flexible and less doctrinaire approach, the rebels were able to exploit the inertia of Ukrainian forces to repeatedly “trap” them.

In 2014, when I was at NATO, I was responsible for the fight against the proliferation of small arms, and we were trying to detect Russian arms deliveries to the rebels, to see if Moscow was involved.

The information we received then came almost entirely from Polish intelligence services and did not “fit” with the information coming from the OSCE [Organization for Security and Co-operation in Europe]—and despite rather crude allegations, there were no deliveries of weapons and military equipment from Russia.

The rebels were armed thanks to the defection of Russian-speaking Ukrainian units that went over to the rebel side. As Ukrainian failures continued, tank, artillery, and anti-aircraft battalions swelled the ranks of the autonomists. This is what pushed the Ukrainians to commit to the Minsk Agreements.

But just after signing the Minsk 1 Agreements, the Ukrainian President Petro Poroshenko launched a massive “anti-terrorist operation” (ATO/Антитерористична операція) against the Donbass.

Poorly advised by NATO officers, the Ukrainians suffered a crushing defeat in Debaltsevo, which forced them to engage in the Minsk 2 Agreements.

It is essential to recall here that Minsk 1 (September 2014) and Minsk 2 (February 2015) Agreements did not provide for the separation or independence of the Republics, but their autonomy within the framework of Ukraine.

Those who have read the Agreements (there are very few who actually have) will note that it is written that the status of the Republics was to be negotiated between Kiev and the representatives of the Republics, for an internal solution within Ukraine.

That is why since 2014, Russia has systematically demanded the implementation of the Minsk Agreements while refusing to be a party to the negotiations, because it was an internal matter of Ukraine.

On the other side, the West—led by France—systematically tried to replace Minsk Agreements with the “Normandy format,” which put Russians and Ukrainians face-to-face. However, let us remember that there were never any Russian troops in the Donbass before 23-24 February 2022.

Moreover, OSCE observers have never observed the slightest trace of Russian units operating in the Donbass before then. For example, the U.S. intelligence map published by the Washington Post on December 3, 2021 does not show Russian troops in the Donbass.

In October 2015, Vasyl Hrytsak, director of the Ukrainian Security Service (SBU), confessed that only 56 Russian fighters had been observed in the Donbass. This was exactly comparable to the Swiss who went to fight in Bosnia on weekends, in the 1990s, or the French who go to fight in Ukraine today.

The Ukrainian army was then in a deplorable state. In October 2018, after four years of war, the chief Ukrainian military prosecutor, Anatoly Matios, stated that Ukraine had lost 2,700 men in the Donbass: 891 from illnesses, 318 from road accidents, 177 from other accidents, 175 from poisonings (alcohol, drugs), 172 from careless handling of weapons, 101 from breaches of security regulations, 228 from murders and 615 from suicides.

In fact, the Ukrainian army was undermined by the corruption of its cadres and no longer enjoyed the support of the population. According to a British Home Office report, in the March/April 2014 recall of reservists, 70 percent did not show up for the first session, 80 percent for the second, 90 percent for the third, and 95 percent for the fourth.

In October/November 2017, 70% of conscripts did not show up for the “Fall 2017” recall campaign. This is not counting suicides and desertions (often over to the autonomists), which reached up to 30 percent of the workforce in the ATO area. Young Ukrainians refused to go and fight in the Donbass and preferred emigration, which also explains, at least partially, the demographic deficit of the country.

The Ukrainian Ministry of Defense then turned to NATO to help make its armed forces more “attractive.” Having already worked on similar projects within the framework of the United Nations, I was asked by NATO to participate in a program to restore the image of the Ukrainian armed forces. But this is a long-term process and the Ukrainians wanted to move quickly.

So, to compensate for the lack of soldiers, the Ukrainian government resorted to paramilitary militias…. In 2020, they constituted about 40 percent of the Ukrainian forces and numbered about 102,000 men, according to Reuters. They were armed, financed, and trained by the United States, Great Britain, Canada, and France. There were more than 19 nationalities.

These militias had been operating in the Donbass since 2014, with Western support. Even if one can argue about the term “Nazi,” the fact remains that these militias are violent, convey a nauseating ideology, and are virulently anti-Semitic…[and] are composed of fanatical and brutal individuals.

The best known of these is the Azov Regiment, whose emblem is reminiscent of the 2nd SS Das Reich Panzer Division, which is revered in the Ukraine for liberating Kharkov from the Soviets in 1943, before carrying out the 1944 Oradour-sur-Glane massacre in France. [….]

The characterization of the Ukrainian paramilitaries as “Nazis” or “neo-Nazis” is considered Russian propaganda. But that’s not the view of the Times of Israel or the West Point Academy’s Center for Counterterrorism. In 2014, Newsweek magazine seemed to associate them more with… the Islamic State. Take your pick!

So, the West supported and continued to arm militias that have been guilty of numerous crimes against civilian populations since 2014: rape, torture, and massacres….

The integration of these paramilitary forces into the Ukrainian National Guard was not at all accompanied by a “denazification,” as some claim. Among the many examples, that of the Azov Regiment’s insignia is instructive:

In 2022, very schematically, the Ukrainian armed forces fighting the Russian offensive were organized as:

  • The Army, subordinated to the Ministry of Defense. It is organized into 3 army corps and composed of maneuver formations (tanks, heavy artillery, missiles, etc.).
  • The National Guard, which depends on the Ministry of the Interior and is organized into 5 territorial commands.
  • The National Guard is therefore a territorial defense force that is not part of the Ukrainian army. It includes paramilitary militias, called “volunteer battalions” (добровольчі батальйоні), also known by the evocative name of “reprisal battalions,” and composed of infantry. Primarily trained for urban combat, they now defend cities such as Kharkov, Mariupol, Odessa, Kiev, etc.

PART TWO: THE WAR

As a former head of analysis of Warsaw Pact forces in the Swiss strategic intelligence service, I observe with sadness—but not astonishment—that our services are no longer able to understand the military situation in Ukraine. The self-proclaimed “experts” who parade on our TV screens tirelessly relay the same information modulated by the claim that Russia—and Vladimir Putin—is irrational. Let’s take a step back.

  • The Outbreak Of War
  • Since November 2021, the Americans have been constantly threatening a Russian invasion of Ukraine. However, the Ukrainians at first did not seem to agree. Why not?
  • We have to go back to March 24, 2021. On that day, Volodymyr Zelensky issued a decree for the recapture of the Crimea, and began to deploy his forces to the south of the country.
  • At the same time, several NATO exercises were conducted between the Black Sea and the Baltic Sea, accompanied by a significant increase in reconnaissance flights along the Russian border. Russia then conducted several exercises to test the operational readiness of its troops and to show that it was following the evolution of the situation.
  • Things calmed down until October-November with the end of the ZAPAD 21 exercises, whose troop movements were interpreted as a reinforcement for an offensive against Ukraine. However, even the Ukrainian authorities refuted the idea of Russian preparations for war, and Oleksiy Reznikov, Ukrainian Minister of Defense, states that there had been no change on its border since the spring.
  • In violation of the Minsk Agreements, Ukraine was conducting air operations in Donbass using drones, including at least one strike against a fuel depot in Donetsk in October 2021. The American press noted this, but not the Europeans, and no one condemned these violations.
  • In February 2022, events came to a head. On February 7, during his visit to Moscow, Emmanuel Macron reaffirmed to Vladimir Putin his commitment to the Minsk Agreements, a commitment he would repeat after his meeting with Volodymyr Zelensky the next day.
  • But on February 11, in Berlin, after nine hours of work, the meeting of political advisors to the leaders of the “Normandy format” ended without any concrete result: the Ukrainians still refused to apply the Minsk Agreements, apparently under pressure from the United States.
  • Vladimir Putin noted that Macron had made empty promises and that the West was not ready to enforce the agreements, the same opposition to a settlement it had exhibited for eight years.
  • Ukrainian preparations in the contact zone continued. The Russian Parliament became alarmed; and on February 15 it asked Vladimir Putin to recognize the independence of the Republics, which he initially refused to do.
  • On 17 February, President Joe Biden announced that Russia would attack Ukraine in the next few days. How did he know this? It is a mystery.
  • But since the 16th, the artillery shelling of the population of Donbass had increased dramatically, as the daily reports of the OSCE observers show. Naturally, neither the media, nor the European Union, nor NATO, nor any Western government reacted or intervened.
  • It would be said later that this was Russian disinformation. In fact, it seems that the European Union and some countries have deliberately kept silent about the massacre of the Donbass population, knowing that this would provoke Russian intervention.
  • At the same time, there were reports of sabotage in the Donbass. On 18 January, Donbass fighters intercepted saboteurs, who spoke Polish and were equipped with Western equipment, and who were seeking to create chemical incidents in Gorlivka.
  • They could have been CIA mercenaries, led or “advised” by Americans and composed of Ukrainian or European fighters, to carry out sabotage actions in the Donbass Republics.
  • In fact, as early as February 16, Joe Biden knew that the Ukrainians had begun intense shelling of the civilian population of Donbass, forcing Vladimir Putin to make a difficult choice: to help Donbass militarily and create an international problem or to stand by and watch the Russian-speaking people of Donbass being crushed.
  • If he decided to intervene, Putin could invoke the international obligation of “Responsibility To Protect” (R2P). But he knew that whatever its nature or scale, the intervention would trigger a storm of sanctions.
  • Therefore, whether the Russian intervention was limited to the Donbass or went further to put pressure on the West over the status of Ukraine, the price to pay would be the same.
  • This is what he explained in his speech on February 21. On that day, he agreed to the request of the Duma and recognized the independence of the two Donbass Republics, and, at the same time, he signed friendship and assistance treaties with them.
  • The Ukrainian artillery bombardment of the Donbass population continued, and, on 23 February, the two Republics asked for military assistance from Russia. On 24 February, Vladimir Putin invoked Article 51 of the United Nations Charter, which provides for mutual military assistance in the framework of a defensive alliance.

In order to make the Russian intervention seem totally illegal in the eyes of the public, Western powers deliberately hid the fact that the war actually started on February 16. The Ukrainian army was preparing to attack the Donbass as early as 2021, as some Russian and European intelligence services were well aware.

In his speech on February 24, Vladimir Putin stated the two objectives of his operation: “demilitarize” and “denazify” Ukraine. So, it was not a question of taking over Ukraine, nor even, presumably, of occupying it; and certainly not of destroying it.

From then on, our knowledge of the course of the operation is limited: the Russians have excellent security for their operations (OPSEC) and the details of their planning are not known. But fairly quickly, the course of the operation allows us to understand how the strategic objectives were translated on the operational level.

Demilitarization:

  • ground destruction of Ukrainian aviation, air defense systems and reconnaissance assets;
  • neutralization of command and intelligence structures (C3I), as well as the main logistical routes in the depth of the territory;
  • encirclement of the bulk of the Ukrainian army massed in the southeast of the country.
    Denazification;
  • destruction or neutralization of volunteer battalions operating in the cities of Odessa, Kharkov, and Mariupol, as well as in various facilities in the territory.

Demilitarization

The Russian offensive was carried out in a very “classic” manner. Initially—as the Israelis had done in 1967—with the destruction on the ground of the air force in the very first hours.

Then, we witnessed a simultaneous progression along several axes according to the principle of “flowing water”: advance everywhere where resistance was weak and leave the cities (very demanding in terms of troops) for later.

In the north, the Chernobyl power plant was occupied immediately to prevent acts of sabotage. The images of Ukrainian and Russian soldiers guarding the plant together are of course not shown.

The idea that Russia is trying to take over Kiev, the capital, to eliminate Zelensky, comes typically from the West…. But Vladimir Putin never intended to shoot or topple Zelensky. Instead, Russia seeks to keep him in power by pushing him to negotiate, by surrounding Kiev. The Russians want to obtain the neutrality of Ukraine.

Many Western commentators were surprised that the Russians continued to seek a negotiated solution while conducting military operations. The explanation lies in the Russian strategic outlook since the Soviet era.

For the West, war begins when politics ends. However, the Russian approach follows a Clausewitzian inspiration: war is the continuity of politics and one can move fluidly from one to the other, even during combat. This allows one to create pressure on the adversary and push him to negotiate.

From an operational point of view, the Russian offensive was an example of previous military action and planning: in six days, the Russians seized a territory as large as the United Kingdom, with a speed of advance greater than what the Wehrmacht had achieved in 1940.

The bulk of the Ukrainian army was deployed in the south of the country in preparation for a major operation against the Donbass. This is why Russian forces were able to encircle it from the beginning of March in the “cauldron” between Slavyansk, Kramatorsk and Severodonetsk, with a thrust from the East through Kharkov and another from the South from Crimea. Troops from the Donetsk (DPR) and Lugansk (LPR) Republics are complementing the Russian forces with a push from the East.

At this stage, Russian forces are slowly tightening the noose, but are no longer under any time pressure or schedule. Their demilitarization goal is all but achieved and the remaining Ukrainian forces no longer have an operational and strategic command structure.

The “slowdown” that our “experts” attribute to poor logistics is only the consequence of having achieved their objectives. Russia does not want to engage in the occupation of the entire Ukrainian territory. In fact, it appears that Russia is trying to limit its advance to the linguistic border of the country.

Our media speak of indiscriminate bombardments against the civilian population, especially in Kharkov, and horrific images are widely broadcast. However, Gonzalo Lira, a Latin American correspondent who lives there, presents us with a calm city on March 10 and March 11.

It is true that it is a large city and we do not see everything—but this seems to indicate that we are not in the total war that we are served continuously on our TV screens. As for the Donbass Republics, they have “liberated” their own territories and are fighting in the city of Mariupol.

Denazification

In cities like Kharkov, Mariupol and Odessa, the Ukrainian defense is provided by the paramilitary militias. They know that the objective of “denazification” is aimed primarily at them. For an attacker in an urbanized area, civilians are a problem. This is why Russia is seeking to create humanitarian corridors to empty cities of civilians and leave only the militias, to fight them more easily.

Conversely, these militias seek to keep civilians in the cities from evacuating in order to dissuade the Russian army from fighting there. This is why they are reluctant to implement these corridors and do everything to ensure that Russian efforts are unsuccessful—they use the civilian population as “human shields.”

Videos showing civilians trying to leave Mariupol and beaten up by fighters of the Azov regiment are of course carefully censored by the Western media.

On Facebook, the Azov group was considered in the same category as the Islamic State [ISIS] and subject to the platform’s “policy on dangerous individuals and organizations.” It was therefore forbidden to glorify its activities, and “posts” that were favorable to it were systematically banned.

But on February 24, Facebook changed its policy and allowed posts favorable to the militia. In the same spirit, in March, the platform authorized, in the former Eastern countries, calls for the murder of Russian soldiers and leaders. So much for the values that inspire our leaders.

Our media propagate a romantic image of popular resistance by the Ukrainian people. It is this image that led the European Union to finance the distribution of arms to the civilian population. In my capacity as head of peacekeeping at the UN, I worked on the issue of civilian protection. We found that violence against civilians occurred in very specific contexts. In particular, when weapons are abundant and there are no command structures.

These command structures are the essence of armies: their function is to channel the use of force towards an objective. By arming citizens in a haphazard manner, as is currently the case, the EU is turning them into combatants, with the consequential effect of making them potential targets.

Moreover, without command, without operational goals, the distribution of arms leads inevitably to the settling of scores, banditry, and actions that are more deadly than effective.

War becomes a matter of emotions. Force becomes violence. This is what happened in Tawarga (Libya) from 11 to 13 August 2011, where 30,000 black Africans were massacred with weapons parachuted (illegally) by France. By the way, the British Royal Institute for Strategic Studies (RUSI) does not see any added value in these arms deliveries.

Moreover, by delivering arms to a country at war, one exposes oneself to being considered belligerent. The Russian strikes of March 13, 2022, against the Mykolayev air base follow Russian warnings that arms shipments would be treated as hostile targets.

The EU is repeating the disastrous experience of the Third Reich in the final hours of the Battle of Berlin. War must be left to the military and when one side has lost, it must be admitted.

And if there is to be resistance, it must be led and structured. But we are doing exactly the opposite—we are pushing citizens to go and fight, and at the same time, Facebook authorizes calls for the murder of Russian soldiers and leaders.

Some intelligence services see this irresponsible decision as a way to use the Ukrainian population as cannon fodder to fight Vladimir Putin’s Russia…. It would have been better to engage in negotiations and thus obtain guarantees for the civilian population than to add fuel to the fire. It is easy to be combative with the blood of others.

THE MATERNITY HOSPITAL AT MARIUPOL

It is important to understand beforehand that it is not the Ukrainian army that is defending Mariupol, but the Azov militia, composed of foreign mercenaries.

In its March 7, 2022 summary of the situation, the Russian UN mission in New York stated that “Residents report that Ukrainian armed forces expelled staff from the Mariupol city birth hospital No. 1 and set up a firing post inside the facility.”

On March 8, the independent Russian media Lenta.ru, published the testimony of civilians from Mariupol who told that the maternity hospital was taken over by the militia of the Azov regiment, and who drove out the civilian occupants by threatening them with their weapons. They confirmed the statements of the Russian ambassador a few hours earlier. The hospital in Mariupol occupies a dominant position, perfectly suited for the installation of anti-tank weapons and for observation.

On 9 March, Russian forces struck the building. According to CNN, 17 people were wounded, but the images do not show any casualties in the building and there is no evidence that the victims mentioned are related to this strike. There is talk of children, but in reality, there is nothing. This does not prevent the leaders of the EU from seeing this as a war crime. And this allows Zelensky to call for a no-fly zone over Ukraine.

In reality, we do not know exactly what happened. But the sequence of events tends to confirm that Russian forces struck a position of the Azov regiment and that the maternity ward was then free of civilians.

The problem is that the paramilitary militias that defend the cities are encouraged by the international community not to respect the rules of war.

It seems that the Ukrainians have replayed the scenario of the Kuwait City maternity hospital in 1990, which was totally staged by the firm Hill & Knowlton for US$10.7 million in order to convince the United Nations Security Council to intervene in Iraq for Operation Desert Shield/Storm.

Western politicians have accepted civilian strikes in the Donbass for eight years without adopting any sanctions against the Ukrainian government. We have long since entered a dynamic where Western politicians have agreed to sacrifice international law toward their goal of weakening Russia.

Part Three: Conclusions

As an ex-intelligence professional, the first thing that strikes me is the total absence of Western intelligence services in accurately representing the situation over the past year…. In fact, it seems that throughout the Western world intelligence services have been overwhelmed by the politicians.

The problem is that it is the politicians who decide—the best intelligence service in the world is useless if the decision-maker does not listen. This is what happened during this crisis.

That said, while a few intelligence services had a very accurate and rational picture of the situation, others clearly had the same picture as that propagated by our media… The problem is that, from experience, I have found them to be extremely bad at the analytical level—doctrinaire, they lack the intellectual and political independence necessary to assess a situation with military “quality.”

Second, it seems that in some European countries, politicians have deliberately responded ideologically to the situation. That is why this crisis has been irrational from the beginning. It should be noted that all the documents that were presented to the public during this crisis were presented by politicians based on commercial sources.

Some Western politicians obviously wanted there to be a conflict. In the United States, the attack scenarios presented by Anthony Blinken to the UN Security Council were only the product of the imagination of a Tiger Team working for him—he did exactly as Donald Rumsfeld did in 2002, who “bypassed” the CIA and other intelligence services that were much less assertive about Iraqi chemical weapons.

The dramatic developments we are witnessing today have causes that we knew about but refused to see:

  • on the strategic level, the expansion of NATO (which we have not dealt with here);
  • on the political level, the Western refusal to implement the Minsk Agreements;and
  • operationally, the continuous and repeated attacks on the civilian population of the Donbass over the past years and the dramatic increase in late February 2022.

In other words, we can naturally deplore and condemn the Russian attack. But WE (that is: the United States, France and the European Union in the lead) have created the conditions for a conflict to break out.

We show compassion for the Ukrainian people and the almost 5 million refugees. That is fine. But if we had had a modicum of compassion for refugees from the Ukrainian populations of Donbass massacred by their own government and who sought refuge in Russia for eight years, none of this would probably have happened.

[….]

Whether the term “genocide” applies to the abuses suffered by the people of Donbass is an open question. The term is generally reserved for cases of greater magnitude (Holocaust, etc.). But the definition given by the Genocide Convention is probably broad enough to apply to this case.

Clearly, this conflict has led us into hysteria. Sanctions seem to have become the preferred tool of our foreign policies. If we had insisted that Ukraine abide by the Minsk Agreements, which we had negotiated and endorsed, none of this would have happened.

Vladimir Putin’s condemnation is also ours. There is no point in whining afterward—we should have acted earlier. However, neither Emmanuel Macron (as guarantor and member of the UN Security Council), nor Olaf Scholz, nor Volodymyr Zelensky have respected their commitments. In the end, the real defeat is that of those who have no voice.

The European Union was unable to promote the implementation of the Minsk agreements—on the contrary, it did not react when Ukraine was bombing its own population in the Donbass.

Had it done so, Vladimir Putin would not have needed to react. Absent from the diplomatic phase, the EU distinguished itself by fueling the conflict. On February 27, the Ukrainian government agreed to enter into negotiations with Russia.

But a few hours later, the European Union voted a budget of 450 million euros to supply arms to Ukraine, adding fuel to the fire. From then on, the Ukrainians felt that they did not need to reach an agreement.

The resistance of the Azov militia in Mariupol even led to a boost of 500 million euros for weapons.

In Ukraine, with the blessing of the Western countries, those who are in favor of negotiation have been eliminated. This is the case of Denis Kireyev, one of the Ukrainian negotiators, assassinated on March 5 by the Ukrainian secret service (SBU) because he was too favorable to Russia and was considered a traitor.

The same fate befell Dmitry Demyanenko, former deputy head of the SBU’s main directorate for Kiev and its region, who was assassinated on March 10 because he was too favorable to an agreement with Russia—he was shot by the Mirotvorets (“Peacemaker”) militia.

This militia is associated with the Mirotvorets website, which lists the “enemies of Ukraine,” with their personal data, addresses, and telephone numbers so that they can be harassed or even eliminated; a practice that is punishable in many countries, but not in the Ukraine.

The UN and some European countries have demanded the closure of this site—but that demand was refused by the Rada [Ukrainian parliament].

In the end, the price will be high, but Vladimir Putin will likely achieve the goals he set for himself. We have pushed him into the arms of China. His ties with Beijing have solidified.

China is emerging as a mediator in the conflict…. The Americans have to ask Venezuela and Iran for oil to get out of the energy impasse they have put themselves in—and the United States has to piteously backtrack on the sanctions imposed on its enemies.

Western ministers who seek to collapse the Russian economy and make the Russian people suffer, or even call for the assassination of Putin, show (even if they have partially reversed the form of their words, but not the substance!) that our leaders are no better than those we hate—sanctioning Russian athletes in the Para-Olympic Games or Russian artists has nothing to do with fighting Putin. [….]

What makes the conflict in Ukraine more blameworthy than our wars in Iraq, Afghanistan or Libya? What sanctions have we adopted against those who deliberately lied to the international community in order to wage unjust, unjustified, and murderous wars?

Have we adopted a single sanction against the countries, companies, or politicians who are supplying weapons to the conflict in Yemen, considered to be the “worst humanitarian disaster in the world?”

To ask the question is to answer it… and the answer is not pretty.

*Jacques Baud is a former colonel of the General Staff, ex-member of the Swiss strategic intelligence, and specialist on Eastern countries.

He was trained in the American and British intelligence services. He has served as Policy Chief for United Nations Peace Operations. As a UN expert on rule of law and security institutions, he designed and led the first multidimensional UN intelligence unit in Sudan.

He has worked for the African Union and was for 5 years responsible for the fight, at NATO, against the proliferation of small arms. He was involved in discussions with the highest Russian military and intelligence officials just after the fall of the USSR.

Within NATO, he followed the 2014 Ukrainian crisis and later participated in programs to assist the Ukraine.

He is the author of several books on intelligence, war and terrorism, in particular Le Détournement published by SIGEST, Gouverner par les fake news , L’affaire Navalny . His latest book is Poutine, maître du jeu? published by Max Milo.

This post is mirrored. You can find the original in French here


Ukraine – Interview mit Generalmajor Baud

«Die Politik der USA war es immer, zu verhindern, dass Deutschland und Russland enger zusammenarbeiten»

05.04.22 – Thomas Kaiser für Zeitgeschehen im Fokus – Pressenza Zürich

Dieser Artikel ist auch auf Englisch verfügbar

Interview mit Jacques Baud* über die historischen, politischen und wirtschaftlichen Hintergründe des Ukraine-Kriegs.

*Jacques Baud hat einen Master in Ökonometrie und ein Nachdiplomstudium in internationaler Sicherheit am Hochschulinstitut für internationale Beziehungen in Genf absolviert und war Oberst der Schweizer Armee. Er arbeitete für den Schweizerischen Strategischen Nachrichtendienst und war Berater für die Sicherheit der Flüchtlingslager in Ost-Zaire während des Ruanda-Krieges (UNHCR-Zaire/Kongo, 1995-1996). Er arbeitete für das DPKO (Departement of Peacekeeping Operations) der Vereinten Nationen in New York (1997-99), gründete das Internationale Zentrum für Humanitäre Minenräumung in Genf (CIGHD) und das Informationsmanagementsystem für Minenräumung (IMSMA). Er trug zur Einführung des Konzepts der nachrichtendienstlichen Aufklärung in Uno-Friedenseinsätzen bei und leitete das erste integrierte UN Joint Mission Analysis Centre (JMAC) im Sudan (2005-06). Er war Leiter der Abteilung «Friedenspolitik und Doktrin» des Uno-Departements für friedenserhaltende Operationen in New York (2009-11) und der Uno-Expertengruppe für die Reform des Sicherheitssektors und die Rechtsstaatlichkeit, arbeitete in der Nato und ist Autor mehrerer Bücher über Nachrichtendienste, asymmetrische Kriegsführung, Terrorismus und Desinformation.

Zeitgeschehen im Fokus: Herr Baud, Sie kennen die Region, in der im Moment Krieg herrscht. Welche Schlüsse haben Sie aus den letzten Tagen gezogen, und wie konnte es so weit kommen?

Jacques Baud: Ich kenne die Region, um die es jetzt geht, sehr gut. Ich war beim EDA [Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten] und in dessen Auftrag fünf Jahre abkommandiert zur Nato im Kampf gegen die Proliferation von Kleinwaffen. Ich habe Projekte in der Ukraine nach 2014 betreut. Das heisst, ich kenne Russland auf Grund meiner ehemaligen nachrichtendienstlichen Tätigkeit, die Nato, die Ukraine und das dazugehörige Umfeld sehr gut. Ich spreche russisch und habe Zugang zu Dokumenten, die nur wenige Menschen im Westen anschauen.

Sie sind ein Kenner der Situation in und um die Ukraine. Ihre berufliche Tätigkeit brachte Sie in die aktuelle Krisenregion. Wie nehmen Sie das Geschehen wahr?

Es ist verrückt, man kann sagen, es herrscht eine regelrechte Hysterie. Was mir auffällt und was mich sehr stört, ist, dass niemand die Frage stellt, warum die Russen einmarschiert sind. Niemand wird einen Krieg befürworten, ich sicher auch nicht. Aber als ehemaliger Chef der «Friedenspolitik und Doktrin» des Uno-Departements für friedenserhaltende Operationen in New York während zwei Jahren stelle ich mir immer die Frage: Wie ist man zu diesem Punkt gekommen, Krieg zu führen?

Was war Ihre Aufgabe dort?

Es ging darum zu erforschen, wie es zu Kriegen kommt, welche Elemente zu Frieden führen, und was man tun kann, um Opfer zu vermeiden bzw. wie man einen Krieg verhindern kann. Wenn man nicht versteht, wie ein Krieg entsteht, dann kann man keine Lösung finden. Wir sind genau in dieser Situation. Jedes Land erlässt seine eigenen Sanktionen gegen Russland, und man weiss genau, das führt nirgends hin. Was mich dabei besonders schockiert hat, ist die Äusserung des Wirtschaftsministers in Frankreich, man wolle die Wirtschaft Russlands zerstören mit dem Ziel, die russische Bevölkerung leiden zu lassen. Das ist eine Aussage, die mich äusserst empört.

Russlands Ziel der Entmilitarisierung und Entnazifizierung

Wie beurteilen Sie den Angriff der Russen?

Wenn ein Staat einen anderen angreift, dann ist das gegen das Völkerrecht. Aber man sollte auch die Hintergründe dafür ins Auge fassen. Zunächst muss klargestellt werden, dass Putin weder verrückt ist noch die Realität verloren hat. Er ist ein Mensch, der sehr methodisch, systematisch, also sehr russisch ist. Ich bin der Meinung, dass er sich der Konsequenzen seines Handelns in der Ukraine bewusst ist. Er hat – offensichtlich zu Recht – beurteilt, dass egal, ob er eine «kleine» Operation zum Schutz der Donbas-Bevölkerung oder eine «massive» Operation zugunsten der nationalen Interessen Russlands und der Donbas-Bevölkerung durchführte, die Konsequenzen gleich sein würden. Er ist dann auf die Maximallösung gegangen.

Worin sehen Sie das Ziel?

Es ist sicher nicht gegen die ukrainische Bevölkerung gerichtet. Das wurde von Putin immer wieder gesagt. Man sieht es auch an den Fakten. Russland liefert immer noch Gas in die Ukraine. Die Russen haben das nicht gestoppt. Sie haben das Internet nicht abgestellt. Sie haben die Elektrizitätswerke und die Wasserversorgung nicht zerstört. Natürlich gibt es gewisse Gebiete, in denen gekämpft wird. Aber man sieht einen ganz anderen Ansatz als bei den Amerikanern z. B. in Ex-Jugoslawien, im Irak oder auch in Libyen. Als westliche Länder diese angriffen, zerstörten sie zuerst die Strom- und Wasserversorgung und die gesamte Infrastruktur.

Warum geht der Westen so vor?

Das Vorgehen der westlichen Länder – es ist auch interessant, das von der Einsatzdoktrin her zu sehen – wird genährt von der Idee, dass es, wenn man die Infrastruktur zerstört, von der Bevölkerung einen Aufstand gegen den missliebigen Diktator geben wird und man ihn so los wird. Das war auch die Strategie während des Zweiten Weltkriegs, als man die deutschen Städte bombardiert hat wie Köln, Berlin, Hamburg, Dresden etc. Man hat direkt auf die Zivilbevölkerung gezielt, damit es zu einem Aufstand kommt. Die Regierung verliert durch einen Aufstand ihre Macht, und man hat den Krieg gewonnen, ohne eigene Truppen zu gefährden. Das ist die Theorie.

Wie ist das Vorgehen der Russen?

Das ist völlig anders. Sie haben ihr Ziel klar bekannt gegeben. Sie wollen eine «Entmilitarisierung» und «Entnazifizierung». Wenn man die Berichterstattung ehrlich verfolgt, ist es genau das, was sie machen. Natürlich, ein Krieg ist ein Krieg, und bedauerlicherweise gibt es dabei immer Tote, aber es ist interessant zu sehen, was die Zahlen sagen. Am Freitag (4.3.) zog die Uno eine Bilanz. Sie berichtete von 265 getöteten ukrainischen Zivilisten. Am Abend hat das russische Verteidigungsministerium die Anzahl der toten Soldaten mit 498 angegeben. Das heisst, es gibt mehr Opfer beim russischen Militär als unter den Zivilisten auf der ukrainischen Seite. Wenn man das jetzt mit Irak oder Libyen vergleicht, dann ist es bei der westlichen Kriegsführung genau umgekehrt.

Das widerspricht der Darstellung im Westen?

Ja, in unseren Medien wird es so dargestellt, dass die Russen alles zerstören würden, aber das stimmt offensichtlich nicht. Auch stört mich die Darstellung in unseren Medien über Putin, dass er plötzlich entschieden habe, die Ukraine anzugreifen und zu erobern. Die USA haben über mehrere Monate gewarnt, es werde einen Überraschungsangriff geben, aber es geschah nichts. Übrigens, Nachrichtendienste und die ukrainische Führung haben mehrmals die amerikanischen Aussagen dementiert. Wenn man die militärischen Meldungen anschaut und die Vorbereitungen, dann sieht man ziemlich klar: Putin hatte bis Mitte Februar keine Absicht, die Ukraine anzugreifen.

Warum hat sich das geändert? Was ist geschehen?

Dazu muss man ein paar Dinge wissen, sonst versteht man das nicht. Am 24. März 2021 hat der ukrainische Präsident Selenskyj ein Dekret erlassen, dass er die Zurückeroberung der Krim beabsichtigt. Daraufhin begann er, die ukrainische Armee nach Süden und Südosten zu verschieben, in Richtung Donbas. Seit einem Jahr also hat man einen ständigen Aufbau der Armee an der südlichen Grenze der Ukraine. Das erklärt, warum Ende Februar keine ukrainischen Truppen an der russisch-ukrainischen Grenze waren. Selenskyj hat immer den Standpunkt vertreten, dass die Russen die Ukraine nicht angreifen werden. Auch der ukrainische Verteidigungsminister hat das immer wieder bestätigt. Ebenso bestätigte der Chef des ukrainischen Sicherheitsrats im Dezember und im Januar, dass es keine Anzeichen für einen russischen Angriff auf die Ukraine gebe.

War das ein Trick?

Nein, sie sagten das mehrmals, und ich bin sicher, dass Putin, der das übrigens auch wiederholt sagte, nicht angreifen wollte. Offenbar gab es Druck aus den USA.
Die USA haben an der Ukraine selbst wenig Interesse. Zum jetzigen Zeitpunkt wollten sie den Druck auf Deutschland erhöhen, North-Stream II abzustellen. Sie wollten, dass die Ukraine Russland provoziert und dass, wenn Russland darauf reagiert, North-Stream II auf Eis gelegt wird. Ein solches Szenario wurde anlässlich des Besuches von Olaf Scholz in Washington angetönt, und Scholz wollte klar nicht mitmachen. Das ist nicht nur meine Meinung, es gibt auch Amerikaner, die das so sehen: Das Ziel ist North-Stream II. Dabei darf man nicht vergessen, dass North-Stream II auf Anfrage der Deutschen gebaut worden ist. Es ist grundsätzlich ein deutsches Projekt. Denn Deutschland braucht mehr Gas, um seine Energie- und Klimaziele zu erreichen.

In einem Nuklear-Krieg wäre Europa das Schlachtfeld

Warum haben die USA darauf gedrängt?

Seit dem Zweiten Weltkrieg war es immer die Politik der USA, zu verhindern, dass Deutschland und Russland bzw. die UdSSR enger zusammenarbeiten. Das, obwohl die Deutschen eine historische Angst vor den Russen haben. Aber das sind die beiden grössten Mächte Europas. Historisch gesehen gab es immer wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Das haben die USA immer versucht zu verhindern. Man darf nicht vergessen, dass in einem Nuklear-Krieg Europa das Schlachtfeld wäre. Das heisst, dass in so einem Fall die Interessen Europas und der Vereinigten Staaten nicht unbedingt dieselben wären. Das erklärt, warum in den 1980er Jahren die Sowjetunion pazifistische Bewegungen in Deutschland unterstützt hat. Eine engere Beziehung zwischen Deutschland und Russland würde die amerikanische Nuklearstrategie nutzlos machen.

Die USA haben immer die Energieabhängigkeit kritisiert?

Es ist eine Ironie, dass die USA die Energieabhängigkeit Deutschlands bzw. Europas von Russland kritisieren. Russland ist der zweitgrösste Öllieferant an die USA. Die USA kaufen ihr Öl hauptsächlich von Kanada, dann von Russland, gefolgt von Mexiko und Saudi-Arabien. Das heisst, die USA sind abhängig von Russland. Das gilt zum Beispiel auch für Raketenmotoren. Das stört die USA nicht. Aber es stört die USA, dass die Europäer von Russland abhängig sind.

Während des Kalten Krieges hat Russland, also die Sowjetunion, immer alle Gas-Verträge eingehalten. Die russische Denkweise ist diesbezüglich sehr ähnlich wie die schweizerische. Russland befolgt die Gesetze, es fühlt sich an die Regeln gebunden wie die Schweiz. Man ist zwar emotional, aber die Regeln gelten, und man setzt diese Regeln durch. Während des Kalten Krieges hat die Sowjetunion nie eine Verbindung zwischen Wirtschaft und Politik gemacht. Die Auseinandersetzung in der Ukraine ist eine rein politische Auseinandersetzung.

Die Theorie Brzezińskis, dass die Ukraine der Schlüssel zur Beherrschung Asiens sei, spielt hier auch eine Rolle?

Brzeziński war sicher ein grosser Denker und beeinflusst das strategische Denken der USA nach wie vor. Aber dieser Aspekt ist meiner Ansicht nach nicht so zentral in dieser Krise. Die Ukraine ist sicher wichtig. Aber die Frage, wer die Ukraine beherrscht oder kontrolliert, steht nicht im Zentrum. Die Russen verfolgen nicht das Ziel der Kontrolle der Ukraine. Das Problem für Russland mit der Ukraine ist wie auch für andere Länder ein militärstrategisches.

Was heisst das?

In der ganzen Diskussion, die im Moment überall geführt wird, wird Entscheidendes ausser Acht gelassen. Gewiss, man redet von Nuklearwaffen, aber etwa so wie in einem Film. Die Realität ist etwas anders. Die Russen wollen einen Abstand zwischen Nato und Russland. Das Kernelement der Nato ist die US-amerikanische Nuklearmacht. Das ist die Essenz der Nato. Als ich bei der Nato gearbeitet habe, hat Jens Stoltenberg – er war bereits mein Chef – immer gesagt: «Die Nato ist eine Nuklearmacht». Heute, wenn die USA in Polen und Rumänien Raketensysteme stationieren, dann sind das die sogenannten MK-41 Systeme.

Sind das Defensivwaffen?

Die USA sagen natürlich, sie seien rein defensiv. Man kann tatsächlich Defensivraketen von diesen Abschussrampen loslassen. Aber man kann mit dem gleichen System auch Nuklearraketen verwenden. Diese Rampen sind ein paar Minuten von Moskau entfernt. Wenn in einer Situation der erhöhten Spannung in Europa etwas passiert und die Russen aufgrund von Satellitenbildern merken, dass es bei den Abschussrampen Aktivitäten gibt und irgendetwas vorbereitet wird, werden sie dann abwarten, bis möglicherweise Atomraketen Richtung Moskau abgeschossen werden?

Wohl kaum…

…natürlich nicht. Sie würden sofort einen Präventivangriff starten. Die ganze Zuspitzung entstand, nachdem die USA aus dem ABM-Vertrag ausgetreten waren [Vertrag zur Begrenzung von Systemen zur Abwehr von ballistischen Raketen]. Unter der Gültigkeit des ABM-Vertrags hätten sie ein solches System nicht in Europa stationieren können. Wenn es um eine Auseinandersetzung geht, braucht man immer eine gewisse Reaktionszeit. Nur schon, weil Fehler passieren könnten.

So etwas haben wir während des Kalten Krieges auch gehabt. Je grösser die Distanz zu den Stationierungsorten ist, um so mehr Zeit hat man, um zu reagieren. Wenn die Raketen zu nahe am russischen Territorium stationiert sind, gibt es bei einem Angriff keine Zeit mehr, darauf zu reagieren und man läuft viel schneller Gefahr, in einen Atomkrieg zu geraten. Das betrifft alle Länder rundherum. Die Russen haben das natürlich realisiert, und auf Grund dessen den Warschauer Pakt gegründet.

Die Bedeutung der Nuklear-Waffen wird grösser

Zuerst war doch die Nato da…

Die Nato wurde 1949 gegründet und erst sechs Jahre später der Warschauer Pakt. Der Grund dafür war die Wiederbewaffnung der BRD und ihre Aufnahme in die Nato 1955. Wenn man die Karte von 1949 anschaut, dann sieht man einen sehr grossen Abstand zwischen der Nuklearmacht Nato und der UdSSR. Als die Nato durch den Beitritt Deutschlands weiter Richtung russische Grenze vorrückte, gründete Russland den Warschauer Pakt. Die osteuropäischen Staaten waren bereits alle kommunistisch, und die KP war in allen Ländern sehr stark. Fast schlimmer als in der UdSSR. Die UdSSR wollte einen Sicherheitsgürtel um sich herumhaben, deshalb kreierte sie den Warschauer Pakt. Sie wollte ein Vorfeld sicherstellen, um möglichst lang einen konventionellen Krieg führen zu können. Das war die Idee: so lange wie möglich im konventionellen Bereich zu bleiben und nicht unmittelbar in den nuklearen zu geraten.

Ist das heute auch noch so?

Nach dem Kalten Krieg hat man die Nuklearrüstung etwas vergessen. Sicherheit war nicht mehr eine Frage der Nuklearwaffen. Der Irak-Krieg, der Afghanistan-Krieg waren Kriege mit konventionellen Waffen, und die nukleare Dimension geriet etwas aus dem Blickfeld. Aber die Russen haben das nicht vergessen. Sie denken sehr strategisch. Ich besuchte seinerzeit in Moskau in der Woroschilowsk-Akademie den Generalstab. Dort konnte man sehen, wie die Menschen denken. Sie überlegen strategisch, so wie man in Kriegszeiten denken sollte.

Kann man das heute erkennen?

Das sieht man heute sehr genau. Putins Leute denken strategisch. Es gibt ein strategisches Denken, ein operatives und ein taktisches Denken. Die westlichen Länder, das hat man in Afghanistan oder im Irak gesehen, haben keine Strategie. Das ist genau das Problem, das die Franzosen in Mali haben. Mali hat hat nun verlangt, dass sie das Land verlassen, denn die Franzosen töten Menschen ohne Strategie und ohne Ziel. Bei den Russen ist das ganz anders, sie denken strategisch. Sie haben ein Ziel. So ist es auch bei Putin.

In unseren Medien wird immer wieder berichtet, dass Putin Atomwaffen ins Spiel gebracht habe. Haben Sie das auch gehört?

Ja, Wladimir Putin hat am 27. Februar seine Nuklearkräfte in den Alarmzustand Stufe 1 gesetzt. Das ist aber nur die Hälfte der Geschichte. Am 11./12. Februar fand die Sicherheitskonferenz in München statt. Selenskyj war dort. Er äusserte, dass er Nuklearwaffen beschaffen möchte. Das wurde als eine potenzielle Bedrohung interpretiert. Im Kreml ging natürlich die rote Lampe an. Um das zu verstehen, muss man das Abkommen von Budapest 1994 im Hinterkopf haben. Dabei ging es darum, die Atomraketen in den ehemaligen Sowjetrepubliken zu vernichten und nur Russland als Atommacht bestehen zu lassen. Auch die Ukraine übergab die Atomwaffen an Russland, und Russland sicherte als Gegenleistung die Unverletzlichkeit der Grenzen zu. Als die Krim zurück an Russland ging, 2014, sagte die Ukraine, sie würde sich auch nicht mehr an das Abkommen von 1994 halten.

Zurück zu den Atomwaffen. Was hat Putin wirklich gesagt?

Falls Selenskyj Nuklearwaffen zurückhaben wollte, wäre das für Putin sicher ein inakzeptabler Weg. Wenn man direkt an der Grenze Nuklearwaffen hat, dann gibt es nur sehr wenig Vorwarnungszeit. Nach dem Besuch von Macron gab es eine Pressekonferenz, und Putin sagte dort unmissverständlich, dass wenn der Abstand zwischen der Nato und Russland zu gering sei, dies ungewollt zu Komplikationen führen könne. Aber das entscheidende Element lag am Anfang des Krieges gegen die Ukraine, als der französische Aussenminister Putin drohte, indem er betonte, dass die Nato eine Nuklearmacht sei. Darauf reagierte Putin und versetzte seine Atomstreitkräfte in eine erste Alarmbereitschaft. Die Presse erwähnte das natürlich nicht. Putin ist ein Realist, er ist bodenständig und zielgerichtet.

Was hat Putin veranlasst, jetzt militärisch einzugreifen?

Am 24. März 2021 hat Selenskyj das Dekret erlassen, das besagt, dass er die Krim zurückerobern werde. Er hat Vorbereitungen dazu getroffen. Ob das seine Absicht war oder nur ein politisches Manöver, das weiss man nicht. Was man aber gesehen hat, ist, dass er die ukrainische Armee im Donbas-Gebiet massiv verstärkt und im Süden Richtung Krim zusammengezogen hat. Den Russen ist das natürlich aufgefallen. Gleichzeitig hat die Nato im April letzten Jahres ein sehr grosses Manöver zwischen Baltikum und Schwarzem Meer durchgeführt. Das hat die Russen verständlicherweise aufgeschreckt. Sie haben im südlichen Militärbezirk Übungen abgehalten, um Präsenz zu markieren. Danach ist alles etwas ruhiger geworden, und im September hat Russland schon lange geplante «Zapad 21»-Übungen abgehalten. Diese Übungen werden alle vier Jahre durchgeführt. Am Ende des Manövers sind einige Truppenteile in der Nähe von Belarus geblieben. Das waren Truppen aus dem östlichen Militärbezirk. Es wurde vor allem Material dort zurückgelassen, denn es war auf Anfang dieses Jahres ein grosses Manöver mit Belarus geplant.

Wie hat der Westen darauf reagiert?

Europa und vor allem die USA interpretierten das als eine Verstärkung der Angriffskapazität auf die Ukraine. Unabhängige militärische Experten, aber auch der Chef des ukrainischen Sicherheitsrats sagten, dass keine Kriegsvorbereitungen im Gange seien. Russland liess das Material vom Oktober für die Übungen mit Belarus zurück – das war nicht geplant für einen Angriff. Sogenannte westliche Militärexperten vor allem aus Frankreich bezeichneten das sofort als Kriegsvorbereitung und stellten Putin als verrückten Diktator hin. Das ist die ganze Entwicklung, die es von Ende Oktober 2021 bis Anfang dieses Jahres gegeben hat. Die Kommunikation der USA und der Ukraine zu diesem Thema war sehr widersprüchlich. Die einen sprachen von geplantem Angriff, die anderen dementierten. Es war ein ständiges Hin und Her im Sinne von ja und nein.

Die OSZE berichtet schweren Beschuss der Volksrepubliken Lugansk und Donezk im Februar durch die Ukraine

Was geschah im Februar?

Ende Januar scheint sich die Situation zu ändern und es scheint, dass die USA mit Selenskyj gesprochen haben, denn dann gab es eine Veränderung. Ab Anfang Februar haben die USA immer wieder gesagt, die Russen stünden unmittelbar davor, anzugreifen. Sie haben Szenarien von einem Angriff verbreitet. So hat Antony Blinken vor dem Uno-Sicherheitsrat gesprochen und dargelegt, wie sich der Angriff der Russen abspielen wird. Er wisse das von den Nachrichtendiensten. Das erinnert an die Situation 2002/2003 vor dem Angriff auf den Irak. Auch hier hat man sich angeblich auf die Analyse der Geheimdienste abgestützt. Das stimmte auch damals nicht. Denn die CIA war nicht überzeugt von der Präsenz von Massenvernichtungswaffen im Irak. Rumsfeld stützte sich also nicht auf die CIA ab, sondern auf eine kleine vertrauliche Gruppe innerhalb des Verteidigungsministeriums, die eigens für diese Situation kreiert worden war, um so die Analysen der CIA zu umgehen.

Wo kommen denn heute die Informationen her?

Im Zusammenhang mit der Ukraine hat Blinken genau das Gleiche getan. Man kann es daran feststellen, dass sich niemand aus der CIA dazu geäussert hat. US-amerikanische Analytiker haben gemerkt, dass die Nachrichtendienste in diesem Zusammenhang nicht in Erscheinung getreten sind. Alles, was Blinken erzählte, kam aus einer Gruppe, die er selbst zusammengerufen hatte, innerhalb seines Departements – ein sogenanntes Tiger-Team. Diese Szenarien, die man uns vorgelegt hat, kommen nicht aus nachrichtendienstlichen Erkenntnissen. Sogenannte Experten haben also ein gewisses Szenario mit einer politischen Agenda erfunden. So entstand das Gerücht, die Russen würden angreifen. Joe Biden sagte also, er wisse, dass die Russen am 16. Februar angreifen würden. Als er gefragt wurde, woher er das wisse, antwortete er, dass die USA gute nachrichtendienstliche Kapazitäten hätten. Er erwähnte weder die CIA noch den nationalen Nachrichtendienst.

Ist denn am 16. Februar etwas geschehen?

Ja, an diesem Tag sehen wir eine extreme Zunahme von Waffenstillstandsverletzungen durch das ukrainische Militär entlang der Waffenstillstandslinie, der sogenannten Kontaktlinie. Es gab in den letzten acht Jahren immer wieder Verletzungen, aber seit dem 12. Februar hatten wir eine extreme Zunahme, und zwar an Explosionen besonders im Gebiet von Donezk und Lugansk. Das ist nur bekannt, weil alles von der OSZE-Mission im Donbas protokolliert wurde. Man kann diese Protokolle in den «Daily reports» der OSZE nachlesen.

Was wollte das ukrainische Militär damit erreichen?

Es handelte sich sicher um den Anfang einer Offensive gegen den Donbas. Als der Artilleriebeschuss immer stärker wurde, begannen die Behörden der beiden Republiken, die Zivilbevölkerung zu evakuieren und nach Russland zu bringen. Sergej Lawrow sprach in einem Interview von 100 000 Geflüchteten. In Russland sah man die Anzeichen einer grossangelegten Operation.

Was waren die Folgen?

Dieses Vorgehen des ukrainischen Militärs hat im Grunde genommen alles ausgelöst. Zu diesem Zeitpunkt war für Putin klar, dass die Ukraine eine Offensive gegen die beiden Republiken durchführen will. Am 15. Februar hatte das russische Parlament, die Duma, eine Resolution angenommen, die vorschlägt, die beiden Republiken anzuerkennen. Putin reagierte zunächst nicht darauf, doch als die Angriffe immer stärker wurden, entschied er sich am 21. Februar, die Forderung der parlamentarischen Resolution umzusetzen.

Ursachen des Rechtsextremismus in der Ukraine

Warum hat Putin diesen Schritt vollzogen?

In dieser Situation hatte er kaum eine andere Wahl, als das zu tun, weil die russische Bevölkerung kaum verstanden hätte, wenn er nichts zum Schutz der russischstämmigen Bevölkerung im Donbas getan hätte. Für Putin war klar, dass, wenn er darauf reagiert und interveniert, der Westen mit massiven Sanktionen reagieren wird, ganz unabhängig davon, ob er nur den Republiken hilft oder die ganze Ukraine angreift. Im ersten Schritt anerkannte er die Unabhängigkeit der beiden Republiken. Am gleichen Tag schloss er mit den beiden Republiken ein Abkommen über Freundschaft und Zusammenarbeit ab. Dadurch hat er gemäss Kapitel 51 der Uno-Charta im Sinne der kollektiven Verteidigung und der Selbstverteidigung das Recht, den beiden Republiken zu helfen. Damit schuf er die rechtliche Grundlage, mit militärischen Mitteln den beiden Republiken zu Hilfe zu kommen.

Aber er hat nicht nur den Republiken geholfen, sondern die ganze Ukraine angegriffen…

Putin hatte zwei Möglichkeiten: Erstens mit der russischsprachigen Bevölkerung im Donbas zusammen gegen die Angreifer, also die ukrainische Armee, zu kämpfen; zweitens an mehreren Stellen die Ukraine anzugreifen, um die ukrainischen Militärkapazitäten zu schwächen. Putin hat auch einkalkuliert, dass es, egal was er macht, Sanktionen hageln wird. Deshalb hat er sich sicher für die Maximalvariante entschieden, wobei man ganz klar sagen muss, dass Putin nie davon gesprochen hat, die Ukraine in Besitz nehmen zu wollen. Seine Zielsetzung ist klar und deutlich: Entmilitarisierung und Entnazifizierung.

Was ist der Hintergrund dieser Zielsetzung?

Die Entmilitarisierung ist verständlich, denn die Ukraine hatte die ganze Armee im Süden zwischen Donbas und Krim zusammengezogen. Das heisst, mit einer schnellen Operation könnte er die Truppen einkesseln. Ein grosser Teil der ukrainischen Armee ist im Bereich Donbas, Mariupol und Saporoshje in einem grossen Kessel. Die Russen haben die Armee eingekreist und damit neutralisiert. Bleibt noch die Entnazifizierung. Wenn die Russen so etwas sagen, dann ist es meistens nicht einfach eine Erfindung. Es gibt starke Verbände von Rechtsradikalen. Neben der ukrainischen Armee, die sehr unzuverlässig ist, wurden seit 2014 starke paramilitärische Kräfte ausgebaut, dazu gehört zum Beispiel das bekannte Asow-Regiment. Aber es sind noch viel mehr. Es gibt sehr viele dieser Gruppen, die zwar unter ukrainischem Kommando stehen, aber nicht nur aus Ukrainern bestehen. Das Asow-Regiment besteht aus 19 Nationalitäten, darunter sind Franzosen, sogar Schweizer etc. Das ist eine Fremdenlegion. Insgesamt sind diese rechtsextremen Gruppen ungefähr 100 000 Kämpfer stark, laut Reuters.

Warum gibt es so viele paramilitärische Organisationen?

In den Jahren 2015/2016 war ich mit der Nato in der Ukraine. Die Ukraine hatte ein grosses Problem, sie hatte zu wenig Soldaten, denn die ukrainische Armee hat eine der höchsten Selbstmordraten. Die meisten Toten hatte sie wegen Selbstmord und Alkoholproblemen. Sie hatte Mühe, Rekruten zu finden. Ich wurde wegen meiner Erfahrung an der Uno angefragt, dort mitzuhelfen. In diesem Zusammenhang war ich mehrmals in der Ukraine. Der Hauptpunkt war, dass die Armee in der Bevölkerung nicht glaubwürdig ist und auch militärisch keine Glaubwürdigkeit besitzt. Deshalb förderte die Ukraine die paramilitärischen Kräfte immer stärker und baute sie aus. Das sind Fanatiker mit einem starken Rechtsextremismus.

Woher kommt der Rechtsextremismus?

Dessen Entstehung geht auf die 1930er Jahre zurück. Nach den extremen Hungerjahren, die als Holodomor in die Geschichte eingingen, bildete sich ein Widerstand gegen die sowjetische Macht. Um die Modernisierung der UdSSR zu finanzieren, hatte Stalin die Ernten konfisziert und so eine nie dagewesene Hungersnot provoziert. Es war der NKWD, der Vorgänger des KGB [sowjetischer Geheimdienst], der diese Politik umsetzte. Der NKWD war territorial organisiert und in der Ukraine hatten zahlreiche Juden hohe Kommandoposten inne. Dadurch vermischten sich die Dinge miteinander: der Hass auf die Kommunisten, der Hass auf die Russen und der Hass auf die Juden. Die ersten rechtsextremen Gruppen stammen aus dieser Zeit, und es gibt sie immer noch. Während des Zweiten Weltkriegs brauchten die Deutschen diese Rechtsextremisten wie die OUN von Stepan Bandera, die ukrainische Aufstandsarmee, und andere, um sie als Guerilla gegen die Sowjets einzusetzen. Damals betrachtete man die Streitkräfte des 3. Reiches als Befreier, so wird zum Beispiel die 2. Panzerdivision der SS, «Das Reich», die Charkow 1943 von den Sowjets befreit hatte, heute noch verehrt in der Ukraine. Das geografische Zentrum des rechtsextremen Widerstands war in Lwow, heute Lwiw, das ist in Galizien. Diese Region hatte sogar ihre eigene 14. SS-Panzergrenadierdivision «Galizien», eine SS-Division, die ausschliesslich aus Ukrainern bestand.

Die OUN ist während des Zweiten Weltkriegs entstanden und hat die Zeit der Sowjetunion überlebt?

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Feind immer noch die Sowjetunion. Der Sowjetunion ist es nicht gelungen, diese antisowjetischen Bewegungen vollständig zu eliminieren. Die USA, Frankreich und Grossbritannien realisierten, dass die OUN nützlich sein konnte und unterstützten sie im Kampf gegen die Sowjetunion mittels Sabotage und mit Waffen. Bis anfangs der 60er Jahre wurden diese Organisationen vom Westen her unterstützt. Insbesondere durch die Operationen Aerodynamic, Valuable, Minos, Capacho, und andere. Seit dieser Zeit gab es in der Ukraine immer Kräfte, die einen engen Bezug zum Westen und zur Nato hatten. Heute ist es die Schwäche der ukrainischen Armee, die dazu geführt hat, dass man auf diese fanatischen Gruppierungen zurückgreift. Sie als Neonazis zu bezeichnen, stimmt für mich nicht ganz. Sie sympathisieren mit dem Gedankengut, sie haben die Abzeichen, aber sie haben weder eine politische Doktrin noch einen politischen Plan.

Nach 2014 wurden zwei Abkommen vereinbart, um die Situation in der Ukraine zu befrieden. Welche Bedeutung haben die Abkommen im Zusammenhang mit der jetzigen Auseinandersetzung?

Ja, das ist wichtig zu verstehen, denn die Nichterfüllung dieser beiden Abkommen hat im Grunde genommen zum Krieg geführt. Seit 2014 gäbe es eine Lösung für den Konflikt, das Minsker Abkommen. Im September 2014 war offensichtlich, dass die ukrainische Armee eine sehr schlechte Kriegsführung hatte, obwohl sie von der Nato beraten wurde. Sie hatte ständig Misserfolge. Deshalb musste sie in das Minsker Abkommen I im September 2014 einwilligen. Es war ein Vertrag zwischen der ukrainischen Regierung und den Vertretern der beiden selbsternannten Republiken Donezk und Lugansk mit den europäischen und russischen Garantiemächten.

Doppelspiel der EU und der USA

Wie kam es damals zu der Gründung dieser beiden Republiken?

Um das zu verstehen, müssen wir in der Geschichte noch etwas zurückgehen. Im Herbst 2013 wollte die EU ein Handels- und Wirtschaftsabkommen mit der Ukraine abschliessen. Die EU bot für die Ukraine eine Garantie für Entwicklung mit Subventionen, mit Export und Import etc. Die ukrainischen Behörden wollten das Abkommen abschliessen. Doch es war nicht ganz unproblematisch, denn die ukrainische Industrie und die Landwirtschaft waren bezüglich Qualität und Produkte auf Russland ausgerichtet. Die Ukrainer haben Motoren für russische Flugzeuge entwickelt, nicht für europäische oder amerikanische. Die allgemeine Ausrichtung der Industrie war Richtung Osten und nicht nach Westen. Qualitativ konnte die Ukraine im Wettbewerb mit dem europäischen Markt schwer bestehen. Deshalb wollten die Behörden mit der EU kooperieren und gleichzeitig die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland aufrechterhalten.

Wäre das möglich gewesen?

Russland hatte seinerseits kein Problem mit den Plänen der Ukraine. Aber Russland wollte seine Wirtschaftsbeziehungen zur Ukraine behalten. Deshalb schlug es, mit einer trilateralen Arbeitsgruppe zwei Abkommen zu erstellen: eines zwischen der Ukraine und der EU und eines zwischen der Ukraine und Russland. Ziel war es, die Interessen von allen Beteiligten abzudecken. Es war die Europäische Union, in der Person von Barroso , die von der Ukraine verlangt hat, sich zwischen Russland und der EU zu entscheiden. Die Ukraine hat sich daraufhin Bedenkzeit ausbedungen und eine Pause im ganzen Prozess verlangt. Danach spielten die EU und die USA kein ehrliches Spiel.

Warum?

Die westliche Presse titelte: «Russland übt Druck auf die Ukraine aus, um den Vertrag mit der EU zu verhindern». Das war falsch. Das war nicht der Fall. Die Regierung der Ukraine bekundete weiterhin Interesse an dem Vertrag mit der EU, aber sie wollte noch mehr Bedenkzeit und die Lösungen für diese komplexe Situation genau prüfen. Aber das sagte die Presse in Europa nicht. Am nächsten Tag tauchten Rechtsextreme aus dem Westen des Landes auf dem Maidan in Kiew auf. Was sich dort alles mit Billigung und Unterstützung des Westens abgespielt hat, ist grausig. Aber das alles aufzurollen, würde unseren Rahmen sprengen.

Was geschah, nachdem Janukowitsch, der demokratisch gewählte Präsident, gestürzt worden war?

Die neue provisorische Regierung – hervorgegangen aus der nationalistischen extremen Rechten – hat sofort, als erste Amtshandlung, das Gesetz über die offizielle Sprache in der Ukraine geändert. Das beweist auch, dass dieser Umsturz nichts mit Demokratie zu tun hatte, sondern es waren Nationalisten, und zwar Hardliner, die den Aufstand organisiert hatten. Diese Gesetzesänderung löste in den russischsprachigen Gebieten einen Sturm aus. Man organisierte in allen Städten des Südens, in Odessa, in Mariupol, in Donezk, in Lugansk, auf der Krim etc. grosse Demonstrationen gegen das Sprachgesetz. Darauf reagierten die ukrainischen Behörden sehr massiv und brutal, und zwar mit der Armee. Kurzfristig wurden autonome Republiken ausgerufen, in Odessa, Charkow, Dnjepropetrowsk, Lugansk, Donezk und weitere. Diese wurden äusserst brutal bekämpft. Zwei sind geblieben, Donezk und Lugansk, die sich zu autonomen Republiken erklärt haben.

Wie haben sie ihren Status legitimiert?

Sie haben im Mai 2014 ein Referendum durchgeführt. Sie wollten Autonomie, und das ist sehr, sehr wichtig. Wenn sie in die Medien der letzten Monate schauen, hat man immer von Separatisten gesprochen. Aber damit kolportierte man seit acht Jahren eine totale Lüge. Man sprach immer von Separatisten, – das ist völlig falsch, denn das Referendum hat ganz klar und deutlich immer von einer Autonomie innerhalb der Ukraine gesprochen, sie wollten sozusagen eine Schweizer Lösung. Sie waren also autonom und baten um die Anerkennung der Republiken durch Russland, aber die russische Regierung unter Putin lehnte das ab.

Der Unabhängigkeitskampf der Krim

Die Entwicklung auf der Krim steht doch auch in diesem Zusammenhang?

Man vergisst, dass sich die Krim für unabhängig erklärt hat, bevor die Ukraine unabhängig wurde. Im Januar 1991, also noch während der Zeit der Sowjetunion, hat die Krim ein Referendum durchgeführt, um zu Moskau zu gehören und nicht mehr zu Kiew. So ist sie eine autonome sozialistische Sowjetrepublik geworden. Die Ukraine hatte erst 6 Monate später ein Referendum durchgeführt, im August 1991. Zu diesem Zeitpunkt betrachtete die Krim sich nicht als Teil der Ukraine. Aber die Ukraine akzeptierte dies nicht. Zwischen 1991 und 2014 war es ein ständiges Tauziehen zwischen den beiden Einheiten. Die Krim hatte ihre eigene Verfassung mit ihren eigenen Behörden. 1995, ermutigt durch das Memorandum von Budapest, stürzte die Ukraine die Regierung der Krim mit Spezialeinheiten und erklärte ihre Verfassung für ungültig. Aber das wird nie erwähnt, denn es würde die heutige Entwicklung in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.

Was wollten die Menschen auf der Krim?

Sie verstanden sich tatsächlich immer als unabhängig. Ab 1995 wurde die Krim per Dekret von Kiew aus regiert. Das stand im völligen Widerspruch zum Referendum von 1991 und erklärt, warum die Krim 2014, nachdem durch den illegalen Putsch eine neue ultra-nationalistische Regierung, die total antirussisch war, in der Ukraine an die Macht gekommen war, ein erneutes Referendum abhielt. Das Resultat war sehr ähnlich wie 30 Jahre zuvor. Nach dem Referendum fragte die Krim an, ob sie in die Russische Föderation eintreten könne. Es war nicht Russland, das die Krim erobert hat, sondern die Bevölkerung hat die Behörden ermächtigt, Russland um die Aufnahme zu bitten. Es gab 1997 auch ein Freundschaftsabkommen zwischen Russland und der Ukraine, in dem die Ukraine die kulturelle Vielfalt der Minderheiten im Land gewährleistet. Als im Februar 2014 die russische Sprache verboten wurde, war das eine Verletzung dieses Vertrags.

Jetzt wird klar, dass man, wenn man das alles nicht kennt, Gefahr läuft, die Situation falsch einzuschätzen.

Zurück zum Minsker Abkommen. Es waren neben der Ukraine und den autonomen Republiken auch Garantiemächte anwesend wie Deutschland und Frankreich auf der Seite der Ukraine und Russland auf der Seite der Republiken. Deutschland, Frankreich und Russland haben das als Vertreter der OSZE gemacht. Die EU war daran nicht beteiligt, das war eine reine Angelegenheit der OSZE. Direkt nach dem Minsk I Abkommen löste die Ukraine eine Antiterroroperation gegen die beiden autonomen Republiken aus. Die Regierung ignorierte das Abkommen also vollständig und führte diese Operation durch. Aber es gab wieder eine totale Niederlage der ukrainischen Armee in Debaltsewo. Es war ein Debakel.

Fand dies auch mit Unterstützung der Nato statt?

Ja, und man muss sich schon fragen, was die Militärberater der NATO dort eigentlich gemacht haben, denn die Streitkräfte der Republiken haben die ukrainische Armee völlig besiegt.

Das führte zu einem zweiten Abkommen, Minsk II, das im Februar 2015 unterzeichnet wurde. Es diente als Grundlage für eine Resolution des Uno-Sicherheitsrats. Damit ist dieses Abkommen völkerrechtlich verpflichtend: Es muss umgesetzt werden.

Hat man das auch von der Uno her kontrolliert?

Nein, niemand kümmerte sich darum, und ausser Russland verlangte niemand die Einhaltung des Minsk II Abkommens. Man sprach plötzlich nur noch vom Normandie-Format. Aber das ist völlig unbedeutend. Das kam zustande an der Feier des D-Day im Juni 2014. Die Veteranen des Krieges, die Staatsoberhäupter der Alliierten waren eingeladen sowie Deutschland, die Ukraine und die Vertreter anderer Staaten. Im Normandie-Format waren nur die Staatschefs vertreten, die autonomen Republiken sind dort natürlich nicht dabei. Die Ukraine will nicht mit den Vertretern von Lugansk und Donezk reden. Wenn man aber die Minsker Abkommen anschaut, dann muss es eine Absprache zwischen der ukrainischen Regierung und den Republiken geben, damit die ukrainische Verfassung angepasst werden kann. Das ist ein Prozess, der innerhalb des Landes geschieht, aber das wollte die ukrainische Regierung nicht.

Aber die Ukrainer haben das Abkommen ebenfalls unterschrieben…

… ja, aber die Ukraine wollte das Problem immer Russland zuschieben. Die Ukrainer behaupteten, Russland habe die Ukraine angegriffen, und deshalb gebe es diese Probleme. Aber das war klar, es war ein internes Problem. Seit 2014 haben OSZE-Beobachter nie irgendwelche russischen Militäreinheiten gesehen. In beiden Abkommen ist ganz klar und deutlich formuliert: Die Lösung muss innerhalb der Ukraine gefunden werden. Es geht um eine gewisse Autonomie innerhalb des Landes, und das kann nur die Ukraine lösen. Das hat mit Russland nichts zu tun.

Dazu braucht es die festgelegte Anpassung der Verfassung.

Ja, genau, aber die wurde nicht gemacht. Die Ukraine hat keinen Schritt getan. Auch die Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats setzten sich nicht dafür ein, im Gegenteil. Die Lage verbesserte sich überhaupt nicht.

Wie hat sich Russland verhalten?

Die Position von Russland war immer dieselbe. Es wollte, dass die Minsker Abkommen umgesetzt werden. Diese Position hat es während acht Jahren nie geändert. Während dieser acht Jahre gab es natürlich verschiedene Grenzverletzungen, Artilleriebeschuss usw., aber das Abkommen hat Russland nie in Frage gestellt.

Wie ist die Ukraine weiter vorgegangen?

Die Ukraine hat anfangs Juli letzten Jahres ein Gesetz erlassen. Es war ein Gesetz, das besagte, dass die Leute je nach Abstammung andere Rechte haben. Es erinnert sehr an die Nürnberger Rassengesetze von 1935. Nur die richtigen Ukrainer sind im Besitz aller Rechte, alle übrigen haben nur eingeschränkte Rechte. Daraufhin hat Putin einen Artikel geschrieben, indem er die historische Entstehung der Ukraine erklärt. Er hat kritisiert, dass man zwischen Ukrainern und Russen unterscheidet usw. Seinen Artikel schrieb er als Antwort auf dieses Gesetz. Aber in Europa interpretierte man das so, dass er die Ukraine als Staat nicht anerkennt. Das sei ein Artikel, um eine mögliche Annexion der Ukraine zu rechtfertigen. Im Westen wird das alles geglaubt, obwohl niemand weiss, weder warum Putin den Artikel geschrieben hat, noch was wirklich darinsteht. Es ist offensichtlich, dass im Westen das Ziel bestand, ein möglichst negatives Bild von Putin zu zeichnen. Ich habe den Artikel gelesen, er ist absolut sinnvoll.

Hätten die Russen nicht auch von ihm erwartet, dass er dazu Stellung nimmt?

Natürlich, es gibt so viele Russen in der Ukraine. Er musste etwas machen. Es wäre den Leuten gegenüber (aber auch völkerrechtlich, mit der Verantwortung zu schützen) nicht richtig gewesen, wenn man das stillschweigend akzeptiert hätte. Alle diese kleinen Details gehören unbedingt dazu, sonst versteht man nicht, was sich abspielt. Man kann das Verhalten Putins nur so einordnen, und man sieht, dass der Krieg immer mehr provoziert wurde. Ich kann nicht sagen, ob Putin gut oder schlecht ist. Aber so, wie er im Westen beurteilt wird, ist es falsch.

Schweiz verlässt den Status der Neutralität

Wie beurteilen Sie die Reaktion der Schweiz vom letzten Wochenende?

Es ist furchtbar, es ist eine Katastrophe. Russland hat eine Liste mit 48 «unfreundlichen Staaten» erstellt, und stellen Sie sich vor, die Schweiz ist auch darauf. Das ist jetzt wirklich eine Zeitenwende, die die Schweiz aber selbst zu verantworten hat. Die Schweiz war immer «the man in the middle». Wir haben mit allen Staaten den Dialog geführt und haben den Mut gehabt, in der Mitte zu stehen. Das ist eine Hysterie bezüglich der Sanktionen. Russland ist auf diese Situation sehr gut vorbereitet, es wird darunter leiden, aber es ist darauf eingestellt. Das Prinzip der Sanktionen ist aber völlig falsch. Heute haben die Sanktionen die Funktion der Diplomatie ersetzt. Das hat man bei Venezuela gesehen, bei Kuba, beim Irak, beim Iran etc. Die Staaten haben nichts getan, aber ihre Politik gefällt den USA nicht. Das ist ihr Fehler. Als ich gesehen habe, dass man die Behindertensportler bei den Para-Olympics gesperrt hat, fehlten mir tatsächlich die Worte. Das ist so inadäquat. Das trifft einzelne Menschen, das ist einfach gemein. Das gehört in die gleiche Kategorie, wenn der französische Aussenminister sagt, das russische Volk soll unter den Sanktionen leiden. Wer so etwas sagt, der hat für mich keine Ehre. Es ist nichts Positives, einen Krieg anzufangen, aber so zu reagieren, ist schlicht schändlich.

Wie sehen Sie das, dass die Menschen auf die Strasse gehen gegen den Krieg in der Ukraine?

Ich frage mich natürlich: Was macht den Krieg gegen die Ukraine schlimmer als den Krieg gegen den Irak, gegen Jemen, gegen Syrien oder Libyen? Hier gab es bekanntlich keine Sanktionen gegen den Aggressor, die USA oder diejenigen, die Waffen lieferten, die gegen die Zivilbevölkerung verwendet wurden. Ich frage mich: Wer macht Demonstrationen für den Jemen? Wer hat für Libyen demonstriert, wer hat für Afghanistan demonstriert? Man weiss nicht, warum die USA in Afghanistan waren. Ich weiss aus nachrichtendienstlichen Quellen, dass nie irgendwelche Hinweise existiert haben, dass Afghanistan oder Osama bin Laden an den Anschlägen des 11. Septembers 2001 beteiligt waren, aber man hat trotzdem Krieg in Afghanistan geführt.

Warum?

Am 12. September 2001, am Tag nach den Anschlägen, wollten die USA Vergeltung üben und haben entschieden, Afghanistan zu bombardieren. Der Generalstabschef der US-Luftwaffe sagte, dass es nicht genügend Ziele in Afghanistan gebe. Daraufhin meinte der Verteidigungsminister: «Wenn wir nicht genügend Ziele in Afghanistan haben, dann bombardieren wir den Irak.» Das ist nicht von mir erfunden, es gibt Quellen, Dokumente und Menschen, die dabei waren. So sieht die Realität aus, aber wir werden mit Propaganda und Manipulation auf die «richtige» Seite gezogen.

Wenn ich nach diesem Gespräch resümieren darf, dann wurde durch Ihre Antworten klar, dass der Westen schon längere Zeit immer wieder Öl ins Feuer gegossen und Russland provoziert hat. Diese Provokationen finden aber in unseren Medien selten Niederschlag, doch die Antworten Putins werden nur teilweise oder verfälscht wiedergegeben, um möglichst das Bild des Kriegstreibers und Unmenschen aufrecht zu erhalten.

Mein Grossvater war Franzose, er war als Soldat im Ersten Weltkrieg und hat mir oft davon erzählt. Und ich muss feststellen, die Hysterie und die Manipulation sowie das unreflektierte Verhalten der westlichen Politiker erinnert mich heute sehr daran, und das macht mir tatsächlich grosse Sorgen. Wenn ich sehe, wie unser neutrales Land nicht mehr in der Lage ist, eine von der EU und den USA unabhängige Position einzunehmen, dann schäme ich mich. Es braucht einen klaren Kopf und die Fakten, die hinter der ganzen Entwicklung stehen. Nur so kann die Schweiz eine vernünftige Friedenspolitik betreiben.

Herr Baud, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview wurde von Thomas Kaiser geführt und erschien erstmals auf Zeitgeschehen im Fokus. Wir bedanken uns für die freundliche Genehmigung zur Publikation.
Dieser Artikel ist copyrightgeschützt und darf nur mit ausdrücklicher Erlaubnis der Redaktion von Zeitgeschehen im Fokus übernommen werden.

Neukölln und Einwanderung

Neukölln und Einwanderung

1. Falko Liecke, Brennpunkt Deutschland. Armut, Gewalt, Verwahrlosung. Neukölln ist erst der Anfang. Quadriga. Bastei-Lübbe-Verlag, Köln 2022. 288 Seiten
2. Heinz Buschkowski, Neukölln ist überall. Ullstein-Verlag, Berlin 2012, 400 Seiten

Zwei Politiker meines Heimatbezirks Berlin-Neukölln, einer ist Mitglied der CDU, der andere Mitglied der SPD. Beim Lesen ihrer beiden Bücher könnte man auch annehmen Liecke wäre ein Sozialdemokrat bzw. Buschkowski ein Christdemokrat. Aus meiner Sicht sind sie beide politisch kaum unterscheidbare Vertreter echter Volksparteien, wenn es so etwas überhaupt gibt. Beide waren jahrelang Stadträte und Bürgermeister bzw. stellvertretener Bürgermeister in Neukölln.

Meine Eltern und Großeltern waren alles waschechte Neuköllner und ich bin im Neuköllner Stadtteil Britz aufgewachsen und habe nach Wilmersdorf, Kreuzberg und Palm Beach seit geraumer Zeit auch im Süden Neuköllns, in Rudow, eine Bleibe. Ich habe also eine ungefähre Vorstellung von dem, worüber die beiden schreiben. Wenn in Fünfzigern bei uns zu Hause davon die Rede war, „in die Stadt“ zu fahren, dann meinten die Erwachsenen Neukölln. Charlottenburg, Wilmersdorf usw. wurden unter den Begriff Berlin subsumiert, der Rest war natürlich „der Osten“. Heutzutage ist von unserer „Stadt“ kaum noch etwas übrig, wenn man mal vom Rathaus und den „Arkaden“ absieht. Der Herrmannplatz war damals mit seinem Karstadt-Kaufhaus fast schon der Inbegriff von Luxus und Modernität. Heute ist er völlig runtergekommen, wo nur noch Alkis und Drogis rumhängen. Schlimmer noch, Kleingeister machen mobil gegen einen Großinvestor aus Österreich, der versprochen hat die alte Pracht wieder herzustellen.

Die Beschreibungen der beiden liegen 10 Jahre auseinander. Liecke beruft sich teilweise bei seinen Beschreibungen positiv auf Buschkowski, der auf seine schnoddrige Art die Missstände während seiner Amtszeit dargestellt hat. Buschkowski hat in seinem Buch Wege aufgezeigt, die beschritten werden müssten, um Abhilfe zu schaffen. Darauf geht Liecke leider nicht ein. Entweder sind Buschkowskis Ratschläge nicht befolgt worden, sind im Sande verlaufen oder dauern eben länger bis zu Erfolgen. Beide Autoren beschäftigen sich hauptsächlich mit den Folgen der ungeregelten Immigration in den Bezirk, wobei Buschkowski ein Hauptaugenmerk auf das Bildungswesen legt, von dem er meint, dass es wesentlich zur Integration der Neuankömmlinge beitragen müsse. Für Liecke sind die Clans ein Hauptanliegen.

Neukölln mit seinen 350 Tausend Einwohnern ist praktisch eine Großstadt für sich, aber hat keine fiskalische Unabhängigkeit und ist zB ohne Befugnisse auf das, was, wie und von wem in den Schulen gelehrt wird. Das obliegt der Stadt bzw dem Land Berlin. Neukölln ist also in seinen Gestaltungsmöglichkeiten sehr beschränkt. Verschärft wird die Situation dadurch, dass der Bezirk quasi zweigeteilt ist, dessen Grenze zwar keine Mauer hat, aber immerhin durch einen Kanal, den Teltowkanal, markiert ist. Nördlich des Kanals liegen die Problembereiche und südlich davon die eher normal-bürgerlichen Gebiete mit den Stadtteilen Britz, Buckow, Rudow und der Gropiusstadt. Beide Autoren beziehen sich hauptsächlich auf den Norden, wobei der Süden als Ausweichort dient für Leute, die es im Norden nicht mehr aushalten. Das ist allerdings nicht neu. Das war schon vor hundert Jahren so. Damals hatten die Stadtreformer Mies van der Rohe und Bruno Taut die Möglichkeiten mit der Hufeisensiedlung in Britz, die Möglichkeit geschaffen, Leute aus den dunklen und feuchten Hinterhöfen in die lichten Vororte zu bringen. Meine Familie hat davon profitiert. In den sechziger Jahren diente die neu gebaute Gropiusstadt demselben Zweck. Es waren also hauptsächlich soziale Gründe für die Veränderung. Die meisten dunklen Hinterhöfe wurden inzwischen abgerissen, aber es gibt neue Varianten der Verwahrlosung durch Überbelegung, Kriminalität und dergleichen, die im Zuge der ungeregelten Immigration entstanden sind. Im neuen Jahrhundert sind deshalb neue Faktoren für die Fluchtbewegung hinzugekommen, die von beiden Autoren als ethnische Segregierung beschrieben werden.

Beide Autoren sind sich einig, entschieden gegen Clan-Kriminalität auftreten zu müssen, beide sind sich auch einig, die Hartz-4-Mentalität bekämpfen zu müssen. Letztere machen sie für die Ausbreitung der Unterschicht, für das Verharren in Abhängigkeit, Opfermentalität und Deutschenhass verantwortlich. Bei Liecke nimmt die Drogenmisere breiten Raum ein. Die U-Bahnlinien 7 und 8 seien reine „Drogenlinien“. Die schlimmste Haltestelle sei der U-Bahnhof Schönleinstraße. Er fordert statt drei Druckräume (stationäre Konsumräume) für ganz Berlin mindestens drei allein für Neukölln. Als CDU-Mann nicht verwunderlich fordert er harte Repression für Dealer. Auch Cannabis will er nicht legalisiert sehen, da es allein in Neukölln jährlich „bis zu siebzig Menschen infolge ihres Cannabiskonsums wegen psychischer und Verhaltensstörungen stationär aufgenommen“ werden müssten. Desweiteren beschäftigt er sich mit Obdachlosigkeit und der aus ihr heraus resultierenden Todesfälle, für die inzwischen ein privater Verein Gedenkfeiern organisiert.

Beide Autoren schildern die Initiativen der „Stadtteilmütter“, der „Neuköllner Präventionskette“, der „Babylotsen“, „Schreibaby-Ambulanz“, die inzwischen auch in anderen Berliner Bezirken Eingang gefunden haben. Liecke macht Verwandtenehen, die erhöhte Konsanguinitätsrate, für Krankheiten und Missbildungen verantwortlich, die es in Immigrantenfamilien in höheren Prozentsätzen als in der Restbevölkerung gäbe. Beide Autoren nehmen eine spezielle Siedlung aufs Korn, die sogenannte High-Deck-Siedlung am südlichen Ende der Sonnenallee. Diese Siedlung wurde zu Zeiten des Finanzsenators Thilo Sarazin aus öffentlicher Hand an ein Privatkonsortium verkauft, weil der Staat angeblich eine nötige Renovierung nicht hätte bezahlen können. Das hat der Privateigentümer dann auch nicht gemacht und die Siedlung ist verkommen und zu einem ethnischen Sozialghetto degeneriert, in der Kriminalität endemisch ist. Die Bewohner beklauen sich einerseits nicht nur untereinander, andererseits halten sie mobmäßig gegen uniformierte und andere Außenstehende wie Feuerwehrleute zusammen. Das ist ihr Revier, da gilt nur ihr Recht des Stärkeren.

Liecke beschreibt die Ermordung zweier Polizisten durch Klan-Angehörige, den Tod von Babys durch Schütteltrauma, Bildungsmängel bei Immigranten (wesentlich kürzer als bei Buschkowsky) und die Probleme der Pandemiebewältigung. Resümierend stellt er fest, dass der Hass in den letzten drei Jahren gewachsen sei, unter anderem auch gegen ihn selbst online und offline. Dann geht es um sein Hauptthema, den Clans und der Kriminalität, die aus ihnen heraus erfolgen. Er beschreibt die Herkunft der Clans, der Al Zeins, der Remmos usw, ihre Strukturen, ihre Streitereien untereinander, die bis zu grausamen Morden gehen, ihre Geldwaschbemühungen und wie die Gesellschaft ihnen Einhalt gebieten könnte und sollte.

Buschkowsky und Liecke wenden sich gegen muslimisch-fundamentalistische Anmaßungen, wie das Recht auf Kopftuch oder Burka („Textilgefängnis“), egal wo, wann und von wem, gegen Homophobie bei Islamisten, den absurden Vorwurf der Islamophobie bei Kritik an der Religion, sowie bei der Durchsetzung gesetzlicher Normen, zB Kopftuchverbot für staatliche Amtspersonen mit Publikumsverkehr, und auch gegen grassierenden Antisemitismus unter muslimischen Milieus, wo „Jude“, neben „schwule Sau“ , „deutscher pic“ usw schon lange als Schimpfwort gilt. Buschkowsky sieht in dem Kopftuch („Bekennerutensilie“) einen „Sendboten der Geschlechterhierarchie und des Eigentumsrechts des Mannes über die Frau“. Deshalb sei im hoheitlichen Bereich der Verwaltung ein Kopftuchverbot notwendig. „Man kann sich nicht in Distanz zu einer Gesellschaftsform begeben und gleichzeitig ihr Vertreter sein.“ Die Burka würde er nicht, wie in Belgien oder Frankreich, generell verbieten, aber würde dem Rotterdamer Bürgermeister Aboutaleb folgen, der meint, Personen mit Burka würden zumeist ihre Arbeitslosigkeit damit selbst herbeiführen. Damit aber den Anspruch auf Unterstützung durch die Gemeinschaft verlieren.

Selbst nach Amtsaufgabe wurde Buschkowsky noch als „berüchtigter islamfeindlicher Demagoge“ beschimpft. Liecke nimmt dann die 2021 gegründete „Expert*innenkommission antimuslimischer Rassismus“ aufs Korn, deren Namen ein Erfolg der Islamistenlobby sei, denn die habe es „geschafft, einen reinen politischen Kampfbegriff in Politik und Verwaltung zu verankern“. Für ihn dann auch nicht verwunderlich, dass in dieser „Kommission“ mehrere Vertreter islamistischer Organisationen sitzen. Er kritisiert dabei auch die ehemalige Bürgermeisterin, Franziska Giffey und den derzeitigen Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel (beide SPD), die Vertreter der Dar-As-Salam-Moschee hofieren, einer Moschee die den Muslimbrüdern hörig ist. Positiv hebt er hervor, dass ab Juni 2021 in Neukölln eine „Registerstelle für konfrontative Religionsbekundung“ eingerichtet worden sei.

Buschkowsky fängt mit den positiven Seiten Neuköllns an, mit der Einwanderung der Hugenotten und Hussiten ins Böhmische Dorf bzw nach Alt-Rixdorf, so hieß Neukölln noch im Kaiserreich, dem Bau der Hufeisensiedlung, dem Britzer Garten, dem Comenius-Garten, der Musikschule, den Erfindungen und Produkten, die aus Neukölln kommen und der in Neukölln von Kurt Löwenstein und Fritz Karsen angestoßenen Schulreform. Ende der 20iger Jahre sei die erste staatliche Gesamtschule Deutschlands dort entstanden. Heutzutage, also zur Buchveröffentlichung 2012, habe Deutschland nach den USA die zweitstärkste Einwandererpopulation der Erde. Der Anteil in der Bundesrepublik sei ca 20% und in Berlin 41%. Für Neukölln seien es 52% im Norden und 28% im Süden. Von den ca 130.000 Immigranten kommt ca die Hälfte aus islamischen Ländern. Bei seinen sozialen und demographischen Daten stützt er sich auf die Erhebungen von Hartmut Häußermann, dem ehemaligen SHB-Genossen aus Apo-Zeiten.

Besonderes Augenmerk setzt er auf die Auswirkungen falsch eingesetzter Transfereinkommen (Hatz-4, „Stütze“, „Sozialknatter“, „gesellschaftlicher Schnuller“) und der Klientel mit „multiplen Vermittlungshemmnissen“, umbenannt in „komplexe Profillage“, was er auf deutsch übersetzt in Menschen mit Überschuldung, Suchtproblemen, oder schlicht mit asozialem Verhalten. Wie nach ihm auch Liecke fordert er Sanktionen („Sanktionskeule“), auch finanzielle, wenn die Klientel sich nicht an die Bestimmungen hält. Er zieht auch gegen den von Grünen und partiell in Kirchen und seiner eigenen Partei verfolgten Kulturrelativismus und Parallelgesellschaften zu Felde. Was für Hinz gilt, muss auch für Kunz gelten. Die Grundsätze der deutschen Verfassung müssen von jedermann beachtet werden. „Wer sich nicht anpassen will oder kann, sollte nicht wandern. Integration und die Bereitschaft dazu sind an erster Stelle eine Bringschuld der Hinzugekommenen.“ Assimilierung ist für ihn eine mögliche Folge der Integration, aber nicht wie für Tayyip Erdogan ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Er ist für klare Ansagen und die Political Correctness sei häufig lediglich ein willkommenes „Alibi fürs Nichtstun, für das Schweigen und die Ignoranz“. Lehren zieht er von Beispielen aus Kopenhagen, Glasgow, Neapel und Rotterdam.

Er setzt sich relativ detailliert mit dem Islam auseinander, wobei er hervorhebt, dass die Aleviten, also ca 20% der türkischen Einwanderer, eine besondere, mit ihren Cem-Häusern (statt Moscheen) eher positive Rolle spielen. Positiv hierbei bezieht er sich auf den Islamexperten Johannes Kandel, Necla Kelek und Hamed Abdel-Samad, negativ auf die langjährige Berliner Auslandsbeauftragte Barbara John, die den Zuwanderern eine Opferrolle gegenüber den geschichtlich belasteten Deutschen zuerkannte. Thilo Sarazin widmet er ein eigenes Kapitel, in dem er von einem Gespräch der beiden berichtet.

Grundsätzlich spricht sich Buschkowsky für Einwanderung aus, schon aus demographischen Gründen, wobei er allerdings einen mehr pragmatischen, auf die Bedürfnisse der deutschen Gesellschaft gerichteten Kurs verlangt. In Zusammenhang mit muslimischer Einwanderung kritisiert er, dass in dieser Community vorhandene Risiko der mangelnden Bildung, Gewalterfahrung und Erziehung zur Machokultur. Wenn diese Faktoren, gepaart mit Geldmangel und religiöser Selbsterhöhung, vorherrschen, dann sei eine randständige Karriere wahrscheinlich. Er zitiert Prof. Pfeiffer, der zu dem Ergebnis kommt, „dass bei muslimischen Jugendlichen die Feindlichkeit gegenüber anderen Kulturkreisen und Verhaltensweisen oder Religionen wie zum Beispiel Deutschen, Homosexuellen oder Juden am stärksten ausgeprägt ist“. In der Kriminalitätsbekämpfung wünscht er sich unmittelbare Prozesse (das „Neuköllner Modell“), wie sie von der leider verstorbenen Jugendrichterin Kirsten Heisig befolgt wurden.

Im Bildungsbereich setzt er auf obligatorisch und freie Kindergärten ab 13 Monaten, da in den folgenden Monaten das Sozialverhalten entscheidend geformt werde. Die vom Berliner Senat herausgegebene Broschüre „Islam und Schule“ widerspreche unseren gesellschaftlichen Werten und versteht Schulleiterinnen, die diese Heftchen nicht verteilt, sondern in die Mülltonne geworfen haben. Gewaltexzesse erforderten die Beschäftigung von „Schwarzen Sheriffs“ in Schulen. Um Pünktlichkeit und Disziplin zu unterstützen wurden „Schulstationen“ eingeführt bestehend aus ethnisch gemischten Sozialarbeiterteams. Auch mit „Schulschwänzer-Internaten“ und einem „Mitmachzirkus“, sowie mit „Stadtteilmüttern“ wurden gute Erfolge erzielt. Mit der Schirmherrin Christina Rau wurde der Campus Rütli auf den Weg gebracht, ein inzwischen erfolgreiches Bildungszentrum. Einige Bemerkungen zu den immigrierten Sinti und Roma fügt er an, ohne jedoch auf deren historische Benachteiligungen näher einzugehen. Er verlangt für diese Volksgruppe ein spezielles Programm, für das der Senat aber kein Geld zur Verfügung stellen wolle.

Zum Schluss mahnt er die „Stadtviertel der Segregation“ (soziale Brennpunkte) nicht allein zu lassen. „Wer dies tut, versündigt sich an den Menschen, die dort leben. Er betrügt die nächste Generation um ihre Lebenschancen, er erhöht die Soziallasten, füllt die Gefängnisse und spaltet die Gesellschaft. Man kann individuell diesen Vierteln entfliehen, den gesellschaftlichen Folgen entgeht man dadurch allerdings nicht.“

Günter Langer, 1. Mai 2022

Promoter of “Liberal Imperialism”. Review of Richard Packard´s “Our Man: Richard Holbrooke and the End of the American Century” by Guenter Langer

As a high school student Richard Holbrooke developed the desire to become the Secretary of State. As it turned out he came close to that but he never got the real deal. His biography is centered around three different areas in the world: Vietnam, the Balkans, and Afghanistan. His interlude as ambassador in Germany was characterized by the author, George Packer, as uneventful and unimportant, thus hardly mentioned. However, his last mistress was a German woman from Munich, who even attended his funeral.

First part: Vietnam
As a young man he volunteered in 1962 to go to Vietnam, not for combat but for civil projects. In Vietnam he realized the follies of that war. He realized the illusions by the US-ambassador, who believed that the South-Vietnamese dictator, Ngo Dinh Diem, was popular with his people (p. 39). Thus, the US, including President JFK, were surprised about the unrest led by Buddhist monks, and Diem’s murder (p. 76). Diem’s successor, General “Big” Minh, expressed his willingness to negotiate with Hanoi, but was opposed in this desire by JFK and then by LBJ (p. 79). Consequently, Minh was replaced soon. Packer makes us believe that Holbrooke learned that George F. Kennan’s policy of containing communism in SE Asia was mistaken because “the enemy were nationalists” (p. 83), and that not the infiltration from the North was the problem in 1965 but “the threat came from the South Vietnamese people. A negotiated withdrawal was the only sane policy” (p. 99). Of course, that didn’t happen. Instead “Westmoreland’s killing machine” took its place (p. 102), the US “had taken the place of the French” as being the colonial power (p. 104). Packer reminds the reader that already “Dean Acheson persuaded Truman to fund the French war in Indochina, the beginning of America’s involvement in Vietnam” (p. 119). Holbrooke understood and told Dean Rusk that “this was a civil war in the South, not just an aggression from the North” (p. 131).
In the meantime Holbrooke tried to perform his private life, chasing women, playing tennis and smoking pot with his friend Anthony (“Tony”) Lake, the later head of national security (p. 120). Packer presents some other information as well, like Nixon’s collusion in 1968 with a foreign power, the South Vietnamese regime. His aim was to torpedo the negotiations with Hanoi to help him win the upcoming elections. LBJ and his Vice, Hubert Humphrey found out about this scheme but kept quiet (p. 138).
Of course, the war went on and the last American had to leave Saigon in 1975. The incursions by the Khmer Rouge regime into Vietnamese territory triggered the Vietnamese led ouster of this brutal regime from Pnom Penh in 1979. This went counter to Chinese interests who were aligned with the Khmer Rouge and started “a lesson” to the Vietnamese by waging a war against the northern frontier of Vietnam resulting in tens of thousands of death. Packer doesn’t forget to remind us that the then Democratic advisor to President Carter, Zbigniev Brzezinski, praised the Chinese leader, Deng Xiaoping, for this “lesson” (p. 193). Brzezinski even encouraged the Thai authorities to funnel Chinese weapons to the Khmer Rouge fighters in the refugee camps. The US continued to recognize the genocidal regime for its seat in the UN and refused to apply the term genocide for the murder of one sixth of the Khmer population (p. 198).
Under Reagan US policies changed: “Roll back communism through dirty little wars…. If you wanted to send troops into combat, do it in a country the size of Grenada” (p. 210), referring to Reagan’s intervention on this tiny Caribbean island.
During Republican administrations Holbrooke was employed by big banks who used his knowledge for their lobbying purposes. Holbrooke earned millions this way without any real work. His political convictions turned somewhat to the right. He thought Democratic activists were pulling the party too far to the left. Instead he criticized Reagan from the right by supporting to arm anti-Communists in Afghanistan and Nicaragua (p.210). Packer defines him as an “American exceptionalist, somewhere trying to position himself between the hawks and the doves” (p.211).

Part Two: Bosnia
In the early nineties with Bill Clinton in office, Holbrooke gets a new assignment oversees: Bosnia. In the internecine war in the former Yugoslavia Holbrooke takes the side of the Muslims and opposes the arms embargo endorsed by the UN. He wants the Bosnian Muslims being able “to defend themselves” (p. 298), asking for “NATO airpower and American ground troops” to intervene on the side of the Muslims (p. 302). That’s in line with his general support of NATO’s expansion into the former eastern bloc (p. 309), this despite his admiration for Kissinger who objected to the Eastern expansion fearing to provoke “old Russian paranoia” (p. 399). Packer concludes Holbrooke’s “doctrine risked becoming a kind of liberal imperialism” (p. 399).
For the Balkans Holbrooke favors “a wider war” in 1994 (p. 323). He sees his job as ending the war on mainly the Muslim terms. He meets all three presidents (Izetbegovic, Tudjman, Milosevic) and declares Milosevic, who he calls Slobo, “by far the most fun” (p. 327), although Packer describes Milosevic and his wife, Mira, as “monsters” (p.328). Izetbegovic, who Holbrooke calls Izzy, is described as a “moderate Islamist” (p. 353). Tudjman is described as a descendent of the Ustashe, the Croat fascists of the thirties aligned with the German Nazis.
Holbrooke’s hawkish advise finally convinced Bill Clinton “to punish the Serbs” (p. 354), and Milosevic relinquished, who disliked the Bosnian Serb leaders Karadcic and Mladic anyway: “They are not my friends. They are shit” (p. 356). Holbrooke had to deceive all three presidents “but he bluffed Milosevic more than the others” (p. 357).
Other details: Holbrooke had some favorite journalists he could leak information to, Roger Cohen of the Times and Christiane Amanpour of CNN. Bill Clinton disliked Madeleine Albright who he thought was “not up to the job. She’ll fuck me every time she can” (p. 403). Holbrooke liked Hillary Clinton because she was tougher than Bill, “more comfortable with military force” (p. 430), but he didn’t get along with Susan Rice, only with Samantha Power (p. 431). Holbrooke suffered from afib and had to be cardioverted several times (p. 423).

Part Three: Afghanistan
Holbrooke’s final assignment, now under President Obama, was the conflict in Afghanistan. One of his more dovish aids there was a former member of the leftist Students for Democratic Society (SDS), Barney Rubin, now a professor who once had been arrested while protesting Vietnam (p. 460). Rubin believed that peace required a settlement with the Taliban (p. 461). Both men believed that the experience of Vietnam should be applied to Afghanistan but neither Obama, who didn’t like competitive personalities, nor Secretary of State, Hillary Clinton, wanted to listen. For Obama Vietnam was “ancient history” (p. 472). Hillary explained that “they don’t think they have anything to learn from Vietnam” (p. 473). Packer continues that Hillary “didn’t want to hear of peace talks, neither did the military, neither did the White House” (p. 498).
Holbrooke tried to work against the corruption of the Kabul regime under Karzai but to no avail, and in Washington he got nowhere either. He tried to establish a contact with a Taliban leader but in the middle of his efforts he suffered an aortic dissection. The ripped aorta triggered the force of his heart pounding blood under immense pressure through the stressed and weakened aneurysm tearing a whole in the aorta’s inner layer, and as blood streamed between the layers the torn flaps blocked the flow to the spinal arteries, and his lower half was cut off (p. 549). He was buried in December 2010.

Conclusion
The book is worthwhile reading despite its length of almost 600 pages. It reminds us of the follies with regard to the illegitimate war against Vietnam, the “liberal imperialist” involvement in the former Yugoslavia, and the failed attempt to pacify Afghanistan. It provides us with a lot of details of these conflicts, lets us understand the motivations of the acting politicians, including their love lives. Politically, the author seems to go along with his object’s course that led him to be Hillary Clinton’s best friend.


Tom Hayden: Ukraine – Anvil of the New Cold War

To understand the present crisis over downed Malaysian flight MH17, we need to look at the roots of the new Cold War.
Tom Hayden
July 21, 2014

The Cold War is perhaps not even remembered by this generation of Americans, beyond dim and distorted traces. Yes, the power alignments in the world have shifted, for example, by the rise of the BRICS and their opposition to Western finance capital. And yes, the rise of China offsets the demise of the old Soviet Union. The Vatican is no longer battling “godless communism.” Communism itself is a spent force.
But no new global paradigm has come to dominance and, in that vacuum, the old Cold War premises arise to fill the chatter-boxes of our media and cultural mentality.
Ukraine is the anvil on which the new Cold War thinking is heating up.
It’s impossible to understand the roots of the current Ukraine crisis over the downed airliner without understanding the past, but the past is remembered as cliché on all sides. We can agree, however, that the “new” Cold War began when Western strategists sought to expand their sphere of influence all the way eastward across the Ukraine to Russia’s border. That push, which seemed like the spoils of Cold War victory to the Western triumphalists, ignored two salient realities. First, eastern Ukraine was inhabited by millions of people who identified with Russia’s language, culture and political orientation. Second, since it was believed that the Soviet Union was “defeated”, the assumption was that Russia lacked the will and capacity to fight back. Though both assumptions were proven wrong on the battlefield in Georgia in 2008, the machinery of the West never stopped churning and expanding.
Eventually, Russia took back Crimea by force, in an offensive that was entirely predictable but seemed to shock the Western mind. Ukraine was broken along historic ethnic lines. For a brief moment, it appeared that a power-sharing arrangement might be negotiated. There was no reason that Putin would send Russian troops to war over the eastern Ukraine if peaceful coexistence was achievable. Putin accepted the ascension of a new pro-Western elected president in Kiev and called for a cease-fire and political settlement. But as often happens in proxy wars, the proxies drove the dynamics. Ukraine’s army marched east, claiming a sovereignty that the Russian-speakers refused to accept. Putin’s allies—the so-called “pro-Russian separatists”—refused to surrender and complained loudly that the Russians weren’t giving them enough support.
In the Western narrative, these Russian-speakers weren’t really Ukrainian at all, or they were Russians in disguise, or pawns of Moscow. That designation humiliated and angered them. In the Western PR offensive, the Russians trained them, advised them and perhaps even directed them to shoot down the airliner. And, of course, those alleged Russian agents were carrying out the orders of the Kremlin. Putin is hardly wrong when he says the catastrophe would not have happened if his calls for a cease-fire were heeded. Instead, a ten-day cease-fire was terminated by Kiev on June 10, surely with US support. No one has asked whether the US government lobbied with Kiev to extend the cease-fire instead of pressing their offensive eastward. The New York Times reported that “Ukraine’s President, Petro O. Poroshenko, let the latest cease-fire lapse and ordered his military to resume efforts to crush the insurrection by force.” If he had extended the cease-fire instead, the plane would not have been shot down.
It is insane for anyone to believe that Putin would want to shoot down a plane carrying over 200 hundred Europeans at a time when the European Union was debating whether to join the United States in imposing harsh sanctions on Moscow. What makes more sense is that no one in an official capacity anywhere wants to take the blame for an unplanned moral, political and diplomatic catastrophe. If Putin bears responsibility for the chain of escalation, so does Kiev and the West. In the meantime, the West will continue freezing its Cold War position and Ukraine’s armed forces will take their war towards the Russian border unless higher authorities restrain them. No one has asked if Western forces are advising or embedded with the Ukrainian military. Either way, the Kiev fighters can advance all they desire, but they cannot pacify the east or predict Russia’s next move. If they march into a trap, will the US feel obligated to dig them out?
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The inevitable tightening of Western sanctions will push Russia to exploit the economic contradictions between the United States and European nations like Germany, and make Moscow increase its links with the BRICS countries, especially the Chinese powerhouse. As a sign of Russia’s trajectory, just before the airliner shootdown, Putin visited Latin America, where he promptly forgave 90 percent of Cuba’s $32 billion massive debt to the Russians, ending a two-decade dispute. Then Putin toured six countries and sat down to dinner with four Latin American presidents. The irony barely was noticed. The purpose of the 1960 US policy towards Cuba was to separate the island from the Soviet sphere of interest. Now it is the United States which is increasingly isolated diplomatically in its “backyard” while Cuba is secure in a new Latin America with Russian support. If Cold War thinking prevails, the Obama administration will continue funding illegal “democracy programs” aimed at subverting the Cuban state. That could persuade some in the Cuban leadership to resist normalization with the States, continuing a Cold War standoff of many decades.
Meanwhile, on the other side of the planet, America’s heralded new “pivot” to China is stalled in deep contradictions. Lacking any alternative to the Cold War model, the US is dangerously close to fighting two.
The question for progressives is how to construct a compelling alternative to the Cold War model as much of the world slides towards a new Dark Age of class struggle, climate crisis and religious fundamentalism appearing on many continents.

Read Next: Stephen Cohen on the silence of American hawks about Kiev’s atrocities
Tom Hayden
July 21, 2014

http://www.thenation.com/article/180737/ukraine-anvil-new-cold-war#

Stephen Cohen: The Silence of American Hawks About Kiev’s Atrocities

The regime has repeatedly carried out artillery and air attacks on city centers, creating a humanitarian catastrophe—which is all but ignored by the US political-media establishment.
Stephen F. Cohen
June 30, 2014

Editor’s note: This article was updated on July 7 and July 17.
For months, the US-backed regime in Kiev has been committing atrocities against its own citizens in southeastern Ukraine, regions heavily populated by Russian-speaking Ukrainians and ethnic Russians. While victimizing a growing number of innocent people, including children, and degrading America’s reputation, these military assaults on cities, captured on video, are generating intense pressure in Russia on President Vladimir Putin to “save our compatriots.” Both the atrocities and the pressure on Putin have increased even more since July 1, when Kiev, after a brief cease-fire, intensified its artillery and air attacks on eastern cities defenseless against such weapons.
The reaction of the Obama administration—as well as the new cold-war hawks in Congress and in the establishment media—has been twofold: silence interrupted only by occasional statements excusing and thus encouraging more atrocities by Kiev. Very few Americans (notably, the scholar Gordon Hahn) have protested this shameful complicity. We may honorably disagree about the causes and resolution of the Ukrainian crisis, the worst US-Russian confrontation in decades, but not about deeds that have risen to the level of war crimes.
* * *
In mid-April, the new Kiev government, predominantly western Ukrainian in composition and outlook, declared an “anti-terrorist operation” against a growing political rebellion in the Southeast. At that time, the rebels were mostly mimicking the initial Maidan protests in Kiev in 2013—demonstrating, issuing defiant proclamations, occupying public buildings and erecting defensive barricades—before Maidan turned ragingly violent and, in February, overthrew Ukraine’s corrupt but legitimately elected president, Viktor Yanukovych. (The entire Maidan episode, it will be recalled, had Washington’s enthusiastic political, and perhaps more tangible, support.) Indeed, the precedent for seizing official buildings and demanding the allegiance of local authorities had been set even earlier, in January, in western Ukraine—by pro-Maidan, anti-Yanukovych protesters, some declaring “independence” from his government. Reports suggest that even now some cities in central and western Ukraine, regions almost entirely ignored by international media, are controlled by extreme nationalists, not Kiev.
Considering those preceding events, but above all the country’s profound historical divisions, particularly between its western and eastern regions—ethnic, linguistic, religious, cultural, economic and political—the rebellion in the southeast, centered in the industrial Donbass, was not surprising. Nor were its protests against the unconstitutional way (in effect, a coup) the new government had come to power, the southeast’s sudden loss of effective political representation in the capital and the real prospect of official discrimination. But by declaring an “anti-terrorist operation” against the new protesters, Kiev signaled its intention to “destroy” them, not negotiate with them.
On May 2, in this incendiary atmosphere, a horrific event occurred in the southern city of Odessa, awakening memories of Nazi German extermination squads in Ukraine and other Soviet republics during World War II. An organized pro-Kiev mob chased protesters into a building, set it on fire and tried to block the exits. Some forty people, perhaps more, perished in the flames or were murdered as they fled the inferno. A still unknown number of other victims were seriously injured.
Members of the infamous Right Sector, a far-right paramilitary organization ideologically aligned with the ultranationalist Svoboda party—itself a constituent part of Kiev’s coalition government—led the mob. Both are frequently characterized by knowledgeable observers as “neo-fascist” movements. (Hateful ethnic chants by the mob were audible, and swastika-like symbols were found on the scorched building.) Kiev alleged that the victims had themselves accidentally started the fire, but eyewitnesses, television footage and social media videos told the true story, as they have about subsequent atrocities.
Instead of interpreting the Odessa massacre as an imperative for restraint, Kiev intensified its “anti-terrorist operation.” Since May, the regime has sent a growing number of armored personnel carriers, tanks, artillery, helicopter gunships and warplanes to southeastern cities, among them, Slovyansk (Slavyansk in Russian), Mariupol, Krasnoarmeisk, Kramatorsk, Donetsk and Luhansk (Lugansk in Russian). When its regular military units and local police forces turned out to be less than effective, willing or loyal, Kiev hastily mobilized Right Sector and other radical nationalist militias responsible for much of the violence at Maidan into a National Guard to accompany regular detachments—partly to reinforce them, partly, it seems, to enforce Kiev’s commands. Zealous, barely trained and drawn mostly from central and western regions, Kiev’s new recruits have escalated the ethnic warfare and killing of innocent civilians. (Episodes described as “massacres” soon also occurred in Mariupol and Kramatorsk.)
Initially, the “anti-terrorist” campaign was limited primarily, though not only, to rebel checkpoints on the outskirts of cities. Since May, however, Kiev has repeatedly carried out artillery and air attacks on city centers that have struck residential buildings, shopping malls, parks, schools, kindergartens, hospitals, even orphanages. More and more urban areas, neighboring towns and villages now look and sound like war zones, with telltale rubble, destroyed and pockmarked buildings, mangled vehicles, the dead and wounded in streets, wailing mourners and crying children. Conflicting information from Kiev, local resistance leaders and Moscow, as well as Washington’s silence, make it difficult to estimate the number of dead and wounded noncombatants, but Kiev’s mid-July figure of about 2,000 is almost certainly too low. The number continues to grow due also to Kiev’s blockade of cities where essential medicines, food, water, fuel and electricity are scarce, and where wages and pensions are often no longer being paid. The result is an emerging humanitarian catastrophe.
Another effect is clear. Kiev’s “anti-terrorist” tactics have created a reign of terror in the targeted cities. Panicked by shells and mortars exploding on the ground, menacing helicopters and planes flying above and fear of what may come next, families are seeking sanctuary in basements and other darkened shelters. Even The New York Times, which like the mainstream American media generally has deleted the atrocities from its coverage, described survivors in Slovyansk “as if living in the Middle Ages.” Meanwhile, an ever-growing number of refugees, disproportionately women and traumatized children, have been desperately fleeing the carnage. In late June, the UN estimated that as many as 110,000 Ukrainians had fled across the border to Russia, where authorities said the actual numbers were much larger, and about half that many to other Ukrainian sanctuaries. By mid-July, roads and trains were filled with refugees from newly besieged Luhansk and Donetsk, a city of one million and already “a ghostly shell.”
It is true, of course, that anti-Kiev rebels in these regions are increasingly well-armed (though lacking the government’s arsenal of heavy and airborne weapons), organized and aggressive, no doubt with some Russian assistance, whether officially sanctioned or not. But calling themselves “self-defense” fighters is not wrong. They did not begin the combat; their land is being invaded and assaulted by a government whose political legitimacy is arguably no greater than their own, two of their large regions having voted overwhelmingly for autonomy referenda; and, unlike actual terrorists, they have not committed acts of war outside their own communities. The French adage suggested by an American observer seems applicable: “This animal is very dangerous. If attacked, it defends itself.”
* * *
Among the crucial questions rarely discussed in the US political-media establishment: What is the role of the “neo-fascist” factor in Kiev’s “anti-terrorist” ideology and military operations? Putin’s position, at least until recently—that the entire Ukrainian government is a “neo-fascist junta”—is incorrect. Many members of the ruling coalition and its parliamentary majority are aspiring European-style democrats or moderate nationalists. This may also be true of Ukraine’s newly elected president, the oligarch Petro Poroshenko, though his increasingly extreme words and deeds since being inaugurated on June 7—he has called resisters in the bombarded cities “gangs of animals” and vowed to take “hundreds of their lives for each life of our servicemen”—collide with his conciliatory image drafted by Washington and Brussels. Equally untrue, however, are claims by Kiev’s American apologists, including some academics and liberal intellectuals, that Ukraine’s neo-fascists—or perhaps quasi-fascists—are merely agitated nationalists, “garden-variety Euro-populists,” a “distraction” or lack enough popular support to be significant. (A Council on Foreign Relations specialist even assured Wall Street Journal readers that these extremists are among Kiev’s “good guys.”)
Independent Western scholars have documented the fascist origins, contemporary ideology and declarative symbols of Svoboda and its fellow-traveling Right Sector. Both movements glorify Ukraine’s murderous Nazi collaborators in World War II as inspirational ancestors. Both, to quote Svoboda’s leader Oleh Tyahnybok, call for an ethnically pure nation purged of the “Moscow-Jewish mafia” and “other scum,” including homosexuals, feminists and political leftists. (Not surprisingly, physical attacks on Kiev’s LGBT community are increasing, and on July 5 authoritieis in effect banned a Gay Pride parade.) And both organizations hailed the Odessa massacre. According to the website of Right Sector leader Dmytro Yarosh, it was “another bright day in our national history.” A Svoboda parliamentary deputy added, “Bravo, Odessa…. Let the Devils burn in hell.” If more evidence is needed, in December 2012, the European Parliament decried Svoboda’s “racist, anti-Semitic and xenophobic views [that] go against the EU’s fundamental values and principles.” In 2013, the World Jewish Congress denounced Svoboda as “neo-Nazi.” Still worse, observers agree that Right Sector is even more extremist.
Nor do electoral results tell the story. Tyahnybok and Yarosh together received less than 2 percent of the May presidential vote, but historians know that in traumatic times, when, to recall Yeats, “the center cannot hold,” small, determined movements can seize the moment, as did Lenin’s Bolsheviks and Hitler’s Nazis. Indeed, Svoboda and Right Sector already command power and influence far exceeding their popular vote. “Moderates” in the US-backed Kiev government, obliged to both movements for their violence-driven ascent to power, and perhaps for their personal safety, rewarded Svoboda and Right Sector with some five to eight (depending on shifting affiliations) top ministry positions, including ones overseeing national security, military, prosecutorial and educational affairs. Still more, according to the research of Pietro Shakarian, a remarkable young graduate student at the University of Michigan, Svoboda was given five governorships, covering about 20 percent of the country. And this does not take into account the role of Right Sector in the “anti-terrorist operation.”
Nor does it consider the political mainstreaming of fascism’s dehumanizing ethos. In December 2012, a Svoboda parliamentary leader anathematized the Ukrainian-born American actress Mila Kunis as “a dirty kike.” Since 2013, pro-Kiev mobs and militias have routinely denigrated ethnic Russians as insects (“Colorado beetles,” whose colors resemble a sacred Russia ornament). On May 9, at the annual commemoration of the Soviet victory over Nazi Germany, the governor of one region praised Hitler for his “slogan of liberating the people” in occupied Ukraine. More recently, the US-picked prime minister, Arseniy Yatsenyuk, referred to resisters in the Southeast as “subhumans.” His defense minister proposed putting them in “filtration camps,” pending deportation, and raising fears of ethnic cleansing. Yulia Tymoshenko—a former prime minister, titular head of Yatsenyuk’s party and runner-up in the May presidential election—was overheard wishing she could “exterminate them all [Ukrainian Russians] with atomic weapons.” “Sterilization” is among the less apocalyptic official musings on the pursuit of a purified Ukraine.
Confronted with such facts, Kiev’s American apologists have conjured up another rationalization. Any neo-fascists in Ukraine, they assure us, are far less dangerous than Putinism’s “clear aspects of fascism.” The allegation is unworthy of serious analysis: however authoritarian Putin may be, there is nothing authentically fascist in his rulership, policies, state ideology or personal conduct.
Indeed, equating Putin with Hitler, as eminent Americans from Hillary Clinton and Zbigniew Brzezinski to George Will have done, is another example of how our new cold warriors are recklessly damaging US national security in vital areas where Putin’s cooperation is essential. Looking ahead, would-be presidents who make such remarks can hardly expect to be greeted by an open-minded Putin, whose brother died and father was wounded in the Soviet-Nazi war. Moreover, tens of millions of today’s Russians whose family members were killed by actual fascists in that war will regard this defamation of their popular president as sacrilege, as they do the atrocities committed by Kiev.
* * *
And yet, the Obama administration reacts with silence, and worse. Historians will decide what the US government and the “democracy promotion” organizations it funds were doing in Ukraine during the preceding twenty years, but much of Washington’s role in the current crisis has been deeply complicit. As the Maidan mass protest against President Yanukovych developed last November-December, Senator John McCain, the high-level State Department policymaker Victoria Nuland and a crew of other US politicians and officials arrived to stand with its leaders, Svoboda’s Tyahnybok in the forefront, and declare, “America is with you!” Nuland was then caught on tape plotting with the American ambassador, Geoffrey Pyatt, to oust Yanukovych’s government and replace him with Yatsenyuk, who soon became, and remains, prime minister.
Meanwhile, President Obama personally warned Yanukovych “not to resort to violence,” as did, repeatedly, Secretary of State John Kerry. But when violent street riots deposed Yanukovych—only hours after a European-brokered, White House–backed compromise that would have left him as president of a reconciliation government until new elections this December, possibly averting the subsequent bloodshed—the administration made a fateful decision. It eagerly embraced the outcome. Obama personally legitimized the coup as a “constitutional process,” inviting Yatsenyuk to the White House. The United States has been at least tacitly complicit in what followed, from Putin’s hesitant decision in March to annex Crimea and the rebellion in southeastern Ukraine, to the ongoing civil war and Kiev’s innocent victims.
How intimately involved US officials have been in Kiev’s “anti-terrorist operation” is not known, but certainly the administration has not been discreet. Before and after the military campaign began in earnest, Kerry, CIA director John Brennan and Vice President Joseph Biden (twice) visited Kiev, followed, it is reported, by a continuing flow of “senior US defense officials,” military equipment and financial assistance to the bankrupt Kiev government. Indeed, American “advisers” are now “embedded” in the Ukrainian Defense Ministry. Despite this essential support, the White House has not compelled Kiev to investigate either the Odessa massacre or the fateful sniper killings of scores of Maidan protesters and policemen on February 18–20, which precipitated Yanukovych’s ouster. (The snipers were initially said to be Yanukovych’s, but evidence later appeared pointing to opposition extremists, possibly Right Sector. Unlike Washington, the Council of Europe has been pressuring Kiev to investigate both events.)
As atrocities and humanitarian disaster grow in Ukraine, both Obama and Kerry have all but vanished as statesmen. Except for periodic banalities asserting the virtuous intentions of Washington and Kiev and alleging Putin’s responsibility for the violence, they have left specific responses to lesser US officials. Not surprisingly, all have told the same Manichean story, from the White House to Foggy Bottom. The State Department’s neocon missionary Nuland, who spent several days at Maidan, for example, assured a congressional committee that she had no evidence of fascist-like elements playing any role there. Ambassador Pyatt, who earlier voiced the same opinion about the Odessa massacre, was even more dismissive, telling obliging New Republic editors that the entire question was “laughable.”
Still more shameful, no American official at any level appears to have issued a meaningful statement of sympathy for civilian victims of the Kiev government, not even those in Odessa. Instead, the administration has been unswervingly indifferent, tacitly endorsing Kiev’s preposterous claims that its innocent bombing victims were killed by Russian or “separatist” forces, as it did again on July 15, when at least eleven people died in an apartment building. When asked again and again if her superiors had “any concerns” about the casualties of Kiev’s military campaign, State Department spokeswoman Jen Psaki has repeatedly answered “no.” Even worse, the German, French and Russian foreign ministers having urged Poroshenko to extend the ceasefire, his decision instead to intensify Kiev’s military campaign was clearly taken with the encouragement or support of the Obama administration.
Indeed, at the UN Security Council on May 2, US Ambassador Samantha Power, referring explicitly to the “counterterrorism initiative” and suspending her revered “Responsibility to Protect” doctrine, gave Kiev’s leaders a US license to kill. Lauding their “remarkable, almost unimaginable, restraint,” as Obama himself did after Odessa, she continued, “Their response is reasonable, it is proportional, and frankly it is what any one of our countries would have done.” (Since then, the administration has blocked Moscow’s appeal for a UN humanitarian corridor between southeastern Ukraine and Russia.)
Contrary to the incessant administration and media demonizing of Putin and his “agents” in Ukraine, the “anti-terrorist operation” can be ended only where it began—in Washington and Kiev. Leaving aside how much power the new president actually has in Kiev (or over Right Sector militias in the field), Poroshenko’s “peace plan” and June 21 cease-fire may have seemed such an opportunity, except for their two core conditions: fighters in the southeast first had to “lay down their arms,” and he alone would decide with whom to negotiate peace. The terms seemed more akin to conditions of surrender, and were probably the real reason Poroshenko unilaterally ended the cease-fire on July 1 and intensified Kiev’s assault on eastern cities, initially on the smaller towns of Slovyansk and Kramatorsk, which their defenders abandoned—to prevent more civilian casualities, they said—on July 5–6.
The Obama administration continues to make the situation worse. Despite opposition by several NATO allies and even American corporate heads, the president and his secretary of state, who has spoken throughout this crisis more like a secretary of war than the nation’s top diplomat, have constantly threatened Russia with harsher economic sanctions unless Putin meets one condition or another, most of them improbable. On June 26, Kerry even demanded (“literally”) that the Russian president “in the next few hours…help disarm” resisters in the Southeast, as though they are not motivated by any of Ukraine’s indigenous conflicts but are merely Putin’s private militias. On July 16, Obama imposed more U.S. sanctions, which will be politically difficult to remove and thus will serve only to deepen and prolong the New Cold War. And the tragic shoot-down of a Malaysian airliner over Ukraine, on July 17, makes everything even more perilous.

In fact, from the onset of the crisis, the administration’s actual goal has been unclear, and not only to Moscow. Is it a negotiated compromise, which would have to include a Ukraine with a significantly federalized or decentralized state free to maintain longstanding economic relations with Russia and banned from NATO membership? Is it to bring the entire country exclusively into the West, including into NATO? Is it a long-simmering vendetta against Putin for all the things he purportedly has and has not done over the years? (Some behavior of Obama and Kerry, seemingly intended to demean and humiliate Putin, suggest an element of this.) Or is it to provoke Russia into a war with the United States and NATO in Ukraine?
Inadvertent or not, the latter outcome remains all too possible. After Russia annexed—or “reunified” with—Crimea in March, Putin, not Kiev or Washington, has demonstrated “remarkable restraint.” But events are making it increasingly difficult for him to do so. Almost daily, Russian state media, particularly television, have featured vivid accounts of Kiev’s military assaults on Ukraine’s eastern cities. The result has been, both in elite and public opinion, widespread indignation and mounting perplexity, even anger, over Putin’s failure to intervene militarily.
We may discount the following indictment by an influential ideologist of Russia’s own ultra-nationalists, who have close ties with Ukraine’s “self-defense” commanders: “Putin betrays not just the People’s Republic of Donetsk and the People’s Republic of Lugansk but himself, Russia and all of us.” Do not, however, underestimate the significance of an article in the mainstream pro-Kremlin newspaper Izvestia, which asked, while charging the leadership with “ignoring the cries for help,” “Is Russia abandoning the Donbass?” If so, the author warned, the result will be “Russia’s worst nightmare” and relegate it to “the position of a vanquished country.”
Just as significant were similar exhortations by Gennady Zyuganov, leader of Russia’s Communist Party, the second-largest in the country and in parliament. The party also has substantial influence in the military-security elite and even in the Kremlin. Thus, one of Putin’s own aides publicly urged him to send fighter planes to impose a “no-fly zone”—an American-led UN action in Qaddafi’s Libya that has not been forgotten or forgiven by the Kremlin—and destroy Kiev’s approaching aircraft and land forces. If that happens, US and NATO forces, now being built up in Eastern Europe, might well also intervene, creating a Cuban missile crisis–like confrontation. As a former Russian foreign minister admired in the West reminds us, there are “hawks on both sides.”
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More recently, Kiev’s stepped-up assaults on eastern Ukrainian citizens, the fall of Slovyansk and other small shattered cities, and the repeated shelling of Russia’s own bordering territory, which killed a resident on July 13, have fueled more outrage in Putin’s own establishment over his military inaction. The dean of Moscow State University’s School of Television, a semi-official position, even suggested that the Kremlin was part of “a strange conspiracy of silence” with Western governments to conceal the number of Kiev’s innocent victims. He warned that “those who permit murderers to win…automatically have the blood of peaceful citizens on their hands.” And the state’s leading television news network demanded that the Kremlin take immediate military action, repeating the call for a “no-fly zone.”
Little of this is even noted in the United States. In a democratic political system, the establishment media are expected to pierce the official fog of war. In the Ukrainian crisis, however, mainstream American newspapers and television have been almost as slanted and elliptical as White House and State Department statements, obscuring the atrocities, if reporting them at all, and generally relying on information from Washington and Kiev. Why, for example, have The New York Times, The Washington Post and major television networks not reported regularly from eastern Ukraine’s war-ravaged cities, instead of from Moscow and Kiev? Most Americans are thereby being shamed, unknowingly, by the Obama administration’s role. Those who do know but remain silent—in the government, media, think tanks, and universities—share its complicity.
Stephen F. Cohen
June 30, 2014

http://www.thenation.com/article/180466/silence-american-hawks-about-kievs-atrocities