„Feindbild Israel – Antisemitische Stereotype im Nahostkonflikt“

Am Abend des 15. Mai referierte Dr. jur. Tilman Tarach in den Räumen der Universität Rostock zum Thema: „Feindbild Israel – Antisemitische Stereotype im Nahostkonflikt“. Den rund 50 Teilnehmern an unserer Veranstaltung legte der Autor des Bandes „Der ewige Sündenbock“ (4. Aufl. 2011) in anschaulicher Weise das Fortleben des Antisemitismus in Gestalt des Antiisraelismus dar.


Seitdem sich vor 64 Jahren die neugegründete israelische Republik – durch „die beiden bedeutsamsten Beteiligten der Anti-Hitler-Koalition, nämlich die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten“ am 15. Mai 1948 diplomatisch anerkannt – ihre Souveränität gegen die Aggressionshandlungen fünfer arabischer Staaten erfolgreich verteidigte, gebe es – so Tarach – in Deutschland keine Antisemiten mehr, sondern „nur noch Israelkritiker“. So würde Hitler heute durchaus „keine NSDAP gründen, sondern möglicherweise ein Palästina-Solidaritäts-Komitee, und Goebbels würde nicht den totalen Krieg proklamieren, sondern den totalen Frieden mit dem iranischen Mullah-Regime“, so wie Günter Grass es kürzlich getan habe. In diesem Kontext erinnerte Tarach daran, dass bereits Hitler „nicht nur bekennender Antisemit war, sondern auch bekennender und praktizierender Antizionist, im Grunde ein Israelkritiker ante datum“, und dass sich der Schulterschluss zwischen Nazis und Muslimbrüdern 1948/49 in dem ersten arabischen Versuch, Israel auszulöschen, fortsetzte. 1941 hatte Hitler postuliert: „Der Versuch, einen Judenstaat zu gründen, wird ein Fehlschlag sein“.


Über das Verhältnis der zeitgemäßen Antisemiten zu ihrem aktuellen Hoffnungsträger, der Islamischen „Republik“ Iran, deren Repräsentanten offen und unverhüllt die Vernichtung der jüdischen Republik propagieren, führte Tarach aus:


„Mit Gleichgültigkeit oder mit klammheimlicher Freude akzeptieren sie eine Atomwaffe für ein Regime, das schon bisher europäische Staatsbürger mit dem Tode bedroht – wie den britischen Staatsbürger Salman Rushdie, dessen japanischer Übersetzer in Folge der Fatwa ermordet wurde; ein Regime, welches iranische Oppositionelle auch im Ausland ermordet, unter anderem im Berliner Restaurant Mykonos; ein in Köln lebender iranischer Musiker musste wegen einer Morddrohung per Fatwa aus dem Iran erst vor einigen Tagen untertauchen, weil der deutsche Staat ihn im Stich lässt; ein Regime, das jede Freiheitsbewegung im eigenen Land niederknüppelt, Schwule aufhängt, und die etwa 300.000 iranischen Angehörigen der Bahai-Religion in einer Art und Weise verfolgt, die tatsächlich vergleichbar ist mit der Verfolgung der Juden unter den Nazis in den 1930er Jahren. Ein Regime, das beispielsweise 1994 den mörderischen Anschlag auf ein jüdisches Zentrum in Buenos Aires zu verantworten hat, der 85 Menschen das Leben kostete. Ein Regime schließlich, welches die Hisbollah und die Hamas mit Geld und Waffen ausstattet, damit das Ziel eines judenfreien Nahen Ostens Wirklichkeit wird.“


„Was meinen Sie“, gab Tarach zu bedenken, „wie diese Finsterlinge und ihre Stellvertreter erst agieren werden, wenn sie Nuklearwaffen haben?“


Als eine „besonders üble Verleumdung“ wertete Tarach Grass‘ Insinuation, Israel erwäge einen nuklearen Angriff auf den Iran. Diese Lüge entspreche „der klassischen antisemitischen Vertauschung von Opfer und Täter. Es gehört zum uralten Standardrepertoire der Judenhasser, die Juden als Angreifer zu halluzinieren, wie beispielsweise auch die Nazi-Parole ‚Wehrt Euch, kauft nicht bei Juden‘ zeigt.“ Sodann dekonstruierte Tarach am Beispiel der Äußerungen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Dr. Norbert Nieszery, der Grass‘ Verleumdung als „sachliche Kritik an Israel“ bezeichnet hatte, zwei Propagandaschlagwörter: das des ‚Rechtes auf Israelkritik‘ und jenes der ‚besonderen deutschen Verantwortung‘ für die Lösung des Nahostkonflikts. Das ‚Recht auf Israelkritik‘ erweise sich „als Forderung, üble Verleumdungen gegen den jüdischen Staat verbreiten zu dürfen. Und zwar unwidersprochen verbreiten zu dürfen, denn wer das Wort erhebt gegen diese sich als verfolgte Unschuld präsentierenden Leute, der will ja, so heißt es dann, Israelkritiker mittels der Antisemitismuskeule zum Schweigen bringen.“ Im Hinblick auf Nieszerys Postulat, „auch – vielleicht sogar besonders – als Deutscher“ vor einer israelischen Bedrohung des Weltfriedens zu warnen, wie Grass es tat, bemerkte der Referent:


„Diese Leute erinnern an Familienväter, die ihre Kinder prügeln und dabei stets betonen, nur das Beste zu wollen. Glücklicherweise sind die Deutschen aber nicht die Erziehungsberechtigten des jüdischen Staates, auch wenn sie sich oft so aufführen.“ Unter Berufung auf die „besondere deutsche Verantwortung für Israel“ sei „noch selten etwas Vernünftiges gesagt worden. Haben Sie schon mal einen dieser deutschen besonders Verantwortlichen davon reden hören, gerade wir als Deutsche dürften zum palästinensischen Judenhass nicht mehr länger schweigen? Es wäre geradezu erfrischend zu hören, man sei doch nur Palästinakritiker, habe aber nichts gegen Muslime, und gerade als Deutscher müsse man schließlich die palästinensische und insgesamt arabische Politik doch wohl noch kritisieren dürfen, ohne deswegen gleich in die philosemitische Ecke gestellt zu werden.“


Summa summarum: „Der besonders verantwortliche Deutsche demonstriert zwar möglicherweise im Rahmen eines ‚Aufstandes der Anständigen‘ gegen die NPD, doch die vom iranischen Regime geförderten Gruppen wie Hamas oder Hisbollah, die den Holocaust mitunter keineswegs leugnen, sondern die ihn nicht selten feiern und erklären, ihn vollenden zu wollen, die lassen ihn kalt. Wer aber über Ahmadinedschad, über die Hamas und die Hisbollah nicht reden will, der sollte zur NPD dann doch besser schweigen.“


In Anbetracht eines „Palästina“-Lobbyismus, der – etwa in Gestalt der antiisraelischen Ausstellung „Nakba“ – mit Unterstützung gerade der deutschen Amtskirchen „einen regelrechten Heimatvertriebenen-Kult“ betreibe, ging Tarach ausführlicher auf den Mythos von einer durch die israelische Staatsgründung verursachten Entrechtung der arabischen Palästinenser ein. Hierbei stellte er heraus, dass die unerfreuliche Situation der außerhalb Israels lebenden Palästinenser „Folge des Angriffskrieges ist, den die arabische Seite 1948 gegen Israel begonnen hatte, mit dem erklärten Ziel, den neugegründeten Staat zu zerstören und die Juden zu töten oder zu vertreiben“. In diesem Zusammenhang machte Tarach darauf aufmerksam, dass der Staat Israel zur neuen Heimat auch für etwa eine Million Juden wurde, die den Judenverfolgungen in den arabischen Staaten entkamen. Über diese „vergessene jüdische Nakba“ stellte er fest:


„Die Gesamtfläche der entschädi­gungslos zurück­gelassenen Grundstücke der Juden in den arabischen Staaten beträgt nach Schät­zungen orientalischer Juden das Vier- bis Fünffache der Fläche Israels. Das mag überraschen, aber bedenken Sie bitte, dass die Fläche Israels gerade einmal 1,5 Promille der Fläche aller Staaten der Arabischen Liga ausmacht.


Den Angriffen auf die Juden der arabischen Welt gingen keine Provokationen voraus; die Juden hatten auch durchaus keinen Krieg gegen diese arabischen Staaten geführt oder propagiert.


Und einige der von der Arabischen Liga koordi­nierten gesetzlichen Maßnahmen lassen sich durchaus mit den Nürnberger Gesetzen vergleichen, was den besonders verantwortlichen Deutschen jedoch nicht weiter kümmert, ebenso wenig wie die UNO.


Seit 1947 wurden zum Nahostkonflikt etwa 700 UN-Resolutionen verabschiedet, mehr als einhundert davon befassen sich direkt oder indirekt mit der angeblichen oder tatsächlichen Not der palästinensischen Flüchtlinge. Nicht eine einzige thematisiert ausdrücklich das Schicksal jüdischer Flüchtlinge aus den arabischen Ländern.“


Tarach verwies auf die Tatsache, dass die über eine Million arabischer Nichtjuden in Israel bürgerliche Rechtsgleichheit genießen, wohingegen Jordanien, der Gazastreifen und die palästinensischen Autonomiegebieten „judenfrei“ seien, was die sogenannten Nahostexperten in Europa nicht kümmere und wogegen wahrscheinlich auch Nieszery, gerade als Deutscher, nichts habe. Nachdem der Referent auch am Beispiel der etwa 680 Raketen und Mörsergranaten, die im Jahr 2011 auf Gemein­den in Südisrael abgefeuert wurden, vor Augen führte, dass der vielfach als Maulheldentum verniedlichte antijüdische Djihadismus fortlaufend das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Juden (aber auch von nichtjüdischen Israelis) bedroht, schloss er mit den Worten:


„… es ist die oft so übel verleumdete israelische Armee, die sich dem entgegenstellt. Ihr Wesen und ihre Aufgabe besteht darin, zu verhindern, dass die Gegner Israels diesem Ziel eines judenfreien Palästinas näherkommen.“


In unmittelbarem Anschluss an den Vortrag kam es zu einer Reihe interessierter, auch kritischer Nachfragen sowie zu einem regen Gedankenaustausch, in dessen Rahmen die Themenkomplexe der Einwanderungs- und Integrationspolitik Israels, die gegenüber Israel seitens einer ‚antinationalistischen‘ Linken an den Tag gelegten Doppelstandards sowie die den Nahostkonflikt und dessen Ideologisierung maßgeblich beeinflussenden Traditionen des islamischen wie des christlichen Antijudaismus erörtert wurden.


Unsere Rostocker Hochschulgruppe betrachtet ihre erste öffentliche Veranstaltung auf dem Campus der Universität Rostock als einen Erfolg, der für uns ein entscheidender Ansporn ist für die Planung von Veranstaltungen in ähnlichem Rahmen noch im Laufe dieses Sommersemesters.


Daniel Leon Schikora


Sprecher der Hochschulgruppe Rostock der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG)